„Die Öffentlichkeit soll nicht erfahren, wer diese Lobbyisten sind“ – Abgeordnetenwatch verklagt den Deutschen Bundestag

Schon dass Politiker darüber entscheiden dürfen, welche Lobbyisten im Bundestag ein und aus gehen, ist ein Skandal. Noch skandalöser ist, dass die Öffentlichkeit nicht erfahren soll, wer diese Lobbyisten sind. abgeordnetenwatch.de verklagt deswegen nun den Deutschen Bundestag.

Vom Verein Abgeordnetenwatch

Bundestag lehnte Antrag ab

Die Bundestagsverwaltung weigert sich seit Monaten, uns eine Liste mit Interessenverbänden herauszugeben, die mit Bewilligung der vier Fraktionen einen Bundestagshausausweis erhalten haben – und damit ungehinderten Zugang zu allen Parlamentsgebäuden: Im Juni 2014 lehnte der Bundestag unseren Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz ab, im Oktober wies er unseren Widerspruch zurück.

Es geht um Lobbykontakte von CDU/CSU und SPD

Genau genommen geht es um die Lobbykontakte von CDU/CSU und SPD. Welchen Organisationen Grüne und Linke Zugang zum Bundestag verschafft haben, haben sie uns nämlich freiwillig mitgeteilt. Union und SPD aber weigern sich – sie schieben den Datenschutz vor. Unsere Anwältin hat inzwischen eine dreizehnseitige Klageschrift beim Berliner Verwaltungsgericht eingereicht. Vertreten werden wir von der Berliner Rechtsanwältin Katja Pink, die eine ausgewiesene Expertin in Sachen Informationsfreiheit ist: 2012 erwirkte sie, dass das Kanzleramt die Gästeliste der fragwürdigen Geburtstagsparty von Ex-Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann auf Einladung der Bundeskanzlerin veröffentlichen musste.

Transparenz im Bundestag schaffen

Auch der Prozess gegen den Bundestag wird viele Jahre dauern und mehrere Tausend Euro kosten. Doch davon lassen wir uns nicht abschrecken! Um eine ungefähre Vorstellung davon zu haben, was uns erwarten könnte: Bis zur Veröffentlichung der Ackermann-Gästeliste benötigte unsere Anwältin insgesamt drei Jahre und zwei Gerichtsinstanzen. Bitte unterstützen Sie uns auf diesem langen Weg. Als Förderin/Förderer halten Sie uns den Rücken frei – gemeinsam mit Ihnen schaffen wir Transparenz im Bundestag!

Jetzt spenden!

Mit herzlichen Grüßen von

Gregor Hackmack, Boris Hekele und dem gesamten abgeordnetenwatch.de-Team

Details über die Hintergründe zu unserer Klage:

https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/abgeordnetenwatchde-verklagt-den-deutschen-bundestag

abgeordnetenwatch.de verklagt den Deutschen Bundestag

Von Martin Reyher, abgeordnetenwatch.de

Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht eingereicht

Welche Lobbyisten gehen auf Einladung der Fraktionen im Deutschen Bundestag ein und aus? Weil die Bundestagsverwaltung dazu die Auskunft verweigert, hat abgeordnetenwatch.de Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht eingereicht. Es geht insbesondere um die Lobbykontakte der Großen Koalition, die nach dem Willen von Union und SPD geheim bleiben sollen.

Hausausweise sind leicht zu haben

Die Klage hat eine monatelange Vorgeschichte. Im Früjahr 2014 waren wir im Zuge einer Recherche darauf gestoßen, dass Lobbyisten sich durch eine weitgehend unbekannte Regelung Zugang zum Deutschen Bundestag verschaffen können: Nach abgeordnetenwatch.de-Informationen reicht bereits die Unterschrift eines Parlamentarischen Geschäftsführers von Union, SPD, Linke oder Grünen, um als Interessenvertreter einen Hausausweis ausgestellt zu bekommen.

Zugangsberechtigung zu den Räumlichkeiten des Parlaments

Die Regelung mit der Geschäftsführer-Unterschrift ist derart vertraulich, dass darüber weder in den Rechtsgrundlagen für den Bundestag noch in der Hausordnung ein Wort verloren wird. Wie aus dem Bundestag zu hören ist, haben über diesen diskreten Weg etliche Interessenvertreter eine Zugangsberechtigung zu den Räumlichkeiten des Parlaments erhalten.

Union und SPD verweigern Auskunft zu ihren Lobbykontakten

Wer aber sind die Lobbyisten, die mit Bewilligung der Fraktionen im Bundestag ein und aus gehen? Auf abgeordnetenwatch.de-Anfrage von Anfang April 2014 verweigerten die Parlamentarischen Geschäftsführer von Union und SPD Auskunft zu ihren Lobbykontakten, angeblich aus Datenschutzgründen. Dass der Datenschutz nicht als Argument gegen die Offenlegung herhalten kann, zeigten die Linke und nach anfänglichem Zögern auch die Grünen: Sie nannten gegenüber abgeordnetenwatch.de die Interessenverbände, für die sie Bundestagshausausweise befürwortet hatten.

