Alpha Press II: Pelgrims Renommierprojekt Kocherquartier bekommt immer mehr Risse

Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrims Renommierprojekt auf dem Schwäbisch Haller Knastgelände bekommt offenbar immer mehr Risse. Und damit sind nicht nur die Risse in den Häusern oberhalb des Baugeländes gemeint. Das ganze Projekt wird mit jedem neuen Zwischenfall immer fragwürdiger.

Aktueller Bericht aus der Zeitschrift Alpha Press, Schwäbisch Hall

Gefährliche Risse an Häusern in der Gelbinger Gasse

Spätestens seit dem 8. März 2009 hat das Haller Kocherquartier auch überregionale Aufmerksamkeit auf sich gezogen – allerdings nicht in dem Sinne, wie es sich die Betreiber wünschen. In einer Nachrichtensendung des Südwestrundfunks (SWR) gab es keine Lobhudelei über die kühnen Zukunftspläne eines dynamischen Oberbürgermeisters und die tolle Architektur eines attraktiven zukünftigen Konsumtempels zu hören. Nein, Thema des Berichtes waren die Risse in den Häusern in der Gelbinger Gasse oberhalb der Baugrube des Kocherquartiers. Auslöser des Berichtes war offenbar das Unglück von Köln. So lautete die Themenstellung: Kann so etwas wie in Köln auch rund um eine der Großbaustellen im Ländle passieren. Der SWR-Bericht zeigte, dass diese Sorge zumindest die Anwohner in der Gelbinger Gasse umtreibt. Dass so geartete Sorgen weder von den Betreibern des geplanten Einkaufszentrums, noch von der Haller Stadtverwaltung aufgegriffen werden, verwundert nicht. Nichtsdestotrotz existieren sie offenbar. „Es würde mich nicht wundern, wenn ich früh ins Geschäft komme und die Hälfte der Gasse fehlt“, wird eine Anwohnerin zitiert. In ihrem Haus haben die im Rahmen der Bautätigkeit entstehenden Erschütterungen sichtbare Spuren hinterlassen. Eine Ladenbesitzerin berichtet, dass in ihrem Geschäft am Boden die Platten reißen und  dass die Türen sich verziehen. Das alles war offenbar weder für die Verwaltung, noch für den Gemeinderat ein Thema. Die Betreiber des Einkaufszentrums sehen dagegen keinen Anlass zur Sorge. Im Bericht des SWR unterläuft Johannes van Bergen, dem Chef der Stadtwerke, allerdings ein kleiner Lapsus: „Die Vorsichtsmaßnahmen hier sind sehr ausreichend. So etwas wie in Köln kann hier nicht geschehen.“ Und so van Berger weiter: „Ich gehe davon aus, dass in der Zukunft an dieser Baustelle nichts weiteres Gravierendes auftritt.“

Ausgerechnet der US-amerikanische Beinahe-Pleitekonzern AIG ist Versicherer des Kocherquartiers

Wer’s glaubt wird selig, ist mensch geneigt zu sagen, angesichts der zahlreichen Vorfälle in der Vergangenheit, die eigentlich nie hätten passieren dürfen. Seit dem 5. März treibt zumindest die Anwohner in der Gelbinger Gasse – und vermutlich nicht nur sie – eine weitere Sorge um: An diesem Tage konnten sie nämlich im „Haller Tagblatt“ nachlesen, dass der krisengeschüttelte amerikanische Versicherungsriese AIG der Versicherer des Kocherquartiers ist. Zwar sagt auch hier wieder Stadtwerke-Chef Johannes van Bergen „Kein Grund zur Sorge“. Aber die eine oder andere Frage drängt sich schon auf. In unserer letzten Ausgabe berichteten wir, dass die Allianz Versicherung wegen des nicht zuverlässig einschätzbaren Risikos nicht bereit war, das Bauvorhaben zu versichern, so dass auf den letzten Drücker noch flugs ein anderer Versicherer gefunden werden musste. Sollte es wirklich kein Grund zur Sorge sein, wenn der rettende Engel ausgerechnet die AIG ist, die sich dank ihres riskanten Geschäftsgebarens selbst an den Rand des wirtschaftlichen Abgrunds manövriert hat? Wissen wir nicht von den Crossborder Leasing-Geschäften, dass es für Städte teuer werden kann, wenn sie aus der Zusammenarbeit mit der AIG herauskommen wollten.
Es ist überfällig, dass der Haller Gemeinderat sich endlich von der Verwaltung die Verträge mit der AIG vorlegen lässt und/oder sie von unabhängigen Experten auf mögliche juristische Untiefen und deren potentielle finanzielle Folgen hin überprüfen lässt. Hier sich auf die  bloße Zusage eines der Betreibers zu verlassen, dass alles in Butter sei, wäre mehr als naiv. Die BürgerInnen dieser Stadt haben ein Recht darauf, dass die Geheimniskrämerei seitens der Stadtverwaltung und der Betreiber endlich aufhört.

