Hohenlohe-ungefiltert hat allen sechs Crailsheimer Oberbürgermeisterkandidaten zwischen zehn und zwölf Fragen gestellt. Die Kandidaten-Interviews werden in der Reihenfolge des Eingangs veröffentlicht. Wilfried Kraft (Grüne) hat als Fünfter geantwortet. Als Einziger nicht geantwortet hat Günther Freisleben (CDU).
Von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert
Bei bisher zwei Wahlveranstaltungen mit Ihrer Beteiligung war die Internetzeitung Hohenlohe-ungefiltert anwesend. In keiner der zwei Veranstaltungen haben Sie konkret dargelegt, warum Sie Ihren bisherigen Job als Sozialpädagoge (derzeit konkret Rechtlicher Betreuer) aufgeben wollen. Warum wollen Sie Ihren bisherigen Job nicht mehr ausüben?
WILFRIED KRAFT: Diese Frage ist mit Verlaub, nicht sonderlich klug gestellt, denn wenn man im Berufsleben steht und für das Oberbürgermeisteramt kandidiert und dann gewählt wird, muss man zwangsweise seinen vorherigen Beruf aufgeben. Ihre Frage ist so ungelenk formuliert, dass sie nur den Schluss zu lässt, dass es nur politisch korrekt wäre, als Arbeitsloser zu kandidieren. Die Kandidatur zum Oberbürgermeister hat mit meinem bisherigen Beruf überhaupt nichts zu tun.
Warum wollen Sie Oberbürgermeister werden – und: warum gerade in Crailsheim? Haben Sie nicht Angst, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt?
Ich möchte OB werden, da mir die Belange der Stadt am Herzen liegen. Warum gerade in Crailsheim? Weil ich hier gerne lebe und weil ich seit Jahren, so weit mir das möglich war, an der Gestaltung der Stadt
mitgewirkt habe und dies auch weiter tun möchte. Ich würde z.B. nicht in Schwäbisch Hall oder Dessau kandidieren, sondern dieses Amt ausschließlich in Crailsheim wahr nehmen. Es kann nicht nachteilig sein, die Sachverhalte lokaler Politik seit Jahren mit verfolgt und z.T. mitgestaltet zu haben. Wenn mich die Wünsche und Probleme Crailsheims nicht interessieren würden, wäre ich nicht seit 15 Jahren kommunalpolitisch tätig. Es geht mir in keiner Weise um einen Karrieresprung oder um finanzielle Belange, sondern vielmehr um die Chance, meine politische Arbeit gezielt fortführen zu können.
Kritiker von Ihnen bemängeln, dass Sie nicht genügend Durchsetzungsvermögen hätten, um sich beim Crailsheimer Gemeinderat mit Ihren Ideen Gehör zu verschaffen. Was werden Sie als Oberbürgermeister tun, um nicht die Marionette des Gemeinderats und der Lobbyisten zu werden?
Wie Sie ja wissen, gibt es die Meinung, dass Crailsheim unregierbar ist. Von daher dürfte ich nicht der einzige sein, der „zur Marionette des Gemeinderates und der Lobbyisten“ zu werden droht. Im Übrigen kann ich Ihnen, und den mir nicht bekannten Kritikern, mit noch so viel Buchstaben erklären, dass dem nicht so sei. Es wird mir nicht geglaubt werden. Solch eine, immerhin unbelegte Aussage, wird im Raum bleiben und weiter leben. Von daher danke. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich in meinem bisherigen beruflichen, ehrenamtlichen und privaten Leben keinerlei Schwierigkeiten damit hatte, – mich durchzusetzen, wenn es nötig war, – meine Meinung zu revidieren, wenn ich falsch lag – oder die Dinge gelassen zu nehmen, wenn die Wichtigkeit nicht so hoch war.
Sie sind bereits seit 15 Jahren für die Unabhängige Grüne Liste Mitglied des Crailsheimer Gemeinderats. Warum sehen Sie nicht die Gefahr, dass Sie in all den Jahren in dem kommunalen Gremium Teil des Systems geworden sind, das im Juni 2009 von Ex-Oberbürgermeister Andreas Raab öffentlich als nahezu nicht mehr arbeitsfähig dargestellt worden ist?
Ich möchte hier nicht die Meinung Herrn Raabs interpretieren. Herr Raab bezeichnete das Gremium als nicht arbeitsfähig. Ich bin da anderer Meinung. Wie sonst hätte man viele Entscheidungen gemeinsam treffen können.
Wie stellen Sie sich als Oberbürgermeister den Umgang mit Kritikern – im Gemeinderat, in der Rathausverwaltung, in der Bürgerschaft, in der lokalen Wirtschaft und in den Medien vor – insbesondere, wenn Sie in der Sache hart angegangen werden?
