Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat erneut über die Zulässigkeit und den Umfang der Berichterstattung im Crailsheimer Stadtblatt entschieden. Dabei hat das Gericht die Unterlassungsklage der Südwest Presse, die unter anderem das Hohenloher Tagblatt herausgibt, zurückgewiesen und der Stadt Recht gegeben.
Von der Stadtverwaltung Crailsheim
Gebot der Staatsferne
Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart hat mit Urteil vom 29. Mai 2019 über zahlreiche Unterlassungsansprüche der Südwest Presse gegen einzelne Artikel in drei Ausgaben des Stadtblatts aus dem Jahre 2016 entschieden – und diese abgelehnt. Ausgangspunkt war, dass die Südwest Presse geltend gemacht hatte, verschiedene Artikel in den beanstandeten Ausgaben würden gegen das als Marktverhaltensregelung zu bewertende Gebot der Staatsferne der Presse verstoßen.
Nicht presseähnlich
Das OLG Stuttgart hat der Stadt in seinem jüngsten Urteil nun Recht gegeben: Die von der Südwest Presse juristisch beanstandeten Ausgaben des Stadtblattes (Nr. 8 bis 10 aus dem Jahr 2016) erfüllten die inhaltlichen und gestalterischen Kriterien, die der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 20. Dezember 2018 für eine zulässige staatliche Öffentlichkeitsarbeit definierte. Nur an einigen wenigen Stellen würden Artikel und Terminankündigungen nicht den Anforderungen des BGH-Urteils entsprechen. Nach der BGH-Rechtsprechung dürfen kommunale Medien zwar Inhalte transportieren, die die gemeindliche Verwaltungstätigkeit thematisieren. Diese dürfen aber in Aufmachung und Gestaltung nicht presseähnlich sein. Nach dem BGH kommt es dabei auf eine wertende Gesamtbetrachtung an.
Ersetzt das Stadtblatt die Presse?
Somit begründen einzelne, die Grenzen des Gebots der Staatsferne überschreitende Artikel noch keinen Unterlassungsanspruch. Vielmehr komme es entscheidend darauf an, ob die kommunale Berichterstattung in ihrer Gesamtbetrachtung als „funktionales Äquivalent“ zu einer privaten Zeitung und damit pressesubstituierend, also presseersetzend, wirke. Dies sei bei den in Frage stehenden Stadtblatt-Ausgaben aus dem Frühjahr 2016 nicht der Fall, wie das OLG Stuttgart nun urteilte. Demnach kann sich das Stadtblatt künftig bei Inhalt und Gestaltung an diesen Ausgaben orientieren.
Kein Unterlassungsanspruch
Die Südwest Presse kritisierte beispielsweise Artikel zur Flüchtlingssituation, zu Städtepartnerschaften, zu Veranstaltungen der Volkshochschule sowie die Kirchen- und Vereinsnachrichten. Der Berufungssenat des OLG sieht in den kritisierten Artikeln im Rahmen einer Gesamtbetrachtung keinen Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse. Daher habe die Südwest Presse auch keinen Unterlassungsanspruch gegen die Stadt Crailsheim. Zuvor hatte das Landgericht Ellwangen im Jahr 2017 der Unterlassungsklage der Südwest Presse überwiegend stattgegeben und nur ein Verbot der Veröffentlichung der Kirchen- und Vereinsnachrichten im Stadtblatt abgelehnt. Letzteres Verbot verfolgte die Südwest Presse mit ihrer Berufung weiter, dagegen wollte die Stadt Crailsheim zweitinstanzlich die vollumfängliche Klageabweisung erreichen – dies gelang nun.
Info: Der vollständige Urteilswortlaut liegt noch nicht vor. Gegen die Entscheidung des OLG Stuttgart ist die Nichtzulassungsbeschwerde möglich, da der Senat die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen hat.