„Das Schlimmste kommt erst noch“ – Klimawandel nimmt immer bedrohlichere Formen an – Kommentar von Paul Michel aus Schwäbisch Hall

Einen kommentierenden Artikel mit dem Titel „Klimawandel nimmt immer bedrohlichere Formen an – Das Schlimmste kommt erst noch“ hat Paul Michel aus Schwäbisch Hall geschrieben. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Text in voller Länge.

Kommentar von Paul Michel, Schwäbisch Hall

Der Text entstand auf Grundlage von Diskussionen im „Netzwerk Ökosozialismus“ (Kontakt: info@netzwerk-ökosozialismus.de)

Noch nie dagewesenes Ereignis

Ende Juni/ Anfang Juli berichteten die Medien über eine Hitzewelle im Nordwesten der USA und im westlichen Kanada, die alle früheren Rekorde für hohe Temperaturen gebrochen hat. Ende Juni gab es in Seattle 40 Grad Celsius, in Portland, Oregon 46 Grad. Die Ortschaft Lytton wurde durch einen Waldbrand fast völlig zerstört. Vor der Brandkatastrophe hatte Lytton, das rund 260 Kilometer nordöstlich von Vancouver liegt, drei Tage in Folge Hitzerekorde verzeichnet. Das Thermometer zeigte nach Angaben der Wetterbehörde bis zu 49,6 Grad Celsius an, die höchste in Kanada jemals gemessene Temperatur. Hunderte sind schon gestorben an den Folgen der extremen Hitze. In Portland wurde der Stadtbahnverkehr eingestellt, weil die Stromkabel ausfielen. In Washington wurden Abschnitte der Autobahn I-5 gesperrt, weil der Straßenbelag aufquoll. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) handelt es sich bei der extremen Hitzewelle in Kanada und im Nordwesten der USA um ein «noch nie dagewesenes Ereignis» seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

Eingestürzte Häuser – zahlreiche Tote und Verletzte

Zwei Wochen später, am 14. Juli 2021, bekamen auch die Menschen hierzulande die zunehmend zerstörerische Wirkung des Klimawandels zu spüren. Teile von Rheinland-Pfalz und NRW erlebten Starkregen in bisher nicht bekannter Form. Überschwemmte Straßen, gesperrte Bahnstrecken, eingestürzte Häuser, vollgelaufene Keller, umgekippte Bäume, zahlreiche Tote und Verletzte – eine bisher beispiellose Katastrophe, die über 150 Menschen das Leben kostete. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hegen aber keinen Zweifel: Es ist der menschengemachte Klimawandel, der Extremwetterereignisse häufiger und intensiver werden lässt. Klimaforscher gehen davon aus, dass derlei Extremwetterereignisse durch die menschengemachte Erderwärmung häufiger werden könnten. „Als Einzelereignis kann man das immer als Wetter abtun“, hatte Professor Mojib Latif Anfang der Woche in einem Interview mit dem WDR gesagt. Die Datenlage sei bisher schlecht. „Aber die neuesten Daten, die wir in den letzten Jahren gesammelt haben, deuten darauf hin, dass solche Extremniederschläge noch mal stärker ausfallen können. Wir beobachten auch in den letzten Jahren, dass es immer häufiger zu diesen sintflutartigen Niederschlägen mit Überschwemmungen kommt.“

Neue Normalität?

Manche Medien sagen, dies sei die neue Normalität. Aber das ist eher eine Verharmlosung der Lage. Denn dieser Zustand ist nicht stabil. Alles spricht dafür, dass die Häufigkeit und die Intensität von Extremwetterlagen in absehbarer Zeit weiter zunehmen werden. Ist diese Hitzewelle ein „Jahrtausendereignis“? Ja, aber nur, wenn man statt der nächsten tausend die letzten tausend Jahre betrachtet. Vieles spricht dafür, dass dies nur ein Durchgangspunkt zu noch schlimmeren Verhältnissen ist. Der IPCC warnt: Mehr Hitzewellen, mehr Hunger, überschwemmte Küstenorte, Artensterben. Ein Verfehlen des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens hat nach Einschätzung des Weltklimarates „irreversible Auswirkungen auf Menschen und ökologische Systeme“. Im Entwurf zu dem IPCC-Bericht, der vor kurzem bekannt wurde, gehen die Experten davon aus, dass eine Erderwärmung um zwei Grad etwa 420 Millionen Menschen zusätzlich dem Risiko von Hitzewellen aussetzt. “Das Schlimmste kommt erst noch und wird das Leben unserer Kinder und Enkel viel mehr betreffen als unseres“, heißt es in dem IPCC-Papier.

Peinlichkeiten, die tief blicken lassen

Angesichts der dramatischen Situation mahnen Klimaforscher: „Wir brauchen einen Turbo beim Klimaschutz“. Die Wirtschaftsbosse und die bürgerlichen Politiker treten in Sachen Klimaschutz auf das Bremspedal. Sie kündigen mit salbungsvollen Worten eine vermeintliche „Klimaneutralität“ in einer weit entfernt liegenden Zukunft an. Gleichzeitig schützen sie die Hauptverursacher des Klimawandels, wenn sie im Hier und Jetzt alles unterlassen, was möglicherweise der Industrie missfallen könnte. Greta Thunberg warf den PolitikerInnen und Mächtigen der Welt vor, sich nur als RetterInnen zu inszenieren statt tatsächlich die Klimakrise zu bekämpfen.

Für einen Politprofi peinliche Ausrutscher

Ein besonderes Exemplar dieser Spezies ist Armin Laschet, der Kanzlerkandidat von CDU/CSU und Ministerpräsident von NRW. Zahlreiche Äußerungen machten deutlich welch Geistes Kind er ist. Vor einiger Zeit sorgte er mit der Bemerkung „Aus irgendeinem Grund ist das Klimathema plötzlich ein weltweites geworden“ für einige Irritationen. Auch bei der Flutkatastrophe unterliefen ihm einige für einen Politprofi peinliche Ausrutscher, die tief blicken lassen. Während einer Rede von Bundespräsident Steinmeier in Erftstadt sieht man Armin Laschet so gar nicht betroffen, sondern lässig an einen Türrahmen gelehnt, lachend und mit Gesprächspartnern feixend. Die beispiellose Katastrophe, der Tod von mittlerweile über 150 Menschen ist für ihn kein Anlass, die von ihm verantwortete klimaschädliche Politik zu überdenken. “Weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik“ erklärte er in einem Fernsehinterview.

Agenda Laschet: Mit der Industrie gegen das Klima

Tatsächlich hatte sich Laschet in den letzten Jahren ständig als Bremser beim Klimaschutz hervorgetan. Seine erste Amtshandlung als Ministerpräsident war die Abschaffung des Klimaministeriums in NRW. Als Regierungschef eines Kohlelandes hat Laschet den Kohleausstieg nicht gefördert, sondern tat sich im Konflikt um die Rodung des Hambacher Forsts für den Ausbau des Braunkohletagesbaus als eifriger Förderer der Interessen von RWE hervor. Für den Kohlekonzern RWE organisierte er im August 2018 – unter einem Vorwand – den größten Polizeieinsatz in der Geschichte seines Bundeslandes, um den Hambacher Forst am gleichnamigen rheinischen Tagebau räumen zu lassen.

Sechs Dörfer sollen noch abgebaggert werden

Nach dem Willen seiner Regierung sollen im rheinischen Revier bis 2028 noch mindestens 900 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert werden und damit auch 2385 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen werden – das ist mehr als der 3,2-fache Jahresausstoß der gesamten Bundesrepublik, der 2020 bei 739 Millionen Tonnen lag. Sechs Dörfer sollen dafür noch abgebaggert werden.

NRW hat nur zwölf Prozent Strom aus erneuerbaren Energien

Die erneuerbaren Energien führen in NRW noch immer ein Schattendasein. Ihr Anteil an der Stromerzeugung liegt bei 16 Prozent – gegenüber etwa 46 Prozent deutschlandweit. Entscheidend dazu beigetragen hat die rückwärtsgewandte Politik der Regierung Laschet: Tatsächlich aber schränkt das NRW-Klimaschutzgesetz den Bau von Windrädern massiv ein. Gemeinden können einen Mindestabstand von 1000 Metern zu Windrädern festlegen. Dies könnte dazu führen, dass der Bau von Windenergieanlagen nur noch auf 0,22 Prozent der Landesfläche möglich ist. Der 1000-Meter-Abstand gilt bereits für Ansammlungen von nur drei Häusern. Schlimmer noch: Die Regelung gilt nicht nur für neu zu bauende Windräder, sondern auch für das so genannte Repowering, d.h. den Austausch von alten Windrädern gegen neue. Das bedeutet, dass Windkraftanlagen, die ihr EEG-Förderungsende erreicht haben, nicht mehr durch neue ersetzt werden können. Armin Laschet (CDU) macht Nordrhein-Westfalen zur Verbotszone für Windräder. Es gibt in Deutschland kein Bundesland, das so viel Strom aus Kohle erzeugt wie NRW. 2017 waren es mehr als 65 Prozent (neuere Zahlen liegen nicht vor). Die erneuerbaren Energien kamen dagegen nur auf zwölf Prozent.

Quasi-religiöser Raserfundamentalismus

Im Verkehrsbereich, der laut Umweltbundesamt für rund 20 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich ist (davon mit 72 Prozent der Großteil aus dem Straßenverkehr) frönt Laschet einen quasi-religiösen Raserfundamentalismus. Selbstverständlich ist er gegen das Tempolimit von 130. Auch in der Frage möglicher Fahrverbote für Dieselstinker in Städten wegen schlechter Luft vertritt Laschet die Interessen der Autoindustrie. Der CDU-Abgeordnete Rainer Deppe jubilierte: Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) habe immer gesagt, er werde alles tun, um Fahrverbote zu verhindern, „und er hat nicht aufgegeben, er hat es geschafft“.

Eher als Drohung zu verstehen

Angesichts dieser Verdienste von Laschet um die Verhinderung von Umweltschutzmaßnahmen, ist das, was der Noch-Ministerpräsident und mögliche künftige Bundeskanzler in einem Interview mit der „Wirtschaftswoche“ erklärte, als Drohung zu verstehen: „Wir regieren NRW so, wie ich es mir auch für den Bund vorstellen würde“.

Um Gunst der Industrie geworben

Laschet ist zwar extrem. Aber auch seine zwei Konkurrentinnen um das Kanzleramt, SPD-Kandidat Scholz und Anna-Lena Baerbock von den Grünen stehen nicht für eine grundsätzlich andere Politik. Bei dem vom „Bundesverband der deutschen Industrie“ organisierten „Tag der deutschen Industrie“ veranstalteten die drei Spitzenkandidatinnen ein Schaulaufen, bei dem sie um die Gunst der Industrie für ihre Vorstellungen warben. Gleichzeitig versicherten sie: Ohne die Industrie können die Klimaziele nicht erreicht werden. Entsprechend besteht ihre Politik vor allem darin, so zu tun als würden sie handeln, während sie gleichzeitig ihrer Klientel den Rücken frei halten.

Lehren aus der Tragödie

Über die dringend notwendige unmittelbare Solidarität mit den Opfern hinaus müssen wir Lehren aus der Tragödie ziehen. Lektion Nr. 1 ist, dass es ernst ist und keine Minute mehr zu verlieren ist. Es müssen dringend energische Maßnahmen ergriffen werden, um die Klimakatastrophe zu stoppen, sonst werden auf diese Katastrophe in immer kürzeren Zeitabständen noch schlimmere Katastrophen folgen. Lektion Nr. 2 ist, dass wir keinen Grund haben, den Regierungen zu vertrauen. Sie erzählen uns seit über 30 Jahren, dass sie Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen, Fakt ist, dass sie so gut wie nichts zur Verhinderung des Klimawandels getan haben. Im Gegenteil: Ihre neoliberale Sparpolitik, ihre Privatisierungen, ihre Maßnahmen zur Gewinnmaximierung für Stromkonzerne, die auf Kohle setzen, ihre schützende Hand für die Autokonzerne, ihre Politik der Verhinderung einer Verkehrswende und ihre Förderung von Agrarkonzernen haben uns an den Rand des Abgrundes gebracht.

Real existierender Kapitalismus ist ein fossiler Kapitalismus

In den kommenden Tagen werden wir die Herrschenden mit den Händen auf dem Herzen schwören hören, dass die dramatischen Überschwemmungen ihren Wunsch bestärken, den Kapitalismus zu begrünen. Tatsache aber ist: Der real existierende Kapitalismus ist gerade auch ein fossiler Kapitalismus. Ein Wirtschaftssystem, das auf permanentem Wachstum, Profit und Konkurrenz beruht, kann nicht in Einklang mit einem nachhaltigen, sorgsamen Umgang mit der Natur gebracht werden.

Klimabilanz bei der Herstellung von E-Autos ist katastrophal

Erforderlich ist der vollständige Ausstieg aus der Autogesellschaft, weg vom Verbrenner. Ein einfaches 1:1-Ersetzen der heutigen „schmutzigen“ Autos mit Verbrennungsantrieb durch angeblich saubere E-Autos ist keine Lösung. Auch E-Autos haben einen horrenden Flächenverbrauch und verstopften Straßen und Autobahnen. Die Klimabilanz bei der Herstellung von E-Autos ist katastrophal. Die Gewinnung der für die Produktion von Batterien erforderlichen Rohstoffe (Lithium, Kobalt, seltene Erden, Kupfer) bringt dramatische ökologische Verwerfungen mit sich. Eine massenhafte E-Auto-Produktion würde zudem weiterhin eine große fossile Erdölwirtschaft benötigen, denn die Autos haben heute einen 50-prozentigen Kunststoff-Volumenanteil (Reifen, Armaturen, Sitze etc.). Und allein der Autoverkehr verursacht laut Daten des Fraunhofer Instituts giftigen Feinstaub durch Reifen- und Fahrbahnabrieb. Mit jährlich 130.000 Tonnen keine Petitesse.

Nulltarif für den gesamten ÖPNV

Die Alternative zum heute ungehemmten Automobilismus ist der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel (Busse, Straßenbahnen, Züge) und eine energische Förderung des Fahrradfahrens. Zudem brauchen wir den Nulltarif für den gesamten ÖPNV. Aus ökologischen Gründen gilt, dass die Zahl der Autos drastisch verringert werden muss. Die aktuellen Arbeitsplätze in der Autoindustrie werden gesichert durch die Umstellung der Produktion auf öffentliche Verkehrsmittel (Busse, Straßenbahn, Eisenbahn) und durch den Ausbau der Bahninfrastruktur. Spätestens nach der Beendigung dieser großen Infrastrukturaufgabe benötigen wir dringend eine Arbeitszeitverkürzung. Das gilt auch, weil wir aus ökologischen Gründen aus dem kapitalistischen Hamsterrad bestehend aus immer mehr Produktionswachstum aussteigen müssen. So müssen wir den Umfang der Konsumwegwerfgüter deutlich reduzieren. Und wir müssen rasch die Chemieindustrie und die Stahlindustrie auf erneuerbare Energien und grünen Wasserstoff umstellen. Schon hören wir die Klagen der Kapitalkreise und der Politiker über die hohen Kosten. Darauf kann nur mit den Worten des Kieler Klimawissenschaftlers Latif geantwortet werden: „Wir sollten nicht fragen, was uns der Klimaschutz kostet. Denn die Klimaveränderung kostet uns schon heute Milliarden. Sondern wir müssen uns fragen: Was kostet es uns, wenn wir nicht handeln.“ Allein die Versicherungen rechnen nach der Flutkatastrophe mit Schadenszahlungen von rund fünf Milliarden Euro. Dazu kommen noch Kosten von Bund und Ländern für Wiederaufbaumaßnahmen an der zerstörten Infrastruktur.

