Hohenlohe-ungefiltert warnt vor angekündigter Gute-Neuigkeiten-Kampagne des Hohenloher Tagblatts und der Südwestpresse

Jetzt wird alles wieder gut. Glaubt man dem Hohenloher Tagblatt vom Samstag, 28. März 2009, dann hat die  Zentralredaktion der Südwestpresse in Ulm von ihren Partnerverlagen Mitte der vergangenen Woche „ausdrücklich die gute Nachricht gefordert“. Na Prosit. Da können die Leser sich auf eine „schöne Einlull-Kampagne“ gefasst machen.

Kommentar von Ralf Garmatter, Freier Journalist, Hohenlohe-ungefiltert

Gerne hat sicher der Crailsheimer Redaktionsleiter Mathias Bartels diese Nachricht am Samstag, 28. März 2009, in seinem Wochenkommentar „Ins Visier genommen“ verbreitet. Von den zur gleichen Zeit stattfindenden europaweiten Protesten (auch viele Menschen aus Hohenlohe nahmen daran teil), im Vorfeld des G20-Gipfels in London, erfuhren die Leserinnen und Leser des Hohenloher Tagblatts im Lokalteil nichts. Kein Wort zu finden war auf den Lokalseiten von der Empörung der Menschen über die Verursacher der Finanzkrise und die Auswirkungen des Finanzkollapses auf die einfachen Leute.

Beim Hohenloher Tagblatt steht eine Zeit exzessiver Schönfärberei bevor

Angefeuert durch die Gute-Neuigkeiten-Kampagne der Ulmer Zentralredaktion können sich die Leser des Hohenloher Tagblatts auf eine Zeit der Schönfärberei gefasst machen. Wenn die Welt schon aus den Angeln gehoben ist, dann kann man wenigstens immer noch schön darüber reden – denken die Zeitungsmacher aus Crailsheim und Ulm. Wenn auch die Lage für viele immer bedrohlicher wird, müssen die Nachrichten darüber keinesfalls negativ sein, so jedenfalls sieht die HT-Logik aus.

Peinliche HT-Kampagne lullt Leser ein

Wir befinden uns derzeit in einer der schwersten wirtschaftlichen Krisen seit 1929, verursacht durch Spekulanten und Glücksspieler in Banken und anderen Konzernen – begünstigt durch eine gut bezahlte Politiker-Kaste, von deren Mitglieder viele nicht mehr durchblicken. Die Zeche des neoliberalen Glückspiels sollen nun die Steuerzahler übernehmen. Das ist pervers. Viele Menschen in Deutschland und der Welt bangen um ihre Zukunft und die ihrer Kinder. Das Hohenloher Tagblatt und die Südwestpresse wollen aber gute Nachrichten verbreiten. Die Arbeitsplätze vieler Menschen sind in Gefahr, auch die Ersparnisse und Geldanlagen vieler kleiner Leute. Und, was machen die Südwestpresse und das Hohenloher Tagblatt? Sie fordern die „Gute Neuigkeit“ – warum eigentlich nicht gleich eine neue Frohe Botschaft? Wenn es die Good News nicht gibt, dann werden sie eben von den HT-Magiern kurzerhand aus dem Hut gezaubert – Applaus.

Hohenloher Tagblatt ist keineswegs eine kritische Zeitung

Über diese Kampagne, welche die Lokalredaktion des Hohenloher Tagblatts laut Mathias Bartels „positiv bewegt“ hat, kann ein halbwegs kritischer Mensch nur den Kopf schütteln. Sollen die Leute für komplett dumm und naiv verkauft werden? Die Good-News-Propaganda erweckt zudem den falschen Anschein, dass die Crailsheimer Lokaljournalisten in den vergangenen Monaten in ihrer Arbeit mit besonders kritischem Blick und mit aufklärerischen Artikeln zu Werke gegangen sein könnten. Das ist aber keineswegs der Fall. Die Zeitung bestand und besteht noch immer zum überwiegenden Teil aus Pressemitteilungen von Vereinen, Verbänden, Parteien, Firmen, öffentlichen Verwaltungen und Behörden – also aus PR – einem anderen Ausdruck für gute Neuigkeiten.