Informationsfreiheitsgesetz (IFG) ist ein nützliches Instrument

Am 17. April 2014 beantragte abgeordnetenwatch.de auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) bei der Bundestagsverwaltung eine Auflistung aller Interessenverbände, denen mit Bewilligung der Fraktionsgeschäftsführer seit Beginn der Legislaturperiode Hausausweise ausgestellt worden waren. Das Informationsfreiheitsgesetz ist ein nützliches Instrument, über das Bürger und Journalisten Informationen von staatlichen Stellen anfordern können. Allerdings bestreitet die Parlamentsverwaltung, die Namen der Interessenverbände mitteilen zu müssen – und lehnte den abgeordnetenwatch.de-Antrag ab. Ihr Argument: Die Ausstellung der Hausausweise würde durch die Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen bewilligt, deswegen handele es sich um eine „parlamentarische Angelegenheit“. Das Informationsfreiheitsgesetz greife aber nur, wenn eine „öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgabe“ vorliege, wenn also die Verwaltung selbst tätig werde.

Unsere Anwältin erwirkte bereits die Herausgabe der Gästeliste des Ackermann-Geburtstages

Genau dieser Punkt ist nun Gegenstand unserer Klage. Denn unserer Auffassung nach handelt es sich bei der Herausgabe von Bundestagshausausweisen sehr wohl um eine Verwaltungsaufgabe, was sich schon daraus ergibt, dass das Hausrecht des Deutschen Bundestages beim Parlamentspräsidenten liegt. Oder etwas plastischer ausgedrückt: Seinen Hausausweis bekommt ein Lobbyist nicht vom Parlamentarischen Geschäftsführer von CDU/CSU oder SPD ausgehändigt und schon gar nicht bewilligt, sondern von einem Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung. Noch eindeutiger kann Verwaltungshandeln eigentlich nicht sein. Vertreten werden wir bei unserer Klage gegen den Deutschen Bundestag von einer ausgewiesenen Expertin in Sachen Informationsfreiheit, der Berliner Rechtsanwältin Katja Pink. Vor einigen Jahren erwirkte Pink vor Gericht die Veröffentlichung der Gästeliste von der fragwürdigen Geburtstagsparty des damaligen Deutsche Bank-Chefs Josef Ackermann im Bundeskanzleramt. Damals hatte das Kanzleramt eine Herausgabe der Liste nach dem Informationsfreiheitsgesetz ebenfalls zunächst verweigert.

Ein langwieriges Verfahren ist absehbar

Inzwischen ist die dreizehn Seiten lange Klageschrift unseres gemeinnützigen Vereins Parlamentwatch e.V. beim Berliner Verwaltungsgericht eingegangen und wurde der Beklagten, „die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Deutschen Bundestag“, zugestellt. Ein Termin für die Verhandlung steht noch nicht fest. Schon jetzt ist allerdings absehbar, dass es ein langwieriges und teures Verfahren werden wird. Um im Auftrag des Verbraucherschützers Thilo Bode die Herausgabe der Ackermann-Gästeliste zu erwirken, benötigte unsere Anwältin annähernd drei Jahre und zwei Gerichtsinstanzen.

Bitte unterstützen Sie unsere Klage zur Offenlegung der Lobbykontakte, indem Sie uns mit einer regelmäßigen Spende den Rücken freihalten.

Weitere Informationen zum Thema:

https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/2014-06-11/bundestag-halt-zugangsregeln-fur-lobbyisten-unter-verschluss

https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/2014-06-19/fraktionen-schweigen-zu-lobbykontakten

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„Einige Punkte der Kommunalwahlprogramme konnten angestoßen werden“ – Crailsheimer Jusos sehen positive Entwicklung

Bei ihrer Abschlusssitzung des Jahres 2014 haben sich die Jungsozialistinnen und Jungsozialisten der Crailsheimer SPD mit der Umsetzung ihres Kommunalwahlprogramms im Crailsheimer Gemeinderat befasst. Sie zogen eine positive Bilanz. Einige Punkte der Wahlprogramme konnten angestoßen werden.

Von Till Macher, Juso-AG Crailsheim

Wichtige Punkte umsetzen

Neben Juso-Vorstandsmitglied Dennis Arendt, waren als weitere SPD-Stadträte der Fraktionsvorsitzende Gernot Mitsch und der Ortsvereinsvorsitzende Roland Klie geladen. Dabei stellten die Anwesenden erfreut fest, dass bereits in den ersten Monaten seit Konstituierung des neuen Gemeinderats einige Punkte der Wahlprogramme von Jusos und SPD angestoßen werden konnten. Juso-Vorsitzender Till Macher betonte die Wichtigkeit, die Verwirklichung des Programms stets im Auge zu behalten. Stadtrat Dennis Arendt ergänzte, die Bürgerinnen und Bürger sollten wissen, „dass wir nach der Wahl tatsächlich aktiv an der Umsetzung unseres Programms arbeiten.“ Im Hinblick auf den Bau einer neuen Sporthalle, die auch von den Crailsheim Merlins genutzt werden könnte und die Einrichtung von kostenlosem WLAN-Empfang in der Stadt seien bereits positive Entwicklungen erkennbar.

Thema Hochschule: „Nicht Bullinger das Feld überlassen“

Des Weiteren setzt sich die SPD-Fraktion derzeit aktiv für den Kauf und die Gestaltung des Hauses des Crailsheimer Künstlers Cornelius Sternmann ein. Voraussichtlich wird bei den Haushaltsberatungen im Februar 2015 außerdem über den SPD-Antrag zur kostenlosen Verteilung des Stadtblatts entschieden. Auch am Thema Hochschule werden sowohl die Jusos als auch die SPD-Fraktion weiter dranbleiben. Die Anwesenden waren einheitlich der Meinung, dass das Feld keinesfalls dem Landtagsabgeordneten Bullinger (FDP) überlassen werden darf.

