„Klassenjustiz am Arbeitsgericht“ – Leserbrief zur Kündigung einer Altenpflegerin wegen sechs mitgenommener Maultaschen

Zwei Arbeitsgerichtsurteile dieser Woche legen den Verdacht der Klassenjustiz am Arbeitsgericht nahe. In Radolfzell befand das Gericht, dass die fristlose Kündigung einer Altenpflegerin, die sechs Maultaschen mit nach Hause nahm, rechtmäßig gewesen sei. In Frankfurt am Main hat ein Richter der Klage eines für Milliardenverluste verantwortlichen Investmentbankers auf Zahlung einer Abfindung von 1,5 Millionen Euro stattgegeben.

Leserbrief von Jochen Dürr, Mitglied des ver.di-Bezirksvorstands Heilbronn-Neckar-Franken

Milliardenraub am Gesellschaftsvermögen bleibt weitgehend folgenlos

Man/frau könnte das als Einzelfälle abtun. Das Urteil zugunsten des Bankers war tatsächlich das erste seiner Art, wird aber vorraussichtlich nicht das letzte bleiben. Kündigungen wegen eines Bagatelldeliktes – wie das der Altenpflegerin – aber werden schon langsam zum Gewohnheitsrecht eines bar jeden sozialen Gewissens agierenden Unternehmertums und einer erbarmungslosen Richterschaft. Wer Bagatelldelikte verübt, weil er (oder meistens sie) sich Kavaliersdelikte nicht leisten kann, findet keine Gnade. Dass sich die Klassenjustiz gegen die sozial Schwachen austobt, wie schon lange nicht mehr, ist gewiss kein Zufall,. Ihr liegt die ideologische Prämisse zugrunde, dass jegliches Vergehen gegen seine Heiligkeit, das Privateigentum, mit drakonischen Strafen zu ahnden ist, während umgekehrt der Milliardenraub am Gesellschaftsvermögen weitgehend folgenlos zu bleiben habe, um das gewinnorientierte Unternehmertum bei Laune zu halten. Mit der drastischen Strafe für „Mundraub“ der Altenpflegerin soll die Umverteilung nach unten gleich mit kriminalisiert werden. Die Umverteilung nach oben, die Rückerstattung verzockter Gelder durch die Steuerzahler, erscheint hingegen als notwendige „Tributleistung der Gesellschaft“ an das risikobereite Management.

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Neuer „BisS“ für Arme und Wohnungslose – Unterstützer für Gruppe in Schwäbisch Hall gesucht

Der Freundeskreis „Bürger ohne Wohnung“ präsentiert am Dienstag, 20. Oktober 2009, um 18 Uhr seinen neuen Namen und das neue Logo, unter dem sich die Gruppe ab sofort engagieren wird. Aus „Bürger ohne Wohnung“ wird der „Freundeskreis BisS“. Die öffentliche Veranstaltung findet im Tagestreff „Schuppachburg“, Am Schuppach 5, in Schwäbisch Hall statt.

Von Dagmar Müller, Schwäbisch Hall

Aktive Hilfe für Wohnungslose in Schwäbisch Hall seit 1987

Der 1987, im UNO-Jahr der Wohnungslosigkeit gegründete Freundeskreis wollte aktiv werden gegen die wachsende Wohnungslosigkeit im Bundesgebiet. Zunächst traf sich der Kreis unter der Leitung des damaligen Pastors der evangelisch-methodistischen Kirche, Hans-Ulrich Hofmann, in der Haller Christuskirche, suchte den Kontakt zu betroffenen Menschen auf der Straße und organisierte Solidaritätsaktionen. Seit 1993 arbeiten Mitglieder des Freundeskreises aktiv im Tagestreff Schuppachburg mit.

Neue Bezeichnung: Bürger in sozialen Schwierigkeiten

In die Schuppachburg und in die Fachberatungsstelle der Erlacher Höhe Hohenlohe-Franken kommen seit Jahren vermehrt Menschen, die zwar ein Dach über dem Kopf haben, ansonsten jedoch zum Teil in bitterer Armut leben. „Eine Namensänderung des Freundeskreises ist so fast unumgänglich“, beschreibt Jürgen Sanmann als Leiter des Tagestreffs die Neuerung. Die neue Bezeichnung „BisS“ steht für „Bürger in sozialen Schwierigkeiten“. Da der Freundeskreis auch verstärkt eine engagierte Lobbyarbeit betreiben will, sollten Namen und Logo dynamischer werden und die Anliegen verdeutlichen.

Armut findet hierzulande im Stillen statt

Armut und Obdachlosigkeit sind zu einem der brennendsten Themen in unserer Wohlstandsgesellschaft geworden. Doch in der öffentlichen Diskussion um Wirtschaftskrise und Steuerreform stehen die sozial Benachteiligten meist am Rand. Armut findet hierzulande im Stillen statt. So waren und sind Aufsehen erregende Aktionen, die auf die Lage der Obdachlosen aufmerksam machen, eher selten.

Eingeladen sind alle Interessierten und Personen, die mitarbeiten wollen

Zur Vorstellung des neuen Namens gibt es neben Erfrischungen und Häppchen auch einen Vortrag des Vorstands der Erlacher Höhe, Wolfgang Sartorius, der das Themengebiet „Aktuelle Entwicklungen, soziale Schwierigkeiten, Armut und ehrenamtliches Engagement“ umreißt. Den musikalischen Rahmen liefert das Duo „StimmeTasten“ mit Verwandlungen bekannter und prägnanter Songs und Chansons aus den letzten drei Jahrzehnten. Eingeladen sind alle Interessierten und Personen, die mitarbeiten wollen.

Thomas Scherl gestaltete das Logo und verschiedene Info-Medien

Der neue Name, die Gestaltung des Logos und verschiedener Info-Medien stammen vom Freundeskreismitglied Thomas Scherl, der damit das neue Selbstverständnis des Freundeskreises in eine zeitgemäße visuelle Sprache übersetzt hat.

Präsentation: Dienstag, 20. Oktober 2009, um 18 Uhr im Tagestreff „Schuppachburg“, Am Schuppach 5, 74523 Schwäbisch Hall.

Info: Im Freundeskreis BisS engagieren sich Schwäbisch Haller Bürger für Menschen in sozialen Notlagen. Ein Schwerpunkt ist die praktische und ideelle Unterstützung in den Einrichtungen der Erlacher Höhe Hohenlohe-Franken. Informationen gibt es bei Jürgen Sanmann im Tagestreff Schuppachburg, Telefon 0791/6411.

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