Kampagne ist für Journalisten beschämend

Gerade in dieser Krisenzeit wäre es bitter nötig, die bestehenden Missstände kühl, sachlich und präzise darzustellen. Nur dann können sich die Menschen im Wirrwarr der Meldungen orientieren. Das Dümmste was in solch einer Situation zu tun ist, sind einlullende „Good News“, die eine Welt darstellen, wie sie nicht existiert. Diese Kampagne der Zeitung ist für den Journalismus peinlich und beschämend. Seriöser Journalistmus stellt das Geschehen auf der Welt so dar, wie es ist, und nicht wie es sich ein paar Gute-Neuigkeiten-Redakteure in Crailsheim und Ulm wünschen. Das Motto lautet: Kopf in den Sand und nichts mehr sehen wollen. Die Welt ist ja ach so schrecklich.

Die Lage wird künstlich schön geredet

Es ist zu erwarten, dass die Leser des Hohenloher Tagblatts und möglicherweise auch anderer, der Südwestpresse angeschlossener Lokalzeitungen, noch stärker als bisher die Lage in Firmen, Rathäusern, Parteien, Verbänden und Vereinen schönreden. Die Hofberichterstattung wird durch die Good-News-Kampagne einem neuen Gipfel zustreben. Die Leser werden nur veräppelt und müssen für die Zeitung auch noch Geld bezahlen. Das Motto des Lokalblattes lautet: Wenn ihr schon kein Geld mehr fürs Brot habt, dann sollt ihr wenigstens sinnfreie Spiele, nutzlose Unterhaltung und gute Neuigkeiten über schlecht laufende Dinge bekommen. Die Menschen bloß nicht zum Nachdenken anregen, sie einzuwickeln und hintenherum auslachen, lautet offenbar die Devise von HT-Redaktionsleiter Mathias Bartels und seinen Ulmer Mitstreitern.

Worte eines Journalisten, dem es wirtschaftlich sehr gut geht

Nicht vorenthalten will Hohenlohe-ungefiltert seinen Leserinnen und Lesern, aus welcher persönlichen wirtschaftlichen Position heraus der Redaktionsleiter des Hohenloher Tagblatts, Mathias Bartels, seinen Samstagskommentar geschrieben hat. Aus der Position eines wirtschaftlich gesättigten Journalisten nämlich, der an einem möglichst langen Fortbestehen des Status Quo interessiert ist. Dieser beschert ihm nämlich ein übertarifliches Gehalt mit 13,8 Monatsgehältern, über 30 Urlaubstage jährlich, einen Dienstwagen und eine gute Altersversorgung durch das Versorgungswerk der Presse.

Ute Bartels alias Ute Schäfer verdient auch noch dazu

Als HT-Redaktionsleiter kann Bartels außerdem auch seine Frau Ute so oft als freie Mitarbeiterin einsetzen wie er will. Dadurch kann sie, die in der Lokalzeitung seit Jahren unter dem falschen Namen Ute Schäfer schreibt, die Bartelssche Familienkasse noch weiter aufbessern. Deren Honorarsätze liegen deutlich über denen manch anderer freier Mitarbeiter des Hohenloher Tagblatts.

Damit sich die Leserinnen und Leser dieses Artikels ungefähr vorstellen können, was ein Redaktionsleiter des Hohenloher Tagblatts verdient, sei hier nur einmal das Tarifgehalt dieser Berufsgruppe (ab dem vollendeten 15. Berufsjahr als Redakteur) in Höhe von monatlich  5.466 Euro (seit Dezember 2008) und 5.553 Euro (ab Oktober 2009) genannt (mal 13,8 Monatsgehälter). Und: Bartels Gehalt liegt nach dessen eigenen Worten sogar über dem Tarifgehalt. Für die HT-Leser, von denen die meisten den Durchschnittsverdienern angehören dürften, sind das stattliche Geldsummen. Für Bartels Gehalt, das Leser auch durch ihre Abonnementsgebühren mitbezahlen, können sie von dem HT-Redaktionsleiter und seinen noch besser bezahlten Vorgesetzten in Crailsheim und Ulm mehr erwarten als eine sinnfreie Gute-Neuigkeiten-Kampagne. Die Leser sollten von einer Zeitung Fakten geliefert bekommen, die sie/ihn in die Lage versetzen, die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise bestmöglich zu bewältigen. Augenwischerei durch Good News hilft da nicht weiter.