Blechwüsten bereichern das Stadtbild

In einer anderen kniffligen Frage scheint die Haller Stadtverwaltung eine Entscheidung getroffen zu haben: Es geht darum, wie das dritte der Geschosse der Tiefgarage am Kocherquartier ersetzt werden kann. Hier glänzte der OB zunächst mit haarsträubenden Schnapsideen: Er hatte zunächst dafür plädiert, die Tiefgarage auf dem Gelände des ZOB oder auf der anderen Kocherseite auf der Weilerwiese zu graben. Dabei braucht es eigentlich keinen besonderen Sachverstand, um feststellen zu können, dass das Unsinn ist. Denn wieso sollte in diesen beiden Arealen, die ja bekanntlich noch näher am Kocher liegen als die Großbaustelle das Grundwasserproblem nicht bestehen? Aber in einem (offenbar bei ihm nicht seltenen) Anflug von Allmachtphantasien war der OB offenbar der Meinung, dass sein Wille Berge versetzen und sogar Grundwasser vertreiben kann.
Nun soll offenbar der ZOB zum Parkplatz werden – eine Idee, gegen die selbst der Reporter des „Haller Tagblatt“ schüchterne Einwände erhebt: „Doch sicher scheint: schön wird das nicht. Wie bereits mit dem Haalplatz wird eine zentrale Fläche in der Innenstadt für Autos reserviert.“ Aber vielleicht findet ja OB Pelgrim einen Dreh, wie er solch ausgedehnte Blechwüsten als Ausdruck von Haller Modernität und Urbanität vermarktet werden können.
Ist die 100-Millionen-Euro-Grenze für das Kocherquartier bald erreicht?

Dem Artikel des „Haller Tagblatt“ vom 20. Februar 2009 ist zu entnehmen, dass die Umgestaltungsmaßnahmen für Parkplatzgewinnung zusätzlich rund 4,5 Millionen Euro kosten. Dabei seien gestalterische Maßnahmen (Begrünung, Beleuchtung, Überdachung, Ersatz für den Kiosk) noch nicht einkalkuliert. Nicht beantwortet ist allerdings die Frage, wie hoch mittlerweile die Gesamtkosten für das Projekt Kocherquartier sind. Denn die bisherigen Maßnahmen, die in Folge des Wassereinbruchs erforderlich waren, die Stützungsmaßnahmen für die Häuser der Gelbinger Gasse, zusätzliche Gutachtertätigkeit und dergleichen mehr, bekamen die Betreiber bestimmt nicht geschenkt. Bewegen wir uns inzwischen schon auf die 100-Millionen-Euro-Grenze zu? Das sind Fragen, die für die Menschen in der Stadt nicht unerheblich sind und es ist an der Zeit, dass hier Transparenz geschaffen wird.