Kohleausstieg ginge schon zehn Jahre früher

Handeln müssen wir auch beim Ausstieg aus der Stromerzeugung mit fossilen Energien und zwar so schnell wie möglich. Der von der Merkel-Regierung beschlossene Ausstieg aus Kohleverbrennung erst in 2038 ist ein böser Witz. Es geht mindestens zehn Jahre früher. Und es müssen endlich die Bremsen gelöst werden beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Merkel-Regierung, aber auch Laschet und Söder, haben in den letzten zwei Jahren ungerührt zugeschaut, wie als Ergebnis ihrer Politik zehntausende Arbeitsplätze in der norddeutschen Windenergie kaputt gemacht wurden. Das muss ein Ende haben.

Breite und dynamische Bewegungen schaffen

Wenn wir die CO2-Emissionen nicht stoppen, wird die Erde in eine Heisszeit abkippen – was für Menschen, Tierwelt und Flora katastrophale Folgen haben wird. Gegen die geballte Macht dieser Konzerne und ihrer dienstbaren Politiker helfen keine Appelle an deren Einsicht. Stattdessen kommt es darauf an, breite und dynamische Bewegungen zu schaffen, um effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel durchzusetzen. Wir brauchen eine entschlossene, radikale Politik, die dem Ernst der Lage gerecht wird. Dabei kommen wir gar nicht darum herum, immer wieder die „Systemfrage“ stellen.

Systemwandel statt Klimawandel

Ökosozialismus statt Barbarei

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„Pete Gavin und Duo Tirando“ – Zwei Konzerte zum Abschluss der Sommersaison im Gleis 1 in Waldenburg

Mit zwei erstklassigen Konzerten endet die Gleis-1-Sommersaison 2021. Am Freitag, 23. Juli 2021, ab 20.30 Uhr spielt wieder der Londoner Bluesman Pete Gavin in Waldenburg. Das Gitarrenkonzert mit dem Duo Tirando beginnt am Samstag, 24. Juli 2021, ab 20.30 Uhr.

Vom Kulturbahnhof Gleis 1 in Waldenburg

Unglaubliches Gitarre- und Mundharmonika-Spiel

Pete Gavin widmet sich seit mehr als 50 Jahren seiner Musik und hat neben seiner eindringlichen Blues-Stimme und seiner Mundharmonika eine echte Dobro-Metallgitarre. Erinnerungen an alte Bluesveteranen wie Sonny Boy Williamson und Robert Johnson, den frühen Muddy Waters werden zum Leben erweckt. Seine Karriere begann in der Folk-Blues-Szene rund um Soho – Bunjies, Troubadour, Marquee – spielt mit Leuten wie Spencer Davies. Die Straße wurde zur harten Schule für sein unglaubliches Gitarre- und Mundharmonika-Spiel.

Ehrlich und ohne technischen Firlefanz

Das Gitarrenkonzert mit dem Duo Tirando beginnt am Samstag, 24. Juli 2021, ab 20.30 Uhr im Gleis 1 in Waldenburg. Über alle Stilebenen hinweg bringen Wolfgang Gutscher und Michael Breitschopf ein Programm auf die Bühne. Von temporeichen Eskapaden aus alten Stilepochen, über Gypsy und Samba-Rhythmen bis hin zu Balladen der jüngeren Singer/Songwriter geht das Repertoire. Bei diesem Duo wird nicht nur Gitarre gespielt, sondern auch noch mit viel Leidenschaft und zwei völlig verschiedenen, aber trotzdem harmonierenden Stimmen, gesungen. Diese Musik ist ehrlich und ohne technischen Firlefanz: Fingerstyle Gitarre, Finger Picking, Guitarra Tyrando.

Weitere Informationen über das Gleis-1-Programm im September im Internet und Kontakt:

https://www.gleis1.net/programm/september/

Nach der Sommerpause geht es im Gleis 1 in Waldenburg am Freitag, 17. September 2021, ab 20.30 Uhr weiter mit „Violette – Geschichten und Songs“. Am Samstag, 18. September 2021, ab 20:30 Uhr, geht es weiter mit „Schirneck & Keune – A Tribute to Neil Young“

https://www.gleis1.net/programm/september/

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„Über linke Klimaschutzpolitik diskutieren“ – Offenes linkes Treffen in Crailsheim

Über linke Klimaschutzpolitik wird beim „offenen linken Treffen“ am Montag, 26. Juli 2021, ab 19 Uhr diskutiert. Treffpunkt ist im Gasthaus Wasserturm, Horaffenstraße 39, in Crailsheim.

Cedric Schiele, Kreissprecher Die Linke Schwäbisch Hall und Hohenlohe

Welche Konsequenzen aus den Katastrophen ziehen?

Gemeinsam wollen wir darüber sprechen, wie linke Klimaschutzpolitik aussehen kann und welche Konsequenzen aus den derzeitigen Katastrophen gezogen werden müssen.

Weitere Informationen und Kontakt:

https://die-linke-sha.de/bundestagswahl-2021/

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„#StolenMemory“ – Ausstellung in Schwäbisch Hall über Nazi-Raubgut

Zur Eröffnung der Wanderausstellung „#StolenMemory“ lädt die KZ-Gedenkstätteninitiative Hessental am Freitag, 30. Juli 2021, um 18 Uhr auf den Haalplatz beim Haalbrunnen in Schwäbisch Hall ein. Zur Ausstellungseröffnung spielt die Band ewo2 [elektronisches Weltorchester aus Mannheim] internationale Lieder gegen Faschismus und Krieg sowie aktuelle eigene Songs.

Von Siegfried Hubele, KZ-Gedenkstätten-Initiative Schwäbisch Hall-Hessental

Nazis raubten KZ-Häftlingen wertvolle Gegenstände

Die Ausstellung „#StolenMemory“ ist in Schwäbisch Hall von Samstag, 30. Juli 2021 bis Dienstag, 10. August 2021, täglich von 13 Uhr bis 19 Uhr geöffnet. Die „Arolsen Archives – International Center on Nazi persecution“ präsentieren in Zusammenarbeit mit der KZ Gedenkstätte Hessental eine Ausstellung über persönliche Gegenstände, die KZ-Häftlingen und ZwangsarbeiterInnen von den Nazis geraubt wurden. Die Arolsen Archives sind seit Jahren bemüht, Angehörigen diese Gegenstände zurück zu geben. In der Ausstellung werden auch einige Schicksale von Häftlingen und ZwangsarbeiterInnen vorgestellt.

Den Angehörigen die Erinnerungsstücke zurückgeben

Ob Uhren, Eheringe, Brieftaschen, Modeschmuck, Brillen oder Fotos mit Widmungen, die Nationalsozialisten nahmen Häftlingen bei ihrer Einlieferung in die Konzentrationslager jede persönliche Habe ab. 4700 Umschläge mit diesen so genannten Effekten kamen 1963 nach Arolsen in das umfangreichste Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Der Auftrag war und ist, dieses Raubgut an die Überlebenden oder Angehörigen der Opfer zurückzugeben. Denn die Gegenstände erzählen von den Menschen, die sie einst besessen haben, und sind oft das einzige Erinnerungsstück an einen geliebten Menschen. Es ist eine Detektiv-Arbeit, die wir seit 2016 mit viel Engagement und der Unterstützung vieler Freiwilliger neu aufgegriffen haben. Die Ausstellung #StolenMemory tourt nun und berichtet davon. Jede/r kann mitmachen und uns helfen, die Gegenstände in die Hände der Familien zu geben.

Floriane Azoulay,
Direktorin der Arolsen Archives

Machen Sie mit!

Helfen Sie dabei, die von den Nazis gestohlenen Erinnerungsstücke in die richtigen Hände zu geben! Es ist eine Arbeit gegen die Zeit. Mit etwas Spürsinn, Durchhaltevermögen und vor allem Interesse für Ihre Landesgeschichte und die Geschichte der NS­-Verfolgung können Sie einen wichtigen Beitrag zur Erinnerung an die Verfolgten leisten. In unserem Online-Archiv finden Sie Fotos aller in den Arolsen Archives aufbewahrten Effekten und die Namen der BesitzerInnen. Im Online-Archiv können Sie anhand der Namen direkt weiter recherchieren (aroa.to/archiv). Auf unserer Website haben wir eine Reihe nützlicher Tipps und Hinweise zusammengestellt, wie Sie bei Ihrer Recherche vorgehen können (aroa.to/mitmachen). Ein guter Einstieg für die Recherche kann außer­dem die von den Arolsen Archives entwickelte georeferenzierte Karte zu den Geburts­- und letzten Wohnorten der Effektenbesitzerinnen sein. Oft ist der regionale Bezug ein spannender erster Schritt, um sich auf die Suche zu begeben (aroa.to/map)

Weitere Informationen und Kontakt:

Arolsen Archives
International Center on Nazi Persecution
Große Allee 5-9
34454 Bad Arolsen
Germany

Telefon: +49 5691 629-0

Fax: +49 5691 629-501

E-Mail: pr@arolsen-archives.org

Internet:

arolsen-archives.org

stolenmemory.org

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Pressemitteilung der Arolsen Archives zur Ausstellung über persönliche Gegenstände von KZ-Häftlingen in Schwäbisch Hall

Die Arolsen Archives eröffnen am Freitag, 30. Juli 2021, um 18 Uhr in Schwäbisch Hall die Open-Air-Wanderausstellung „#StolenMemory“. Im Mittelpunkt stehen der letzte Besitz von KZ-Inhaftierten und die Frage, wie es heute noch gelingt, diese sogenannten Effekten an Familien der Opfer zurückzugeben.

Zu sehen ist die Ausstellung in einem aufklappbaren Übersee-Container auf dem Haalplatz vor dem Haalbrunnen.

„Effekten“ sind persönliche Gegenstände, die Häftlinge bei ihrer Ankunft in den Konzentrationslagern von den Nationalsozialisten abgenommen wurden. Oft waren es Eheringe, Uhren, Füller oder Brieftaschen mit Fotos. #StolenMemory ist eine Kampagne der Arolsen Archives zur Rückgabe dieser persönlichen Gegenstände an die Angehörigen. Über 500 Familien konnten seit dem Start der Kampagne 2016 bereits gefunden werden. Die Ausstellung zeigt Bilder solcher „Effekten“ und erzählt vom Schicksal von zehn NS-Verfolgten.

Das Ziel der Ausstellung: Aufmerksamkeit und Unterstützung

Unter der Überschrift „Gefunden“ lenkt die Ausstellung den Blick auf persönliche Gegenstände, die bereits zurückgegeben werden konnten. Sie berichtet vom Verfolgungsweg der einstigen Besitzerinnen und den Rückgaben an ihre Familien heute. Mit dem Smartphone können die BesucherInnen über eine App Videoportraits aufrufen, in denen die Angehörigen selbst zu Wort kommen.

Arolsen Archives bei der Rückgabe der Effekten unterstützen

Unter der Überschrift „Gesucht“ werden „Effekten“ gezeigt, die noch auf ihre Rückgabe warten. Eine wichtige Botschaft ist deshalb auch: Jede/r kann die Arolsen Archives bei der Rückgabe der Effekten unterstützen und sich selbst auf Spurensuche nach den Verfolgten und ihrer Familien begeben. Denn noch immer bewahrt das Archiv gestohlene Erinnerungsstücke von knapp 2.500 Personen aus ganz Europa auf.

Der emotionale Wert der Effekten

„Viele Opfer der Nationalsozialisten hinterließen keine materiellen Spuren für ihre Familien, weil die Nationalsozialisten ihnen alles nahmen“, so Floriane Azoulay, Direktorin der Arolsen Archives. Die Rückgabe der Effekten sei für die Angehörigen deshalb oft sehr unerwartet: „Einige von ihnen wissen nichts oder nur wenig über diesen Teil der Lebensgeschichte ihrer Großeltern, Eltern, Onkel und Tanten.“ Umso wichtiger sei es, dass die Gegenstände in die Familien zurückkehrten.

Ausstellung findet ihre Fortsetzung in Schwäbisch Hall

„Für die KZ-Gedenkstätte waren die Besuche und Kontakte mit den Arolsen Archives von großer Bedeutung. Wir konnten zum Beispiel mit Hilfe der Dokumente aus Arolsen den gequälten, misshandelten und ermordeten KZ-Häftlingen des Außenlagers Hessental durch eine Gedenkplatte auf dem ehemaligen Appellplatz ihre Namen und Identitäten zurückgeben“, erklärt Siegfried Hubele von der KZ-Gedenkstätten-Initiative Hessental. „Wir wissen aus Archivmaterial, dass auch bei exhumierten Toten des „Hessentaler Todesmarsches“ Fotos, Brieftaschen, Urkunden und andere Gegenstände gefunden wurden. Offensichtlich ist es einigen Häftlingen gelungen, persönliche Gegenstände vor den Nazis zu verstecken. Solche Effekten warten in Arolsen immer noch auf eine vielleicht mögliche Rückgabe an Angehörige. Dazu will auch die Initiative KZ-Gedenkstätte Hessental mit der Präsentation der Ausstellung #StolenMemory beitragen.“

Ausstellung und Website

Seit August 2020 reist die #StolenMemory-Ausstellung durch Deutschland. Das Projekt konnte von den Arolsen Archives dank der Fördermaßnahme „Kultur in ländlichen Räu-men“ (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien) umgesetzt werden. Auf Grund der großen Nachfrage gibt es seit 2021 einen zweiten Container, der nun auch größere Städte ansteuert.

Material für Schulen und andere Bildungseinrichtungen

Begleitend zur Ausstellung bietet die Website stolenmemory.org interessante Einblicke: Kurze, animierte Filme mit ergänzenden Webstories erzählen von individuellen Schicksalen. Diese Materialien wurden speziell für Jugendliche entwickelt und im Juni 2021 mit dem Grimme-Online-Award in der Kategorie „Wissen und Bildung“ ausgezeichnet. Auf der Website steht zudem umfangreiches pädagogisches Material zum kostenlosen Download zur Verfügung, das von Schulen und Bildungseinrichtungen auf allen Stationen der Wanderausstellung genutzt werden kann.