Freie HT-Mitarbeiter können von solchen Honoraren nur träumen

Freie journalistische Mitarbeiter des Hohenloher Tagblatts können von solchen Geldbeträgen wie sie der Redaktionsleiter monatlich einsteckt, auch bei größtem Arbeitseinsatz nur träumen. Beim Hohenloher Tagblatt gibt es freie Mitarbeiter, die für einen 90 Zeilen langen Text mit einem dazu veröffentlichten Bild insgesamt nur rund 15 Euro Honorar (vor Steuern) bekommen. Für diesen Hungerlohn hat der freie Mitarbeiter dann im Durchschnitt vier Stunden gearbeitet und ist vielleicht sogar noch auf eigene Kosten von seiner Wohnung zum Ort einer Veranstaltung, über die er berichten soll, gefahren. Um, wie Mathias Bartels, auf ein monatliches Bruttogehalt von 5466 Euro oder mehr zu kommen, müsste der genannte freie HT-Mitarbeiter im Monat 364 Artikel mit Bild im HT veröffentlichen – grob gerechnet müsste er oder sie dafür zirka 1450 Stunden arbeiten.

Das Hohenloher Tagblatt, allen voran Mathias Bartels, wird uns in den nächsten Wochen in der Gute-Neuigkeiten-Kampagne sicher erklären, warum auch dieser Missstand, diese Ausbeutung von freien Mitarbeitern und Praktikanten gut, richtig und gerecht ist. Hohenlohe-ungefiltert ist gespannt und wird am Ball bleiben.

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Im Druckzentrum Gerabronn des Hohenloher Tagblatts wurden Mitarbeiter jahrelang mit Videokameras überwacht

Überwachungskamera im Druckzentrum Gerabronn

Überwachungskamera im Druckzentrum Gerabronn

Vertraulichen Informationen zufolge, die Hohenlohe-ungefiltert vorliegen, hat das Hohenloher Druck- und Verlagshaus (HDV), in dem auch das Hohenloher Tagblatt erscheint, seine Mitarbeiter im Druckzentrum Gerabronn etwa zwei Jahre lang mit bis zu 20 Videokameras überwacht. Nach einer Intervention des HDV-Betriebsrats sollen die Überwachungskameras vor rund drei Wochen abgeschaltet worden sein. Die Kameras wurden aber noch nicht entfernt. Von der Überwachung betroffen waren etwa 35 Menschen, die im Druckzentrum beschäftigt sind.

Von Ralf Garmatter, Freier Journalist, Hohenlohe-ungefiltert

Der Leiter der Zeitungsrotation in Gerabronn, Karsten Arto, informierte die Mitarbeiter des Gerabronner Druckzentrums am 2. März 2009 mit einem Aushang am Schwarzen Brett des Betriebs, dass „auf Grund einer Forderung des Betriebsrats“ die „Produktionsüberwachungskameras abgeschaltet werden mussten“.

Einige Kameras überwachten nur die Mitarbeiter, nicht die Produktionsanlagen

Mitarbeiter des Druckzentrums Gerabronn haben starke Zweifel, dass die sichtbar angebrachten Überwachungskameras nur zur Produktionskontrolle eingesetzt wurden. Einige der Kameras (mindestens drei) seien so angebracht gewesen, dass sie vor allem die dort beschäftigten Mitarbeiter, insbesondere die Frauen im Versandbereich, im Visier hatten. Durch einige der Kameras soll auch der Zugang zum Pausenraum, zur Raucherecke und die Stempeluhr überwacht worden sein, die mit der Zeitungsproduktion nichts zu tun haben. Unklar ist für die Mitarbeiter, ob es nicht noch versteckte Überwachungskameras gibt, die weiterhin die Beschäftigten aufnehmen.