Bleiben die Ankermieter?
Die Frage der Parkplätze und die der Ankermieter hängen bekanntlich eng zusammen. Insofern ist es nicht ganz belanglos, wie die Verträge mit den Mietern im künftigen Einkaufszentrum aussehen. Gibt es für sie eine Ausstiegsklausel für den Fall, dass unter dem Einkaufszentrum weniger Parkplätze zur Verfügung stehen? Auch wenn man die Behauptung, dass REWE bleibt, als wahr unterstellt – wie sieht es bei den anderen Ankermietern aus?  Schließlich könnte es gut sein, dass diese angesichts der mittlerweile dramatisch veränderten wirtschaftlichen Großwetterlage  (Stichwort Wirtschaftskrise) ihre ursprünglichen Kalkulationen noch einmal überdenken und entsprechende Passagen im Mietvertrag zum Ausstieg nutzen. Können sie jetzt aus dem Vertrag aussteigen?

Bürger müssen ihre Anliegen selbst offensiv vertreten – Stadträte sind vielfach zu leichtgläubig

Entsprechend den Zusicherungen von OB, GWG und Stadtwerken hätte die Serie von Pannen eigentlich nie passieren können. Auf kritische Nachfragen gab es entweder gar keine Antwort oder ein schneidiges „Alles klar!“. Kennzeichnend für die Informationspolitik des OB war, dass ständig einer auf Optimismus gemacht und ansonsten gemauert wurde. Bei jeder Panne wurde nur das an Informationen herausgerückt, was ohnehin schon offenkundig war. Es ist  ein Skandal, dass die überwiegende Mehrzahl der Mitglieder des Gemeinderats sich vom OB so an den Nasenringen vorführen ließ. Die Folgen solcher Leichtgläubigkeit und Nachlässigkeit wurden in den letzten Wochen und Monaten offenkundig. Anstatt sich weiter von der Stadtverwaltung dumm halten zu lassen, sollten die Bürger ihre Angelegenheiten endlich selbst in die Hand nehmen. Gemeinderäte, die als Nickonalräte alles abnicken, kann man getrost vergessen.

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Alpha Press I: Kommunalpolitiker sollen ihre Liebedienerei gegenüber der Bausparkasse beenden

Was wäre wenn…
…die Bausparkasse Steuern bezahlen würde

Nur wenige Tage lagen die beiden  Ereignisse auseinander, die große Bedeutung für das Leben der BürgerInnen in Schwäbisch Hall haben. Die gewählten VertreterInnen der Haller BürgerInnen und die veröffentlichte Meinung in Schwäbisch Hall (nicht gewählt!) weigern sich hartnäckig, den Zusammenhang zu sehen.

Aus der Schwäbisch Haller Zeitschrift Alpha Press

Es gibt „zwei verschiedene Schwäbisch Hall“

In seiner Einleitungsrede zum Nachtragshaushalt 2008/2009 der Stadt Schwäbisch Hall am 14. Januar stellte Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim für die Zukunft Kürzungen bei den städtischen Leistungen für die BürgerInnen in Aussicht. Er geht davon aus, dass eine Kürzung der Ausgaben um 10 bis 15 Prozent für 2010 ansteht. Beim bisherigen Stand, so OB Pelgrim, stünden für 2010 einschneidende Maßnahmen bei der Kultur, beim Sport, bei den Friedhöfen, den Teilorten und den Grünanlagen an. Wenige Tage später verkündete das andere Schwäbisch Hall, die Bausparkasse Schwäbisch Hall, auf seiner Bilanzpressekonferenz, dass sich im Jahr 2008 die Geschäfte prächtig entwickelt hätten. 2008 sei das beste Jahr in der Firmengeschichte gewesen. Man habe  den Marktanteil im Bauspargeschäft von 28,5 auf etwa 29 Prozent gesteigert. Das Ergebnis nach Risikovorsorge habe man von Vorjahr: 197 Millionen Euro auf  210 Millionen Euro gesteigert. Und dann folgt ganz beiläufig in der Pressemitteilung der Bausparkasse Schwäbisch Hall der Satz:  „Die Gewinnabführung an die DZ BANK beträgt wie im Vorjahr 70 Millionen Euro“.

