„Deutsche Soldaten sprengten auf dem Rückzug viele Brücken“ – Nationalsozialismus in Kirchberg an der Jagst

Während des Zweiten Weltkriegs wurden im heutigen Stadtgebiet von Kirchberg/Jagst wenige Gebäude durch kurzzeitigen Granatbeschuss der Alliierten zerstört oder schwer beschädigt. Soldaten der Deutschen Wehrmacht sprengten auf dem Rückzug die Jagstbrücken in Kirchberg, Eichenau und Mistlau sowie weitere Brücken an verschiedenen Bächen.

Von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert

NS-Hochburg Oberamt Gerabronn

Keimzelle der Nationalsozialisten (NS) im Oberamt Gerabronn war 1923 die Ortsgruppe in Blaufelden. Eine weitere NS-Hochburg entstand kurz darauf in Wiesenbach. Anfang der 1930er Jahren hatten die Nazis im Oberamt Gerabronn bei Wahlen jeweils die höchsten Stimmenzahlen in ganz Württemberg. Zum Oberamt Gerabronn gehörten auch die damals jeweils selbstständigen Gemeinden Gaggstatt, Hornberg, Kirchberg/Jagst und Lendsiedel.

NSDAP-Ortsgruppe Kirchberg 1931 gegründet

1931 gründeten die Nationalsozialisten die erste Ortsgruppe in Kirchberg. Die ersten Leiter waren die Männer Freitag und anschließend Kay-Hansen. Beide waren nur kurze Zeit im Amt. Ende 1931 zählte die Kirchberger Ortsgruppe 18 Mitglieder. Im gesamten Oberamt hatten die Nazis zu diesem Zeitpunkt 304 Mitglieder in 15 Ortsgruppen. Die größten Ortsgruppen waren Wiesenbach (35), Brettheim (30) sowie Blaufelden und Wildentierbach mit jeweils 29 Mitgliedern.

Max Wendler ganze NS-Zeit als Bürgermeister im Amt

Bürgermeister Max Wendler führte das Kirchberger Rathaus von 1931 bis 1945 und von 1948 bis 1966. In Hornberg war Wendler noch bis zur Gemeindereform 1972 im Amt. Vom 23. Mai 1945 bis 1948 arbeitete der Handwerksmeister Wilhelm Blöß als Bürgermeister im Kirchberger Rathaus. Blöß war von den Amerikanern nach dem Krieg eingesetzt worden.

Schuster war Vertrauensmann der Gestapo

Als erster NSDAP-Ortsgruppenleiter in Lendsiedel fungierte der Seifenfabrikant Heinrich Schuster. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten arbeitete Schuster als Vertrauensmann der Gestapo. Im Herbst 1934 wurde der NS-Stützpunkt Lendsiedel in die Ortsgruppe Kirchberg eingegliedert.

HJ hatte ihren Sitz im Kirchberger Schloss

Den Tag von Potsdam, die Eröffnung des Reichstags am 21. März 1933, feierten Kirchberger Nazis mit einer großen Kundgebung und einem Fackelzug. Schon früh gab es eine Gruppe der Hitlerjugend (HJ) in Kirchberg. Jungs ab zehn bis 18 Jahren wurden dort organisiert und geschult. Die HJ hatte ihren Sitz im Kirchberger Schloss. Lehrer und Schüler der Schloss-Schule leiteten die HJ-Züge des Fähnlein 19/122. Erst einige Zeit nach den Buben gründete sich eine Gruppe des Bundes deutscher Mädels (BdM). Darin sollten die Mädchen auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter vorbereitet werden. Die Kreisfrauenschaftsleiterin Prinzessin Alexandra von Hohenlohe-Langenburg vollzog am 12. Oktober 1934 die Gründung einer Ortsgruppe der NS-Frauenschaft in Kirchberg.

Großkundgebungen mit Gau-Nazigrößen

Nachfolger von NS-Ortsgruppenleiter Friedrich Bauer wurde 1934 der Metzgermeister Richard Wagner. Er blieb bis 1939 im Amt. In Wagners Amtszeit fielen Großkundgebungen mit Gau-Nazigrößen in der Gemeinde Kirchberg. Ab Mai 1939 nähte die Firma Sorg in der Turnhalle Berufs- und Seemannskleidung sowie Arbeitsanzüge für Soldaten.

Sechs unschuldige Menschen erschossen

Nachfolger von Wilhelm Wagner als NSDAP-Ortsgruppenleiter war der Revierförster August Mack. Er führte die NSDAP-Ortsgruppe Kirchberg von 1939 bis 1945. In Macks Amtszeit fielen die Erschießungen von sechs unschuldigen Menschen im heutigen Stadtgebiet am 14. April 1945 durch Angehörige deutscher Truppen. Bei der Vernehmung von Angela Galczinski im Schloss durch einen SS-Offizier war Mack zugegen. Angela Galczinski, Mutter zweier kleiner Kinder, wurde zum Tode verurteilt und an einer Feldscheune am Ortsrand von Kirchberg in Richtung Lobenhausen erschossen.

Mahnmal am Frankenplatz

Seit 2003 erinnert ein von der Stadt Kirchberg in der Amtszeit von Bürgermeister Friedrich König am Frankenplatz errichtetes Mahnmal an die sechs Erschießungsopfer. Bürgermeister Stefan Ohr erinnerte bei einer Gedenkfeier am 14. April 2015 an den 70. Jahrestag dieser Kriegsende-Verbrechen.

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