Geschäftsführer Bauder und Betriebsratsvorsitzender Harthan geben keine Auskunft

Keine Antworten hat Hohenlohe-ungefiltert auf zwei schriftliche Anfragen zur Videoüberwachung im Druckzentrum Gerabronn an den HDV-Geschäftsführer Jürgen Bauder und den Betriebsratsvorsitzenden Andreas Harthan erhalten. Hohenlohe-ungefiltert liegt aber der Inhalt eines Aushangs des Betriebsrats im Druckzentrum Gerabronn vom 4. März 2009 vor. In dem von Andreas Harthan verfassten Schreiben an die Belegschaft heißt es unter der Überschrift „Der Betriebsrat informiert“ im Wortlaut: „Liebe Kolleginnen und Kollegen des Druckzentrums Gerabronn, auf Drängen des Betriebsrats sind die Überwachungskameras im Betrieb abgeschaltet worden. Dieser Schritt war notwendig, weil die so genannte Produktionsüberwachungsanlage immer wieder für Irritationen in der Belegschaft gesorgt hatte. Nicht zuletzt, weil die Betriebsleitung Positionen von Kameras verändert hat, oder neue Kameras installiert wurden. Davon erfuhr der Betriebsrat erst hinterher, obwohl eine solche Anlage der Mitbestimmung unterliegt. Weil bis heute keine rechtliche Grundlage für den Betrieb einer Produktionsüberwachungsanlage vorhanden ist, sah sich jetzt der Betriebsrat veranlasst, die Abschaltung zu fordern.“

Warum der Betriebsrat erst jetzt – nach rund zwei Jahren – die Abschaltung der Kameras verlangt hatte, war von Harthan nicht zu erfahren.

Hohenlohe-ungefiltert hat bei den Gewerkschaften verdi und dem Deutschen Journalistenverband (DJV) wegen der Zulässigkeit von Überwachungskameras in Betrieben nachgefragt. Die Antworten:

Gerhard Manthey, Fachbereichsleiter der Gewerkschaft verdi in Stuttgart: Eine Überwachungseinrichtung bedarf in jedem Fall einer Betriebsvereinbarung und diese muss auf der Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes und des Datenschutzes geschehen. Der zuständige Betriebsrat ist das kontrollierende und ausübende Organ. Ebenso der im Betrieb auf der Grundlage des Gesetzes arbeitende Datenschutzbeauftragte ist einzuschalten. Eventuelle Verstöße hat dieser ebenfalls unverzüglich anzuzeigen und abzustellen – wie auch der Betriebsrat. Auf der Grundlage der Gesetze ist eine allgemeine Überwachung möglich – zum Beispiel an Werkstoren. Bei Verstoß gegen in den Vereinbarungen genannte Regeln, können auch arbeitsrechtliche Maßnahmen erfolgen. Dies ist aber zu vage formuliert. Denn zuvor ist ja zu klären, a) ist die Überwachung rechtens, b) gibt es eine Rechtsgrundlage und eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat c) gibt es Verstöße und welche Reaktionen und welcher Art sind diese etc.?
Von der Überwachung Betroffene gehen unverzüglich zu dem Betriebsrat, dem Datenschutzbeauftragten und den Gewerkschaften, sofern sie Mitglied sind oder zum Rechtsanwalt.
Sofern Rechtsverstöße vorliegen, kann jeder belangt werden.

Marc Ecker, Geschäftsführer Deutscher Journalisten Verband Baden-Württemberg, in Stuttgart, zu den „behaupteten Videoüberwachungsmaßnahmen“: Der DJV Baden-Württemberg hatte bis zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnisse über den von Ihnen (Anmerkung der Redaktion: Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert) geschilderten Vorgang. Der Einsatz von Videokameras in Betreiben ist nicht grundsätzlich untersagt. Eine Installation von Kameras ist aber durch den Betriebsrat mitbestimmungspflichtig. Ob eine Überwachung im Einzelfall zulässig ist, hängt von den Umständen im Einzelfall ab und richtet sich unter anderem nach Intensität und  Anlass der Überwachung. Eine offene Überwachung wird im Grundsatz eher möglich sein, als eine verdeckte Überwachung. Ein generelles Beweisverwertungsverbot zum Beispiel in Kündigungsschutzprozessen existiert nicht. Die Arbeitnehmer des Betriebes sollten mit dem Betriebsrat und mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften (falls Mitglied) Kontakt aufnehmen und sich dort beraten lassen.

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Friedensbewegung soll beim Ostermarsch behindert werden

Die Landesregierung macht die Demonstrationsfreiheit zum vorgezogenen Aprilscherz. OstermarschiererInnen lassen sich ihre Friedensdemo nicht verbieten. Die Friedensbewegung klagt gegen das Land Baden-Württemberg.