Staatliche Reichtumspflege

Wenn die Bausparkasse sich nicht vor der Zahlung der Gewerbesteuer drücken würde, blieben der Stadt davon mindestens 20 Millionen Euro für kommunale Leistungen.  Aber dieser Zufluss von Gewerbesteuer aus den Gewinnen der Bausparkasse ist bekanntlich seit 2002 versiegt. Denn im Jahr 2000 hatte die rot-grüne Bundesregierung ein Steuersenkungsgesetz verabschiedet, das die Steuerschlupflöcher für Unternehmen auf die Größe von Scheunentoren erweiterte. Die Bausparkasse Schwäbisch Hall nutzte die ihr eröffneten Möglichkeiten. Sie zahlt seither keine Steuern mehr an die Stadt Schwäbisch Hall. Statt dessen überweist die Bausparkasse diesen Geldposten an die wegen diverser fehlgeschlagener Spekulationsgeschäfte unter permanentem Geldmangel leidende Mutter, die DZ-Bank in Frankfurt. 1)
Vor Eichels Unternehmensteuerreform war Schwäbisch Hall eine der wohlhabendsten Städte in der Bundesrepublik. Das schlug sich zumindest teilweise in sozial – und kulturpolitischen Leistungen nieder, die sich sehen lassen konnten. Nach dem Inkrafttreten der Eichelschen Reform brachen die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt Schwäbisch Hall von über 60 Millionen Euro auf unter 20 Millionen Euro ein. Seither befindet sich Schwäbisch Hall auf der sozialpolitischen Abwärtsrutsche. Selten lässt sich so anschaulich nachvollziehen, wie privater Reichtum und öffentliche Armut zusammenhängen.

Das Schweigen der Gemeinderäte

Normalerweise sollte mensch annehmen, dass die gewählten Vertreter der Haller Bürger gegen einen solch offensichtlichen Skandal Sturm laufen. Aber nichts dergleichen passiert in Schwäbisch Hall. Keiner der gewählten Volksvertreter nimmt an der legalisierten Form der Steuerhinterziehung seitens der Bausparkasse Anstoß. Dass es die Freien Wähler und die FDP nicht tun, kann wenig verwundern. Schließlich ist es Teil ihres Karmas, dass Steuern – insbesondere die für Unternehmer und wohlhabende Selbstständige, ein Werk des Satans sind. Die SPD und die GRÜNEN meiden das Thema konsequent, weil die Steuerreformen Werk einer rot-grünen Koalition waren. Jede Auseinandersetzung mit dem Thema verbietet sich daher für sie von Haus aus.
Das skandalöse Schweigen der im Gemeinderat vertretenen Parteien ermöglicht es der Bausparkasse dank wohlwollender publizistischer Unterstützung des „Haller Tagblatts,“ sich als Wohltäter der Stadt zu präsentieren. Ein von Lokalredaktionsleiter Rainer Hocher persönlich verfasster Artikel lobhudelt „Unternehmen sind in erster Linie Wirtschaftsbetriebe, aber sie tragen auch gesellschaftliche Verantwortung: Die Haller Bausparkasse tat dies im Jahr 2008 mit einem Sponsoringvolumen von rund 850 000 Euro“. Na vielen Dank! Wenn die Bausparkasse das Wort „soziale Verantwortung“ ernst nähme, würde sie für das Jahr 2008 den Haller Bürgern in Form der Gewerbesteuer jenen Betrag zukommen lassen, der den Bürgern eigentlich zusteht. Aber nach wie vor nützt sie die von willfährigen Politikern geöffneten Scheunentore zur Steuervermeidung. Und nach wie vor  scheint von den Lokalpolitikern niemand an dieser legalisierten Steuerhinterziehung Anstoß zu nehmen.

