Tagung für Landwirte, Gärtner und Naturfreunde, die das Spritzen, Hacken, Hauen, Ziehen, Stechen oder Köpfen von Unkraut satt haben

Das zehnte Kirchberger Distel-Orchideen-Seminar findet am Freitag, 5. und Samstag, 6. Juni 2009, in der Jugendherberge in Kirchberg an der Jagst statt. Dabei geht es um symbiotische Lebensgemeinschaften von Wild- und Kulturbegleitpflanzen, die auch wichtig für die landwirtschaftlich genutzte Böden oder den Gartenbau sind.

Von Hartmut Heilmann, Vorsitzender des Bundesverbands für Ökologie in Land- und Gartenbau e.V.

Gezielte Garebereitung verhindert Distel-, Ampfer- oder Queckenprobleme

Die modernen Agrarwissenschaften verstehen den Betriebskreislauf als Mineralstoffkreislauf. Aufgrund des Fehlens von energetischen Flussmodellen fehlen auch systemwissenschaftliche Grundlagen für ein pflanzenbauliches Regulationsmodell, in dem Unkräuter nicht bekämpft werden müssten. Daran arbeitet der Arbeitskreis Standortphysiologie der Gesellschaft für Boden, Technik, Qualität (BTQ). Bekanntermaßen leben Orchideen in einer Lebensgemeinschaft mit obligaten pilzlichen Wurzelsymbiosen. Eine vergleichbare Lebensgemeinschaft im Acker ist Grundlage für das Auftreten von Disteln. Mit gezielter Garebereitung ist eine Landwirtschaft ohne Distel-, Ampfer-, oder Queckenprobleme möglich. Die Tagung wendet sich an naturkundlich Interessierte, an Landwirte oder Gärtner, die das Spritzen, Hacken, Hauen, Ziehen, Stechen oder Köpfen von Unkraut satt haben.

Freitag, 5. Juni 2009 („Disteltag“)
(bis 12 Uhr Anreise der auswärtigen Gäste, zum Mittagessen in der Jugendherberge bitte ggf. anmelden!)
13:00 Uhr: Mitgliederversammlung der BTQ (Jugendherberge)
14:00 Uhr: Begrüßung, Einführung (Hartmut Heilmann, Standortphysiologe und Vorsitzender der BTQ)
15:30 Besuch bei Ernst Weber (Landwirt und Leiter des Arbeitskreises Standortphysiologie der BTQ): „Landwirtschaft ohne Unkrautbekämpfung im vieharmen Bio-Betrieb mit viel Getreide und wenig Kleegras.“ Anschließend: Besichtigung der Felder von Ernst Weber, der nur mit Hilfe des Stoppelhobels eine freie Fruchtfolge führt und praktisch distel- und ampferfreie Bestände aufweist. Spatendiagnose.
18:00 Abendessen in der Jugendherberge
19:30 Vorträge Ernst Weber (Landwirt) + Hartmut Heilmann (Standortphysiologe und Vorsitzender der BTQ): „Landwirtschaft ohne Distelbekämpfung“ (Jugendherberge)

Samstag, 6. Juni 2009 („Orchideentag“, Jugendherberge)

09:00 (Mitarbeiter Universität Bayreuth angefragt), Labor für Isotopen-Biogeochemie: „Die verborgene Ernährungsform einheimischer Orchideen – Unterirdische Nährstoffflüsse vom Pilz zur Pflanze“
12:00 Uhr Mittagessen
14 Uhr Öffentliche Abschlussexkursion „Orchideen und andere seltene Pflanzen in und um Kirchberg“ mit dem Bus, Abfahrt am Hofgartenparkplatz Kirchberg, Besuch von Standorten in Wald, Feuchtwiesen, Kalktrockenrasen und von Privatgärten mit Orchideen (rund 14 Arten) und mehreren Distelarten
(Ende gegen 16:00 Uhr; Programmänderungen vorbehalten)
Teilnehmerbeitrag: € 60,-ohne Unterkunft, BTQ-Mitglieder € 40; Einzeltag: € 30,- BTQ-Mitglieder € 20,-
Mitzubringen sind Allwetterkleidung, Fernglas und Bestimmungsbücher

Anmeldung:  Per E-Mail, per Fax oder schriftlich an:

Bundesverband für Ökologie
in Land- und Gartenbau e.V.
Vorstand: Hartmut Heilmann, Dipl.Ing.agr.
Birkenstr. 10,
D-74592 Kirchberg/Jagst
Tel.: 07954-216, Fax: -925995
E-Mail: hartmut.heilmann@t-online.de

Hintergrundinformationen zum Thema:

Was haben Disteln und Orchideen miteinander zu tun?

