Bolkestein im Anmarsch – Nichts dazu gelernt

Als die Europäische Kommission im Jahr 2004 die auch als „Bolkestein“ bekannte Dienstleistungsrichtlinie vorlegte, die dann später vom EuropaParlament mit großer Mehrheit verabschiedet wurde, hagelte es Kritik von Seiten der Gewerkschaften und Globalisierungskritiker. Die Proteste waren in der Folge europaweit so massiv, dass die Kommission Änderungen an der Richtlinie vornehmen musste. Insbesondere verzichtete sie auf das sogenannte Herkunftslandprinzip, demzufolge Dienstleistungsfirmen berechtigt gewesen wären, ihre Dienste gemäß dem Recht ihres Herkunftslandes EU-weit anzubieten – was einen Unterbietungswettbewerb nationaler arbeitsrechtlicher Standards zur Folge gehabt hätte.

Gefunden von Axel Wiczorke, Hohenlohe-ungefiltert

„Die Änderungen galten damals zu Recht als großer Erfolg der Protestbewegung. Seither ist die Bolkestein-Richtlinie weitgehend aus der politischen Öffentlichkeit verschwunden. Doch völlig zu Unrecht: Denn bis zum Ende dieses Jahres muss ihre Umsetzung in nationales Recht vollzogen sein. Und der Gesetzgeber ist seit 2005 keineswegs untätig geblieben. Dabei zeigt sich, dass die Gefahr der Lohndumping-Konkurrenz ebenso fortbesteht wie datenschutz- und arbeitnehmerrechtliche Probleme.
(…)
Insgesamt werden mit der Dienstleistungsrichtlinie solche nationalen Vorschriften und Sicherungen abgebaut, die europäische Unternehmer als Hindernisse für ihre wirtschaftliche Expansion betrachten. Eine wesentliche negative Folge ist, dass anstelle der bisherigen Qualitätssicherung der Dienstleistungsunternehmen zukünftig lediglich eine freiwillige Selbstverpflichtung ohne Sanktionsmöglichkeit gilt.

Bis heute nimmt die EU die Relevanz eines verlässlichen sozialen, ökologischen und rechtlichen Rahmens für eine funktionierende Marktwirtschaft nicht hinreichend wahr: In einem fairen Wettbewerb sollten hohe Qualität, Verbraucher-, Gesundheits- und Umweltschutz sowie sozialer Schutz zentrale Ziele sein. Indem die EU-Politik mit der Dienstleistungsrichtlinie das Recht selbst dem wirtschaftlichen Wettbewerb auf dem Markt unterwirft, verabschiedet sie sich vom Anspruch wirksamer wirtschaftlicher Regulation.

Dieses marktfundamentalistische Vorgehen übersieht völlig, dass gesetzliche Vorschriften gerade denjenigen Zielen dienen sollen, deren Verwirklichung der Markt allein nicht gewährleisten kann. Schließlich sind Gesetze zum Arbeits-, Verbraucher- oder Umweltschutz gerade deshalb erlassen worden, weil sich der Schutz von Arbeitskraft und Natur in der Marktwirtschaft nicht von selbst regeln. Doch anstatt in einem EU-weiten Binnenmarkt an den Schutzvorschriften für Mensch und Natur festzuhalten, werden sie nun pauschal auf dem Altar des Wettbewerbs geopfert. Das aber ist, gerade in Zeiten einer globalen ökonomischen Krise, ein verheerendes Signal.“

http://www.blaetter.de/artikel.php?pr=3191

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