Die andere Seite der Medaille sind Einsparungen im Sozial- und Kulturbereich

Ab dem Zeitpunkt, als sich abzeichnete, dass die Bausparkasse Schwäbisch Hall die Steuerzahlungen an die Stadt Schwäbisch Hall einstellen würde, setzte in den Jahren 2001 und 2002 eine Welle von Streichungen im Sozial- und Kulturbereich der Stadt ein. Seither wurden Zug um Zug die Beiträge für die Kindergärten angehoben. Heute sind für Familien bis zu drei Kindern 113 Euro für das erste Kind, 86 Euro für das zweite Kind und 58 Euro für das dritte Kind 2)  zu entrichten. Zum Vergleich: In der Zeit vor Schröders Steuergeschenken waren die Kindergartenbeiträge in Schwäbisch Hall mit ca höchstens 40 DM pro Kind (eine Familie mit drei Kindern war von den Beiträgen ganz befreit) sehr sozial. Bei der Stadtbibliothek wurden Benutzergebühren eingeführt – 15 Euro pro Jahr für Haller BürgerInnen, 25 Euro für BewohnerInnen aus dem Umland.  Zwar haben sich die Menschen daran gewöhnt – sozial ist das aber nicht. Zudem sind  die Neuanschaffungen von Büchern deutlich zurückgegangen.
Im Jugendbereich gab es Personalabbau und damit einhergehend  eine Reduzierung des Angebots für Jugendliche. Erinnert sei hier an den Wegfall des Jugendzentrum „Forum“, des Schülercafes „Klax“und des Projekts „Jugend-Arbeit-Zukunft“ für Suchtkranke. Die Liste der Themen ließe sich beliebig fortsetzen: Personalabbau bei der Stadt, Vernachlässigung und Schließung von Kinderspielplätzen, zunehmend nachlässige Räumung öffentlicher Wege usw. Und nicht zuletzt sind hier noch die dringend nötigen neuen Räumlichkeiten für den Club Alpha 60 zu nennen. Hier drückt sich die Stadt Schwäbisch Hall seit der Amtszeit von OB Pelgrim vor ihrer Verantwortung. Eines der immer wieder bemühten Scheinargumente sind die vermeintlich hohen Kosten.

Kommunalpolitiker sollen ihre Liebedienerei gegenüber der Bausparkasse beenden

Würde die Bausparkasse wie früher ihre Steuern bezahlen, wären die Kürzungen im Sozial- und Kulturbereich normalerweise kein Thema  – es sei denn die Stadtoberen verbrennen das Geld in sinnlosen Prestige- und Wirtschaftsförderungsprojekten wie dem Kocherquartier. Dass die Bausparkasse Schwäbisch Hall seit 2002 sich vor der Ableistung der eigentlich fälligen Steuern drücken kann, ist aber kein Naturgesetz. Es ist das Werk von Politikern, die sich vor allem dem Wohlergehen der reichen und mächtigen Eliten verpflichtet fühlen. Die Eichelschen Steuerfreibriefe für Firmen sind Teil eines neoliberalen Politikkonzepts, dessen Folgen wir gerade auf sehr drastische Art erleiden (Stichwort Finanzkrise).  Die der Stadt Schwäbisch Hall vorenthaltenen Gewerbesteuermillionen werden einer Bank in den Rachen geworfen, die dafür bekannt ist, dass sie ständig Millionen mit dubiosen Geschäften in den Sand setzt. In Schwäbisch Hall würde dieses Geld, besonders vor dem Hintergrund drohender sozialer Verwerfungen in Folge der wirtschaftlichen Depression dringend benötigt. Es ist höchste Zeit, dass die Liebedienerei der Kommunalpolitiker gegenüber der Bausparkasse beendet wird. Das gilt es im Kopf zu behalten, wenn demnächst der OB eine weitere Runde „großes Sparen“ verordnen will.