Pressemitteilung des Friedensnetzes Baden-Württemberg

„Wir werden um die Osterzeit wie jedes Jahr für den Frieden auf die Strasse gehen, ob es der Nato und dem Innenminister nun passt, oder nicht“, erklärte Dieter Lachenmayer, Sprecher des Friedensnetzes Baden-Württemberg am Wochenende nach einem Treffen der Friedensaktivisten. Die baden-württembergische Friedensbewegung hat den diesjährigen Ostermarsch um eine Woche vorgezogen um dem Gipfeltreffen der „nordatlantischen warlords“ der NATO, die Begegnung und den Protest der Friedensbewegung der Nato-Länder entgegenzusetzen. So soll der Ostermarsch am Samstag, 4. April 2009 vom Marktplatz Kehl über den Rhein direkt zur Internationalen Demonstration gegen die NATO in Strassbourg führen.

Vor allem die Europabrücke in Kehl will die Friedensbewegung nicht der NATO überlassen, die dort am Samstagmorgen einen symbolischen Handschlag der „Waffenbrüderschaft und Kriegskumpanei“, wie die Friedensbewegung das nennt, zelebrieren will. „Die Städte Kehl und Strasbourg und die Europabrücke sind durch viele Begegnungen der Friedens- und der sozialen
Bewegungen dort längst zu einem Symbol der Völkerverständigung und Solidarität der Menschen beiderseits des Rheins geworden. Die NATO hat dort für ihre Kriegs- und Bedrohungspolitik gar nichts abzuschöpfen, erklärte Lachenmayer. Wenn es allerdings nach Innenminister Rech und den ihm unterstellten Behörden geht, dann hat die Friedensbewegung in Kehl nichts verloren.
Per „Verfügung“ der extra für den NATO-Gipfel geschaffenen „Zentralen Versammlungsbehörde“, will er den Ostermarsch vom Kehler Markplatz und der Kehler Innenstadt einfach auf die unbewohnte Durchgangsstraße verbannen.

„Demonstrationsfreiheit? — April, April, kann ich dazu angesichts dieser Verfügung nur sagen. Die Behörden machen sich darin offen über das Grundgesetz lustig.“ kommentiert die Friedensbewegung die Verbote und Auflagen, die ihr verordnet werden sollen. Im Grundgesetz heißt es wörtlich „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Die baden-württembergischen Behörden machen aus diesem Grundrecht einen Ausnahmefall, in dem die üblichen Gesetze nicht mehr gelten und die
Demonstranten zum Objekt außergesetzlicher polizeilicher Überwachung und Schikanen werden.

Dabei schöpft der Innenminister nahezu alle Maßnahmen aus, die der Entwurf des neuen baden-württembergischen Versammlungsgesetzes zur Behinderung von Demonstrationen vorsieht. Der Schönheitsfehler ist nur, dass dieses Gesetz gar nicht in Kraft ist, weil das Bundesverfassungsgericht dessen Vorbild, das bayrische Gesetz, vor kurzem mit Pauken und Trompeten abblitzen lassen hatte. Die Bestimmungen des bislang gescheiterten neuen Versammlungsgesetzes hatte Innenminister Rech immer wieder damit begründet, dass sie notwendig seien, um Naziaufmärsche in Schranken zu halten.
Jetzt wendet er sie, ohne rot zu werden, noch bevor sie überhaupt in Kraft sind, als erstes gegen den Ostermarsch der Friedensbewegung an. „Damit hat Rech endlich aus dem Sack gelassen, was dieses Versammlungsgesetz eigentlich soll. Es soll nicht aggressive rassistische und faschistische Umzüge eindämmen, sondern die zur Demokratie unabdingbar gehörenden Meinungsäußerungen und Demonstrationen der demokratischen und sozialen Bewegungen wie der Friedensbewegung unmöglich machen.“

