„Pädagogische Fachkräfte fehlen“ – didacta-Bildungsmesse in Stuttgart

Personalmangel, Überstunden, schlechte Bezahlung, dazu Herausforderungen wie Corona-Pandemie, Ganztagsausbau oder die Integration geflüchteter Kinder und Jugendlicher: Das Bildungssystem und sein Personal stoßen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.

Von den Organisatoren der didacta-Bildungsmesse Stuttgart

Fachkräfte müssen auf die Bedürfnisse von Kindern eingehen können

Manchmal beginnt Qualität schlicht mit den richtigen Zahlen: Gruppengrößen von maximal 15 Kindern und einen Personalschlüssel von 1:3 bei Krippenkindern und 1:7,5 bei Kindern ab drei Jahren – das sind für Kindheitspädagogin Rahel Dreyer Voraussetzungen dafür, dass in der Kita „Fachkräfte auf die Bedürfnisse von Kindern eingehen können […]“. Mit der Realität hat das jedoch wenig zu tun, kaum ein Bundesland wird dieser Anforderung gerecht. Und das obwohl in Kitas die Weichen für den späteren Bildungserfolg gestellt werden. „Mehrere Studien belegen, dass sich Kinder sprachlich, kognitiv und sozial ungünstig entwickeln, wenn diese Standards unterlaufen werden“, so Dreyer im „Spiegel+“-Interview. Die Wissenschaftlerin kritisiert in diesem Kontext, dass der Bund beim „Gute-Kita-Gesetz“ die Nutzung der Gelder den Ländern überlassen habe. Statt in die Qualität zu investieren, entlasteten einige Länder lieber die Eltern bei den Kita-Beiträgen.

Fachkräftemangel trifft die Schwächeren besonders hart

Drastische Auswirkungen hat der Personalmangel im Umgang mit Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien, denn sie benötigen in der Schule viel Unterstützung. Eine Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbands ergab, dass 72 Prozent der Beschäftigten, die in Kitas in sozial schwachen Milieus arbeiten, diesem Unterstützungsbedarf wegen des zu niedrigen Personalschlüssels „überhaupt nicht oder eher nicht“ gerecht werden können. Ein Problem, das auch viele Brennpunktschulen kennen. Wie Hamburg, Sachsen oder NRW plant nun Baden-Württemberg für die gezielte Förderung dieser Schulen die Einführung eines Sozialindex. Hamburger Schulen in sozial benachteiligten Stadtteilen bekommen so beispielsweise bis zu 50 Prozent mehr Personal. 

Zuwendung und Vertrauen

„Jugendliche aus schwierigen Situationen brauchen beides, Zuwendung und Vertrauen in Lehrkräfte“, meint auch Prof. Dr. Riecke-Baulecke. Der Leiter des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) Baden-Württemberg betont zudem in der Zeitschrift des Philologenverbands Baden-Württemberg: „Lehrerinnen und Lehrer sind Führungskräfte und üben einen der wichtigsten Berufe in unserer Gesellschaft aus. Sie ermöglichen Bildung und Demokratiefähigkeit der nachwachsenden Generation.“ Doch obwohl sie so wichtig sind, fehlen sie vielerorts – auch an den Beruflichen Schulen. Viele Lehrkräftestellen bleiben dort jedes Jahr unbesetzt, tausende Unterrichtsstunden fallen aus, speziell in den MINT-Fächern. Die Zahl der Lehrkräfte, die altersbedingt ausscheiden, ist dabei laut Pankraz Männlein, Vorsitzender des Bundesverbands der Lehrkräfte für Berufsbildung e. V. (BvLB), „weitaus höher als die Zahl der Lehramtsstudierenden, die nachrücken“.

Mehr Nachwuchs ausbilden

Fachkräfte müssen also nicht nur angeworben, sondern vor allem in höherer Zahl ausgebildet werden. Dass beispielsweise die Zahl der Abbrecherinnen und Abbrecher in manchen Lehramtsstudiengängen bei fast 50 Prozent liege, ist für die Gewerkschaft GEW ein deutliches Zeichen für „erhebliche Mängel in den Studiengängen“. Vorsitzende Maike Finnern fordert, die Studienbedingungen zu verbessern, die Ausbildungskapazitäten in Studium und Referendariat zu erhöhen und den Numerus clausus (NC) für alle Lehramtsausbildungen abzuschaffen. Es sei höchste Zeit, Bund und Länder zu verpflichten, ihr „Versprechen einzulösen, zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Bildung und Forschung zu investieren“.

Weg aus dem Hamsterrad „Fachkräftemangel“ finden

„Mit mehr Personal verbessern sich die Arbeitsbedingungen für alle. Damit steigen die Chancen, dass sich mehr Menschen für die Arbeit in einer Kita oder Schule entscheiden und zugleich die vorhandenen Fachkräfte im Beruf bleiben“, bilanziert Anette Stein von der Bertelsmann Stiftung. Allerdings: Der Weg ist noch weit, und nur durch ein Zusammenspiel verschiedener Maßnahmen kann ein Weg aus dem Hamsterrad namens „Fachkräftemangel“ gefunden werden.

Über die didacta – die Bildungsmesse in Stuttgart

Vom 7. bis 11. März 2023 führt die didacta als weltweit größte und Deutschlands wichtigste Bildungsmesse wieder Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Ausbilderinnen und Ausbilder sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Stuttgart zusammen.

Einige Veranstaltungen:

Forum Bildungsperspektiven
Diskussion: Berufsorientierung in Zeiten des Fachkräftemangels
08.03.2023
15:30 Uhr bis 16:15 Uhr

Forum Bildungsperspektiven
Diskussion: Keinen Bock auf Schule!? Strategien gegen den Lehrkräftemangel
Jürgen Böhm, Helmut Hochschild, Petra Ferrari, N. N.
09.03.2023
14:00 Uhr bis 14:45 Uhr

Forum Berufliche Bildung
Diskussion: Fachkräftelücke schließen, Future Skills vermitteln. Was soll Berufsorientierung heute leisten?
Christoph Dahl, Stefan Küpper und Dr. Susanne Koch, N. N.
10.03.2023
12:00 Uhr bis 12:45 Uhr

Forum Schulpraxis
Exzellenz für Baden-Württemberg. Neue Fortbildungsangebote für Schulleitungen
Prof. Dr. Thomas Riecke-Baulecke
08.03.2023
11:00 Uhr bis 11:30 Uhr

Forum Schulpraxis
Diskussion: „Wir können (nicht) mehr!“ – Praxisprojekte in Zeiten multipler Krisen und von Bildungsungerechtigkeit
Balu und Du e.V. und Gäste
11.03.2023
12:00 Uhr bis 13:00 Uhr

Nähere Informationen zu den Veranstaltungen der didacta 2023 gibt es im Internet auf folgender Seite:

www.didacta-messe.de

Weitere Artikel und Interviews zur didacta – die Bildungsmesse 2023 gibt es im Dossier auf der Internetseite

www.bildungsklick.de

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