„Täter Helfer Trittbrettfahrer – NS-Belastete aus dem Norden des heutigen Baden-Württemberg“ – Mit Biographien von Männern aus Crailsheim, Langenburg, Eberbach/Jagst, Öhringen, Mergentheim u.a.

Der achte Band der Reihe „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer“ befasst sich mit NS-Belasteten aus dem Norden des heutigen Baden-Württemberg. In diesem Buch sind auch Beiträge zu Crailsheims späterem Landrat Dr. Werner Ansel (1909-1988), Fürst Ernst II. (1863-1950) und Prinzessin Alexandra zu Hohenlohe-Langenburg (1901-1963), Crailsheims Kreisleiter Otto Hänle (1902-1969), dem späteren Bürgermeister Eugen Weber (1910-1973 / Eberbach/Jagst, heute Gemeinde Mulfingen), dem Mergentheimer Kreisleiter Reinhold Seiz (1894-1945) und dem Öhringer Kreisleiter Dr. Ferdinand Dietrich (1899-1973). Das 442 Seiten starke Werk aus dem Kugelberg Verlag ist ab sofort lieferbar.

Informationen zusammengestellt von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert

Regionale NS-Täterforschung in Baden-Württemberg

Der Herausgeber Wolfgang Proske schreibt in seinem Vorwort: 

Mit dem vorliegenden Band 8 geht das Projekt „Täter Helfer Trittbrettfahrer“ (THT) in seine Zielgerade. Im Folgenden behandeln wir (mancherorts ein weiteres Mal) den Norden des heutigen Baden-Württemberg, das heißt die Region zwischen Heidenheim und Mannheim, zwischen Rastatt und Bad Mergentheim. Bereits in wenigen Wochen wird dann Band 9 mit dem entsprechenden Vorhaben für den Süden des heutigen Bundeslandes folgen. Beide Bände bieten gezielte Vertiefungen unter besonderer Berücksichtigung der Herkunft der Täter, ihrer Branche, ihrer Nachkriegskarriere. Wir schließen damit weitere regionale Lücken, zu denen es bisher bei unserer Täterauswahl gekommen war. Band 10 schließlich wird 2019 die Region Stuttgart auf NS-Belastete hin untersuchen, wobei neben dem Stadtgebiet insbesondere auch die vier angrenzenden Landkreise Ludwigsburg, Rems-Murr-Kreis, Böblingen und Esslingen einbezogen sein werden, dazu dann noch der Fall Hans Speidel aus Metzingen im Landkreis Reutlingen. Sollte Ihr Dorf, Ihre Stadt oder gar Ihr Landkreis nicht berücksichtigt worden sein, dann nicht deshalb, weil es dort keine NS-Belasteten gibt, sondern weil es dem Herausgeber trotz 114 Autorinnen und Autoren nicht gelungen ist, Personen mit der Kompetenz für genau diesen Ort zu verpflichten. (….)

Crailsheims Landrat Werner Ansel

Auch der Fall des früheren Crailsheimer Landrats Dr. Werner Ansel macht betroffen. Einerseits war er seit 1939 Kreishauptmann im heute teils auf polnischem, teils auf russischem Gebiet liegenden Generalgouvernement, zuerst in Bilgoraj, dann in Cholm. In seiner Amtszeit fanden niederträchtigste Verfolgungen statt, über die er teilweise, wie wir heute wissen, persönlich die Aufsicht führte. Das Vernichtungslager Sobibor, in dem bis zu 250.000 Menschen vergast wurden, befand sich in „seinem“ Kreis Cholm. Und trotzdem argumentierte Ansel 1962, mit der „Aussiedlung der Juden […] nicht unmittelbar befasst“ gewesen zu sein. Man beachte: „unmittelbar“. Selbst der Zweck des Lagers Sobibor, das er wohl kurz vor seiner Inbetriebnahme im Frühjahr 1942 noch besucht hatte, sei ihm vor Ende 1943 nicht bekannt gewesen. Das Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde 1968 eingestellt, weil seine „konkrete Mittäterschaft“ nicht zweifelsfrei habe nachgewiesen werden können. (…)

Das Fürstenhaus Hohenlohe-Langenburg 

Vor allem zu Beginn der NS-Diktatur freuten sich die Nazis über Unterstützung aus adeligen Familien, um so ihr Image zu verbessern. Ralf Garmatter schildert zwei Fälle aus dem Fürstenhaus Hohenlohe-Langenburg, das sich schon früh nationalistisch-völkischen bzw. nationalsozialistischen Gruppen angenähert hatte: Zum einen der Fall der Prinzessin Alexandra zu Hohenlohe-Langenburg, die sich vor Ort zwölf Jahre lang unbeirrt als „Frauenschaftsführerin“ engagierte. Zum anderen ihr Vater, Fürst Ernst II. zu Hohenlohe-Langenburg, zeitlebens ein erzreaktionärer Demokratieverächter, der Hitler als „Geschenk Gottes“ für das deutsche Volk anpries, nach 1945 aber trotz unabweislicher Schuld wegen seines Alters und seines Gesundheitszustandes amnestiert wurde. (…)