Wahlprogramme stehen im Internet

Die Wahlprogramme der Jusos und der Crailsheimer SPD zur Kommunalwahl 2014 sind für alle Bürgerinnen und Bürger unter www.spd-crailsheim.de einsehbar. Die Crailsheimer Jusos und die SPD werden auch in Zukunft für die darin enthaltenen Ziele einstehen.

Weitere Informationen und Kontakt:

Juso-AG Crailsheim, Till Macher, Lerchenstraße 5, 74564 Crailsheim

E-Mail: jusos@spd-crailsheim.de

Internet:

https://www.facebook.com/JusosCrailsheim

http://www.spd-crailsheim.de/index.php?mod=content&menu=102&page_id=20213

 

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„Neue Mitarbeiter willkommen“ – Crailsheimer Freundeskreis Asyl trifft sich

Der Crailsheimer Freundeskreis Asyl trifft sich am Dienstag, 20. Januar 2015, um 18.30 Uhr im Crailsheimer Rathaus zu einer Plenumssitzung.

Von Michaela Butz, Stadtverwaltung Crailsheim

Weitere Informationen und Kontakt:

Wer sich für die Mitarbeit im Freundeskreis interessiert, ist herzlich willkommen. Weitere Informationen gibt es bei Michaela Butz, Telefon 07951/403-1291, E-Mail michaela.butz@crailsheim.de

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„Wir sind Charlie“ – Solidaritätsbekundung alternativer Medien in Baden-Württemberg

Auch Kontext erklärt sich solidarisch mit den Kolleginnen und Kollegen bei der französischen Zeitung „Charlie Hebdo“. Über die Trauer hinaus geht es um die Verteidigung der Meinungs- und Pressefreiheit. Mitgetragen wird die Erklärung von alternativen Medien in Baden-Württemberg: Seemoz (Konstanz), Neue Rottweiler Zeitung (Rottweil), Rheinneckarblog (Mannheim) und Blix (Aulendorf). Auch Hohenlohe-ungefiltert schließt sich der Solidaritätsbekundung an.

Von der Kontext:Wochenzeitung

Anschlag auf die Presse- und Meinungsfreiheit

Der gezielte Mordanschlag auf die Mitarbeiter des Satire-Magazins „Charlie Hebdo“ in Paris wird als der Beginn des Krieges zwischen den Salafisten und ihren Widersachern auf europäischem Boden in aktuellen Talkrunden gedeutet. Es ist ein Anschlag auf die Presse- und Meinungsfreiheit. Deshalb schweigen wir eine angemessene Zeit und solidarisieren uns – und machen unerschrocken weiter. „Nous sommes CHARLIE“, wir sind „Charlie Hebdo“.

Schlechte Politik gefährdet den Frieden

Das Prinzip der rückhalt- aber nicht rücksichtslosen Berichterstattung gilt es gerade in diesen Zeiten an jeder Stelle zu verteidigen. Unsere einzige Waffe gegen die Erzeuger von Populismus, Dummheit und Gewalt ist eine ständige, wahrheitsgemäße und an die Grenzen gehende Berichterstattung. Nicht eine weit gefasste Meinungsfreiheit gefährdet den Frieden einer Einwanderungsgesellschaft, sondern eine schlechte Politik, die den Aufgaben der Migration und der mitverursachten Kriege in der Welt nicht gerecht wird.

Nach den Ursachen des Hasses fragen

Die Folgen von Welt- und Großmachtpolitik werden von den Terroristen jetzt in unsere Länder zurückgetragen. Gewalt gegen Gewalt ist ihre Logik, während die BürgerInnen in den Städten Deutschlands und Europas gleichzeitig um die Integration und die Ausgrenzung von Fremden und Andersgläubigen streiten. Unsere Aufgaben sehen wir darin, nach den Ursachen dieses Hasses im Namen von Religion zu fragen, sowie Fanatismus und Gewalt entschieden zurückzuweisen.

Reden wir miteinander und sind friedlich

Geben wir den Menschen also weiter zu denken und zu diskutieren, als JournalistInnen und als AutorInnen. Wie etwa Michel Houellebecq in seinem neuen Roman „Unterwerfung“, der kommende Woche seine Leser finden soll. Lesen wir gemeinsam, reden wir miteinander und sind friedlich – auch wenn uns die Meinung der Andersdenkenden nicht gefällt.

Wir sind Charlie. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir machen weiter.

Oder mit Karola Bloch gesprochen: „Unsere Aufgabe ist es, unaufhaltsam aufzuklären, das Bewusstsein der Menschen wachzurütteln. Andere Waffen haben wir nicht.“

Die Unterzeichner:

Kontext:Wochenzeitung

Seemoz, Konstanz

Neue Rottweiler Zeitung (NRWZ), Rottweil

Blix, Aulendorf

Rheinneckarblog, Mannheim

Weitere Informationen und Kontakt:

http://www.kontextwochenzeitung.de/debatte/197/wir-sind-charlie-2663.html

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„Nach Pariser Terror-Anschlag: Muslime in Heilbronn-Franken tief betroffen“ – Link zu einem Beitrag von SWR4 Frankenradio

Entsetzen und Unverständnis über das Attentat auf die Mitarbeiter der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ sind groß. Muslime in der Region Heilbronn-Franken können es nicht fassen, was in Paris passiert ist.