In vielen Kirchberger Hausgärten wachsen Orchideen wie das Unkraut: ungepflanzt und ungesät. Ihr Samen ist nämlich überall in der Landschaft verbreitet. Aber ihr Auftreten hängt von einer Gemeinschaft von Bodenlebewesen ab, die recht selten sein kann. Bei Kulturbegleitpflanzen, welche sich zu Konkurrenzpflanzen entwickeln können, ist das vergleichbar: auch ihre Samen sind überall verbreitet, dagegen ist aber ihre Lebensgemeinschaft im Boden recht verbreitet. Unkrautregulierung wird traditionell eher als Symptombehandlung mit Maßnahmen mechanischer Bodenbearbeitung, bestimmten Fruchtfolgen und – seit einigen Jahrzehnten – mithilfe chemisch-synthetischer Wirkstoffe gemacht. Im Rahmen einer zeitgemäßen Landwirtschaft muss heute aber erwartet werden, dass die Landschaft und der Nahrungsstrom für den Menschen mit immer weniger ökosystemfremden Wirkstoffen belastet werden. Nach unserer Erfahrung existieren Anhaltspunkte für autoregulative Aspekte des Bodens, aufgrund welcher erst die Symbiose mit bestimmten Bodenlebewesen die Ackerkratzdistel zu einer störenden Begleitpflanze macht. Anhaltspunkt dafür, dass diese Pflanzen die Sonne weniger zu ihrem Leben brauchen als andere, ist, dass sie sogar im Schatten gedeihen. Die Orchidee Nestwurz (Neottia nidus avum) wächst bei uns in Kirchberg sogar im tiefsten Schatten; sie braucht überhaupt gar kein funktionsfähiges Chlorophyll (!), weil sie energetisch ganz aus dem Boden ernährt wird. Auch die Orchidee des Jahres 2009, das Männliche Knabenkraut (Orchis mascula L.) wächst in der Landschaft um Kirchberg.

Nach gängiger Theorie der Pflanzenernährung sind Kulturpflanzen autotroph, demnach erhalten sie ihre Energie allein aus der Sonne und der Boden liefert theoretisch nur Wasser und Mineralstoffe. Auf dieser Grundlage ist aber nicht erklärbar, warum Kulturbegleitpflanzen – allen voran die Ackerkratzdistel – sich zuweilen so entwickeln können, dass sie Kulturpflanzen im Wachstum überholen. Gibt es also „Kräfteflüsse aus dem Boden“? Entsprechende Prozesse sind für einheimische Orchideen, Scrophulariaceen und Pyrolaceen bekannt. Auch nach dem Bild der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise gibt es entsprechende Anhaltspunkte für solche Phänomene des Pflanzenwachstums. Hier hat die Wissenschaft des ökologischen Landbaues eine wichtige Forschungsaufgabe zu lösen. Die tut sich damit noch etwas schwer. Aber auch jetzt schon können wir dem Praktiker zeigen, wie er Bodenpflege am besten gestaltet, damit er weniger Unkrautprobleme hat; und das steht im Mittelpunkt dieses Seminars.

Die Ergebnisse werden wir den Mitgliedern und Förderern in BTQ-Tagungen, dem Rundbrief und in Artikeln vermitteln. Mitglieder und Förderer haben schon eine gute Summe für den Anfang der Forschung mit dem Stichwort Standortphysiologie auf unser Konto überwiesen. (Bankverbindung: Konto 338 592 017, Mainzer Volksbank, BLZ 551 900 00)

Jeder Naturfreund weiß: „Wenn ich Orchideen haben will, muss ich Biotoppflege treiben; mit Säen oder Pflanzen werde ich kein Glück haben. Ihre Samen sind ja überall.“
Jeder Landwirt weiß mithilfe der Arbeit unseres Arbeitskreises Standortphysiologie, wie er gezielt Standortpflege treiben muss, um keine Ackerkratzdisteln mitzukultivieren: auch deren Samen sind ja überall. Jeder Interessierte kann dazu in Kirchberg viel lernen, denn hier wachsen Orchideen wie Unkraut – ungepflanzt und ungesät – und hier in der Gegend gibt es auch Landwirte, die zeigen können, wie man Kulturbegleitpflanzen mit gutem Erfolg reguliert und dabei ordentliche Erträge hat.

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