Kurzinformationen zur Ausstellung in Schwäbisch Hall:

Wo: Am Haalplatz, 74523 Schwäbisch Hall

Eröffnung: Freitag, 30. Juli 2021, 18 Uhr
Wann: Samstag, 31. Juli bis Mittwoch, 11. August 2021

Öffnungszeiten: täglich von 13 Uhr bis 19 Uhr

Link zur Website #StolenMemory:

https://stolenmemory.org/

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„Digitales Gutscheinsystem soll für mehr Umsatz bei Firmen vor Ort sorgen“ – Online-Veranstaltung von WFG Schwäbisch Hall und Gewerbeverein Kirchberg/Jagst

Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises Schwäbisch Hall (WFG) informiert am Mittwoch, 21. Juli 2021, ab 19.30 Uhr, die Gewerbetreibenden und alle anderen Firmeninhaberinnen und Firmeninhaber im Gemeindegebiet Kirchberg/Jagst über das neue digitale Gutscheinsystem im Landkreis Schwäbisch Hall.

Vom Gewerbe- und Fremdenverkehrsverein Kirchberg/Jagst

Zur Info-Veranstaltung anmelden

Mit dem lokalen Gutscheinsystem können die Firmen in diesen schwierigen Zeiten gezielt unterstützt werden. Kunden können mit den digitalen Gutscheinen vor Ort einkaufen. Die Veranstaltung am Mittwoch, 21. Juli 2021, um 19.30 Uhr findet online statt. Die WFG Schwäbisch Hall verwendet die Plattform Webex. Benötigt wird entweder ein Computer, Smartphone, Tablet oder Laptop. Eine Termineinladung mit Zugangscodes und weiteren Informationen wird allen Selbstständigen im Gemeindegebiet Kirchberg/Jagst zugeschickt.

Zugangsdaten werden per E-Mail zugeschickt

Wer Interesse an einer Teilnahme hat, muss sich bis spätestens Mittwoch, 21. Juli, um 18 Uhr per E-Mail gemeldet haben. Die Zugangsdaten werden dann ab 18 Uhr zugeschickt. Kontakt für den Zugangscode: Ralf Garmatter, E-Mail rag.pad@t-online.de

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„…aus der Reihe KuWo!“ bringt Kultur in die Stadt – Kulturwochenende in Crailsheim auf dem Volksfestplatz

Unter dem Motto „…aus der Reihe KuWo!“ werden von Sonntag, 29. August 2021 bis Sonntag, 5. September 2021 verschiedenste Bands und Künstlerinnen und Künstler auf dem Crailsheimer Volksfestplatz auftreten. Die Tickets für die Konzerte werden online ab Freitag, 23. Juli 2021 verkauft.

Von der Stadtverwaltung Crailsheim

Zwei bis drei Veranstaltungen pro Tag

Lange hat das Ressort Soziales & Kultur sich gemeinsam mit dem Arbeitskreis Kulturwochenende darüber Gedanken gemacht, wie in Zeiten von Corona Kultur in der Stadt stattfinden kann. Ein klassisches KuWo ohne Besucherzahlbeschränkung ist leider nicht möglich.
2021 wird es daher „nur“ zwei bis drei Veranstaltungen pro Tag geben: eine für Familien am Nachmittag und eine für Erwachsene am Abend. Aber auch der Zutritt wird in diesem Jahr Corona-bedingt anders wie gewohnt ablaufen müssen. Um die Zuschauerzahlen an die aktuell geltenden Corona- Verordnung anpassen zu können, müssen Tickets gekauft werden. Dies geschieht online über den Ticketanbieter „Reservix“. Tickets sind aber auch im Shop des Hohenloher Tagblatts erhältlich.

Corona-Testbus ist vor Ort

Am Freitag, 23. Juli 2021 startet der Vorverkauf. Die Tickets der Familienvorstellung um 15 Uhr kosten fünf Euro, die Tickets für Abendveranstaltungen zehn Euro. Die Eintrittspreise sind ein Beitrag, um die von der Pandemie stark betroffenen Künstler zu unterstützen.
Die Veranstalter bitten, die Hinweise auf die Hinweise zu aktuelle Corona- Verordnungen auf www.kulturwochenende-crailsheim.de und in den sozialen Netzwerken zu beachten. Ein Corona-Testbus wird zudem an allen Veranstaltungstagen vor Ort sein.

Weitere Informationen und Kontakt:

www.kulturwochenende-crailsheim.de

Das vorläufige Programm:

„…aus der Reihe KuWo!“

Das Programm in der Übersicht

Acht Tage lang verspricht „…aus der Reihe KuWo!“ Unterhaltung pur. Die Veranstaltungen um 15.00 Uhr richten sich dabei an Familien.

Sonntag, 29. August 2021
19.00 Uhr Eröffnung durch Oberbürgermeister Dr. Christoph Grimmer 19.30 Uhr MoZuluArt

Montag, 30. August 2021
15.00 Uhr Herbert & Mimi 19.00 Uhr Stenzel & Kivits

Dienstag, 31. August 2021
15.00 Uhr Roddscha aus Kamboscha & Tom Palme 19.00 Uhr Simon & Jan

Mittwoch, 1. September 2021
15.00 Uhr Die Blindfische 19.00 Uhr Poetry slam

Donnerstag, 2. September 2021

15.00 Uhr Theater Mimikri

19.00 Uhr Mambo Kurt

Freitag, 3. September 2021
15.00 Uhr Tukkersconnexion „Lügenbaron“
19.00 Uhr Warsaw Village
20.30 Uhr Theater Anu – Ovids Traum (Spitalpark)

Samstag, 4. September 2021

15.00 Uhr, 19.00 Uhr, 20.30 Uhr, 22.30 Uhr

Volker Rosin
KGB – Kuhnle Gaedt Baisch
Theater Anu – Ovids Traum (Spitalpark) Filmnacht – Film hoch2

Sonntag, 5. September 2021
15.00 Uhr Coq au vin
20.00 Uhr Shantel & Bucovina Club Orkestar

An allen Tagen:

Installation am Eisweiher, Ausstellung im Museum im Spital und der Sparkasse

Eintrittspreise und Vorverkauf:

Abendveranstaltungen zehn Euro pro Ticket, Mittagsveranstaltungen je fünf Euro pro Ticket. Vorverkauf online ab Freitag, 23. Juli 2021 auf reservix.de und bei der Vorverkaufsstelle im HT-Shop Crailsheim, Ludwigstraße 6-10, 74564 Crailsheim

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„Nicht-öffentliche Tagesordnungspunkte bei Gemeinderatssitzungen auf das rechtliche Minimum begrenzen“ – Offener Brief von „DIE LINKE und Linke Liste Schwäbisch Hall“ zur OB-Wahl in Hall

Einen Offenen Brief an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Schwäbisch Hall hat „DIE LINKE und Linke Liste Schwäbisch Hall“ über die Haller Oberbürgermeisterwahl geschrieben. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Offenen Brief in voller Länge.

Von „DIE LINKE und Linke Liste Schwäbisch Hall“

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

wir haben viele Wochen des Oberbügermeisterinnenwahlkampfs hinter uns. Am 4.Juli (2021) haben Sie und wir eine erste Entscheidung an der Wahlurne getroffen. Keiner der Kandidierenden konnte eine Mehrheit erringen und es ist ein zweiter Wahlgang notwendig. Vor diesem Hintergrund möchten wir Stellung beziehen. 2019 trat erstmals eine offene Linke Liste zur Gemeinderatswahl in Schwäbisch Hall an. Seitdem sind wir in diesem Gremium vertreten. Damals wie heute waren und sind uns vier programmatische Kernpunkte besonders wichtig: Bezahlbarer Wohnraum. Insbesondere durch Schaffung von sozialem Wohnraum, Förderung von alternativen Konzepten (wie Mehrgenerationenhäuser etc.) und einer stärkeren Fokussierung auf die Schaffung von Mischgebieten bei neuen Baugebieten. Eine echte und nachhaltige Mobilitätswende für Schwäbisch Hall (u.a. Stopp des Weilertunnels, keine Vertiefung der Durchfahrt unter der Henckersbrücke, eine bessere Anbindung der Teilorte und umliegender Gemeinden durch den ÖPNV inklusive Sozialticket, keine Lindachbrücke für Schwerlastverkehr, eine Umgestaltung des Haalplatzes als Ort der Begegnung, eine barrierefreie Umgestaltung und Sanierung beider Bahnhöfe zu Mobilitätszentren, ohne Abholzung von Bäumen und vieles mehr). Chancengleichheit beim Zugang zur Bildung für alle Kinder in Schwäbisch Hall. Insbesondere durch die Abschaffung der Kita-Gebühren und einen stärkeren Fokus auf die Ausbildung von ErzieherInnen in Hall sowie die Erhaltung und stetige Sanierung öffentlicher Bildungseinrichtungen. Vereine und Initiativen, die Jung und Alt Freizeitaktivitäten bieten, müssen stärker gefördert werden.

BürgerInnenbeteiligung und BürgerInnenentscheide

Der Anteil an nicht-öffentlichen Tagesordnungspunkten bei Gemeinderatssitzungen ist auf das rechtliche Minimum zu begrenzen. Bürgerinnen und Bürger müssen die Möglichkeit haben, sich möglichst allumfassend zu informieren und zu Beginn der Sitzungen Fragen zu stellen. Die Hallerinnen sollen zukünftig früher und stärker in Planungsprozesse einbezogen werden. Besonders betroffene Menschen und Gruppierungen vor Ort einer geplanten Maßnahme müssen mitentscheiden können. Großprojekte ohne BürgerInnenentscheid soll es nicht mehr geben.
Wenn unsere Kriterien für Sie auch wichtig sind, informieren Sie sich bei der Kandidatin und den Kandidaten wie sie zu den vorgenannten Punkten stehen. Treffen Sie in Ruhe ihre Entscheidung und nehmen Sie am 18. Juli 2021 Ihr demokratisches Grundrecht wahr und wählen Sie mit uns ein neues Stadtoberhaupt für unser schönes Schwäbisch Hall!

Mit besten Grüßen

Ihre DIE LINKE
Ihre Linke Liste Schwäbisch Hall

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„Unter der Hitzeglocke: Megahitze in Nordamerika“ – Paul Michel aus Schwäbisch Hall fordert „System Change not Climate Change“

In Teilen Nordamerikas herrscht seit Wochen eine tödliche Hitze: An die 50 Grad wurden in einem westkanadischen Ort gemessen – ein Rekord für das ganze Land. Hunderte sind schon gestorben an den Folgen der extremen Temperaturen.

Kommentar von Paul Michel, Schwäbisch Hall

Ortschaft Lytton durch Waldbrand fast völlig zerstört

Die jüngste Hitzewelle im Nordwesten der USA und im westlichen Kanada hat alle früheren Rekorde für hohe Temperaturen gebrochen. Ende Juni 2021 gab es in Seattle 40 Grad Celsius, in Portland, Oregon 46 Grad Celsius. Die Ortschaft Lytton wurde durch einen Waldbrand fast völlig zerstört. Vor der Brandkatastrophe hatte Lytton, das rund 260 Kilometer nordöstlich von Vancouver liegt, drei Tage in Folge Hitzerekorde verzeichnet. Das Thermometer zeigte nach Angaben der Wetterbehörde bis zu 49,6 Grad Celsius an, die höchste in Kanada gemessene Temperatur. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) handelt es sich bei der extremen Hitzewelle in Kanada und im Nordwesten der USA um ein «noch nie dagewesenes Ereignis» seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.

Häufiger und länger

Die aktuelle Hitzewelle ist auf ein Hochdruckgebiet zurückzuführen, das sich über dem Westen der USA ausbreitet. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hegen aber keinen Zweifel: Es ist der menschengemachte Klimawandel, der Extremwetterereignisse häufiger werden lässt. Während Hitzewellen und andere Temperaturschwankungen zum normalen Wetter gehörten, sind sie jetzt heißer, länger anhaltend und treten häufiger auf. In den US-Großstädten hat sich die Häufigkeit von Hitzewellen in den letzten 40 Jahren verdreifacht und ihre Dauer um über sechs Wochen verlängert. Darüber hinaus hat die Intensität der Hitzewellen um drei bis fünf Grad zugenommen.

Waldbrände

Die jüngste Hitzewelle in Nordamerika hatte zerstörerische Wirkung auf die ohnehin schon marode Infrastruktur. . In Portland wurde der Stadtbahnverkehr eingestellt, weil die Stromkabel ausfielen. In Washington wurden Abschnitte der Autobahn I-5 gesperrt, weil der Straßenbelag aufquoll. Hitzewellen wie die in Nordamerika erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Waldbränden, die wiederum Wassereinzugsgebiete gefährden und Bäume zerstören, die Kohlenstoff speichern, wodurch mehr Treibhausgase freigesetzt werden. Auch die Klimaanlagen oder die Fahrzeuge, die die Menschen nutzen, um für sich die Folgen der Hitze zu mildern tragen zur Erwärmung des Planeten bei. Und so weiter, und so weiter.

Extremwetter nicht nur in Nordamerika

Solche extremen Wetterereignisse gibt es momentan nicht nur in den USA. Auch Skandinavien leidet unter einer Hitzewelle. Der Norden von Finnland meldet mit 33,5 Grad Celsius die höchsten Werte seit Beginn der Aufzeichnungen. Auch in Russlands Wäldern toben heftige Feuer. Allein in der Teilrepublik Jakutien ist eine Fläche größer als Luxemburg betroffen. Am 20. Mai 2021 meldete „SPIEGEL Online“: „In der Arktis herrschen aktuell Temperaturen von bis zu 30 Grad, dort ist es viel heißer als am Mittelmeer.“ GEO titelt am gleichen Tag: „Bikiniwetter am Polarkreis: Nordwesten Sibiriens ächzt unter Hitzewelle“. Ein Bericht des Arktischen Rates warnt, dass sich die Region dreimal so schnell erwärmt wie der Rest des Planeten.“ Der globale Temperaturanstieg lässt mittlerweile Permafrostböden auftauen. Wenn der Permafrost taut, werden zudem Mikroorganismen aktiv und verwandeln im Boden gespeicherte Kohlenstoffverbindungen in Methan, Wasserdampf und Kohlendioxid, die den Treibhauseffekt verstärken. Man geht davon aus, dass das Auftauen der Permafrostböden dramatische Folgen für das Klima haben wird. Schmelzender Permafrost gehört zu den sogenannten Kippelementen im Klimasystem. Das sind Schwellenwerte im Klimasystem, die wie so genannte „points of no return“ reagieren: Wird ein solcher Schwellenwert erreicht, führt das zu schnellen und unumkehrbaren Veränderungen des Erdklimas.

Neue Normalität?