Von SWR4-Frankenradio Heilbronn

Sehr große Gefahr für das friedliche Zusammenleben

Mord habe mit dem Glauben nichts zu tun, sagte der Sprecher der muslimischen Gemeinde Crailsheim-Ellwangen Adnan Mohammad: „Wir sehen durch das Attentat eine sehr große Gefahr für das friedliche Zusammenleben in Deutschland und der Welt. Es ist unmenschlich und traurig. Der Islam sagt, wenn sie einen Menschen töten, töten sie die ganze Menschheit. Terroristen sind keine Menschen. Im März organisieren wir eine Veranstaltung, zu der wir auch andere Glaubensrichtungen einladen wollen. Dort wollen wir über das richtige Bild des Islam reden.“ (…)

Link zum kompletten Beitrag in SWR4-Frankenradio Heilbronn:

http://www.swr.de/swr4/bw/region-aktuell/heilbronn/nach-pariser-terror-anschlag-muslime-in-heilbronn-franken-tief-betroffen/-/id=258308/nid=258308/did=14841082/gkxd22/index.html

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„Was darf Satire?: Alles“ – Ein Text von Kurt Tucholsky

„Was darf die Satire?“ – Ein Text von Kurt Tucholsky im Berliner Tageblatt vom 27. Januar 1919.

Frau Vockerat: „Aber man muß doch seine Freude haben können an der Kunst.“

Johannes: „Man kann viel mehr haben an der Kunst als seine Freude.“ Gerhart Hauptmann

Gegen alles, was stockt und träge ist

Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel. Satire scheint eine durchaus negative Sache. Sie sagt: „Nein!“ Eine Satire, die zur Zeichnung einer Kriegsanleihe auffordert, ist keine. Die Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt die große, bunte Landsknechtstrommel gegen alles, was stockt und träge ist.

Empörtes Fauchen

Satire ist eine durchaus positive Sache. Nirgends verrät sich der Charakterlose schneller als hier, nirgends zeigt sich fixer, was ein gewissenloser Hanswurst ist, einer, der heute den angreift und morgen den. Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an. Die Satire eines charaktervollen Künstlers, der um des Guten willen kämpft, verdient also nicht diese bürgerliche Nichtachtung und das empörte Fauchen, mit dem hierzulande diese Kunst abgetan wird.

Den Vorhang heben

Vor allem macht der Deutsche einen Fehler: er verwechselt das Dargestellte mit dem Darstellenden. Wenn ich die Folgen der Trunksucht aufzeigen will, also dieses Laster bekämpfe, so kann ich das nicht mit frommen Bibelsprüchen, sondern ich werde es am wirksamsten durch die packende Darstellung eines Mannes tun, der hoffnungslos betrunken ist. Ich hebe den Vorhang auf, der schonend über die Fäulnis gebreitet war, und sage: „Seht!“ – In Deutschland nennt man dergleichen ›Kraßheit‹. Aber Trunksucht ist ein böses Ding, sie schädigt das Volk, und nur schonungslose Wahrheit kann da helfen. Und so ist das damals mit dem Weberelend gewesen, und mit der Prostitution ist es noch heute so.

An die deutschen Heiligtümer rühren

Der Einfluß Krähwinkels hat die deutsche Satire in ihren so dürftigen Grenzen gehalten. Große Themen scheiden nahezu völlig aus. Der einzige ›Simplicissimus‹ hat damals, als er noch die große, rote Bulldogge rechtens im Wappen führte, an all die deutschen Heiligtümer zu rühren gewagt: an den prügelnden Unteroffizier, an den stockfleckigen Bürokraten, an den Rohrstockpauker und an das Straßenmädchen, an den fettherzigen Unternehmer und an den näselnden Offizier. Nun kann man gewiß über all diese Themen denken wie man mag, und es ist jedem unbenommen, einen Angriff für ungerechtfertigt und einen anderen für übertrieben zu halten, aber die Berechtigung eines ehrlichen Mannes, die Zeit zu peitschen, darf nicht mit dicken Worten zunichte gemacht werden.

Satire muss übertreiben

Übertreibt die Satire? Die Satire muß übertreiben und ist ihrem tiefsten Wesen nach ungerecht. Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlicher wird, und sie kann gar nicht anders arbeiten als nach dem Bibelwort: Es leiden die Gerechten mit den Ungerechten. Aber nun sitzt zutiefst im Deutschen die leidige Angewohnheit, nicht in Individuen, sondern in Ständen, in Korporationen zu denken und aufzutreten, und wehe, wenn du einer dieser zu nahe trittst. Warum sind unsere Witzblätter, unsere Lustspiele, unsere Komödien und unsere Filme so mager? Weil keiner wagt, dem dicken Kraken an den Leib zu gehen, der das ganze Land bedrückt und dahockt: fett, faul und lebenstötend.

Elementare Wut

Nicht einmal dem Landesfeind gegenüber hat sich die deutsche Satire herausgetraut. Wir sollten gewiß nicht den scheußlichen unter den französischen Kriegskarikaturen nacheifern, aber welche Kraft lag in denen, welch elementare Wut, welcher Wurf und welche Wirkung! Freilich: sie scheuten vor gar nichts zurück. Daneben hingen unsere bescheidenen Rechentafeln über U-Boot-Zahlen, taten niemandem etwas zuleide und wurden von keinem Menschen gelesen.