Crailsheims Kreisleiter Otto Hänle

Am Beispiel des Crailsheimer Kreisleiters Otto Hänle zeigt Folker Förtsch, wie ein „alter Kämpfer“, also ein NSDAP-Mitglied schon lange vor 1933, schrittweise immer weiter aufstieg. Schon mit 21 Jahren war Hänle in Gaildorf eine „nicht zu unterschätzende politische Kraft“. Mit dem elterlichen Café Hänle stand auch ein geeigneter Versammlungsort zur Verfügung, z.B. für „Sprechabende“. Folgerichtig wurde er Ortsgruppenleiter und dann, angesichts von 68,7 Prozent NSDAP-Stimmen (!) bei der Reichstagswahl am 5. März 1933, Gaildorfer Kreisleiter. Mit der Neuorganisation der NSDAP-Struktur versetzte man ihn 1937 nach Crailsheim. Als „absolut überzeugter Repräsentant des Regimes“ befahl er 1945 die Verteidigung der Stadt, bis zu ihrer Zerstörung.

Eugen Weber, Bürgermeister in Eberbach/Jagst (heute Gemeinde Mulfingen)

Der Polizist Eugen Weber trat 1933 in die NSDAP ein, wodurch er den nötigen Schub erhielt, um vom einfachen Schutzpolizisten zum Kriminalassistenten der Sicherheitspolizei aufzusteigen. Udo Grausam hat diesen Weg akribisch nachgezeichnet. Trotz begrenzter Quellenlage gelingt es ihm, Webers Aufstieg transparent zu machen. Dabei scheint Weber arg getrickst zu haben: Er will später lediglich „in der Registratur“ bzw. „Aktenabteilung“ beschäftigt gewesen sein. Tatsächlich aber war er u.a. wohl auch mit Exekutionen von Zwangsarbeitern befasst, wofür sein Falschname Fritz Horter spricht, mit dem er noch 1948 beim Spruchkammerverfahren hantierte. 1954 wurde er wieder auf Lebenszeit verbeamtet und konnte sogar Bürgermeister werden. Aus dieser Position heraus beseitigte er sämtliche Vorwürfe, wo sie noch bestanden.

Öhringens Kreisleiter Dr. Ferdinand Dietrich

Der Arzt Dr. Ferdinand Dietrich war zeitlebens ein angesehener Mann. Er besaß, so Thomas Kreutzer, „ausgeprägt menschliche Züge“ und zweifelsohne auch Verdienste. Das aber hielt ihn nicht davon ab, als Kreisleiter von Öhringen-Künzelsau und schließlich als Oberbereichsleiter zum Repräsentanten eines Gewaltregimes zu werden, zum unerbittlichen Verfechter nationalsozialistischen Gedankenguts. Als „alter Kämpfer“ trug er bei zum Aufbau der NSDAP-Strukturen vor Ort. Immer zeigte er viel Einsatz, dabei aber vorsichtig genug, um sich selbst möglichst wenig zu belasten, auch dort, wo er sich persönlich bereicherte. Mit einer Ausnahme: Den örtlichen Juden gegenüber ging er mit einer Schärfe vor, die selbst in Nazizeiten ungewöhnlich war. Bei seiner Entnazifizierung bot er schließlich rekordverdächtige 109 eidesstattliche Entlastungszeugen auf.

Mergentheims Kreisleiter Reinhold Seiz

Der in Aalen geborene Reinhold Seiz lebte seit 1925 als Zeichenlehrer in Mergentheim. Rasch zum Mitglied der „besseren Kreise“ geworden, stieg er weiter auf, indem er 1931 eingeschriebener Nationalsozialist und bereits ein Jahr später Ortsgruppenleiter wurde. Mit ihm, so sein Biograf Hartwig Behr, hatte ein „Propagandakonzept Goebbelscher Prägung“ in Bad Mergentheim Einzug gehalten. Er führte als „Sonderkommissar“ und später Kreisleiter ein rüdes Regiment gegen alle, die sich ihm auch nur zu widersetzen schienen, und scheute sich auch nicht vor offensichtlichen Rechtsbrüchen.