Anmerkungen:
1) Während früher jeder Betriebsstandort seinen Gewinn versteuern musste, bevor er ihn an die Konzernmutter überwies, konnte von nun an die Konzernmutter gewinnträchtige Standorte mit Verluststandorten verrechnen. Jusristisch wird das über das Vehikel der „Organschaft“ begründet:  Bei einer steuerlichen Organschaft werden die rechtlich selbständigen Unternehmen – also Bausparkasse Schwäbisch Hall und DZ-Bank – steuerlich wie e i n  Unternehmen behandelt. Die Organgesellschaft Bausparkasse Schwäbisch Hall AG bilanziert zwar selbständig, führt aber Gewinn und fällige Körperschaft- und Gewerbesteuer an die Organträgergesellschaft – die DZ-Bank – ab, die die vereinnahmten Steuern mit der insgesamt zu zahlenden Steuer verrechnet…
2) bei 8 Stunden Pflege am Tag

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Schwäbisch Haller beim Nato-Gipfel in Kehl: Der Bürger als Sicherheitsrisiko

Den meisten der Schwäbisch Haller AntimilitaristInnen, die sich am Morgen des 4. April am Bahnhof trafen, um gemeinsam nach Kehl zur Anti-NATO-Demonstration zu fahren, war klar, dass sie sich einem großen Polizeiaufgebot gegenüber sehen würden. Was dann kam, übertraf alle Erwartungen.

Ein Bericht von Paul Michel, Schwäbisch Hall

Schon in Schwäbisch Hall notierte die Polizei die Autokennzeichen

Bereits am Treffpunkt Haller Bahnhof war ein Streifenwagen zugegen, um die Lage zu beobachten. Allerdings gab es hier noch keine Personenkontrolle. Dafür wurden die Kennzeichen der PKWs notiert. An der Steige hinter Untermünkheim wurde einer der PKWs angehalten, Fahrzeugpapiere gesichtet und penibel geprüft, ob das Fahrzeug den Vorschriften der Straßenverkehrordnung gerecht wurde. Die anderen PKWs konnten ungehindert passieren. Ab Karlsruhe wurde die Polizeipräsenz immer augenfälliger. An Parkbuchten, Rastplätzen und Ausfahrten waren Streifenwagen platziert. Kolonnen von Polizeitransportern bewegten sich mit uns in Richtung Süden. Es schien nur eine Frage der Zeit bis wir heraus gewunken würden. Aber das passierte nicht. Dafür kam es in der Höhe von Bühl zu einem Totalstau auf der Autobahn. Alles steckte fest, nichts bewegte sich mehr. Allmählich stellte sich heraus, dass die Polizei vor der Ausfahrt Baden-Baden eine Totalsperre der Autobahn verfügt hatte. Der Grund: Die gesamte Autobahn von Baden-Baden bis Kehl sollten die Staatschefs der NATO-Länder für ihre Anfahrt von Baden-Baden nach Kehl für sich alleine haben. Die BürgerInnen als potentielles Sicherheitsrisiko sollten ferngehalten werden.