Ehrlich soll er sein

Wir sollten nicht so kleinlich sein. Wir alle – Volksschullehrer und Kaufleute und Professoren und Redakteure und Musiker und Ärzte und Beamte und Frauen und Volksbeauftragte – wir alle haben Fehler und komische Seiten und kleine und große Schwächen. Und wir müssen nun nicht immer gleich aufbegehren (›Schlächtermeister, wahret eure heiligsten Güter!‹), wenn einer wirklich einmal einen guten Witz über uns reißt. Boshaft kann er sein, aber ehrlich soll er sein. Das ist kein rechter Mann und kein rechter Stand, der nicht einen ordentlichen Puff vertragen kann. Er mag sich mit denselben Mitteln dagegen wehren, er mag widerschlagen – aber er wende nicht verletzt, empört, gekränkt das Haupt. Es wehte bei uns im öffentlichen Leben ein reinerer Wind, wenn nicht alle übel nähmen.

Ständischer Dünkel schwillt zum Größenwahn

So aber schwillt ständischer Dünkel zum Größenwahn an. Der deutsche Satiriker tanzt zwischen Berufsständen, Klassen, Konfessionen und Lokaleinrichtungen einen ständigen Eiertanz. Das ist gewiß recht graziös, aber auf die Dauer etwas ermüdend. Die echte Satire ist blutreinigend: und wer gesundes Blut hat, der hat auch einen reinen Teint.

Was darf die Satire?

Alles.

Weitere Kommentare im Internet zum Thema Satire:

http://de.wikiquote.org/wiki/Satire

http://www.kontextwochenzeitung.de/gesellschaft/189/man-nennt-das-meinungsfreiheit-2548.html

http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/extra_3/wir_ueber_uns/wasdarfsatire100.html

http://www.radiobremen.de/kultur/themen/satire-tilmette100.html

 

 

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„Über 300 Intellektuelle appellieren: SYRIZA geht alle an“ – Aufruf der Solidarität mit der griechischen Linkspartei

Ökonomen, Sozialwissenschaftler, Gewerkschafter, linke Politiker und Intellektuelle aus ganz Europa und Nordamerika haben in einem Appell ihre Solidarität mit der griechischen Linkspartei SYRIZA bekundet. »Der mögliche Sieg von SYRIZA bei den kommenden Wahlen in Griechenland geht alle an, die einen Richtungswechsel in Europa anstreben. Er wäre Ausdruck der Forderung nach Menschenwürde, Gerechtigkeit und Hoffnung«, heißt es in dem Aufruf, dem sich über 300 kritische Intellektuelle als Erstunterzeichner angeschlossen haben.

Informationen zugesandt von Paul Michel, Schwäbisch Hall

Soziales, ökologisches und demokratisches Europa aufbauen

Es gelte nun »überall in Europa diejenigen zu unterstützen, die für eine Veränderung der Kräfteverhältnisse kämpfen« und »gemeinsam mit der griechischen Bevölkerung ein soziales, ökologisches und demokratisches Europa aufbauen wollen«. Die Drohungen und der Druck, die seitens der Staats- und Regierungschefs der EU, der Troika und der Finanzinstitutionen ausgeübt werden, um die Wahl der griechischen Bevölkerung zu beeinflussen, werden in dem Aufruf als unakzeptabel bezeichnet.

Griechisches Volk soll frei entscheiden

Unterstützt wird der Appell unter anderem von den kritischen Wissenschaftlern Elmar Altvater, Etienne Balibar, Christoph Butterwegge, James K. Galbright, Michael Hardt, David Harvey, Bob Jessop und Leo V. Panitch sowie von der Linkenpolitikerin Kerstin Kaiser und dem Filmemacher Ken Loach. »Wir werden überall in Europa das Recht des griechischen Volks verteidigen, sich frei zu entscheiden; mit der Austeritätspolitik zu brechen; Nein zu sagen zur Austeritätspolitik, die das Land verwüstet; den Weg einer realen Alternative für Griechenland und eine demokratische und soziale Neuorientierung freizulegen.«

Der Appell kann im Internet auf folgender Seite mitunterzeichnet werden:

http://www.with-the-greeks.eu/

Appell:

„Change Greece – Changing Europe – Change4all!“

Der mögliche Sieg von SYRIZA bei den kommenden Wahlen in Griechenland geht alle an, die einen Richtungswechsel in Europa anstreben. Er wäre Ausdruck der Forderung nach Menschenwürde, Gerechtigkeit und Hoffnung. Die Drohungen und der Druck, die seitens der der Staats- und Regierungschefs der EU, der Troika und der Finanzinstitutionen ausgeübt werden, um die Wahl der griechischen Bevölkerung zu beeinflussen, sind unakzeptabel.

Wir werden überall in Europa das Recht des griechischen Volks verteidigen, sich frei zu entscheiden; mit der Austeritätspolitik zu brechen; Nein zu sagen zur Austeritätspolitik, die das Land verwüstet; den Weg einer realen Alternative für Griechenland und eine demokratische und soziale Neuorientierung freizulegen.