Manche Medien sagen, dies sei die neue Normalität. Aber das ist eher eine Verharmlosung der Lage. Denn dieser Zustand ist nicht stabil. Alles spricht dafür, dass die Häufigkeit und Intensität von Extremwetterlagen in absehbarer Zeit weiter zunehmen werden. Ist diese Hitzewelle ein „Jahrtausendereignis“? Ja, aber nur, wenn man statt der nächsten tausend die letzten tausend Jahre betrachtet. Vieles spricht dafür, dass dies nur ein Durchgangspunkt zu noch schlimmeren Verhältnissen ist. Der IPCC warnt: Mehr Hitzewellen, mehr Hunger, überschwemmte Küstenorte, Artensterben. Ein Verfehlen des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens hat nach Einschätzung des Weltklimarates „irreversible Auswirkungen auf Menschen und ökologische Systeme“. Im Entwurf zu dem IPCC-Bericht, der vor kurzem bekannt wurde, gehen die Experten davon aus, dass eine Erderwärmung um zwei Grad etwa 420 Millionen Menschen zusätzlich dem Risiko von Hitzewellen aussetzt. Das Schlimmste kommt erst noch und wird das Leben unserer Kinder und Enkel viel mehr betreffen als unseres“, heißt es in dem IPCC-Papier.

Greta Thunberg: Klimapolitik als PR der Mächtigen

Die Mächtigen in Politik und Wirtschaft machen keinerlei Anstalten, die erforderlichen Maßnahmen in Angriff zu nehmen. Sie schwadronieren über eine vermeintliche „Klimaneutralität“ bis 2045 und betreiben im hier und jetzt „Business As Usual“. Das heißt vor allem: Nichts tun, was nicht die Billigung der Industrie findet. Selbst Maßnahmen, die nicht einmal etwas kosten, wie ein Tempolimit von 130 Kilometer pro Stunde auf Autobahnen, ziehen sie überhaupt nicht in Erwägung. Beim vom „Bundesverband der deutschen Industrie“ organisierten „Tag der deutschen Industrie“ veranstalteten die Spitzenkandidaten von CDU/ CSU, SPD und GRÜNEN ein Schaulaufen bei dem sie um die die Gunst der Industrie für ihre Vorstellungen warben. Gleichzeitig versicherten sie: Ohne die Industrie können die Klimaziele nicht erreicht werden. Entsprechend besteht ihre Politik vor allem darin, so zu tun als würden sie handeln während sie gleichzeitig ihrer Klientel den Rücken frei halten.

Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hat in einer Rede beim fünften „Austrian World Summit“ in Wien dazu die richtigen Worte gefunden. Sie warf den PolitikerInnen und Mächtigen der Welt vor, sich nur als RetterInnen zu inszenieren statt tatsächlich die Klimakrise zu bekämpfen. Greta Thunberg weiter :

„Es ist nur eine Kommunikations-Taktik verkleidet als Politik. Vor allem die Regierungschefs der reichen Nationen tun so als würden sie sich ändern und auf die jungen Leute hören. Dabei macht ihr ziemlich genau so weiter wie zuvor… Für euch mag das alles nur ein Spiel sein: Ein Spiel, um Wählerstimmen zu gewinnen, Popularität zu gewinnen, höhere Kurse am Aktienmarkt oder eure nächste hoch bezahlte Position in einem Konzern oder einem Lobbying-Unternehmen….. Ihr könnt und werdet weiter so tun als ob. Aber die Natur und die Physik wird nicht darauf hineinfallen. Die Natur und die Physik lassen sich nicht unterhalten oder ablenken von eurem Theater. Das Publikum ist müde geworden. Die Show ist vorbei. Danke!“

Das Heft selbst in die Hand nehmen

Alles hängt davon ab, ob diejenigen, die die Leidtragenden der herrschenden Politik sind, sich in ihr Schicksal fügen. Wenn überhaupt etwas Positives passieren soll, dann nur, wenn die Klimabewegung ihre Corona-Lähmung abschüttelt und den Mächtigen in Politik und Wirtschaft Druck macht. Ein Anlass dazu bietet sich bei der „Internationalen Automobilausstellung“ (IAA) von 8. bis 12. September 2021 in München. Dort will die Autoindustrie durch massives Greenwashing ihr Image als klimaschädliche Gewerbe hinter sich lassen – und tritt als „Plattform für Mobilität“ in grünem Gewand auf.

Straßenverkehr nimmt weiter zu

Dabei stammen laut Umweltbundesamt rund 20 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland aus dem Verkehr, davon mit 72 Prozent der Großteil aus dem Straßenverkehr. Der Verkehrsbereich ist der einzige Bereich, dessen Emissionen in den letzten Jahrzehnten ständig zugenommen haben. Wir brauchen eine Verkehrswende weg vom Auto hin zu einer Mobilität, bei der Mensch, Fußwege, das Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel im Zentrum stehen. Deutlich weniger Autos und viel mehr Busse, Straßenbahnen und Züge – das wäre ein wichtiger Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel. Es ist kaum vorstellbar, dass so etwas im Rahmen eines Kapitalismus, der nicht zuletzt auch ein fossiler Kapitalismus ist, machbar wäre. Ein Wirtschaftssystem, das auf permanentem Wachstum, Profit und Konkurrenz beruht, kann nicht in Einklang mit einem nachhaltigen, sorgsamen Umgang mit der Natur gebracht werden.

Deshalb gilt:

System Change not Climate Change“

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„Das Fürstenhaus Hohenlohe-Langenburg und der deutsche Kolonialismus“ – Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg war erster und langjähriger Präsident des Deutschen Kolonialvereins (3. Aktualisierung)

Für deutsche Kolonien stark gemacht haben sich auch Vertreter des Fürstenhauses Hohenlohe-Langenburg. Hermann Fürst zu Hohenlohe Langenburg war der erste Vorsitzende des 1882 in Frankfurt/Main gegründeten Deutschen Kolonialvereins. 1887 verschmolz der Verein mit der „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ zur „Deutschen Kolonialgesellschaft“. Die neue Gesellschaft mit Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg an der Spitze beanspruchte in Deutschland das Monopol auf die öffentliche Vertretung kolonialer Interessen, schreibt Winfried Speitkamp in „Deutsche Kolonialgeschichte, Reclam Verlag, aktualisierte und erweiterte Ausgabe 2021“.

Informationen zusammengestellt von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert

Statthalter von Elsaß-Lothringen

Der Sitz der Deutschen Kolonialgesellschaft war in Berlin. Vom Amt des Vorsitzenden trat Fürst Hermann Ende 1894 zurück, weil er zum Statthalter von Elsaß-Lothringen (bis Oktober 1907) ernannt wurde. Hermann wurde „in Anerkennung der unvergänglichen Verdienste des Fürsten um die koloniale Sache“ zum Ehrenpräsidenten der Deutschen Kolonialgesellschaft ernannt.

Vertreter der Eliten des Kaiserreichs

Der 1882 gegründete Deutsche Kolonialverein warb in allgemeiner Form für die Idee von Kolonisation. Unter dem ersten Präsidenten Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg fanden sich Vertreter der Eliten des Kaiserreichs zusammen: Schwerindustrielle, Bankiers, Großkaufleute, Reeder aus Hamburg und Bremen, Politiker und Nationalökonomen. Ende 1884 zählte dieser Verein 9000 Mitglieder, 1886 waren es 12400. Die 1884 gegründete „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ wurde von einer jüngeren Generation kolonialer Enthusiasten um Carl Peters, den Juristen Carl Jühlke und Joachim Graf von Pfeil gegründet. Sie wurde von eher kleinbürgerlichen und mittelständischen Mitgliedern getragen und kam 1887 auf 4500 Mitglieder. Zu den Zielen der Gesellschaft zählten die Beschaffung von Kolonialisationskapital, der Erwerb von Überseekolonien und die Lenkung der Auswanderung in diese Gebiete. Anders als der Kolonialverein bereitete die Gesellschaft für deutsche Kolonisation konkrete Kolonisationsprojekte vor. (vgl. Winfried Speitkamp, Deutsche Kolonialgeschichte, Reclam Verlag, aktualisierte und erweiterte Ausgabe 2021)

Zusammenschluss zur Deutschen Kolonialgesellschaft

1887 schlossen sich die Gesellschaft für deutsche Kolonisation und der Deutsche Kolonialverein zur Deutschen Kolonialgesellschaft zusammen. Die neue Gesellschaft mit Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg an der Spitze beanspruchte in Deutschland das Monopol auf die öffentliche Vertretung kolonialer Interessen und wuchs von anfangs 14.483 Mitgliedern auf rund 43.000 Mitglieder vor dem Ersten Weltkrieg an. Der Wachstumsschub setzte erst in den späten 1890er Jahren ein. In der Frühzeit deutscher Kolonialpolitik um 1884 blieb die Resonanz begrenzt. (vgl. Winfried Speitkamp, Deutsche Kolonialgeschichte, Reclam Verlag, aktualisierte und erweiterte Ausgabe 2021)

Carl Peters grausame Amtsführung in Deutsch-Ostafrika

Der Versuch, Ostafrika durch die private „Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft“ zu beherrschen, brach im Aufstand der ostafrikanischen Küstenbevölkerung 1888/89 zusammen. Das Deutsche Reich übernahm die unmittelbare Kontrolle und Carl Peters wurde 1891 zum Reichskommissar für das Kilimandscharogebiet ernannt. Hier kümmerte er sich um die Festlegung der Grenze gegenüber dem britischen Ostafrika (Kenia). Seine Amtsführung vor Ort war durch Grausamkeit gegenüber den Landesbewohnern und die willkürliche Anwendung der Todesstrafe gekennzeichnet. (vgl. Winfried Speitkamp: Deutsche Kolonialgeschichte. Reclam, Stuttgart 2005, S. 138)

Zum Thema Kolonialismus auch im Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein recherchieren

(…) wer die Kolonialgeschichte untersuchen will, darf nicht nur in die großen Archive blicken, sondern muss zum Beispiel auch in das Hohenlohe-Zentralarchiv nach Neuenstein (Hohenlohekreis, Baden-Württemberg) fahren. Dort befindet sich der erst teilweise ausgewertete Nachlass von Hermann Fürst zu Hohenlohe-Langenburg, der als Mitbegründer und Präsident des Deutschen Kolonialvereins (später „Kolonialgesellschaft“) eine führende Persönlichkeit in der Kolonialpolitik des Deutschen Kaiserreichs war (…). // (vgl. Petra Olschowski, in „Die vergessene Ausbeutung – Kolonialismus under Südwesten“, herausgegeben 2021 vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Verbindung mit der Stadt Stuttgart, Verlag Regionalkultur, Stuttgarter Symposion 2019, Schriftenreihe, Band 19, Seite 22)

Straße in Langenburg nach Fürst Hermann benannt

Im württembergischen Langenburg gibt es noch heute (Stand: 21. Oktober 2021) eine Fürst-Hermann-Straße. Außerdem gibt es in der hohenlohischen Kleinstadt einen Fürst-Ernst-Platz, der Hermanns Sohn Fürst Ernst II. gewidmet ist. Ernst II. hat sich Anfang der 1900er Jahre ebenfalls stark für die deutsche Kolonialpolitik eingesetzt.


1913 hatte Fürst Ernst II. zu Hohenlohe-Langenburg ein Vermögen von fünf Millionen Reichsmark

Das Fürstenhaus Hohenlohe-Langenburg war Anfang des 20. Jahrhunderts eine der reichsten „Firmen“ im Königreich Württemberg. Im „Jahrbuch der Millionäre in Württemberg mit Hohenzollern“ von 1914 für das Jahr 1913 wurde das Vermögen von Ernst II. Fürst zu Hohenlohe-Langenburg, Graf von Gleichen (1863-1950), mit fünf Millionen Reichsmark angegeben. Sein Jahreseinkommen soll 500.000 Reichsmark betragen haben. Damit schaffte es Fürst Ernst II. auf Platz 64 der reichsten Menschen im damaligen Württemberg.


Der Eintrag im Jahrbuch von 1914 im Wortlaut: 

„Ernst Fürst zu Hohenlohe-Langenburg, Graf von Gleichen, erbl(iches) Mitglied der I. Kammer in Württemb(erg), Durchlaucht, verm(ählt) mit Alexandra Prinzessin von Sachsen-Coburg-Gotha usw., Kgl. Hoheit, Langenburg in Württemb(erg).“ // Zitiert nach Willi A. Boelke, Millionäre in Württemberg – Herkunft, Aufstieg, Traditionen, Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart, 1997, ISBN 3-421-05110-0, Seite 122.

Die stärkste „Pressure group“ einer deutschen Kolonialpolitik

(…) Mit Hermann Fürst zu Hohenlohe-Langenburg kam einer der maßgeblichen Initiatoren des Deutschen Kolonialvereins aus der Region Hohenlohe. Der Verein war zweifellos die stärkste „Pressure group“ einer deutschen Kolonialpolitik. Hermann Fürst zu Hohenlohe-Langenburg war nicht nur dessen Mitbegründer, sondern auch erster Präsident. (…) // (vgl. Marc Gegenfurtner, in „Die vergessene Ausbeutung – Kolonialismus und der Südwesten“, herausgegeben 2021 vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Verbindung mit der Stadt Stuttgart, Verlag Regionalkultur, Stuttgarter Symposion 2019, Schriftenreihe, Band 19, Seite 29)

Auch der Adel war stark vertreten

(…) Schließlich war der 1907 gegründete Frauenbund Teil der Deutschen Kolonialgesellschaft, die als einer der zentralen Kolonialakteure im Kaiserreich galt. Dessen Mitglieder stammten zum größten Teil aus dem Bürgertum, freilich war auch der Adel stark vertreten, so war – um gleich eine prominente Figur aus dem Südwesten zu nennen – Hermann Fürst zu Hohenlohe-Langenburg erster Präsident des Kolonialvereins. (…) // (vgl. Rebekka Habermas, Kolonialismus jenseits der Metropole, in „Die vergessene Ausbeutung – Kolonialismus under Südwesten“, herausgegeben 2021 vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Verbindung mit der Stadt Stuttgart, Verlag Regionalkultur, Stuttgarter Symposion 2019, Schriftenreihe, Band 19, Seite 56).

Zu Hermann Hohenlohe-Langenburg siehe den Nachlass im Zentralarchiv Hohenlohe, der umfangreiche Korrespondenzen mit vielen Kolonialaktivisten enthält. Vgl. Wichert, Jan: Ich packe meinen Koffer und nehme mit …, in: Archivnachrichten 58 (2019), S. 16-17. Für den bayerischen Kolonialverein liegt eine detaillierte Untersuchung vor, vgl. dazu Seemann, Markus: Kolonialismus in der Heimat, Kolonialbewegung, Kolonialpolitik und Kolonialkultur in Bayern 1882-1943, Berlin 2011, Seite 73. Seemann zeigt für 1883, dass 40 Prozent der Mitglieder Kaufleute sowie gewerbetreibende Fabrikanten waren.