Leibesvisitationen wie in einem besetzten Land

Nach zirka 45 Minuten wurde die Sperre aufgehoben. Die Fahrt konnte weitergehen. Aber ab jetzt wurde die Polizeipräsenz noch augenfälliger. In jeder Haltebucht Polizeifahrzeuge, auf jeder Brücke Polizisten, an Ausfahrten kleine Truppenansammlungen. Als wir bei Appenweier die Autobahn verließen, wurde jede Feldwegeinmündung, jede Weggabelung von Polizeieinheiten besetzt. Dennoch schafften wir es bis zum Bahnhof Appenweier. Warum aber Appenweier? Ganz einfach: Weil die Polizei für NATO-Gegner Kehl dichtgemacht hatte. Es hieß im Vorfeld schon, dass der Zugang nach Kehl über Appenweier möglich sei. Allerdings nicht per Bahn. Denn am 4. April waren alle Zugverbindungen nach Kehl aus „Sicherheitsgründen“ gestrichen. Zufahrt nur per Schienersatzverkehr – allerdings erst nach eingehender Personenkontrolle. Deswegen wurden alle DemonstrantInnen entlang einer mit Absperrungen und Polizeieiheiten gesicherten Strecke auf einen Platz gebracht, wo sie ihre Ausweise abgeben, ihre Taschen öffnen und sich einer Leibesvisitation unterziehen mussten. An dieser Stelle wurde selektiert: Wer als gefährliches Element eingestuft wurde, für den/die war hier Schluss. Eine Begründung gab es dafür nicht. Der Rest durfte nach einiger Zeit in den Bus einsteigen und wurde auf einer völlig umständlichen, von der Polizei vorbestimmten Route nach Kehl gebracht. Auch hier das gleiche Bild: Überall Polizei, die alle möglichen Objekte sicherte. Kein Misthaufen ohne Polizeieskorte. Man fühlte sich wie in einem besetzten Land. Am Stadtrand von Kehl wurden die Polizei-Einheiten noch größer. Der Bus konnte nicht einfach in Richtung Kundgebungsgelände fahren, sondern wurde erst noch auf einen von einer Polizeihundertschaft besetzten Platz im Industriegebiet dirigiert: Sicherheitskontrolle. Immerhin zeigte sich der Einsatzleiter für das Argument zugänglich, dass die Buspassagiere erst von seinen Kollegen vor Besteigen des Busses ausgiebig „gecheckt“ worden waren. Es wurde tatsächlich auf eine weitere Durchsuchung verzichtet. Kurz danach durften wir aussteigen und weitgehend ungehindert in Richtung Kundgebungsplatz, einer Art Volksfestplatz (wie in Crailsheim), weiterlaufen. Dort war die Auftaktkundgebung bereits in Gang. Die lief denn auch weitgehend ohne polizeiliche Störung ab. Denn die Ordnungstruppen hatten die gesamte Kehler Innenstadt besetzt. Die Stadt selbst wirkte wie ausgestorben, obwohl strahlender Sonnenschein herrschte.

Rheinbrücke: Besetzt von High-Tech Truppen

Die meisten der HallerInnen warteten das Ende der Kundgebung nicht ab, sondern begaben sich vorzeitig in Richtung Rheinbrücke. Die war durch eine wahre Bürgerkriegsarmee abgesperrt, ausgestattet mit allen Gerätschaften, die zur Aufstandbekämpfung für erforderlich gehalten werden: mehrere Räumpanzer, zirka zehn Wasserwerfer und dazwischen die polizeilichen Bodentruppen jeglicher Ausprägung. Das Spektrum der Einsatzkräfte reichte von jungen Polizeischülern mit Kindergesicht über massigere Gestalten mittleren Alters bis hin zu den supercoolen Greiftruppen – mit Sturmhauben, damit sie bei ihren Brachialeinsätzen auch garantiert unerkannt bleiben. Letztere sind übrigens nicht schwer gepanzert, weil das ihrer Beweglichkeit im Kampfgetümmel abträglich wäre.  Die Mehrheit ihrer KollegInnen aber wirkt wegen ihrer massiven Panzerung wie Kopien von Arnold Schwarzenegger in jüngeren Jahren. Obendrein sind viele von ihnen mit allerlei technischem Gerät behängt: Knüppel oder wahlweise Tonfa, wahlweise Handy mit Knopf im Ohr oder eher massige Sprechfunkgeräte oder gleich beides. Ob das ganze Zeug einen praktischen Nährwert hat, sei dahingestellt. Wichtig ist der Eindruck, der damit gegenüber den Demonstranten erweckt wird: Vorsicht hier ist eine High-Tech-Kampftruppe. Wenn diese Truppe in Aktion tritt, Gnade Euch Gott! Diese Botschaft wird durch mehrere in der Luft kreisende Hubschrauber noch bekräftigt.