Im einzelnen sieht der vorliegende Demobescheid z.B. vor:
– ein faktisches Demonstrationsverbot für die bewohnten Gebiete Kehls.
– 50 Versammlungsteilnehmer sollen sich vorab mit Name und Adresse
registrieren lassen und pünktlich um 10.30 Uhr dem Einsatzleiter zur
Musterung vorgestellt werden – ein eindeutig rechtswidriger Vorgriff auf
das geplante Versammlungsgesetz. Obendrein ist der Verkehr nach Kehl bis
10.30 blockiert, so dass dort sowieso niemand erscheinen kann.
– der Versammlungsleiter der Friedensbewegung „hat die Teilnehmer
(nämlich die Friedensbewegung) auf einen friedlichen Verlauf der
Versammlung hinzuweisen“, was immer das bedeuten mag, es ist die Welt
auf den Kopf bzw. auf eine Polizeimütze gestellt.
– die Demonstranten haben einen Mindestabstand von 1.50 m von den
eingesetzten Polizisten zu wahren.
– Transparente dürfen (ohne jede Begründung) nicht länger als 3 Meter
sein, – üblich und vorhanden sind Transparente mit 6 m Länge. Sie dürfen
auch nicht parallel zur Demorichtung getragen werden — wohl weil sie
dann auch von Passanten gesehen werden könnten.
– geschminkte Gesichter wie bei jedem Fußballspiel üblich, sind verboten.
– Demonstranten dürfen weder ihren Hund mitbringen, noch Spritzpistolen
noch Alkohol trinken.
– Sie dürfen nicht „laufen oder sprinten“ und auch nicht die Demo verlassen.
– Sie dürfen keine Kapuzenpullover und Halstücher tragen, weder vorher
noch nachher.

„Wieviel Angst haben die Behörden und die NATO eigentlich vor der offenen und bunten Friedensbewegung, die seit etwa 50 Jahren an Ostern mitsamt Kinderwagen und Luftballons und ohne dass dabei je jemand zu Schaden gekommen wäre, für den Frieden demonstriert?“, fragt Lachenmayer. „Entgegen jeder Erfahrung machen sie in eindeutig politischer Absicht aus dem Ostermarsch eine Art staatsbedrohender Verbrecherumzug.“ „Es darf sich zwar jeder lächerlich machen, so gut er kann, aber wir lassen uns dadurch unsere demokratischen Rechte nicht beschneiden.“ Am Freitag hat die Friedensbewegung deshalb wegen dieses Bescheids Klage gegen das Land Baden-Württemberg eingereicht, die derzeit beim Verwaltungsgericht Freiburg verhandelt wird. „Wir sind zuversichtlich über den Ausgang“, erklärt Lachenmayer, „und wie immer der auch ist: Die Friedensbewegung wird am Samstag in Kehl und Strassbourg und auf der
Europabrücke lautstark und bunt für den Frieden und die Versammlungsfreiheit eintreten.“

Kontakt:
Friedensnetz Baden Württemberg
Spreuergasse 45
70372 Stuttgart

Telefon 0711 6368240, Fax 0711 600718; E-Mail: buero@friedensnetz.de

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Gedenkfeier am 5. April 2009 erinnert an den Beginn des Todesmarschs von KZ-Häftlingen in Hessental 1945

Luftbild des KZ Hessental

Luftbild des KZ Hessental

Die Gedenkfeier der KZ-Gedenkstätte Schwäbisch Hall-Hessental findet am Sonntag, 5. April 2009, um 11 Uhr auf dem Gelände des ehemaligen Hessentaler Konzentrationslagers beim Bahnhof statt. Als Gastredner spricht israelische Pädagoge und Historiker Gideon Greif. Die Gedenkfeier wird von Jochen Narciß musikalisch begleitet.

Von der KZ-Gedenkstätteninitiative Schwäbisch Hall-Hessental

Gideon Greif wurde 1951 in Tel Aviv geboren und ist seit 1983 Mitarbeiter des Forschungsinstituts und Pädagogischen Zentrums an der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Als promovierter Pädagoge und Historiker hat er den Holocaust und vor allem die Geschichte des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau erforscht. Er hat mehrere Bücher geschrieben sowie Rundfunkreportagen und Dokumentarfilme über den Holocaust veröffentlicht.

Die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Hessental

Die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Hessental

Weitere Infos zum Hessentaler KZ gibt es im Internet auf der Seite de.wikipedia.org/wiki/KZ_Hessental, außerdem: de.wikipedia.org/wiki/Hessentaler_Todesmarsch. Die KZ-Gedenkstätte Hessental berichtet auf ihrer Internetseite www.kz-hessental.de/ über den Todesmarsch, der am 5. April 1945 begann:

„Anfang April 1945, als die amerikanischen Truppen unaufhaltsam näher rückten, begannen die Vorbereitungen zur Evakuierung des Hessentaler Lagers. Am 3. April wurden zwölf gedeckte Güterwaggons ins Lager geschoben. Tags zuvor waren ungefähr 200 weitere Häftlinge im Lager eingetroffen. Sie stammten aus dem Lager Kochendorf und waren krank und völlig erschöpft von Hütten, wo ein etwa 1500 Mann starker Häftlingstreck biwakiert hatte, nach Hessental gebracht worden. An den folgenden beiden Tagen war keine Lokomotive verfügbar, so dass die Häftlinge nicht verladen werden konnten.