Die Mehrheit der politischen Kräfte in Griechenland geht vor der Troika in die Knie. Alexis Tsipras und SYRIZA haben sich für das Gegenteil entschieden. Gemeinsam mit den sozialen Bewegungen haben sie einen breiten Zusammenschluss geschaffen, dessen Dynamik die Mehrheit gewinnen könnte. SYRIZA und ihre Verbündeten setzen sich gegen die humanitäre Krise zur Wehr, wollen die Kollektiv- und Tarifverträge wiederherstellen, ein faires Steuersystem einführen und das politische System demokratisieren.

Eine SYRIZA-Regierung wird Griechenland zu einem verlässlichen Partner machen und das Überleben des Landes und der Bevölkerung zum Ausgangspunkt in allen Verhandlungen machen. Die Regierung wird das Land auf einen neuen Weg jenseits von Korruption und Patronage führen und sich für ein neues Entwicklungsmodell im Interesse aller entscheiden.

Die SYRIZA-Regierung wird eine europäische Schuldenkonferenz vorschlagen, mit dem Ziel die Schulden teilweise zu streichen und die Zahlungsmodalitäten für den Rest so festzulegen, dass eine wirtschaftliche Erholung ermöglicht wird. Das dazu erforderliche Programm öffentlicher Investitionen und Maßnahmen zur Befriedigung dringender sozialer Bedürfnisse soll aus dem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt ausgenommen werden.

Auf europäischer Ebene wird eine SYRIZA-Regierung einen Europäischen „New Deal” für menschliche Entwicklung und ökologischen Wandel vorschlagen. In ganz Europa müssen wir mit der Logik brechen, die Europas soziale Errungenschaften zerstört und Nationalismus und Rechtspopulismus verstärkt. Wir brauchen ein neues Projekt inklusiver Entwicklung, Zusammenarbeit und Demokratie.

Wir sind davon überzeugt, dass eine solche Veränderung in Griechenland nicht nur die Zukunft des griechischen Volks betrifft. Wenn SYRIZA siegt, wird nicht nur Griechenland aus der katastrophalen aktuellen Situation ausbrechen können, sondern die Möglichkeit eines Wechsels in Europa entstehen. Der Bruch mit der Austeritätspolitik wäre Signal und Hoffnung für diejenigen, die sich nicht beugen wollen.

Eine SYRIZA-Regierung wird angesichts des massiven Drucks der Finanzmärkte und der politischen Kräfte, die jedes Abweichen vom gescheiterten Rahmen der kapitalistischen Globalisierung fürchten, massive Unterstützung der europäischen Völker brauchen.

Wir, Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft, aus einem breiten sozialen und politischen Spektrum und aus zahlreichen Organisationen akzeptieren den Druck nicht, der ausgeübt wird, um die Griechinnen und Griechen an ihrer freien Entscheidung zu hindern. Diejenigen, die diesen Druck ausüben, nehmen die Verantwortung dafür auf sich, dass die schädliche „Schocktherapie“ um jeden Preis fortgesetzt wird.

Unsere Verantwortung ist es, überall in Europa diejenigen zu unterstützen, die für eine Veränderung der Kräfteverhältnisse kämpfen, die den Kampf der Ideen aufnehmen und alle vereinigen, die gemeinsam mit der griechischen Bevölkerung ein soziales, ökologisches und demokratisches Europa aufbauen wollen.

Wir stehen an der Seite der Griechinnen und Griechen, weil ihr Kampf der unsere ist.

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„Heimliche Verhandlungen zwischen der EU und den USA“ – Schwäbisch Haller Anti-TTIP-Aktionen vorbereiten

Zum ersten Treffen 2015 lädt das Bündnis gegen TTIP im Landkreis Schwäbisch Hall am Donnerstag, 8. Januar 2015, um 20 Uhr ins Umweltzentrum in der Gelbinger Gasse ein.

Von Hans A. Graef, attac Schwäbisch Hall

„Stille Macht – eine Lobbyistenkomödie“

Zu besprechen sind die aktuelle Lage, nachdem eine Million Unterschriften gegen das so genannte Freihandelsabkommen gesammelt wurden, die Aktionen im Umfeld des so genannten Haller Weltmarktführer-Gipfeltreffens, die Theateraufführung „Stille Macht – eine Lobbyistenkomödie“ mit der Berliner Compagnie am 14. März 2015 sowie die Aktivitäten im Jahr 2015 gegen die heimlichen Verhandlungen der EU mit den USA. Zur Diskussion stehen auch der Anti-TTIP-Antrag im Haller Gemeinderat und die Zustimmung der CDU/SPD-Bundesregierung zum CETA-Abkommen zwischen Europäischer Union und Kanada.

Weitere Informationen und Kontakt:

Telefon: 0791-94668526.

Weitere Informationen über das Theaterstück (Stille Macht…) der Berliner Compagnie:

Die Mitarbeiter der Lobbyagentur UTTERLY & QUIET Brüssel/Berlin haben´s generell nicht leicht. Keiner mag sie. Schließlich heißt „für die Besitzenden denken“ gegen die Besitzlosen denken. Aber jetzt: Rüstungsexport-Skandal! Und wieder mal steht die Agroindustrie am Pranger! Da gilt es, Nerven zu behalten. Da braucht es Fantasie und einen kühnen Kopf. Aber auch, wenn der alte Chef mit seiner Raucherlunge auf der Intensivstation liegt und die junge, ehrgeizige Estelle sich als seine Stellvertreterin im Team erst durchsetzen muss – unsere Profis zeigen Klasse.

