Pflegeunternehmen Alpenland terrorisiert laut Gewerkschaft Pflegekräfte – Betriebsversammlung in Öhringen

Erneut hat die Geschäftsleitung des Pflegeunternehmens Alpenland zu einer Betriebsversammlung im Haus in Öhringen eingeladen. Am Donnerstag 6. August 2009, von 10 bis 11.30 Uhr will die Gewerkschaft ver.di wieder mit dem ver.di-Bus vor Ort sein. ver.di-Kollege Anton-Eugen Schmid aus Heilbronn wird auf der Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes an der Betriebsversammlung teilnehmen.

Von Marianne Kugler-Wendt, ver.di Heilbronn-Franken

Strafanzeige und Strafantrag wegen falsch ausgestellter Arbeitszeitnachweise

In der Tarifauseinandersetzung mit dem Unternehmen ALPENLAND, einer Betriebsgesellschaft für Pflege- und Altenheime mit Sitz in Sonthofen, spitzt sich die Situation immer mehr zu. Die Altenheimkette betreibt in Baden-Württemberg acht Einrichtungen – unter anderem auch in Kupferzell, Öhringen und Bad Rappenau.

Seit November 2005 haben die Beschäftigten von ALPENLAND keine Lohnerhöhung mehr bekommen. ver.di fordert rückwirkend ab 1. April 2008 eine Lohnerhöhung von 8 Prozent und für das Jahr 2009 eine Lohnerhöhung von 5 Prozent, um annähernd einen Anschluss an den öffentlichen Dienst zu erreichen. Der Arbeitgeber hat bislang kein Angebot vorgelegt.

Hintergrundinformation der Gewerkschaft ver.di vom 24. Juli 2009:

ALPENLAND hatte mit ver.di einen Haustarifvertrag abgeschlossen. Die letzte
Lohnerhöhung gab es zum 1. November 2005. ver.di kündigte den Vergütungs-
tarifvertrag zum 31. März 2008. Der Arbeitgeber kündigte den Manteltarifvertrag
zum 31. Dezember 2008.

Am 2. Oktober 2008 beschloss die Tarifkommission ihre Tarifforderung.

Am 14. November 2008 fand in Sonthofen das erste Sondierungsgespräch statt.
ALPENLAND verwies auf ihre schlechte wirtschaftliche Lage. ver.di erhob ihre
Tarifforderung und begründete diese.

Am 17. Februar 2009 fand das zweite Sondierungsgespräch statt. ALPENLAND
händigte ver.di Tarifvertragsentwürfe aus und forderte eine Notlagenregeleung.
Die Tarifvertragsentwürfe beinhalten insgesamt Absenkungen.

Per Post wurden weitere Entwürfe für Absenkungstarifverträge zugesandt. Auch
diese lehnte ver.di ab.

ALPENLAND will das Tarifniveau auf Dauer absenken. Damit ist ver.di selbstver-
ständlich nicht einverstanden.

Der Druck wurde immer stärker. ver.di reagierte mit Aktionen. Am 5. Mai 2009
sandte den Entwurf einer Notdienstvereinbarung an ALPENLAND. Im Anschluss
an eine Betriebsversammlung in der ALPENLAND-Einrichtung Sulz am Neckar am
7. Mai 2009 streikten die ALPENLAND-Beschäftigten für eine Stunde. Mit einem
Rundschreiben vom 7. Mai 2009 bedrohte der Arbeitgeber die Beschäftigten
(siehe Anlage).
Dem einstündigen Warnstreik folgte eine halbstündige Aussperrung.
KollegInnen berichteten, dass die Heimleiterin die Ausführungen auf der Be-
triebsversammlung mitschnitt. Dagegen ging ver.di vor.

Am 8. Mai 2009 sandte uns ALPENLAND ihren Entwurf für eine Notdienstverein-
barung. Darin findet sich auch der Passus, dass Arbeitskampfmaßnahmen –
gleich welcher Form – bis zur Aufnahme von Tarifverhandlungen und weiter bis
zum Tarifabschluss oder der beidseitigen Feststellung des Scheiterns der Verhand-
lungen beiderseits unzulässig sind.

Darauf ging ver.di selbstverständlich nicht ein und reagierte am 10. Juni 2009 mit
einem zweistündigen unangekündigten Warnstreik in der Einrichtung Öhringen.

Die Notdienste regelten wir wieder selbst. Alles verlief reibungslos. Es gab keine
Vorkommnisse.
Am 19. Juni 2009 sperrte ALPENLAND drei von vier StreikteilnehmerInnen für
zwei Stunden aus.

Am 15. Juni 2009 beantragte ALPENLAND beim Arbeitsgericht Stuttgart, Kam-
mern Ludwigsburg, eine einstweilige Verfügung. ALPENLAND beantragte die
Unterlassung der Streiks und die Duldung einseitig angeordneter Notdienste.

Am 30. Juni 2009 fand der Gerichtstermin statt. Die Klage von ALPENLAND wur-
de in allen Punkten abgewiesen. ALPENLAND hat die Kosten des Rechtsstreits zu
tragen. Eine Berufungszulassung erfolgte nicht.