Auch Erbprinz Ernst II. zu Hohenlohe-Langenburg engagierte sich

Auch Fürst Hermanns Sohn, Erbprinz Ernst II. zu Hohenlohe-Langenburg, engagierte sich für die deutsche Kolonialpolitik. Für die kolonialen Interessen des Kaiserreichs setzte er sich auch in Reden im Deutschen Reichstag ein. Kaiser Wilhelm II., sein Cousin dritten Grades, verschaffte ihm die Aussicht auf einen Posten als Staatssekretär und ernannte ihn 1905 zum provisorischen Leiter der Kolonial­abteilung im Auswärtigen Amt, die zum eigenen Reichskolonialamt heraufgestuft werden sollte. Doch wegen interner Querelen und der Widerstände im Reichstag gegen die Finanzierung der neuen Behörde musste der Erbprinz 1906 schon wieder seinen Hut nehmen. Im darauf folgenden Jahr kehrte Ernst II. als Reichstags­abgeordneter für den Wahlkreis Gotha, in dem er als Vertreter der bürgerlichen Parteien gegen die SPD kandidiert hatte, auf die politische Bühne zurück. Als Hospitant der Fraktion der Deutschen Reichspartei trat er bisweilen mit Reden im Plenum in Erscheinung, doch die parlamentarische Alltagsarbeit blieb ihm im Großen und Ganzen fremd. Infolge einer besonderen politischen Konstellation im Reichstag glückte es Ernst II. dennoch, als Kompromisskandidat des rechts-konservativen Lagers 1909 zum Vizepräsidenten des Parlaments gewählt zu werden. Aber auch diese Aufgabe vermochte er nicht lange auszuüben, da er sich mit den Gepflogen­heiten parlamentarischer Debatten nicht arrangieren wollte. Schon 1910 nutzte er die anti-protestantische „Borromäus-Enzyklika“ Papst Pius‘ X. dazu, aus Protest von seinem Amt zurückzutreten, freilich um den Preis, zukünftig keine politische Rolle auf nationaler Ebene mehr spielen zu können.

„Der Wahn vom Herrenvolk“

Der Boom von Kolonialvereinen und Kolonialgesellschaften im süddeutschen Binnenland wundert auch Jan Friedmann, Autor des Artikels „Der Wahn vom Herrenvolk“ in Spiegel Geschichte „Der deutsche Kolonialismus – die Verdrängten Verbrechen in Afrika, China und im Pazifik, Ausgabe 2/2021 auf Seite 47. Dieser Boom sei umso erstaunlicher, „als er sich fernab jedes Hafens und jeder Handelsgesellschaft zutrug. Die lagen für die Kolonialbewegten so fern wie Afrika selbst – was freilich ihre Euphorie nur teilweise bremste.“ Es sei eben so, „konstatierte der aus Württemberg stammende Präsident des Kolonialvereins, Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg, dass Bayern am Fels liegt, abgelegen vom Meere, und daher die Wirkungen des Handels über See nicht in vollem Maße zutage treten.“ Auch im Deutschen Kolonialverein ging es viel um Kontakte und Fundraising für Investitionen in koloniale Projekte.

„Strategie herrschender Eliten“, um von Problemen im Inneren abzulenken

Der Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Wehler sah im Kolonialismus eine Absicht der Regierenden, gesellschaftliche Konflikte nach außen abzuleiten, um so ein künstliches Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen. Wehler interpretierte den Kolonialismus als „Strategie herrschender Eliten“, um von Problemen im Inneren abzulenken und Ansprüche anderer gesellschaftlicher Gruppen auf Mitsprache – von Arbeitern und Frauen beispielsweise – abzublocken. Tatsächlich lassen sich einzelne Zitate von Kolonialaktivisten finden, die diese These stützen. Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg hoffte 1882, „dass wir in Deutschland die Gefahr des Sozialdemokratismus nicht wirksamer bekämpfen können, als wenn wir uns in überseeischen Ländern Luft schaffen, und zwar so bald wie möglich.“ Ernst von Weber, einem sächsischen Rittergutsbesitzer und Ehrenmitglied der Gesellschaft für deutsche Kolonisation, schwebte gar der „Massenexport des revolutionären Zündstoffs“ durch Aussiedlung von Proletariern vor. (vgl. Spiegel Geschichte „Der deutsche Kolonialismus – die Verdrängten Verbrechen in Afrika, China und im Pazifik, Ausgabe 2/2021, Seite 49).

Machterhaltungsbestrebungen privilegierter Gruppen

Der Historiker aus Münster führt den „Kolonialrausch des Kaiserreichs“ auf „Existenzängste unterschiedlicher sozialer Schichten, Machterhaltungsbestrebungen privilegierter Gruppen“ sowie „Prestige- und Identitätsbedürfnis“ zurück. In der stark hierarchisch geprägten Gesellschaft des Kaiserreichs habe man Minderwertigkeitsgefühle bekämpft, indem man auf andere herabschaute – und sei es in Afrika. (vgl. Spiegel Geschichte „Der deutsche Kolonialismus – die Verdrängten Verbrechen in Afrika, China und im Pazifik, Ausgabe 2/2021, Seite 50)

Bismarcks Wende in der Kolonialpolitik

1884 gab Reichskanzler Otto von Bismarck seine Gegnerschaft zur Kolonialpolitik praktisch auf. Zuvor hatte er jahrelang gewarnt, die Kosten zur Gründung und Unterstützung von Kolonien überstiegen „sehr oft den Nutzen“. Der wichtigste Akteur für Bismarcks Wende in der Kolonialpolitik dürfte die Lobby des Handelskapitals gewesen sein. (Spiegel Geschichte „Der deutsche Kolonialismus – die Verdrängten Verbrechen in Afrika, China und im Pazifik, Ausgabe 2/2021, Seite 51).

Teure Prestigeobjekte

1890 war es mit der Expansion schon wieder vorbei. Die Kolonialaktivisten waren empört. Zugleich wurde deutlich, dass sie die Realpolitik nicht entscheidend prägen konnten. Dem Deutschen Reich verblieben die Mitte der 1880er Jahre unter Schutz gestellten Territorien. Sie erwiesen sich als teure Prestigeobjekte. Nach dem Ersten Weltkrieg war der deutsche Kolonialismus formal zu Ende. (vgl. Spiegel Geschichte „Der deutsche Kolonialismus – die Verdrängten Verbrechen in Afrika, China und im Pazifik, Ausgabe 2/2021, Seite 52).

Aus der Internet-Quelle Deutsches Koloniallexikon (1920):

http://www.ub.bildarchiv-dkg.uni-frankfurt.de/Bildprojekt/Lexikon/php/suche_db.php?suchname=Erwerbung_der_deutschen_Kolonien

Unter der Leitung des Fürsten Hermann von Hohenlohe-Langenburg

(…) Inzwischen, ehe Bismarck im Jahre 1884 zum Erwerb von Schutzgebieten schritt, war auch in manchen Kreisen des deutschen Volkes das Interesse an Kolonien erwacht. Es war, das vornehmlich der Tätigkeit eines Vereins zu danken, nämlich des Deutschen Kolonialvereins (s.d.), der 1882 zu Frankfurt a. M. unter der Leitung des Fürsten Hermann von Hohenlohe-Langenburg (s.d.) ins Leben trat. Er zählte im Jahre 1885 immerhin schon 15 000 Mitglieder. Im April 1884 trat die „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ (s.d.) mit dem Sitz in Berlin hinzu. Im Jahre 1887 erfolgte dann die Verschmelzung der beiden Vereine zur „Deutschen Kolonialgesellschaft“ (Sitz Berlin) (s d.), der seither die Ausbreitung des kolonialen Gedankens so viel verdankt. (…)

Deutsches Kolonial-Lexikon (1920), Band I, S. 311 f.

http://www.ub.bildarchiv-dkg.uni-frankfurt.de/Bildprojekt/Lexikon/php/suche_db.php?suchname=Deutscher_Kolonialverein

Interesse an kolonialer Betätigung erwecken

Deutscher Kolonialverein, wurde 1882 zu Frankfurt a. M. unter Leitung des Fürsten Hermann zu Hohenlohe-Langenburg (s.d.) gegründet, um im deutschen Volk das Interesse an kolonialer Betätigung zu erwecken und zu Pflanzen. Der Verein erreichte in wenigen Jahren eine Zahl von 15000 Mitgliedern. 1887 wurde der D. K. mit der 1884 von Dr. Karl Peters (s.d.) gegründeten Gesellschaft für deutsche Kolonisation (s.d.) zur Deutschen Kolonialgesellschaft (s.d.) verschmolzen.

Deutsches Kolonial-Lexikon (1920), Band I, S. 718

http://www.ub.bildarchiv-dkg.uni-frankfurt.de/Bildprojekt/Lexikon/php/suche_db.php?suchname=Gesellschaft_f%FCr_deutsche_Kolonisation

Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft

Gesellschaft für deutsche Kolonisation. Sie wurde 1884 von Dr. Karl Peters (s.d.) zu dem Zweck gegründet, deutsche Kolonialgebiete in überseeischen Ländern zu erwerben. Mit den von der Gesellschaft aufgebrachten Mitteln reiste Peters 1884 mit Graf Pfeil (s.d.) und Jühlke (s.d.) nach Sansibar und von dort nach dem ostafrikanischen Festland, auf dem er mit einer Reihe von Häuptlingen Verträge über Abtretung ihrer Gebietsrechte auf ihn abschloß. Auf Grund dieser Verträge wurde der von Peters gegründeten Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft (s.d.) am 27. Februar 1885 ein Ksl. Schutzbrief erteilt (s. Erwerbung der deutschen Kolonien). Die G. f. d. K. wurde 1887 mit dem Deutschen Kolonialverein (s.d.) zur Deutschen Kolonialgesellschaft (s.d.) verschmolzen.

http://www.ub.bildarchiv-dkg.uni-frankfurt.de/Bildprojekt/Lexikon/H/Hohenlohe-Langenburg,Hermann.html

Deutsches Kolonial-Lexikon (1920), Band II, S. 71

Fürst Hermann zum Ehrenpräsident ernannt

Hohenlohe-Langenburg, Hermann Fürst zu, geb. Langenburg in Württemberg 31. Aug. 1832, gest. 9. März 1913, studierte in Berlin, war Offizier in württembergischen, 1854 in österreichischen Diensten, 1859 im Feldzug Italiens gegen Frankreich, 1862 General, 1870/71 im Feldzug gegen Frankreich, seit 1860 erbliches Mitglied, seit 1893 Vizepräsident der württembergischen Ersten Kammer, 1871 bis 1880 Mitglied (deutsche Reichspartei), 1877/78 zweiter Vizepräsident des deutschen Reichstags, 1882 Begründer und Erster Präsident des deutschen Kolonialvereins (s.d.) bzw. der späteren deutschen Kolonialgesellschaft (s.d.), von deren Leitung er Ende 1894 infolge seiner Ernennung zum Statthalter von Elsaß-Lothringen (bis Oktober 1907) zurücktrat. Damals erfolgte seine Ernennung zum Ehrenpräsidenten der Gesellschaft „in Anerkennung der unvergänglichen Verdienste des Fürsten um die koloniale Sache“. Vgl. auch den Leitartikel der DKZ. vom 31. Aug. 1912: Dem Ehrenpräsidenten der KolG. zum 80. Geburtstag.

Personendaten von Hermann:

Biografie von Hermann Fürst Hohenlohe-Langenburg. In: Heinrich Best: Datenbank der Abgeordneten der Reichstage des Kaiserreichs 1867/71 bis 1918 (Biorab – Kaiserreich)

http://zhsf.gesis.org/biorabkr_db/biorabkr_db.php?id=1087

Deutsches Kolonial-Lexikon (1920), Band II, S. 439

http://www.ub.bildarchiv-dkg.uni-frankfurt.de/Bildprojekt/Lexikon/php/suche_db.php?suchname=Langenburg

Langenburg – ein Bezirk in Ostafrika

Langenburg, manchmal auch nach seinem Hauptort Neu-L. (s.d.) genannt, ist ein Bezirk von Deutsch-Ostafrika am Nordende des Njassa. Nachdem das Ostufer des Njassa zum Bezirk Ssongea (s.d.) kam, ist L. noch 28900 qkm groß. Es umfaßt die Landschaften Konde, Undali, Malila, Urambia, Unjika, Usafua, Buanji, sowie Wungu, und Ukinga (s. die einzelnen Landschaften) zum größten Teil. Die Eingeborene Bevölkerung von L. betrug Anfang 1913: 195 800, was eine Dichte von 6,8 ergibt. Von nichteingeborenen Farbigen lebten 32, von Weißen 137 im Bezirk. Unter letzteren waren 9 selbständige Ansiedler, die sich mit Viehzucht, Anbau von Baumwolle, Kautschuk, Kaffee befaßten. Zwei europäische und wenige indische Firmen treiben Handel. 1908 waren 34,2 qkm Landes an Europäer abgegeben; 1909/12 verpachtete das Gouvernement 8,0, verkaufte es 3,7 qkm. Der Viehstand von L. wurde Anfang 1913 zu 102880 Rindern, 21400 Schafen, 29800 Ziegen gezählt, teils geschätzt, dazu kamen im Besitz von 29 europäischen Betrieben 2892 Rinder, 412 Schafe und Ziegen, 279 Schweine, 287 Esel, die eine Weidefläche von 22,9 qkm benutzten. L. hat als Bezirksnebenstelle jetzt nur noch Muakete in Ukinga (s.d.), wozu als Zollstelle Muaja (s.d.) kommt. In Massoko in Ober-Konde (s.d.) steht die Ö. Kompagnie der Schutztruppe. Außerdem hat der Bezirk 111 Farbige Polizisten. –

21 Missionsstationen in Langenburg

Es gibt 21 Missionsstationen in L., mehr als in irgendeinem anderem Bezirke Deutsch-Ostafrikas. Mitten durch L., zu 3/4 innerhalb seiner Grenzen, verläuft die wichtige Fahrstraße vom Njassa zum Tauganjika mit etwa 395 km Länge (s. Stevenson Road). Von Muaja (s.d.) fährt der Weg steigend bis Neu-L. (s.d.), nach einer Senkung um 200 bis 300 m folgt der Aufstieg zum Igale-Paß, 2000 m ü. d. M. Nun geht es 700 m hinab nach Usafua (s.d.), und hinauf nach Itaka in Unjika, wieder hinab zum Nkanagraben (s. Rukwa), wieder hinauf gegen Ikomba hin. Schließlich gelangt man nach Überwindung des Ssaissi (s. Rukwa) nach Ufipa (s.d.) und nach Bismarckburg (s.d.). Der Weg ist durchweg für Ochsenwagen geeignet.

Literatur: P. Fuchs (und J. Booth), Die wirtschaftl. Erkundung einer ostafrik. Südbahn. Berl. 1905. – Ferner 8. Njassa.