Erobern Sie die ganze Welt

Sie wollen ein Ziel durchsetzen, das sehr unpopulär ist und für das Sie keine Mehrheiten bekommen? Verpacken Sie Ihr Projekt in ein Freihandelsabkommen! Mit ihm senken Sie nicht nur überflüssige ökologische und soziale Standards bei uns, sondern erobern die ganze Welt! Mit ihm fegen Sie nationale Produzenten aus dem Weg und eröffnen Ihrem multinationalen Konzern bislang streng verschlossene Märkte. Und indem Sie mit Massentierhaltung, Dumping-Preisen, Billigexporten und exportiertem Gen-Saatgut die Kleinbauern im Süden in den Widerstand treiben, erhalten Sie dort unten neue Kunden: Sie liefern den Herrschenden das Kriegsgerät, das sie brauchen, um den Widerstand zu brechen.

Biegsame Moral

Allzu zart besaitete Wesen dürfen Sie natürlich nicht sein. Es braucht schon eine biegsame Moral, wer dem heimischen Volk die Zwangsfütterung mit Gen-Food als gesundheitsfördernd, Freihandel als segensreich und Streubomben als „Smart-Munition“ verkaufen will. Aber der erfolgreiche Lobbyist wird auch gut bezahlt.
In der jüngsten Produktion der Berliner Theatermacher jedenfalls wird Stress ganz locker abgebaut. Es wird gesungen, es wird getanzt. Und es gibt einiges zu lachen.

Förderer des Theaterstücks:

Gefördert von ENGAGEMENT GLOBAL im Auftrag des BMZ, von LEZ Berlin sowie aus Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes durch Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst.

Internetseite der Berliner Compagnie:

http://www.berlinercompagnie.de/index.htm

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„Juncker und Schäuble: Schluss mit den Drohungen! – Es ist die Sache der GriechInnen, über ihr Schicksal selbst zu bestimmen“ – Kommentar von Paul Michel

Fast wie erwartet reagieren bürgerliche Medien, Regierungsvertreter, so genannte „Wirtschaftsexperten“ und Führungspersonal der „europäischen Institutionen“ als sie das Scheitern ihres Kandidaten Dimas bei den griechischen Präsidentschaftswahlen zur Kenntnis nehmen mussten.

Kommentar von Paul Michel, Schwäbisch Hall

Apokalyptische Horrorszenarien

Gezielt werden über willfährige Medien apokalyptische Horrorszenarien in die Welt gesetzt, wonach im Fall  eines Syriza-Wahlsiegs in Griechenland das Chaos ausbräche. Man beschwört die Rückkehr der Euro-Krise (Spiegel-Online: „Jetzt fängt die Eurokrise erst richtig an“) und ein Abgleiten Griechenlands ins Chaos herauf.  Gebetsmühlenartig wird wiederholt: Wer sich den Troika-Auflagen nicht beugt und stattdessen über das gesamte Hilfsprogramm neu verhandeln will, ist des Teufels und riskiert den Ruin Griechenlands. Hinter der Mischung aus inszenierter Empörung und theatralisch zur Schau gestellter Besorgnis um die Zukunft Griechenlands, ist die Drohung mit dem eigenen Machtpotential unverkennbar: Für den Fall, dass eine künftige Linksregierung in Griechenland nicht nach ihrer Pfeife tanzt, wird mit dem Zudrehen des Geldhahns gedroht.

Scheinheilige Warnungen

Wolfgang Schäuble, der selbst ernannte Zuchtmeister der Griechen, drückt  das scheinbar nüchtern sachlich, aber unmissverständlich aus: „Die harten Reformen tragen Früchte, sie sind ohne jegliche Alternative. Jede neue Regierung muss die vertraglichen Vereinbarungen der Vorgänger einhalten. Wenn Griechenland einen anderen Weg einschlägt wird es schwierig.“ Solche scheinheiligen Warnungen vor den möglichen Folgen unbotmäßigen Verhaltens einer linken Regierung in Griechenland sind in der Substanz Warnungen vor dem Machtpotential der Troika und deren Bereitschaft, ohne jegliche das Land mittels ökonomischer Strangulierung in den Abgrund zu treiben.

Humanitäre Katastrophe dank Troika

Festzustellen bleibt: Bis jetzt tragen die „harten Sparmaßnahmen“ allenfalls für Investoren Früchte, die ihr Geld wieder sicher in Anteilsscheinen griechischer Banken  anlegen zu können glauben. Oder für ökonomische Schnäppchenjäger wie die Frankfurter Flughafengesellschaft Fraport, die sich kürzlich zu Dumpingpreisen Anteile an einigen für den Tourismus wichtigen griechischen Regionalflughäfen unter den Nagel riss. Die Mehrzahl der Menschen in Griechenland ist keineswegs „aus dem Gröbsten heraus“ wie es uns der für mehrere überregionale Tageszeitungen tätige Journalist Gerd Höhler glauben machen will.  Die von Merkel und Schäuble inspirierte, von der Troika diktierte und von willfährigen Marionettenregimen in Athen verabreichte Sparpolitik hat in Griechenland eine humanitäre Katastrophe verursacht: Die Einkommen der normalen Menschen sind um 40 Prozent zurückgegangen, die Arbeitslosigkeit liegt immer noch bei 27 Prozent, die der Jugendlichen bei 52 Prozent. Ein Parlamentsbericht beziffert die Zahl der Armen oder von Armut bedrohten auf 6,5 Millionen Menschen bei einer Gesamtbevölkerung von elf Millionen Menschen. Drei Millionen sind nicht mehr krankenversichert und müssen deshalb alle medizinischen Leistungen selbst bezahlen – so sie denn können. Das ist die bittere soziale Realität, die uns unsere Regierungspolitiker unter tätiger Mitwirkung verantwortungsloser Journalisten hierzulande als Erfolg verkaufen wollen.

