„Gelochte Augenblicke“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden elfter Teil

„Gelochte Augenblicke“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden elfter Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig und sind weder gewollt noch beabsichtigt.

Von Birgit Häbich

Senf XI

… Um ihn herum mussten sich in letzter Zeiteinige seiner Weggefährten und Brüder aus den alten Verbindungen aus dem Leben verabschieden, sinnierte Carl Eugen Friedner vor sich hin. Da könnte ihm ja eigentlich das eigene Ableben jetzt leichter fallen – übrig zu bleiben, war schließlich auch kein Vergnügen. Über den misslichen Zustand, dass sein guter Lebenssaft weiterhin unwiederbringlich, aus dem kleinen Löchlein in seinem Oberschenkel rann, seufzte er abermals. Dabei kam ihm sein einstiger Klassenkamerad Reinhold Sonner von Bühlerhausen wieder in den Sinn. Ungern, aber nun im Angesicht seines eigenen Todes, war Carl jeder Gedanke der ihn von seinem eigenen Tod ablenkte, sogar arg recht.

Ganzkörperreinigung

Im über der Jagst thronenden Stiftungslokal, hatte der Sonner, zum Wohle illustrer Kurgäste und natürlich in erster Linie zu seinem eigenen Vergnügen, eine kleine alternative Heilanstalt installieren lassen. Reinhold schwor auf die zertifizierten Ganzkörpersenfwickel, welche er sich daselbst, als Schlossherr mit Sonderrechten, auch immer wieder gern angedeihen ließ. Feinst gemahlenes Senfmehl lediglich mit Wasser angerührt, dünn auf Hautpartien aufgetragen, regen anscheinend zu einer aktiven Ganzkörperreinigung an. Der Senf, „Selbstverständlich aus heimischem Anbau, wo er frisch abgeerntet unverzüglich im nah gelegenen Manufakturbetrieb verarbeitet wird!“, tönte der aktienhaltende Gewürzanbauer in seinem Werbefilmchen, wäre nicht nur zum vorzüglichen Verzehr zur Wurst, also innerlich zur Einnahme geeignet, sondern auch kurativ für klärende Hautbehandlungen anzuwenden. Also ließ der von Bühlerhausen regelmäßig seinen ganzen Körper von zwei Heiljogis mit frisch angerührter Senfpaste bestreichen und sich fest in reine weiße Leinentücher einwickeln.

Verschmachtet

Darin musste er eines Nachmittags aber verschmachten. Anscheinend hatten die zwei Einwickler ihren, im Ashram auf dem Schragen liegenden, Herrn vergessen. Als Reinhold Sonner in seinem Ganzkörperwickel bemerkte, dass es ihm ziemlich heiß wurde und keiner daran dachte ihn wieder auszuwickeln, konnte er sich selber ja nämlich gar nicht aus dem strapazierfähigen Leinen befreien. Und vor lauter sich winden, fiel er dann irgendwann polternd vom Behandlungstisch, schlug mit dem Kopf auf dem guterhaltenen, in Fischgrätform verlegten Parkettboden auf. Stunden später fand ihn die Putzfrau und alarmierte das Schlosspersonal. Damals war nicht mehr festzustellen, wegen was der Sonner von Bühlerhausen eigentlich genau zu Tode gekommen war – jedenfalls sprang er letztendlich dem hohlwangig grinsenden Sensenmann mit schwersten Verbrennungen am ganzen Körper, der daraus folgenden
akuten Belastungsreaktion mitsamt Herzversagen, sowie einer Gehirnblutung, auf die bereitgestellte Schippe. Und hätte der Reinhold die Verletzungen je überlebt, wären für ihn daraufhin jahrzehntelang andauernde Wickeltraumas zu erleiden gewesen.