Zwischenzeitlich versuchte ALPENLAND immer wieder, das für den 10. Juli 2009
vereinbarte Spitzengespräch zu umgehen (von uns wurden Stellungnahmen ge-
fordert, es wurde eine Tagesordnung verlangt).

Am 3. Juli 2009 teilte ALPENLAND mit, dass ein erstes Vorgespräch mit einer
anderen Gewerkschaft aufgenommen wurde.

Am 7. Juli 2009 schrieb ALPENLAND an drei Öhringer Streikteilnehmerinnen, dass
sie ihre Arbeitszeitnachweise für den 10. und den 19. Juni 2009 (Streik und Aus-
sperrung) nicht korrekt ausgefüllt hätten und der Verdacht einer Straftat vorläge.
Eine Anhörung (Frist 15. Juli 2009) wurde durchgeführt. Die Stellungnahmen
erfolgten über die ver.di-Landesrechtsabteilung.

Am 10. Juli 2009 fand ein langes Spitzengespräch statt.
Es wurde ein Moratorium (Stillhalteabkommen) vereinbart. Es wurde unter ande-
rem vereinbart, dass gegenüber den StreikteilnehmerInnen am Streik in der Be-
triebsstätte Öhringen am 10. Juni 2009 keine weiteren arbeitgeberseitigen Maß-
nahmen – mit Ausnahme der bereits laufenden Anhörungen der betroffenen
Beschäftigten – im Zusammenhang mit Handlungen der StreikteilnehmerInnen
eingeleitet werden. Frist dieses Moratoriums: 28. Juli 2009.

Am 20. Juli 2009 teilte uns ALPENLAND mit, dass ver.di die Vereinbarung gebro-
chen hätte. In diesem Schreiben wurde auf eine Anlage verwiesen, die merkwür-
digerweise nicht beigefügt war.
Wir forderten am 20. Juli 2009 die Aushändigung dieser Anlage, die wir am
21. Juli 2009 erhielten.
Der Anlage entnahmen wir, dass die drei Öhringer Kolleginnen nochmals ange-
hört werden sollten (Frist: 29. Juli 2009). Zwei der betroffenen Kolleginnen hat-
ten in diesem Zeitraum Urlaub.

Gleichzeitig wurde gegen die Kolleginnen Strafanzeige und Strafantrag wegen
falsch ausgestellter Zeitnachweise gestellt.

ver.di hat die Geschäftsleitung am 21. Juli 2009 angeschrieben und mitgeteilt,
dass ALPENLAND sich vereinbarungswidrig verhalten hat und die Vereinbarung
somit gegenstandslos ist. Wir teilten mit, dass wir die Handlung als bewusste
Provokation und als Versuch betrachten, unsere Mitglieder psychisch unter Druck
zu setzen und sie „kaputt zu machen“.
Des weiteren forderten wir, dass die Strafanzeige sofort zurückgezogen werden
muss und dass ALPENLAND bis spätestens 7. August 2009 mit uns Tarifverhand-
lungen aufnimmt. Von uns wurde eine Rückäußerungsfrist bis 30. Juli 2009,
12 Uhr, gestellt. Als Verhandlungstermine schlugen wir den 3. und den 5. Au-
gust 2009 vor.

Die Liste der Ereignisse ist nicht vollständig.

Eine Vielzahl von Briefen ging hin und her. Bei ALPENLAND läuft fast der gesamte
Schriftwechsel über deren Rechtsanwalt. Mit allen juristischen Tricks wird gear-
beitet.

Seit Ende April 2009 wurden GewerkschaftssekretärInnen mit Hausverboten,
Unterlassungserklärungen, Gegendarstellungserklärungen überhäuft, Betriebs-
ratswahlen wurden angefochten, BetriebsrätInnen unter Druck gesetzt und der
DHV3 ins Haus geholt.

Soeben erhalten wir die Nachricht, dass Strafantrag gegen eine weitere ALPEN-
LAND-Beschäftigte gestellt wurde.

Bis  heute liegt uns kein Verhandlungsangebot von ALPENLAND vor.

In zwei Einrichtungen von ALPENLAND fanden am 7. Mai 2009 und am 10. Juni 2009 kurzfristige Warnstreiks statt. Das Unternehmen schreckte dabei nicht davor zurück, seine Beschäftigten einzuschüchtern, Streikende auszusperren und mit arbeitsrechtlichen Sanktionen zu bedrohen. Nun hat ALPENLAND gegen drei Streikteilnehmerinnen wegen angeblich nicht korrekt ausgefüllter Arbeitszeitnachweise Strafanzeige gestellt.

ver.di betrachtet das Verhalten von Alpenland als bewusste Provokation und als Versuch, ver.di-Mitglieder psychisch unter Druck zu setzen und sie „kaputt zu machen. Das können und werden wir uns nicht gefallen lassen.“ Mit einem Solidaritätsschreiben soll der Druck auf die Geschäftsleitung erhöht werden.

Entwurf des Solidaritätsschreibens als PDF-Datei zum Download:

Solidaritätserklärung

Fernsehbeitrag des Südwestrundfunks (SWR) vom 3. August 2009 (ab Minute 2:41):

http://www.swr.de/bw-aktuell/-/id=98428/did=5031928/pv=video/gp1=5208068/nid=98428/army0d/index.html

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