Sprechchöre „Macht die Straße frei“ zeigen keine Wirkung

Insgesamt wird die Brücke über den Rhein, rechnet man die in Reserve stehenden Einheiten dazu, wohl durch mehrere Tausend solch Uniformierter gesichert. Als nach einiger Zeit aus der Fußgängerzone kommend der  vielleicht 2000- bis 3000-köpfige Demonstrationszug der NATO-GegnerInnen sich der Rheinbrücke nähert, ist den meisten klar, dass es hier kein Weiterkommen gibt. So kommt es dann auch. Zwar gibt es von unserer Seite immer wieder Sprechchöre: „Macht die Straße frei“. Auf die Ordnungsmacht macht das aber keinen Eindruck. Irgendwann heißt es, dass eine Delegation mit der Polizei verhandelt, aber nie entsteht der Eindruck, als ob diese Verhandlungen von Erfolg gekrönt sein könnten. So harren die NATO-Gegner mehrere Stunden, eingezingelt von den polizeilichen Kampftruppen, aus. Ein Glück, dass wenigstens das Wetter schön ist. Es passiert in dieser Zeit nicht viel. Die Demonstrantinnen haben keine Handlungsoptionen, weil es nur diese eine Brücke über den Rhein gibt und die Polizeiführung verzichtet darauf, offensiv die Straßen zu räumen. Währenddessen sieht man auf der anderen Seite des Rheins Rauchwolken aufsteigen. Genaueres ist aber nur schwer in Erfahrung zu bringen und auch die Demonstrationsleitung bringt dazu keine Informationen. Was letztlich auf der französischen Seite passiert ist, erfahren wir erst, als wir auf der Heimfahrt Radio hören.

Freiheit stirbt mit Sicherheit

Das Ziel der Demonstration, die Demonstrationszüge auf der deutschen und der französischen Seite zusammenzubringen, ist an diesem Samstag nicht gelungen. Die gewaltige polizeiliche Streitmacht auf deutscher Seite hat das verhindert. Die politisch Verantwortlichen auf der deutschen Seite fühlen sich in ihrer Strategie bestätigt und bekommen dafür noch aus Teilen der Medien Lob. In der Regel kein Thema ist, dass im Großraum Baden-Baden-Kehl ein paar Tage grundlegende Freiheitsrechte außer Kraft gesetzt waren. Es wurden nicht nur das Demonstrationsrecht schwer eingeschränkt. Das gesamte öffentliche Leben war auf Ausnahmezustand getrimmt. Es gab in Baden-Baden Sperrzonen, in denen sich selbst die Anwohner nur in Polizeibegleitung bewegen durften. Selbiges passierte in Rhein-nahen  Bereichen in Kehl. Da wurden zur Geländesicherung abgeordnete Polizisten nervös, wenn Anwohner die Zeitung aus dem Briefkasten holten. Der Bürger als Sicherheitsrisiko! Über 15 000 Polizisten waren ein paar Tage lang im Einsatz, um die NATO-Staatschefs von der Bevölkerung abzuschirmen. Zum Teil fühlt man sich beim staatlichen Vorgehen an die Praktiken in der DDR erinnert. Hier wie dort ist das Verhältnis der Machtinhaber zur Bevölkerung von tiefstem Misstrauen geprägt. Mit riesigem Aufwand schottet man sich ab. Soll der publizistischen Optik wegen doch ein Bürgerkontakt inszeniert werden, gehen die Herrschaftsstrategen auf „Nummer Sicher“. Es wird nur handverlesenes, vermutlich mehrfach durchgechecktes Publikum zu den Events angekarrt, mit denen Bürgerkontakt simuliert werden soll. Was für die politischen Eliten zählt, sind die dadurch produzierten Bilder, die von willfährigen Medien bereitwillig verbreitet werden. DemonstrantInnen könnten die gewünschten Bilder stören. Deshalb müssen sie schikaniert, drangsaliert und in die Peripherie abgedrängt werden, indem man im weiten Umkreis um die Staatschefs rechtsfreie Räume installiert. Im Fall des NATO-Gipfels war es das Gebiet zwischen Baden-Baden und Kehl. So stirbt Freiheit mit Sicherheit.

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