Sie wiederholen mit dieser Frage diese – nicht belegte – Unterstellung mit der nicht vorhandenen Durchsetzungsfähigkeit. Ich habe einen anderen Stil, weil ich Durchsetzungsfähigkeit nicht als einen Akt des polternden Auftritts sehe, sondern weil Durchsetzungsfähigkeit dann gegeben ist, wenn Ergebnisse erzielt werden, die man sich vorher möglichst gemeinsam gesetzt hat. Wenn mich jemand hart angeht, so kann ich damit umgehen, wenn es sich um sachlich klare Kritik handelt, hier bin ich dann auch lernfähig. Rein persönliche Kritik wird sich über kurz oder lang gegen die Kritiker selbst richten. Ich habe aber Grund
zur Annahme, dass dies, wenn überhaupt, nur in begrenztem Rahmen zu befürchten ist.
Wie wollen Sie es schaffen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Crailsheim ihre Vorbehalte Ihnen als Sozialpädagoge gegenüber abbauen? Was befähigt einen Sozialpädagogen, der Rathauschef einer Großen Kreisstadt mit 33.000 Einwohnern zu werden?
Auch diese Frage geht wieder von einer Unterstellung aus. Ich habe noch niemanden kennengelernt, der mir gegenüber Vorbehalte hatte, weil ich Sozialpädagoge bin. Eher im Gegenteil. Wenn ich mich zu anderen Themen äußere, dann äußere ich mich nicht als Sozialpädagoge und will auch nicht therapeutisch wirksam werden. Wenn ich mich zu anderen Themen äußere, dann habe ich mich in aller Regel ernsthaft und gründlich damit auseinandergesetzt und weiß wovon ich spreche. Dies hat mit meinem Beruf dann wenig zu tun.
Es gibt kein Studium und auch keinen Beruf, der konkret eine Befähigung für das Oberbürgermeisteramt darstellt, vielmehr befähigt einen die bisher erbrachte Lebensleistung. Ich wiederhole mich gerne – ich bin
seit 15 Jahren kommunalpolitisch tätig und engagiere mich in zahlreichen Gremien. Ich verweise diesbezüglich auf meine homepage (www.neue-kraft-fuer-crailsheim.de). Ich denke, ich kann guten Gewissens behaupten, dass mich Crailsheim und seine Bürger interessieren und dass ich keinerlei Verantwortung scheue.
Stichwort Transparenz: Wer finanziert Ihren Wahlkampf (Plakate, Info-Broschüren…) und dergleichen mehr? Wie teuer ist Ihr Wahlkampf? Wie viel Geld bezahlt Ihre Partei – die Grünen, deren Kreisverband Schwäbisch Hall Sie ausdrücklich – zumindest ideell unterstützt? Es geht bei diesen Fragen auch um das Thema Lobbyismus und Abhängigkeiten.
Ich bin in der äußerst glücklichen Lage, ein großes Team an ehrenamtliche Helfern an meiner Seite zu haben, die einen nicht unerheblichen Teil ihrer Freizeit opfern, um mir einen engagierten und kreativen
Wahlkampf zu ermöglichen. Mir fehlen natürlich die finanziellen Mittel, um all diese Leute zu bezahlen. Der Kreisverband der GRÜNEN unterstützt mich mit einer Bürgschaft von 2000 Euro, alle weiteren
Kosten werden von vielen kleinen privaten Spendenbeiträgen getragen und der Rest von mir. Ich kann sagen, dass meine große “Lobby” aus politisch interessierten Menschen aus allen Teilen der Crailsheimer
Bevölkerung besteht, worüber ich mich sehr freue. Transparent genug? Um „Abhängigkeiten“ vorzubeugen, werde ich natürlich im Falle eines Wahlsieges die Bürgschaft nicht in Anspruch nehmen.
Warum haben Sie Ihre Bewerbung erst am letzten Tag abgegeben und sind nicht gleich in die Offensive gegangen, als sich beinahe abzuzeichnen drohte, dass die Crailsheimer OB-Wahl zu einer Jux-Veranstaltung werden würde?