Deutsches Kolonial-Lexikon (1920), Band I, S. 302 ff.

http://www.ub.bildarchiv-dkg.uni-frankfurt.de/Bildprojekt/Lexikon/php/suche_db.php?suchname=Deutsche_Kolonialgesellschaft(DKG)

Koloniale und überseeische Interessen Deutschlands vertreten

Aus: Jahresbericht 1892 der Deutschen Kolonialgesellschaft (unterzeichnet vom Vorsitzenden Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg) im Internet: http://webopac.hwwa.de/DigiInst/F/0453xx/045371/000xx/00001/PIC/F045371126128000000000010000_0684_0003L000HG_A.PDF

Deutsche Kolonialgesellschaft (D.K.G.) Sitz Berlin W 35, Am Karlsbad 10, im Afrikahaus Gegründet 1887 durch Vereinigung des Deutschen Kolonialvereins mit der Gesellschaft für deutsche Kolonisation. Die D.K.G. bezweckt satzungsgemaß (§1): a) im Dienste des Vaterlandes die Erkenntnis von der Notwendigkeit deutscher Kolonien zum Gemeingut des deutschen Volkes zu machen; b) die Pflege und Förderung des vorhandenen deutschen Kolonialbesitzes in organisatorischer, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Beziehung wie auch die Klärung und öffentliche Vertretung aller sonstigen kolonialen und überseeischen Interessen der deutschen Nation; c) unter Ablehnung jeder Stellungnahme zu parteipolitischen Fragen alle Parteien im Deutschen Reiche für die deutsch- koloniale Sache zu gewinnen und insbesondere in Zeiten wichtiger Entscheidungen in solchem Sinne zu wirken.

Der Präsident wird vom Vorstand gewählt

Mitglied kann jeder unbescholtene Großjährige werden (§4), auch Frauen. Der Beitrag ist für ordentliche Mitglieder, wenn sie in Deutschland, in den deutschen Schutzgebieten oder in Österreich-Ungarn wohnen, auf mindestens 6 M, wenn sie anderswo ihren Wohnsitz haben, auf mindestens 8 M bemessen. In Orten, wo Abteilungen bestehen, wird ein Zuschlag erhoben (§9). Die D.K.G. gliedert sich in Abteilungen (die Mitglieder einzelner Bezirke zusammenfassend) und Gauverbände (Vereinigung mehrerer Abteilungen). Die Organe der Gesellschaft sind a) der Präsident, b) der Ausschuß, c) der Vorstand, d) die Hauptversammlung (§13). Der Präsident wird von dem Vorstand aus seiner Mitte gewählt. Zu seiner Vertretung werden in gleicher Weise fünf Stellvertreter und auf Wunsch des Präsidenten für die Dauer seiner Amtsführung ein geschäftsführender Vizepräsident gewählt (§14). Der Ausschuß wird teils vom Vorstand gewählt, teils vom Präsidenten ernannt. Die Wahl des Vorstandes erfolgt während der Tagung der Hauptversammlung durch die Vertreter der Abteilungen. Alljährlich findet eine ordentliche Hauptversammlung der Mitglieder statt (§24).

In die koloniale Bewegung Deutschlands führend eingreifen

Die D.K.G., mit 14838 Mitgliedern gegründet, zählt heute über 42000 Mitglieder. Das Gesellschaftsvermögen belief sich am 1. Januar 1913 auf rund 2000000 M, die Jahreseinnahmen aus Mitgliederbeiträgen 1912 auf 236000 M und einschließlich der sonstigen Einnahmen auf insgesamt rund 360000 M. Die Tätigkeit der Gesellschaft ist einesteils eine werdende, insofern sie das Verständnis und Interesse für Deutschlands koloniale Aufgaben anregen und fördern will, anderenteils eine der praktischen Arbeit zugewandte. Werbend wirkt die D.K.G.

  1. durch die von ihr herausgegebene, wöchentlich erscheinende „Deutsche Kolonialzeitung“, die allen Mitgliedern kostenfrei zugestellt wird. Die Deutsche Kolonialzeitung, die für die große Menge der Gebildeten geschrieben ist, bringt in möglichst engem Anschluß an die Tagesereignisse kurze, aufklärende Artikels die innerhalb von je 14 Tagen das gesamte Gebiet der deutschen Kolonialbetätigung berücksichtigen, führt Land und Leute des überseeischen Deutschland in Bildern vor, berichtet über die Arbeiten der Gesellschaft, nimmt zu allen wichtigen kolonialen Fragen in knappen Aufsätzen Stellung und ist bemüht., in die koloniale Bewegung Deutschlands führend einzugreifen;
  2. durch die von ihr in jährlich 12 Heften herausgegebenen „Kolonialen Monatsblätter, Zeitschrift für Kolonialpolitik, Kolonialrecht und Kolonialwirtschaft „, welche die Mitglieder zum Selbstkostenpreise erhalten;
  3. durch Übermittlung von kolonialen Artikeln und Notizen an die Tagespresse vermittelst der von ihr herausgegebenen kolonialen Korrespondenz „Mitteilungen der Deutschen Kolonialgesellschaft“;
  4. durch Veranstaltung von Vorträgen über kolonialpolitische Themata in den Zweigvereinen und in anderen Orten, die zur Gründung von Abteilungen schreiten wollen;
  5. durch Zusendung von Werbestoff (Karten, kolonialen Abhandlungen, Flugschriften) an die Abteilungen;
  6. durch Anschaffung von Lichtbilderapparaten, Anlage von Lichtbildersammlungen, Ausarbeitung von erläuternden Vorträgen dazu und deren Verleihung an die Abteilungen und Bewilligung von Unterstützungen an letztere zu derartigen Anschaffungen;
  7. durch Versendung von Beitrittseinladungen mit postfreier Anmeldekarte;
  8. durch Herausgabe und Unterstützung von Werken und Zeitschriften kolonialen Inhalts;
  9. durch Unterhaltung einer umfangreichen Bücherei, die bereits gegen 12000 Bände, Broschüren und Karten besitzt und deren Benutzung jedem Mitgliede gestattet ist;
  10. durch Förderung der Anlage von Kolonialheimen;
  11. durch Unterstützung von Büchereien mit kolonialem Lesematerial;
  12. durch Verbreitung der Kenntnis über unsere Kolonien in der Jugend;
  13. durch Versorgung von Schulbibliotheken mit kolonialem Lesestoff;
  14. durch Veranstaltung von kolonialwirtschaftlichen Ausstellungen in Deutschland und Unterstützung landwirtschaftlicher Ausstellungen in den Kolonien.

Gesunde national deutsche Unternehmen oder Interessen fördern

Praktisch ist die Gesellschaft bemüht, jedes gesunde national deutsche Unternehmen oder Interesse auf kolonialem Gebiet im weiteren Sinne, gleichviel ob dasselbe sich auf Deutsche Schutzgebiete oder außerdeutscheüberseeische Länder bezieht, nach Kräften zu fördern. Dementsprechend hat die D.K.G.:

  1. auf alle die Entwicklung der deutschen Schutzgebiete und die Interessen der Deutschen im Auslande berührenden Fragen eingewirkt und den Standpunkt der kolonialfreundlichen Kreise Deutschlands an maßgebender Stelle vertreten. Ausbau unserer Flotte, Haushaltsetat für die Schutzgebiete, Antisklavereibestrebungen, Emin-Pascha-Expedition, Abgrenzungsfragen der Schutzgebiete, Errichtung von Berufskonsulaten, Ableistung der Dienstpflicht bei der Schutztruppe, Eisenbahnbauten, Dampferverbindungen, Bekämpfung der Hungersnot in Deutsch- Ostafrika, Bekämpfung der Viehseuchen, Auswanderungsgesetz, Samoafrage, Erhaltung der Reichsangehörigkeit, Errichtung eines Konsular- und Kolonialgerichtshofes usw.;
  2. Expeditionen zur Erforschung der deutschen Schutzgebiete und deren Hinterländer, teilweise in Verbindung mit anderes Organen ausgerüstet und entsandt,
  3. die wirtschaftliche Erschließung der Schutzgebiete teils selbst in Angriff genommen, teils dahin zielende Unternehmungen Jahre hindurch aus ihren Mitteln und durch ihren Einfluß erheblich unterstützt;
  4. das Studium der Eingeborenensprachen angeregt und gefördert,
  5. die tropenhygienische Forschung angeregt und durch Beschaffung von Material und finanzielle Zuwendungen gefördert;
  6. deutsche Schulen in den Schutzgebieten und im Auslande durch namhafte Beträge Jahre hindurch unterstützt;
  7. die Siedlung deutscher Landwirte in Deutsch-Südwestafrika und die Siedlung Leudorf am Meruberg (Deutsch-Ostafrika) ins Leben gerufen, den Ansiedlern daselbst zur Begründung wirtschaftlicher Unternehmungen erhebliche Unterstützungen gewährt und zum Zweck der Siedlung eine direkte Dampferverbindung zwischen Hamburg und Deutsch-Südwestafrika begründet;
  8. die Selbstverwaltung in den Schutzgebieten und die Errichtung von Gouvernementsbeiräten nachdrücklich gefordert und vertreten;
  9. die Notwendigkeit, unsere Kolonien durch den Bau von Eisenbahnen wirtschaftlich zu erschließen, stets auf das nachdrücklichste betont und empfohlen;
  10. Gelder aufgebracht, um den durch den Aufstand in Deutsch-Südwestafrika in Not geratenen Ansiedlern über die schlimmsten ersten Zeiten, wo es am Nötigsten gebrach, hinwegzuhelfen;
  11. sich mit aller Kraft dafür eingesetzt, daß diese Ansiedler für die durch den Aufstand verursachten Verluste vom Reich in billiger und gerechterweise entschädigt werden;
  12. für die aus Deutsch-Südwestafrika zurückkehrenden Kämpfer nach dem Aufstand für längere Zeit einen Stellennachweis eingerichtet;
  13. in Windbuk (Deutsch-Südwestafrika) das Elisabethhaus (Wöchnerinnenheim) errichtet;
  14. für die I-Iinaussendung von Missionsärzten und Krankenschwestern Beihilfen bewilligt;
  15. im Laufe der Jahre Tausenden von Auswanderern auf Anfrage unentgeltliche Auskünfte über Einwanderungsgebiete erteilt (eigene Auskunftsstelle für Auswanderer, Berlin W 35, Am Karlsbad 10, im Afrikahaus), Frauen und Mädchen auf Gesellschaftskosten nach Deutsch- Südwestafrika, Deutsch-Ostafrika und Kiautschau entsandt, an der Geschäftsstelle für Stellenvermittlung für die aus den Kolonien heimkehrenden Unteroffiziere und Mannschaften der deutschen Schutztruppen teilgenommen usw. usw.

Der Erwerb Deutsch-Ostafrikas ist lediglich der von der „Gesellschaft für deutsche Kolonisation “ ausgerüsteten Petersexpedition (1884) zu verdanken. Die D.KG. selbst hat sich in der Folge mehrfach für die Erweiterung des Kolonialbesitzes eingesetzt:

Erwirkung des Reichsschutzes für die von der Petersschen "Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft" erworbenen Rechte an der Somaliküste zwischen Witu und Kismayu (1889);
erfolgreiche Bemühungen (eigene Expedition) um die Erweiterung des Kamerun-Hinterlandes bis zum Tsadsee (1890/94);
Togo-Hinterland-Expedition, und Eingaben an die Regierung wegen Ausdehnung des Besitzes;
Resolutionen für Errichtung des deutschen Regiments auf Samoa seit 1894 (Samoa deutsch 1899);
schon 1895 Forderung eines deutschen Küstenplatzes in China (Kiautschou erworben 1897).

Verstärkung der Wehrmacht des Reichs zum besseren Schutz

Als Caprivi 1890 daran dachte, Deutsch-Südwestafrika aufzugeben, suchte die D.K.G. diesem Plan entgegenzuwirken durch die Gründung des „Syndikats für südwestafrikanische Siedlung“, das sich später zu der jetzigen „Windhuker Farmgesellschaft“ umwandelte. Auch die Verstärkung der Wehrmacht des Reichs hat der D.K.G. im Interesse besseren Schutzes unseres Überseebesitzes stets sehr am Herzen gelegen.

Schon 1889 selbständiges Kolonialamt gefordert

Neben der Schutztruppe, deren Vermehrung wiederholt (zuerst 1890) gefordert wurde, war es vor allem die Flotte, für die sich die D.K.G. einsetzte. Seit 1803 schon entfaltete sie eine rührige Flottenagitation. Wann immer die deutsche auswärtige Politik sich um Probleme kolonialer Art drehte, war die D.K.G. auf dem Posten (Transvaal 1891, 16. Jan. 1896; Marokko 1904 ff). Hierher gehören auch die jahrelangen Bemühungen (seit 1884) für die Aufhebung des preußischen Auswanderungsverbots betreffs Brasilien (v.d. Heydtsches Reskript), die schon 1889 erhobene Forderung nach einem selbständigen Kolonialamt, die Agitation für die Änderung des Reichsangehörigkeitsgesetzes (seit 1889).

Siedlungsgesellschaft „Hermann“ in Südbrasilien „begründet“

Der deutschen Auswanderung hat die D.K.G. besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Neben der Auskunftstätigkeit der von ihr eingerichteten und mit Reichsmitteln unterhaltenen Zentralauskunftsstelle seien folgende Maßnahmen erwähnt: 1800 gründete sie das “ Syndikat für südwestafrikanische Siedlung“, sie unterstützte ferner die Ansiedlung in Deutsch-Südwestafrika mit Barmitteln und entsandte eine eigene Expedition zur Erforschung der Ansiedlungsmöglichkeiten dorthin. Auch in Deutsch-Ostafrika hat die D.K.G. sich um die Besiedlung bemüht (1903 Expedition nach West-Usambara und Uhehe, Deutsch-Ostafrikanisches Besiedlungskomitee l905). Besonders ist es aber Südamerika, wohin man die Auswanderung zu leiten bestrebt war (Kampf gegen das Auswanderungsverbot für Brasilien, 1885 Begründung der Siedlungsgesellschaft ,“Hermann“ für Südbrasilien usw.).

„Eingeborenenpolitik“ fördern

Auch die, Eingeborenenpolitik in „unseren Kolonien“ (Eingeborenenrecht, Kommission zur Erforschung und Bekämpfung der Sklaverei 1888, Hebung der Eingeborenenkulturen usw ) suchte die D.K.G. zu fördern.