Der Inhalt des Buches „Täter Helfer Trittbrettfahrer – NS-Belastete aus dem Norden des heutigen Baden-Württemberg“:

Seite 7:  Regionale NS-Täterforschung in Baden-Württemberg / von Wolfgang Proske

Seite 17: Otto Abetz: Frankreichfreund in Hitlers Diensten / von Eggert Blum

Seite 30: Otto Abt: Gehilfe der Verschleppung einer Mutter und ihrer Kinder nach Auschwitz / von Udo Grausam

Seite 53: Dr. Werner Ansel: Von Vernichtungsaktionen nichts mitbekommen / von Ralf Garmatter

Seite 65: Hermann Bickler: Deutschland draußen an der Front kennenlernen, wo es „am saubersten, am edelsten und am liebenswertesten“ ist … / von Astrid Gehrig

Seite 108: Eugen Büttner: Stromableser und KZ-Kommandant / von Klaus Riexinger

Seite 123: Friedrich Degeler: Neue Nachrichten aus „prähistorischer Zeit“ / von Alfred Hofmann

Seite 136: Dr. Ferdinand Dietrich: Als Kreisleiter in Öhringen ein geistiger Brandstifter / von Thomas Kreutzer

Seite 159: Hans Gaier: Vom Hilfspolizisten zum Leiter des Schutzkommandos Kielce im Generalgouvernement / von Volker Ochs

Seite 180: Dr. Rudolf Greifeld: Voll auf Linie der NS-Ideologie, aber kein Funktionär des Holocaust / von Bernd-A. Rusinek

Seite 200: Otto Hänle: „Adolf Hitler als alleiniger Herrgott“ / von Folker Förtsch

Seite 215: Wilhelm Hofmann: Nationalsozialismus als „letzte Sinngebung der Hilfsschularbeit“ / von Peter Wanner

Seite 227: Fürst Ernst II. zu Hohenlohe-Langenburg: Hitler als „Geschenk Gottes für das deutsche Volk“ / von Ralf Garmatter

Seite 236: Prinzessin Alexandra zu Hohenlohe-Langenburg: „Rassepolitik ist etwas anderes als Judenverfolgung“ / von Ralf Garmatter

Seite 245: Franz Konrad: „Konzession der NSDAP an die katholische Bevölke- rung von Gmünd“ / von Franz Merkle

Seite 260: Prof. Dr. Hermann Löffler: Historiker im Dienste der SS / von Wolf-Ulrich Strittmatter

Seite 279: Hermann Oppenländer: „Er versteht sich wunderbar auf die Politik mit dem Hammer“ / von Franz Merkle

Seite 295: Gustav Adolf Scheel: Studentenführer, Gauleiter, Verschwörer. Ein politischer Werdegang / von Philipp T. Haase

Seite 326: Dr. Arthur Schreck: Übereifriger T4-Gutachter und Kindermörder / von Eva-Maria Eberle

Seite 342: Albert Schüle: Mittelsmann zwischen Bauern und Nazis / von Wolfgang Proske

Seite 358: Reinhold Seiz: War der Mergentheimer Kreisleiter ein Wohltäter oder ein Täter? / von Hartwig Behr

Seite 371: Dr.-Ing. Oskar Stäbel: Die Rehabilitierung eines NS-Funktionärs / von Katharina Müller

Seite 384: Eugen Weber: „… dass Angehörige der Gestapo schwer misshandelt worden sind“ / von Udo Grausam

Seite 397: Siegfried Westphal: „Erfüllt von der moralischen Verpflichtung, stets `Coleur ́ zu beweisen…“ / von Wolfgang Proske

Seite 416: Abkürzungsverzeichnis

Seite 419: Bildnachweis

Seite 420: Autorenverzeichnis

Seite 425: Personenregister

Seite 435: Ortsregister

Buchbestellung:

„Täter Helfer Trittbrettfahrer – NS-Belastete aus dem Norden des heutigen Baden-Württemberg“ (Bd. 8), 442 Seiten, 1. Auflage, Preis 19,99 Euro, ISBN 978-3-945893-09-8

Anschrift: Kugelberg Verlag 2018, Goethestr. 34, D-89547 Gerstetten

E-Mail: info@kugelbergverlag.de

Internet: www.kugelbergverlag.de

Informationen zum Projekt „Täter Helfer Trittbrettfahrer“ im Internet auf folgender  Seite: 

www.ns-belastete.de

E-Mails an: info@ns-belastete.de

Lektorate: Irene Nielsen, Veit Feger

Layout und Satz: Daniel Brenner, Hannelore Zimmermann Herstellung: Digitaldruck Leibi.de, Neu-Ulm

In Vorbereitung für 2018/19:

Täter Helfer Trittbrettfahrer. NS-Belastete aus dem Süden des heutigen Baden-Württemberg, Band 9

Täter Helfer Trittbrettfahrer. NS-Belastete aus der Region Stuttgart, Band 10

 

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