Es war ziemlich klar, dass vor dem Ausgang der Bundestagswahl keine neuen Kandidaten in die Öffentlichkeit gehen. Ich wollte mir zunächst auch anschauen, welche Kandidaten von den anderen
Parteien/Fraktionen kommen und habe auch selbst nach geeigneten Kandidaten Ausschau gehalten. Eventuell hätte man ja auch einen gemeinsamen Kandidaten finden können. Zudem gehörte die Teilnahme an einer OB-Wahl bisher nicht zu meinen Lebenszielen. Deshalb brauchte ich schlicht und einfach Zeit, um das Für und Wider einer Kandidatur abzuwägen. Sollte ich zum OB gewählt werden, wäre dies, wohl unschwer nachvollziehbar, eine große Veränderung in meinem Leben. Ich habe diesen Schritt nach langen Gesprächen mit meiner Frau, meinen Kindern und mir nahe stehenden Personen schließlich gewagt, nachdem alle Zweifel beseitigt waren.
Wo sehen Sie in Crailsheim derzeit die größten Schwächen – was muss zuallererst verändert werden?
Es sind nicht die kleinen oder großen spezifischen „Schwächen“ Crailsheims, die mich zur Kandidatur bewogen haben. Und es gibt auch nichts, was ich „zuallererst“ verändern möchte. Mich reizen eher die
großen Herausforderungen, die sich im Rahmen der Aufgabenstellungen durch die demographische Entwicklung, dem Klimawandel, der Globalisierung und den Herausforderungen in der Bildungspolitik und
den sozialen Auswirkungen daraus für Crailsheim stellen. Es gilt hier die Stärken Crailsheims zu entwickeln und sich frühzeitig auf die kommenden Entwicklungen einzustellen.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass Sie in dem aufreibenden Beruf als Oberbürgermeister nicht frühzeitig ausgebrannt sind wie Ex-Oberbürgermeister Andreas Raab – und vorzeitig in den Ruhestand gehen müssen, was für die Stadt Crailsheim auch mit zusätzlichen Kosten verbunden wäre?
Ich kann auch diese Frage kaum nachvollziehen, da ich schon bisher aufreibende Tätigkeiten ausgeführt habe und mich gegen burn-out zu schützen wusste. Wie wollen Sie sicherstellen, dass Sie sich nicht morgen beide Arme brechen und die Tastatur an Ihrem PC nicht mehr bedienen können, sprich nicht mehr für Hohenlohe-ungefiltert schreiben können, oder eventuell an einer Schreibhemmung leiden. Ich kann natürlich nicht sagen, was das Amt mit mir macht, ob und wie ich mich vielleicht verändere. Was ich aber sagen kann, ist, dass ich sehr viele wohlwollende Kritiker um mich weiß, die mir mit Rat und Tat und fachlicher Kompetenz zur Seite stehen.
Noch immer wissen die Crailsheimer Bürgerinnen und Bürger nicht, welche genauen Hintergründe der Waffendiebstahl im Rathaus hatte und was an den Korruptionsvorwürfen beim Crailsheimer Volksfest dran ist. Werden Sie eine offensive Öffentlichkeitsarbeit machen – nicht nur bei diesen beiden Themen – oder wollen Sie die Bürger nur in kleinen Häppchen über wichtige Dinge informieren? Wer soll im Falle Ihrer Wahl Chef der Öffentlichkeitsarbeit im Crailsheimer Rathaus werden – und: wer soll Ihr persönlicher Referent werden?
Vielleicht hat es sich noch nicht bis Kirchberg herumgesprochen: Der Waffendiebstahl im Rathaus ist aufgeklärt. Zu anderen Vorwürfen halte ich mich gerne an die gute Regel, dass Vorverurteilungen einer guten
Aufklärungsarbeit im Wege stehen. Es macht sehr wohl Sinn, nicht alle Kleinigkeiten einer Ermittlung öffentlich breitzuquatschen, sondern ein handfestes polizeiliches Ermittlungsergebnis abzuwarten. Denn
sonst besteht die große Gefahr, dass Vorverurteilungen und Unterstellungen – selbst wenn sie sich als erwiesenermaßen falsch herausstellen – im Raum bleiben und dem Beschuldigten weiterhin anhängen.
Über die beiden letzten Fragen habe ich mir noch keinen Gedanken gemacht. Ohne Sie wäre ich auf dieses Thema wohl nicht gestoßen.
Anmerkung von Hohenlohe-ungefiltert zur letzten Frage:
Nach den mir (Ralf Garmatter) bis jetzt vorliegenden Informationen ist noch nicht vollständig bekannt, was genau im Crailsheimer Rathaus von einem oder mehreren Mitarbeitern genau falsch gemacht wurde, dass die Waffen gestohlen werden konnten. Außerdem hat Hohenlohe-ungefiltert von den ermittelnden Behörden – trotz Nachfrage – seit Monaten keine Informationen mehr zu den Korruptionsvorwürfen beim Crailsheimer Volksfest erhalten. Ich denke das interessiert auch viele Crailsheimer Bürgerinnen und Bürger.