„Rettungspakete“: Wer hat da wen gerettet?

Und noch eine Anmerkung zu den sogenannten „Rettungspaketen“  für Griechenland in Höhe von über 200 Milliarden Euro, die von unserer Regierung immer als Beweis für die Solidarität von Merkel und Schäuble mit Griechenland angeführt werden: Die Menschen in Griechenland sahen wenig bis nichts davon. Nach einer Studie von ATTAC Österreich sind  über  drei Viertel dieser Gelder direkt an Banken und reiche Kapitalanleger ausbezahlt worden. Den einfachen BürgerInnen in Griechenland wurde von Merkel und Schäuble die Rolle zugedacht, dafür  die Zeche zahlen – in Form einer brutalen Kürzungspolitik, die die bekannten katastrophalen sozialen Folgen hat.

Was ist so schlimm an Syriza?

Die Linkspartei Syriza, die bei den Meinungsumfragen im Moment die Nase vorn hat, zieht sich den Zorn der Eliten in Berlin und Brüssel zu, weil sie die harte Spar- und Kürzungspolitik ablehnt, die Griechenland von der Gläubiger-Troika aus Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds verordnet wurde. Schäuble und Juncker missfällt, dass Syriza so „schlimme Dinge“ fordert wie die Erhöhung der Steuern für Reiche, eine konsequentere Bekämpfung der Steuerhinterziehung, die Anhebung des Mindestlohns von 585 auf 751 Euro, die Einführung einer Krankenversorgung für alle, die Einführung von Essensmarken für Arme oder kostenlose Strom- und Mietzuschüsse für Familien, die unter der Armutsgrenze leben müssen. Was die Verschuldung betrifft, so strebt Syriza eine Regelung ähnlich jener für Deutschland im Jahr 1953 an. Damals wurden Deutschland über 60 Prozent der Schulden erlassen und die Rückzahlung des verbleibenden Betrags wurde gedeckelt: Deutschland sollte nicht mehr als ein Zwanzigstel seiner Exporterlöse für den Schuldendienst ausgeben.

Menschen sind wichtiger als Profite – Solidarität mit den Menschen in Griechenland

Die von Syriza beabsichtigten Sofortmaßnahmen bringen noch keine grundlegende Wende. Sie sind aber dazu geeignet, das Leben der Menschen etwas erträglicher zu machen. Eine nachhaltige Verbesserung der Lebenssituation ist in Griechenland nur durch einen grundlegenden Richtungswechsel zu erreichen, in dem nicht mehr die Renditeerwartungen einer kleinen reichen Investorengemeinde als Kompass politischen Handelns dienen, sondern die Bedürfnisse und Nöte der Bevölkerungsmehrheit. Diese dringend erforderliche (Links-)Wende hin zu sozialer Gerechtigkeit und politischer Demokratie in Staat und Wirtschaft wird auf den erbitterten Widerstand der griechischen Oligarchie und ihrer Aufpasser in Berlin und Brüssel stoßen. In den absehbaren sozialen und politischen Auseinandersetzungen, sind auch wir, die Menschen in den Kernländern der EU,  insbesondere wir im europäischen Hegemonialstaat BRD, gefordert. Es ist jetzt bereits absehbar, dass Schäuble und Juncker, die selbsternannten Gralshüter des „Marktes“ und Schutzpatronen der Renditejäger, versuchen werden, jegliche Ansätze hin zu sozialer Gerechtigkeit zu ersticken. Die Menschen in Griechenland brauchen unsere Solidarität und unseren lautstarken Protest, um die Strangulierungsversuche der Troika zu verhindern, um sich aus dem neoliberalen Schwitzkasten zu befreien und wieder Luft zum Atmen zu bekommen.

Systematische Verarmungspolitik aus Berlin

Wir, die Masse der Menschen in diesem Land, die tagtäglich ihre Arbeitskraft, zu Markt tragen müssen und dafür mäßige bis saumäßige Löhne bekommen, haben mit unseren Kolleginnen und Kollegen in Griechenland weit mehr gemein als mit „unseren“ Bossen und Bankern. Uns ist wohl bewusst, dass das obrigkeitsstaatlich autoritäre und extrem ungerechte Regime in Griechenland nur eine radikalisierte Form der deutschen Agenda 2010 ist und dass die Designer der systematischen Verarmungspolitik in Berlin zu finden sind. Es sind genau dieselben Personenkreise, die hierzulande auf der Beibehaltung, ja sogar Verschärfung der Agenda 2010 beharren. Wenn wir uns auch in diesem Lande für eine Wende hin zu sozialer Gerechtigkeit und wirklicher Demokratie in der Gesellschaft engagieren, haben wir den gleichen Gegner wie jetzt die Menschen in Griechenland.

Insofern gilt: Wir sind alle Griechen!

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