Zahlreiche Expeditionen selbst ausgerüstet

Auf dem Gebiete des kolonialen Agrarwesens hat die D.K.G. eine reiche Tätigkeit entfaltet. Zuerst sei der Kampf gegen die Landkonzessionen seit 1892 erwähnt, ferner die Bemühungen um das Bodenkreditwesen seit 1904. Zur wissenschaftlichen Erforschung der Produktionsverhältnisse in den Kolonien wurden zahlreiche Expeditionen selbst ausgerüstet oder unterstützt, landwirtschaftliche Versuchs- und sonstige Stationen eingerichtet u. dgl. m. Große Aufwendungen wurden für die Förderung des kolonialen Baumwollbaus und der Kautschukkultur, für die Beschaffung von Saatmaterial und die chemisch-technische Prüfung von Rohstoffen in den Kolonien aufgewandt; hierbei hat sich die D.K.G. zumeist der Vermittlung des 1896 begründeten Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees bedient, mit dem sie seit 1902 eine enge Gemeinschaft eingegangen ist, derart, daß das Komitee seitdem unbeschadet völlig selbständiger Tätigkeit den Untertitel „Wirtschaftlicher Ausschuß der Deutschen Kolonialgesellschaft“ führt. Auch der Viehzucht ward manche Unterstützung zuteil, und die Viehseuchenforschung fand dabei besondere Beachtung.

Langjährige Kampf für die Handelsfreiheit im Nigergebiet

Dem Handel und Verkehr der Kolonien schenkte die D.K.G. viel Beachtung. Bedeutsam ist der langjährige Kampf für die Handelsfreiheit im Nigergebiet (1888 ff) gegen die Übergriffe der „Royal Niger Company“, ferner das Eintreten für die Meistbegünstigung der Kolonien. Für die Schiffahrtsverbindungen der Kolonien gab die D. K. G. manche Anregung und forderte für die Postdampferlinien Reichssubventionen (Anregung, betr. eine Postdampferlinie nach Ostafrika, 1887, nach der Südsee 1900; betr. Landungsbrücke in Togo, 1896, Hafenbauten in Tanga und Daressalam 1901, ferner Bau zweier Stahlboote für den Victoriasse 1890, eines Tanganjika-Dampfers 1898, eines Motorschoners für den Gouverneur von Samoa usw.). Ebenso eifrig war die D.K.G. um die Eisenbahnen bemüht (Anregung für die Windhuker Bahn 1897, für die Durchführung der Usambarabahn 1897, für die Zentralbahn Daressalam-Morogoro 1900 usw.; Resolution für die allgemeine Meter-Spurweite 1901; seit 1912 ständige Eisenbahnkommission). Auch die Kabelverbindungen wurden nach Kräften gefördert.

Wirtschaftliche Ausnutzung der Kolonien

Zur wirtschaftlichen Ausnutzung der Kolonien hat die D.K.G. eine Reihe von Unternehmungen ins Leben gerufen und unterstützt (neben den bereits gelegentlich erwähnten Gesellschaften insbesondere noch: 1886 Deutsche Witugesellschaft, Pondo-Gesellschaft in Südafrika, 1900 Südwestafrikanische Schäfereigesellschaft unter Beteiligung mit 300000 Mark u.a.m.; auch der „Verband Deutsch-Ostafrikanischer Pflanzungen“ von 1905 ist hier zu erwähnen).

Kolonialmuseum

Für die wissenschaftliche Erforschung der Kolonien hat die D.K.G. zahlreiche Expeditionen sowie Forschungsreisende ausgerüstet oder unterstützt; wissenschaftliche Literatur selbst herausgegeben oder dazu bedeutende Beihilfen gewährt; besonders aber, wie teilweise schon erwähnt, wissenschaftliche Institute errichtet oder unterstützt, so u.a.: Witustation, Kilimandscharostation, Botanische Zentralstelle für die Kolonien beim Berliner Botanischen Garten, Kolonialmuseum usw.; wissenschaftliches Material gesammelt, besonders auf dem Gebiet der Tropenhygiene usw.

Wohltätige Einrichtungen

Dankbar muß man auch der Anregungen und Beihilfen gedenken, die wohltätigen Einrichtungen in den Kolonien zugute kamen (Krankenhaus in Tanga, Genesungsheim im Lauschangebirge, Seemannshaus in Tsingtau u.a.m., vor allem noch das eigene Entbindungsheim „Elisabethhaus“ in Windhuk). Hier mag auch die große Hilfsaktion für die durch den Aufstand in Not geratenen Südwestafrikaner erwähnt sein.

1902 im Reichstag erster Kolonialkongreß

Um ihren Bestrebungen ein größeres Gewicht zu verleihen, hat die D.K.G. alle nationalen Verbände mit kolonialen und überhaupt überseeischen Interessen zusammenzuschließen gesucht. Die Peterssche “ Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ machte 1886 den ersten verdienstvollen Versuch dazu, konnte aber auf dem Kongreß in der Berliner Philharmonie nur wenige Verbände vereinigen. Die deutsche Kolonialgesellschaft nahm später den Gedanken wieder auf und veranstaltete mit großem Erfolg 1902 im Reichstag ihren ersten Kolonialkongreß, dem 1905 und 1910 mit wachsender Beteiligung weitere folgten.

„Seine Durchlaucht Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg“

Erster Präsident der Gesellschaft war Seine Durchlaucht Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg. Sein Nachfolger in der Stelle des Präsidenten ist Seine Hoheit der Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg seit 15. Jan. 1895.

Jahresbericht 1892 der Deutschen Kolonialgesellschaft (unterzeichnet vom Vorsitzenden Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg) im Internet: http://webopac.hwwa.de/DigiInst/F/0453xx/045371/000xx/00001/PIC/F045371126128000000000010000_0684_0003L000HG_A.PDF

Auszug der Einleitung zu einem Artikel von Oliver Schulz zu dem Kapitel „Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg (1832-1913) – Kolonialpolitiker und Statthalter im Reichsland Elsass-Lothringen“ in dem Buch „Die Familie Hohenlohe – Eine europäische Dynastie im 19. und 20. Jahrhundert“. Herausgegeben 2018 von Alma Hennig und Martina Winkelhofer-Thyri, Verlag Böhlau, ISBN: 978-3-412-22201-7 // Online veröffentlicht im Juni 2018

https://www.vr-elibrary.de/doi/10.7788/boehlau.9783412216320.271

Auszug aus dem Vorwort des Historikers Thomas Kreutzer (2005) zum Findbuch des Hohenlohe-Zentralarchivs Neuenstein La 142 „Nachlass von Fürst Ernst II:

https://www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/einfueh.php?bestand=21421

(…) verschaffte ihm Kaiser Wilhelm II., sein Cousin 3. Grades, die Aussicht auf einen Posten als Staatssekretär und ernannte ihn 1905 zum provisorischen Leiter der Kolonial­abteilung im Auswärtigen Amt, die zum eigenen Reichskolonialamt heraufgestuft werden sollte. Doch wegen interner Querelen und der Widerstände im Reichstag gegen die Finanzierung der neuen Behörde musste der Erbprinz 1906 schon wieder seinen Hut nehmen. Im darauf folgenden Jahr kehrte Ernst II. als Reichstags­abgeordneter für den Wahlkreis Gotha, in dem er als Vertreter der bürgerlichen Parteien gegen die SPD kandidiert hatte, auf die politische Bühne zurück. Als Hospitant der Fraktion der Deutschen Reichspartei trat er bisweilen mit Reden im Plenum in Erscheinung, doch die parlamentarische Alltagsarbeit blieb ihm im Großen und Ganzen fremd. Infolge einer besonderen politischen Konstellation im Reichstag glückte es Ernst II. dennoch, als Kompromisskandidat des rechts-konservativen Lagers 1909 zum Vizepräsidenten des Parlaments gewählt zu werden. Aber auch diese Aufgabe vermochte er nicht lange auszuüben, da er sich mit den Gepflogen­heiten parlamentarischer Debatten nicht arrangieren wollte. Schon 1910 nutzte er die anti-protestantische „Borromäus-Enzyklika“ Papst Pius‘ X. dazu, aus Protest von seinem Amt zurückzutreten, freilich um den Preis, zukünftig keine politische Rolle auf nationaler Ebene mehr spielen zu können.

Nach dem Ende der Legislaturperiode 1912 konzentrierte sich der Erbprinz vornehmlich auf die hohenlohischen Stammgüter. 1913 starb Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg und der Sohn trat das standesherrliche Erbe an, zu dem auch die Grafschaft Gleichen in Thüringen zählte. Den Verlust führender politischer Ämter kompensierte Ernst II. erfolgreich durch sein verstärktes Engagement für gesellschaftliche Kräfte, die eher im Hintergrund wirkten: in erster Linie die evangelische Kirche, der Johanniterorden und das Rote Kreuz. Innerhalb dieser Institutionen nahm er auf lokaler und auf Landesebene wichtige und einflussreiche Positionen ein, über die er – in Verbund mit seinen Mitgliedschaften in zahlreichen Vereinen und Verbänden – ein breites Netzwerk von Korrespondenzpartnern aus adligen, politischen, wissenschaftlichen, kirchlichen und kulturellen Kreisen pflegen konnte. (…)

Auszug aus dem Wikipedia-Eintrag zu Fürst Ernst II. zu Hohenlohe-Langenburg (abgerufen am 29. Mai 2021):

https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_II._zu_Hohenlohe-Langenburg

(…) Aufgrund der Verwandtschaftsbeziehungen seiner Frau, einer Tochter Herzog Alfreds von Sachsen-Coburg und Gotha, übernahm der Erbprinz nach dem Tod seines Schwiegervaters am 30. Juli 1900 bis zum 18. Juli 1905 die Regentschaft in den Herzogtümern Sachsen-Coburg und Gotha für den noch unmündigen Carl Eduard. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, auf reichspolitischer Bühne – als Leiter der Kolonialabteilung im Auswärtigen Amt (1905/06) sowie als Abgeordneter (1907–1911) und Vizepräsident (1909/10) des Reichstages – Fuß zu fassen, trat er 1913 sein standesherrliches Erbe an. Damit verbunden war bis zur Novemberrevolution 1918 der erbliche Sitz in der württembergischen Kammer der Standesherren, der er bereits seit 1895 als Stellvertreter seines Vaters angehörte. Der Fürst betätigte sich während des Ersten Weltkriegs freiwillig in der Krankenpflege, unter anderem als Generaldelegierter an der Ostfront sowie (seit 1918) als Kaiserlicher Kommissar und Militärinspekteur. 1915 wurde er als Sonderbotschafter nach Konstantinopel und auf den Balkan geschickt.

x.) „Schwarzer Untertan versus schwarzer Bruder“. Bernhard Dernburgs Reformen in den Kolonien Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Togo und Kamerun / Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) vorgelegt dem Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel von Sören Utermark aus Moringen vorgelegt bei Prof. Dr. Jens Flemming und Prof. Dr. Winfried Speitkamp Eingereicht am: 18. November 2011 Tag der mündlichen Prüfung: 20. Juli 2012

Seite 14/15:

„Ein Auszug aus den Windhuker Nachrichten vom 04.07.1907 verdeutlicht das Herrschaftsverhältnis zwischen dem überwiegenden Anteil deutscher Ansiedler in den Kolonien und der indigen Bevölkerung auf prägnante Weise: „Die Idee, dass die Neger in Afrika ein Recht darauf hätten, nach ihrer eigenen Facon zu leben und zu sterben, , […] diese Idee ist absurd.“38Spätestens um die Jahrhundertwende sollte sich jedoch deutlich herausstellen, dass eben diese Art der rigorosen Herrschaftsausübung nicht den gewünschten Erfolg herbeiführen konnte. Die Entwicklung der Kolonien blieb bei weitem hinter den anfänglichen Erwartungen zurück, so dass in der deutschen Öffentlichkeit die Kritik an den vielen Unzulänglichkeiten der deutschen Kolonialpolitik wuchs. Neben den zahlreichen Verfehlungen der Kolonialverwaltung, dem Desinteresse des deutschen Kapitals an Kolonialinvestitionen sowie im Zusammenhang mit den großen indigenen Aufständen in Deutsch-Südwest- und Deutsch-Ostafrika (1904-1907), war es vor allem der durch die inhumane Eingeborenenpolitik entstandene permanente Arbeitermangel, der u.a. im Reichstag zu heftigen Diskussionen führte und den Ruf nach einer „neuen“ Kolonialpolitik entfesselte. Vor allem die Sozialdemokraten und das Zentrum attackierten die Kolonialpolitik der Regierung, so dass Kolonialdirektor Ernst zu Hohenlohe-Langenburg schließlich im September 1906 sein Amt niederlegte. Mit der ruhmlosen Verabschiedung des Erbprinzen zu Hohenlohe-Langenburg erreichte die Krise der deutschen Kolonialpolitik schließlich ihren Höhepunkt. Reichskanzler von Bülow war nun dazu angehalten, eine Kolonialreform unter neuer Führung der Kolonialverwaltung voranzutreiben und ernannte am 05.09.1906 den Bankier Bernhard Dernburg zum Direktor der Kolonialabteilung. (…)

Seite 31:

„In Anbetracht der Größe Ostafrikas und des geringen Bestands an Militär konnte die Etablierung der deutschen Herrschaft aber nur punktuell realisiert werden. Daher verfolgte man die Strategie, die einzelnen Territorien nacheinander militärisch zu besetzten und sie so lange durch Militärposten und Strafexpeditionen zu überziehen, bis jeder Widerstand gebrochen war113. So breitete sich die deutsche Herrschaft von der ostafrikanischen Küste allmählich in westlicher Richtung über das Binnenland aus, was deutlich an der Reihenfolge der Errichtung der einzelnen Militärstationen sichtbar wurde.“ // Diese waren 1889 Tanga, Pangani, Sadani; 1890 Kilwa, Lindi, Moshi, Mikindani, Tabora; 1891 Kilosa, Mwansa, Bukoba; 1893 Langenburg; 1895 Kilimatinde; 1895 Iringa

Seite 53 (Fußnoten):

221 Bei einer Betrachtung der 1891 im Rat vertretenden Mitglieder findet diese Vermutung Bestätigung. Viele Kolonialratsmitglieder waren Reichstagsmitglieder oder Mitglieder im Preußischen Abgeordnetenhaus (z.B. Weber, Hohenlohe-Langenburg, Schroeder-Poggelow und Woermann). Neun Ratsmitglieder waren entweder Mitglieder oder Sympathisanten der Nationalliberalen Partei (Hofmann, Colin, Langen, Lucas, Schroeder-Poggelow, Vohsen, Hansemann, Weber und Woermann); der Freikonservativen Partei (Heydt und Hohenlohe-Langenburg); der Konservativen Partei (Pfeil, Scharlach). Pogge von Strandmann, Hartmut: Imperialismus vom Grünen Tisch, S. 105. 222 Die Tatsache, dass der Kolonialrat unbeschwert und ohne die Aufnahme von oppositionellen Kräften arbeiten konnte, also zu keiner Zeit Kolonialkritiker in den Rat einberufen wurden, war der „schützenden“ Haltung der Regierung zu verdanken. Diese ließ es nicht zu, dass etwaige Personen die Arbeit des Rates behinderten. In einem Schreiben des Kolonialdirektors an den Reichskanzler vom 28. Mai 1900 heißt es hierzu: „Sollten etwa seitens der Sozialdemokratischen oder der Freisinnigen Volkspartei Beschwerden über Nichteinberufung von Vertretern derselben laut werden, so würde solchen unter Hinweis auf die grundsätzlich ablehnende Haltung dieser Parteien gegenüber der Kolonialpolitik unschwer entgegengetreten werden können.“ Gerhard von Buchka an den Reichskanzler am 28.05.1900. In: BArch R 1001/6950, Bl. 110.

