Leserbrief von Wilhelm Maier aus Schwäbisch Hall zum Kommentar von Hans-Uli Thierer auf Seite 2 des Haller Tagblatts vom 9. Februar 2012. Darin geht es um den Widerstand gegen das Immobilienprojekt Stuttgart 21.
Leserbrief von Wilhelm Maier aus Schwäbisch Hall
„Gaul durchgegangen“
Mit dem Kommentator der Südwestpresse Thierer ist offenbar der „Gaul durchgegangen“. Möglicherweise, weil der Widerstand gegen das Projekt Stuttgart 21 zwar zahlenmäßig zurück gegangen, aber nicht gebrochen ist. In einem langen Artikel lässt er hämische Schimpftiraden los – bar jeder sachlichen Argumentation. Der Leserbrief würde zu lang, würde man auf alle diese Sachen eingehen wollen.
„Im Land des Juchtenkäfers“
Es beginnt schon in der Überschrift „Im Land des Juchtenkäfers“. Den Schutz von Juchtenkäfern, Fledermäusen, Weißtannen und Rosskastanien bezeichnet er als absurd und lächerlich. Muss dann also ein Konzern wie die Deutsche Bahn bei Bauvorhaben die bestehenden Gesetze nicht einhalten? Denn der Naturschutz und die Beteiligung der Naturschutzverbände ist in Gesetzen geregelt.
Ergebnis der Volksabstimmung besitzt keine Rechtskraft
Generell spricht der Kommentator den Gegnern von S 21 nach der Volksabstimmung das Recht ab, weiterhin ihre Meinung zu sagen und Widerstand zu leisten. Zum Glück ist es genau andersrum: dieses Recht gibt es selbst bei beschlossenen Gesetzen, wobei das Ergebnis der Volksabstimmung nicht mal Rechtskraft besitzt. Das Demonstrationsrecht ist keineswegs außer Kraft gesetzt.
„Schmutziger Sieg“
Warum bezeichnet der Schauspieler Walter Sittler das Ergebnis der Volksabstimmung als „schmutzigen Sieg“? Bereits das undemokratische Quorum, nachdem ein Drittel der Wahlberechtigten gegen S 21 hätten stimmen müssen, damit es Rechtskraft bekommt, hat manche abgehalten, weil es unerreichbar schien. Mit einem solchen Quorum gäbe es kaum eine Regierung oder Bürgermeister.
Falsche Tatsachenbehauptung
Als „Hauptargument“ für „Stuttgart 21“ diente dann die falsche Tatsachenbehauptung mit den angeblich 1,5 Milliarden Euro, die ein Ausstieg kosten würde. Selbst viele Gegner von „Stuttgart 21“ sahen sich davon unter Druck gesetzt und wollten nicht verantwortlich sein, dass „soviel Geld in den Sand gesetzt“ würde.
Viel Geld für Wahlmanipulation
Aber auch sonst standen den „Stuttgart 21“-Betreibern mit ihren Finanziers in den Konzernzentralen und Banken alle möglichen Mittel der Wahlmanipulation zur Verfügung. Noch am Samstag wurden z.B. große Anzeigen geschaltet, in denen der Unternehmerverband Gesamtmetall gemeinsam mit dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Klemm von Daimler für „Stuttgart 21“ warben. Nur die Belegschaften wurden gar nicht erst gefragt, was sie von dieser Art „Werbung“ in ihrem Namen hielten. Landauf landab riefen Bürgermeister und Landräte dazu auf, für Stuttgart 21 zu stimmen. Der Stuttgarter OB Schuster schickte extra einen Brief an alle Haushalte – aus Steuergeldern bezahlt.
Südwestpresse sang Loblied auf S 21
Für die Gegner von S 21 gab es keinen freien gleichberechtigten Zugang zu den Massenmedien, im Gegenteil, diese sangen weitgehend das Loblied auf S 21 (zum Beispiel die Südwestpresse).
Tunnelbahnhof ist schlechter als bestehender Kopfbahnhof
Aus diesen Gründen ist es weiterhin legitim, am Protest festzuhalten. Das hat auch das Stuttgarter und das Schwäbisch Haller Aktionsbündnis so beschlossen. Aber entscheidend ist nach wie vor: Der geplante Tunnelbahnhof würde eine Verschlechterung bedeuten: So kann der heutige Kopfbahnhof 56 Züge in der Stunde abfertigen gegenüber 49 beim Tunnelbahnhof, und der Tiefbahnhof kann nicht mehr erweitert werden. Steigende Umweltbelastung, ein Riesen-Energieverbrauch und Gefährdung des Mineralwassers sowie die Gefahren durch den aufquellenden Gipskeuper kommen hinzu.
Nur Baufirmen, Banken und Immobilienspekulanten werden Gewinne machen
„Weiter ärgern oder fertig bauen“ war eine Wahlkampfparole der Befürworter. Dabei war der Bau noch gar nicht richtig angefangen. Wenn das Projekt nicht gestoppt wird, dann können wir uns wirklich weiter ärgern: bis zu 10 Jahren Bauzeit, 2400 LKW-Fahrten täglich bei Kosten von geschätzten 10 Milliarden Euro.