Motive

Seit dem Zwischenfall jedenfalls gab es im fürstlichen Schloss nur noch allersanfteste weibliche Hände und bedächtigste Behandlungsprogramme, welche von traditionell gekleideten Ärztinnen ausgeführt wurden. Nichtsahnend, welche reinigenden Mächte tatsächlich für den Tod von Sonner gesorgt hatten, wurde sodann der hohenlohische Meditationsraum an zwei Paar wissende, langbewimperte, dunkelbraune Augen übergeben. Diesen wurde von Seiten der Stiftung weitaus mehr vertraut als ihren männlichen Pendants. Und keiner erkundigte sich weiter über die dahinterliegenden Gründe, die zu dem scheinbaren Unfall mit Todesfolge geführt hatten. Sonners Ableben sei durch eine Verkettung unglücklicher Umstände zustande gekommen, die beiden Jogis träfe keine Schuld, und Untersuchungen nach Motiven ließ man unter den Tisch fallen.

Fürstliche Kuranstalt

Das stank zum Himmel, fand Carl Eugen und nicht nur er vermutete weitaus mehr hinter dem seltsamen Unfall. Es wurde gemunkelt, dass dem Reinhold Sonner sein Tod im Zusammenhang mit einer geplanten Tagung im Schlossgemäuer an der Jagst stehen könnte. Dem cleveren Bauern mit vorausschauendem Geist, der kaum etwas
dem Zufall überließ, hätte nämlich so eine ausgiebige Ganzkörpermassage, mit abschließendem ayurvedischem Stirnguss sicherlich auch sehr gut gefallen. Sich in Engelshände zu begeben und sich dadurch im vedischen Himmel zu wähnen, wäre dem Verunfallten bestimmt auch lieb gewesen. So aber geschah sein gewürztes Ableben nicht auf dem Himalaya sondern in einer der kühlen zugigen Hallen in der fürstlichen Kuranstalt, direkt über der wilden Jagst, irgendwo in Hohenlohe.

Hohe Gäste aus Politik und Adel

Carl erinnerte sich an die von langer Hand geplante feudale Veranstaltung. Warf sie doch schon lange ihre dunklen Schatten voraus. Man erwartete im Stiftungsanwesen hohe Gäste aus Politik und Adel. Es wurden, neben dem nagelneuen Oberhaupt des Zusammenschlusses der sechsundfünfzig einverleibten Nationen und dem weltlichen
Oberhaupt der so genannten Angelkirche, weitere Abkömmlinge aus den Adelsgeschlechtern der hohenloher Linien erwartet. Unter dem Motto: „Ja zu modernem Ökoimperialismus!“, sollten die Folgen der gnadenlosen Ausschlachtung von früheren Kolonien durch die aristokratischen Vorfahren aufgehübscht und, wo möglich, wegdiskutiert werden. Die jetzt existierenden Nachkommen der kolonialen Ausbeuter wollten überdies in der Hauptsache aber, mit Hilfe von Sonners gutem Ruf als Agrarwender, an einem modernen Biomärchen stricken und sich ein klimatisch schickes Ökomäntelchen umhängen.

Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg

Besondere Beachtung sollte bereits beim Auftakt dem Vorkämpfer für die koloniale Sache, Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg (1832-1913) gegeben werden. Um das Jahr 1900 nämlich war Deutschland hinter Großbritannien, Frankreich und Russland die viertgrößte Kolonialmacht der Welt. Die Kolonialbegeisterung war im
damaligen Württemberg – obwohl es fernab eines Seehafens lag – besonders groß. Als ein Mann der ersten Stunde deutscher Kolonialpolitik spielte Fürst Hermann in der deutschen Kolonialpolitik eine herausragende Rolle. Carl Eugen meinte sich zu entsinnen, dass in der Heimatstadt von Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg auch noch heute eine ganze Straße nach ihm benannt sei … Fortsetzung folgt

Quelle:

https://www.naturheilkraeuter.org/senf/

https://www.moviepilot.de/movies/und-es-geht-doch-agrarwende-jetzt/kinoprogramm/hamburg

https://de.wikipedia.org/wiki/Ayurveda

https://www.hohenlohe-ungefiltert.de/?p=30342

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