Seite 57/58:

Die Deutsche Kolonialgesellschaft Die Deutsche Kolonialgesellschaft (DKG) wurde am 19.12.1887 durch die Fusion des Deutschen Kolonialvereins und der Gesellschaft für Deutsche Kolonisation gegründet und zählte im Kaiserreich zu den einflussreichsten Agitationsverbänden. Zwar war sie weder von einzelnen Parteien noch von einzelnen Wirtschaftsverbänden abhängig, arbeitete jedoch mit zahlreichen großen Interessenverbänden (z.B. mit dem Deutschen Flottenverein, dem Zentralverband Deutscher Industrieller und dem Alldeutschen Verband) und Instituten (z.B. der Deutschen Bank) eng zusammen241. Genau wie der Alldeutsche Verband war sie keine Massenorganisation, sondern bemühte sich, mit Hilfe eines relativ kleinen, aber einflussreichen Kreises von Mitgliedern Kolonialpropaganda zu betreiben242. Unter einem einflussreichen Kreis sind sowohl national einflussreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Lehrer, Pfarrer usw. zu verstehen. An Ihrer Spitze standen bekannte Persönlichkeiten, darunter Ehrenpräsident Hermann zu Hohenlohe-Langenburg (Mitglied im Kolonialrat), Henry Axel Bueck (Geschäftsführer des Zentralverbandes Deutscher Industrieller) und der rheinische Großbankier August Karl von der Heydt (Mitglied im Kolonialrat). Geradezu typisch für Agitationsvereine waren die Führungsmitglieder der DKS 238 Heinrich Claß (1868-1953) war von 1908 bis 1939 Vorsitzender des Alldeutschen Verbandes. 239 Für das Jahr 1901 wird eine Zahl von 32 alldeutschen Reichstagsmitgliedern genannt. Bonhard, Otto: Geschichte des Alldeutschen Verbandes, Berlin 1920, S. 10. 240 Laak, Dirk van: Über alles in der Welt. Deutscher Imperialismus im 19. und 20. Jahrhundert, München 2005, S. 73. 241 Vgl. Hausen, Karin: Deutsche Kolonialherrschaft in Afrika, S. 44. 242 Die Zahl der Mitglieder bewegte sich in den Jahren von 1888 bis 1896 zwischen 16.500 und 18.500. In den folgenden fünf Jahren bis 1900 verdoppelte sie sich; 1900 betrug sie 36.000. Sie stieg dann in den folgenden vierzehn Jahren nur noch langsam an und betrug 1914 42.000. Während des Krieges sank sie wieder und war 1918 etwa so hoch wie zu Beginn des Jahrhunderts. Zahlen entnommen aus: Deutscher Kolonial-Atlas mit Illustriertem Jahrbuch herausgegeben auf Veranlassung der Deutschen Kolonialgesellschaft, Berlin 1913, S. 3.
58meist in noch weiteren Vorständen anderer Interessensverbände vertreten243. So war die Verbindung zwischen den Kräften, die die DKG gründeten, und denjenigen, die später führend im Alldeutschen Verband sein sollten, derart eng, dass sie sich nicht nur allgemein auf bestimmte Interessenkreise bezog, sondern auch auf die in der Öffentlichkeit führend auftretende Propagandisten bezog. Beispielsweise findet man unter denen, die prominent in der frühen Kolonialbewegung sind, sowohl Prof. Ernst Hasse, den späteren langjährigen Leiter des Alldeutschen Verbandes, seinen Generalsekretär Dr. A. Lehr, wie auch General Eduard von Liebert, die allesamt ein freundschaftliches Verhältnis zueinander pflegten244. Das Arbeitsprogramm der DKG entsprach den Bedürfnissen der breit gestreuten Mitgliederinteressen, zu denen sämtliche Zweige der Kolonialwirtschaft ebenso zählten wie die Missionen, die Wirtschaft und Wissenschaft sowie Mitglieder der Verwaltung bzw. Schutztruppe mit eigener Kolonialerfahrung245. Bei einer genauen Darstellung der Mitgliedschaft, ist der besondere Charakter der Gesellschaft zu erkennen. Für das Jahr 1892 gab der Verein folgende Zusammensetzung246: Berufsgruppierung Zahl Prozentsatz Hoher Adel Gelehrte, Schriftsteller und Künstler Regierungsbeamte Offiziere Richter, Anwälte und Notare Ärzte Geistliche und Lehrer Kaufleute, Fabrikanten und Gewerbetreibende Landwirte Rentiers Diverse 149 209 2298 1462 1115 826 1063 7099 421 370 2477 0,9 1,2 13,1 8,3 6,6 4,7 6,1 40,5 2,4 2,1 14,1

Jahresbericht der Deutschen Kolonialgesellschaft, 1892, Berlin 1893, S. 5. Auch in den nachfolgenden Jahren änderte sich die Zusammensetzung der Mitgliedschaft nicht wesentlich.

Berufsgruppierung:

Hoher Adel (Zahl der Mitglieder 149/ 0,9 Prozent)

Gelehrte, Schriftsteller und Künstler:

Regierungsbeamte:

Offiziere

Richter, Anwälte und Notare:

Ärzte:

Geistliche und Lehrer

Kaufleute, Fabrikanten und Gewerbetreibende

Landwirte

Rentiers

Diverse:

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Im Reichstag setzte Erzberger seine Kritik fort und warf der Kolonialverwaltung vollständiges Versagen vor und behauptete, dass das ganze koloniale Verwaltungssystem „starke Korruptionserscheinungen“ erkennen lasse481. In diesem Zusammenhang thematisierte Erzberger im Reichstag verschiedene Skandalaffären und Grausamkeiten einiger Kolonialbeamter an der autochthonen Bevölkerung482. Die Aufdeckung dieser Skandale führte zu einer deutlichen Verschlechterung der Stimmung gegen die Kolonialpolitik der deutschen Reichsleitung. Auf Grund dessen wurde der Reichstag gewissermaßen zu einem „Gerichtshof für Kolonialskandale“483. Vor allem die Vorwürfe der Misshandlungen von Afrikanern und die damit verbundene Rückendeckung der Täter durch die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes484 sowie Verträge, die ohne Ausschreibungswettbewerb mit bestimmten Gesellschaften zum Nachteil staatlicher Einnahmequellen abgeschlossen wurden485, entfesselten den Ruf nach einer „neuen“ Kolonialpolitik. Abgesehen von Erzbergers Beweismaterial zur Aufdeckung der Skandalaffären486 konnten die Berechtigung und Stimmigkeit seine Argumente kaum angezweifelt werden. Die Missstände und Verfehlungen der Kolonialverwaltung waren offensichtlich und konnten nicht relativiert werden. Der Druck auf den amtierenden Kolonialdirektor Stuebel nahm immer mehr zu, so dass er am 25.11.1905 von seinem Amt zurücktrat. Nach dem Rücktritt Stuebels hatte Reichskanzler Bülow aus der Not heraus487 den Erbprinzen Ernst zu Hohenlohe-Langenburg488zum Leiter der Kolonialabteilung ernannt. Dieser verfügte jedoch über keinerlei kolonialpolitische Erfahrungen und Durchsetzungsvermögen. Schnell zeigte sich, dass er trotz tatkräftiger Unterstützung des Legationsrats Karl Helffer der massiven Kritik nicht gewachsen war489.

Im Frühling 1906 erreichten die parlamentarischen Auseinandersetzungen ihren Höhepunkt: Der Reichstag verweigerte die in einem Ergänzungsetat geforderten Finanzmittel zum Weiterbau der südwestafrikanischen Bahnlinien Windhuk-Rehoboth und Lüderitzbucht-Kubub490. Schließlich verhinderte der Reichstag am 28.05.1906 auch die Bildung eines selbstständigen Staatssekretariat mit der Begründung, dass man sich mit dem Direktor der Kolonialverwaltung, Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, keinen „Kurswechsel“ in der Kolonialpolitik vorstellen könne491. Vor allem die Sozialdemokraten und das Zentrum attackierten in der Folgezeit die Kolonialpolitik der Regierung, so dass Hohenlohe-Langenburg am 05.09.1906 sein Amt niederlegte. Dieser Schritt veranlasste nunmehr Reichskanzler von Bülow, eine Kolonialreform unter neuer Führung voranzutreiben. (488 Ernst zu Hohenlohe-Langenburg (1863-1950): Jurist; Botschaftssekretär in Sankt Petersburg und London (1891–1894); Offiziersausbildung in Berlin (1886–91); Regent der Herzogtümer Sachsen-Coburg und Gotha (1900-1905); Kolonialdirektor (1905-1906); Vizepräsident des Reichstages (1909–1910).

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Die „Ära Dernburg“ (1906 bis 1910)

I. Die deutsche Kolonialpolitik nach Dernburgs Amtsantritt 1906

1. Die Ernennung Dernburgs zum Kolonialdirektor

Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Untersuchungen kann zu Recht davon ausgegangen werden, dass sich deutsche Kolonialpolitik 1906 in einer tiefen Krise befand und in bisheriger Form nicht weiter fortgeführt werden konnte. Mit der ruhmlosen Verabschiedung des Erbprinzen zu Hohenlohe-Langenburg war der Tiefpunkt der kolonialen Begeisterung in Deutschland erreicht492. Die Notwendigkeit eines neuen Systems wurde von allen Seiten gefordert. Einen geeigneten Mann für das Amt des Kolonialdirektors zu finden, der imstande war, die marode und dringend sanierungsbedürftige Kolonialverwaltung zu führen, gestaltete sich als sehr schwierig.

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In einer Unterredung mit dem Reichskanzler erläuterte Dernburg am 17.08.1906 seine Pläne von einer notwendigen wirtschaftlichen und administrativen Reorganisation der Kolonialpolitik. Von Bülow betonte in diesem Zusammenhang nochmals die Bedeutung von Handel und Industrie für das Gedeihen der Kolonien und die gerechtfertigten Forderungen maßgeblicher Wirtschaftskreise500. Am 30. August erhielt Dernburg das Angebot, die Kolonialabteilung zu übernehmen und erhielt weiterhin die Zusage, dass ein weiterer Antrag zur Gründung eines Reichskolonialamtes im Reichstag eingebracht werden solle501. Dernburg stimmte dem Angebot zu und wurde am 05.09.1906, an demselben Nachmittag, an dem Hohenlohe-Langenburg seine Rücktrittsgesuch schrieb, als neuer Kolonialdirektor bekannt gegeben.

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Die Frage nach einer Überarbeitung des Eingeborenenrechtes wurde bereits seit Februar 1906, also noch vor Dernburgs Amtsantritt erörtert. Unter dem Druck der deutschen Öffentlichkeit erarbeitete die Kolonialabteilung nach der großen öffentlichen Empörung über die Akwa-Duala-Affäire1377 unter der Leitung von zu Hohenlohe-Langenburg und Reichskanzler von Bülow in den Monaten Februar bis Juni 1906 erste Pläne zu einer „Strafgerichtsordnung für Eingeborene“, die eine Einschränkung der Prügelstrafe und eine stärkere Kontrolle der Gouvernements über die Strafexzesse anstrebte1378.

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Auch die Kolonialverwaltung unter Oskar Stübel und Ernst zu Hohenlohe-Langenburg erkannte die Notwendigkeit einer neuen Kolonialbeamtenausbildung und stellte dafür die erforderlichen Weichen. 1905 wurde der Anfang gemacht, indem man von den Anwärtern eine mindestens einjährige Lehrzeit in einem Bankhaus oder Handelsunternehmen verlangte; dazu kam eine eineinhalb- bis zweijährige Studienzeit am 1887 gegründeten Seminar für Orientalische Sprachen der Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität, die mit einem Hochschulstudium der Rechtswissenschaft und Verwaltung sowie mit Prüfungen aus Geographie, Hygiene, Verfassungskunde und praktischen Wissenschaften verbunden war.

Begleitprogramm zur Ausstellung „Gier – Was uns bewegt“ im Haus der Geschichte in Stuttgart:

GIER UND KOLONIALE MACHT

Samstag, 31. Juli 2021, 14 Uhr

Streifzug zwischen Haus der Geschichte und Linden-Museum

Welche Rolle spielte das maßlose Verlangen nach Prestige, Vergnügen, Konsum, Geld oder Macht im Kolonialismus in Baden und Württemberg? Welche Spuren hinterlässt diese Zeit in Stuttgart? Und wie kam es zur Gründung des Linden-Museums? Mit diesen Fragen beschäftigt sich ein zweistündiger Spaziergang mit Debora Nsumbu, Rosalie Möller und Dr. Caroline Gritschke zu kolonialgeschichtlich bedeutsamen Orten vom Haus der Geschichte zum Linden-Museum. Dabei ergibt sich die Gelegenheit, über die menschliche Gier zu sprechen. Was ist mit ihr verbunden, und welche Folgen bringt sie mit sich?

Eine Kooperation mit dem Linden-Museum

Treffpunkt: Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Foyer,
Kosten: 10 Euro
Anmeldung: besucherdienst@hdgbw.de; Telefon 0711-2123989

https://www.hdgbw.de/ausstellungen/gierhassliebe/programm-fuehrungen/

KOLONIALISMUS GESTERN – UND HEUTE?

Gier hat in der Kolonialgeschichte und der post- oder neokolonialen Gegenwart verschiedene Gesichter: Ausbeutung von Bodenschätzen, Jagd nach Trophäen, Sensationsgier bei Völkerschauen und pseudo-wissenschaftliche Datensammlungen zur Begründung von Rassismus. Der deutsche Kolonialismus im 19. und 20. Jahrhundert war auch im Südwesten sichtbar – und ist es bis heute in Gebäuden, Denkmälern und Straßennamen. Wir beschäftigen uns mit historischen Aspekten und bis heute andauernden Wirkungen von Kolonialismus, Gier und Rassismus.

Für Gruppen und Schulklassen (Geschichte / Gemeinschaftskunde) ab Jahrgangsstufe 8 geeignet
Dauer des Workshops: 2 Stunden; Kosten: 3,50 Euro pro Schüler*in (Erwachsenengruppen 90 Euro); Thementage und Seminare auf Anfrage

https://www.hdgbw.de/ausstellungen/gierhassliebe/programm-fuehrungen/

Informationen zur Ausstellung „Gier – Was uns bewegt“ im Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart:

https://www.hdgbw.de/ausstellungen/gierhassliebe/gier-ausstellung/

Kontakt zum Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart:

Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Konrad-Adenauer-Straße 16
70173 Stuttgart 

Besucherdienst
Telefon: 0711-2123989
E-Mail: besucherdienst@hdgbw.de

Sekretariat
Telefon: 0711-2123950
E-Mail: sekretariat@hdgbw.de

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