Zum wahrscheinlich letzten Mal sind die beiden Favoriten der Oberbürgermeisterwahl in Crailsheim gestern Abend (Donnerstag, 19. November 2009) im Veranstaltungsraum des Hohenloher Tagblatts in Crailsheim direkt aufeinander getroffen. Rund 120 Besucher waren gekommen, um Rudolf Michl (SPD) und Günther Freisleben (CDU) zu hören. Nicht eingeladen waren die beiden weiteren Kandidaten Branka Mayer (parteilos) und Volker Rainer Kilian (nach eigenen Angaben CDU- und CSU-Mitglied), die ebenfalls auf dem Stimmzettel stehen werden.
Kommentar von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert
Bartels persönlich mit Kandidat Freisleben und Zigan mit Wahlkampfmanager Stuiber verstrickt
Befragt wurden Michl und Freisleben im HT-Forum vom stellvertretenden HT-Redaktionsleiter Harald Zigan und Redakteur Andreas Harthan. Nach dem offiziellen Ende der zweistündigen Veranstaltung ist Zigan gleich mit Freislebens Wahlkampfmanager Hans Ulrich Stuiber allein in den HT-Katakomben verschwunden. Zigan und der Polizeipressesprecher Stuiber pflegen seit Jahren einen engen persönlichen Kontakt. Der Unabhängigkeit des Journalisten im OB-Wahlkampf tut dieses enge Verhältnis sicher nicht gut. Zudem ist HT-Redaktionsleiter Mathias Bartels in den vergangenen Jahren Präsident des Crailsheimer Lions-Club gewesen, bei dem auch der Leitende Polizeidirektor Günther Freisleben Mitglied ist. Mögliche persönliche Verstrickungen der leitenden HT-Redakteure mit dem OB-Kandidaten und dessen Wahlkampfmanager sind deshalb nicht von der Hand zu weisen. Dies könnte auch ein Grund dafür sein, dass HT-Redakteur Andreas Harthan nach dem ersten Wahlgang Freisleben relativ euphorisch als den „Besten“ bezeichnete, der aber noch nicht gewonnen habe, weil er mit 45,8 Prozent der Wählerstimmen nicht die erforderlichen „über 50 Prozent“ erreichte.
50-Prozent-Marke spielt im zweiten Wahlgang keine Rolle mehr
Beim zweiten Wahlgang am Sonntag, 29. November 2009, reicht es nun aus, von allen Bewerbern die meisten Wählerstimmen auf sich zu vereinigen. Die 50-Prozentmarke spielt keine Rolle mehr. Rudolf Michl hatte im ersten Wahlgang 30,3 Prozent der Stimmen erreicht. Nun kommt es für die Kandidaten vor allem darauf, wer die Wähler des nicht mehr antretenden Wilfried Kraft (Grüne) auf seine Seite ziehen kann – Kraft hatte über 19 Prozent der Stimmen geholt – und wer es schafft, die meisten der bisher 57 Prozent Nicht-Wähler an die Wahl-Urnen zu locken. Es bleibt also spannend bis zur Schließung der Wahllokale am Sonntag, 29. November 2009, um 18 Uhr. Gegen 19 Uhr wird schon mit dem Wahlergebnis gerechnet.
Freisleben macht in der Diskussion einen autoritären Eindruck
Aufgefallen ist bei der gestrigen Diskussionsrunde im HT-Forum, dass Rudolf Michl bei bestimmten Themen eher allgemein antwortete, weil ihm teilweise die genauen Ortskenntnisse fehlten. Der Ministerialrat aus Dessau machte aber einen deutlich souveräneren Eindruck als der verbissen wirkende Polizeidirektor Günther Freisleben. Wieder machte Freisleben den Fehler, bei einer öffentlichen Veranstaltung ohne triftigen Grund einen Streit mit einem Konkurrenten oder einem Kritiker zu beginnen. Keiner hatte ihn (Freisleben) als Diktator bezeichnet, trotzdem ging er nach einer Äußerung Michls – bei der dieser das Wort „Diktatur“ in einem ganz anderen Zusammenhang verwendet hatte – ab wie das früher berühmte HB-Männchen aus der Fernsehwerbung. Noch bei weiteren Punkten wirkte Freisleben gereizt und nervös, wenn er sich angegriffen oder überfordert fühlte. Dies lässt erahnen, wie Freisleben als möglicher künftiger Oberbürgermeister von Crailsheim mit Mitgliedern des Gemeinderats, Mitarbeitern der Stadtverwaltung oder Bürgerinnen und Bürgern umgehen könnte, wenn diese anderer Meinung sind. Auch seine Beteuerungen von aktiver Bürgerbeiteiligung bei bestimmten Projekten können nicht darüber hinwegtäuschen, dass er von seinen Wesenszügen her ein autoritärer Chef sein würde. Das mag bei der Polizei mit der strengen Hierarchie, den Dienstgraden und der genau geregelten Befehlskette bei Einsätzen sinnvoll sein, nicht aber, wenn es um kreative Lösungen für die Probleme einer Großen Kreisstadt geht. Als OB muss man vor allem auch viel Kritik einstecken können. Damit scheint Günther Freisleben ein großes Problem zu haben.
Warum will ein Polizei-Karrierist unbedingt Oberbürgermeister werden?
Freisleben und Michl sind fachlich sicher beide für den Job des Oberbürgermeisters qualifiziert. Das scheint unbestritten. Nun müssen die Crailsheimer eher darüber entscheiden, welchem OB sie eine bessere Entwicklung ihrer Stadt zutrauen. Da spielt auch eine große Rolle, wie der Rathauschef mit Menschen umgehen kann. Und das scheint Rudolf Michl besser zu können. Er machte bei allen drei Veranstaltungen, bei denen die Kontrahenten im Wahlkampf direkt aufeinandertrafen einen sympathischeren und gelösteren Eindruck als der oft angestrengt wirkende Günther Freisleben. Michl ist eher zuzutrauen, dass er mit den Diskussionen in einem demokratischen Gremium wie dem Gemeinderat gut umgehen kann. Er macht auch den Eindruck, dass er hitizige Diskussionen moderieren kann, ohne Menschen mit anderer Meinung vor den Kopf zu stoßen. Mit Rudolf Michl scheint ein harmonisches und kooperatives Miteinander von Oberbürgermeister, Gemeinderat, Bürgerinnen und Bürgern sowie den Rathausmitarbeitern eher möglich zu sein. Bedenklich ist, dass Günther Freisleben fast jede erdenkliche Möglichkeit nutzt, um mit seinen großen Erfolgen und Leistungen bei der Polizei zu prahlen. Warum er als Polizei-Karrierist – der seinen bisherigen Beruf nach eigenem Bekunden „unheimlich gern“ macht – aber unbedingt Oberbürgermeister von Crailsheim werden will, hat Günther Freisleben bisher nicht ausreichend dargelegt. Sonst muss man vermuten, dass er lediglich eine deutlich bessere Bezahlung anstrebt. Ein Oberbürgermeister von Crailsheim wird nach Besoldungsstufe B5 bezahlt, ein Leitender Polizeidirektor fünf Besoldungsstufen tiefer nach Besoldungsstufe A16. Ministerialrat Rudolf Michl würde um drei Besoldungsstufen nach oben klettern – von derzeit B2 auf B5. Wer die Karriereleiter nach oben steigen darf, können allein die Wählerinnen und Wähler am Sonntag, 29. November 2009, entscheiden.