Am frühen Morgen des 5. April traf mit SS-Untersturmführer Heinrich Wicker der für die Evakuierung verantwortliche Kommandoführer in Hessental ein. Er befahl, die Häftlinge sofort zu verladen. Da immer noch keine Lokomotive greifbar war, wurden die Waggons mit den Häftlingen an den regulären Personenzug 2065 nach Crailsheim angehängt. Mit 40 Minuten Verspätung verließ der Zug um 7.50 Uhr den Hessentaler Bahnhof. Es ist dies der Beginn des Evakuierungsmarsches der Hessentaler Häftlinge, der unter dem Begriff „Hessentaler Todesmarsch“ in die historische Literatur eingegangen ist. Sein Ziel war das Außenlager Allach des KZ’s Dachau.

Nach nur wenigen Kilometern Fahrt geriet der Zug bei Sulzdorf in einen Angriff amerikanischer Jagdbomber. Die Lokomotive wurde schwer beschädigt, so dass eine Weiterfahrt unmöglich wurde. Die Häftlinge wurden in zwei großen Marschkolonnen von ungefähr 500 bzw. 200 Männern zusammengefasst und zu Fuß weitergetrieben. Zurück blieben die ersten 17 Toten der Evakuierungsaktion. Sie waren bei dem Angriff sowie bei Fluchtversuchen ums Leben gekommen. Andere wurden, weil sie vollkommen marschunfähig waren, von den Begleitmannschaften erschossen.

In den folgenden Tagen schleppte sich der Zug der völlig ausgemergelten Häftlinge in Richtung Osten. Die Marschroute führte über Bühlertann, Rosenberg, Ellwangen, Röhlingen, Zöbingen und Wallerstein bis nach Nördlingen, wo die Überlebenden wieder in einen Zug verladen wurden (andere Aussagen sprechen von Augsburg als dem Ort der Verladung). Entlang dieser Strecke spielten sich schreckliche Szenen ab: Die Häftlinge wurden von der SS unbarmherzig vorangetrieben. Unzählige starben an Entkräftung oder wurden – erschöpft liegen geblieben – von den Wachleuten erschlagen oder erschossen.

Am 11. April erreichte der Transport Karlsfeld bei München. Von dort mußten die Häftlinge nach Allach weiter marschieren, wo sie in den darauf folgenden Tagen eintrafen. In den nur noch unvollständig vorhandenen Unterlagen des KZ’s Dachau sind am 14. und 15. April 1945 293 Zugänge aus Hessental verzeichnet.

Für viele der Hessentaler KZ-Häftlinge war Dachau-Allach allerdings noch nicht die Endstation ihres Leidensweges. Die SS trieb sie nach kurzem Aufenthalt von dort weiter in die geplante „Alpenfestung“ der Nazis. Ende April 1945 wurden sie im bayerischen Voralpenland von den Amerikanern befreit.

Über die Zahl der Opfer des „Hessentaler Todesmarsches“ gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Sie schwanken zwischen 50 und über 300 Todesopfern. Nach den Ermittlungen in den ersten Nachkriegsjahren muss davon ausgegangen werden, dass 100 bis 150 Menschen bei der Evakuierung des KZ-Lagers Hessental ums Leben kamen.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass in einigen Fällen die Bevölkerung der angrenzenden Ortschaften Häftlingen Hilfe zuteil werden ließ. In einem Fall versteckten Wilhelm Nass und seine Frau Barbara zwei geflohene polnische Juden in einem Taubenschlag in Neunstadt. Sie gaben ihnen solange ausreichend Essen, bis die amerikanischen Truppen den Ort besetzt hatten. Über die Bedingungen des „Hessentaler Todesmarsches“ berichtet eine Vielzahl von Zeitzeugenaussagen aus den Jahren nach 1945.

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