„Welche Handlungsmöglichkeiten gibt es gegen die Verwerfungen des finanzgetriebenen Kapitalismus?“ – Anmerkungen (Teil 2) von Paul Michel zu Professor Helge Peukerts Vortrag „Das Moneyfest“

„Was gibt es an Handlungsmöglichkeiten gegen die Verwerfungen des finanzgetriebenen Kapitalismus?“ Anmerkungen von Paul Michel aus Schwäbisch Hall zu Professor Peukerts Vortrag „Das Moneyfest“ (Teil 2). Der Vortrag wurde im Februar 2018 in Schwäbisch Hall gehalten.

Kommentar von Paul Michel, Schwäbisch Hall

Das gesamte Betriebssystem in Frage stellen

Im Folgenden geht es um mögliche Alternativen zum Casinokapitalismus und konkrete Widerstandsfelder gegen das neoliberale Regime. Diese, so die Kernaussage des nachfolgenden Textes, können sich nicht auf das Neujustieren einiger Schrauben am aktuellen System erschöpfen. Die Orientierung auf eine Rückkehr zu einer wie auch immer ausgestalteten „sozialen Marktwirtschaft“ ist wirklichkeitsfremd. Auch jeder Versuch mittels einzelner Reformschritte die Auswirkungen des Casinokapitalismus zu bekämpfen, kommt nicht darum herum, das gesamte Betriebssystem des finanzgetriebenen Kapitalismus in Frage zu stellen und machbare gesellschaftliche Alternativen zu entwickeln.

1)  Durch Herstellung von Steuergerechtigkeit die Einkommenslage öffentlicher Institutionen verbessern und soziale Ungleichheiten verringern

Umverteilung ist in doppelter Hinsicht wichtig: Zum einen wird damit der Geldzufluss, der die Finanzblase immer weiter aufquellen lässt, unterbunden. Zum anderen können die dadurch gewonnen Gelder von der öffentlichen Hand dafür eingesetzt werden, um die soziale Lage von NormalverdienerInnen, NiedriglöhnerInnen und Arbeitslosen deutlich zu verbessern – für Bildung, für Kinderbetreuung, für Krankenhäuser oder den sozialen Wohnungsbau.

a) Bessere personale Ausstattung der Finanzämter, um Steuern bei den Reichen einzutreiben

Die Finanzämter befinden sich in einem desolaten Zustand: Zu wenige Betriebsprüfungen und zu viele Schikanen der politisch Verantwortlichen gegen engagierte Steuerfahnder wie jüngst durch die neue CDU/FDP-Landesregierung in NRW, führen dazu, dass Unternehmen und  Millionäre kaum geprüft werden. Nach Schätzung von „Monitor-Redakteuren entgehen dem Staat jährlich 70 Milliarden Euro

b) Unternehmenssteuern wie unter Kohl

Die rot-grüne Regierung Schröder/Fischer hat nicht nur mit den Hartz-Gesetzen die Axt gegen die sozial Schwachen geschwungen. Gleichzeitig hat sie den Unternehmen und den Wohlhabenden einen ganzen Strauß von Steuererleichterungen geschenkt. Der Spitzensteuersatz lag bei Kohl von 1982 bis 1990 bei 56 Prozent. Heute liegt der Spitzensteuersatz bei 42 Prozent. Als Kohl startete, musste ein Unternehmensgewinn, der wieder investiert wurde, zu 56 Prozent besteuert und ein ausgeschütteter Gewinn mit 36 Prozent. Heute liegt die Körperschaftsteuer für Unternehmen bei 15 Prozent. Der dadurch entstandene Steuerausfall für den Fiskus beläuft sich jährlich auf etwa 45 bis 50 Milliarden Euro im Jahr.

c) Vermögen ab einer Million Euro sollte mit fünf Prozent besteuert werden (Die erste Million ist  freigestellt

Betriebsnotwendiges Vermögen kann bis fünf Millionen freigestellt werden.)  Eine solche Vermögenssteuer würde 80 Milliarden Euro Mehreinnahmen im Jahr bringen.

d) Dazu kommen noch weitere steuerliche Maßnahmen wie eine Erbschaftssteuer, die den Namen auch verdient

Dies bring zirka 5 Milliarden Euro jährlich und Maßnahmen gegen Steueroasen, die eine Bundesregierung auch im Alleingang durchsetzen könnte – wenn sie nur wollte (zirka 15 Milliarden Euro jährlich)

Und was meint Professor Peukert in seinem „Moneyfest“ zu diesem Thema? „Ja, bauen wir die Schuldenberge auch über die Reichensteuern ab und begrenzen wir die Vermögen!“, sagt Peukert. So erfreulich es ist, dass auch Peukert fordert, die Reichen stärker zu besteuern – ziemlich schleierhaft ist mir, warum Peukert das Geld für den Abbau der Schuldenberge verwenden will und die Verwendung für sozial sinnvolle und nützliche Maßnahmen mit keinem Wort erwähnt.

2)  Den Finanzsektor neu ordnen …

Es gibt eine ganze Reihe von Einzelmaßnahmen, die geeignet sind, die Deregulierungen der letzten Jahrzehnte zurück zu nehmen, die staatliche Aufsicht zu verstärken und somit die Krisenanfälligkeit des Finanzsektors zu reduzieren. Peukert nennt einige von ihnen: Die Verpflichtung zur Erhöhung des Eigenkapitals bei allen Geldhäusern (also auch Hedgefonds und Schattenbanken) auf 30 Prozent der Bilanzsumme, die Besteuerung von Finanztransaktionen oder das Verbot von Leerverkäufen und Kreditausfallversicherungen. Auch der von Peukert genannte Finanz-TÜV (Kein Finanzprodukt darf eingeführt werden, bevor es nicht von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigt worden ist) wäre sicherlich besser als der Status Quo.

Solche Einzelmaßnahmen sind wichtig und nützlich. Sie reichen allerdings nicht aus. Peukerts wohlklingende Forderung nach Einführung eines „Trennbanken-Bankensystem“ (d.h. die Trennung von Investmentbanking und „normalem“ Bankgeschäft) mag in manchen Ohren radikal klingen. Sie greift aber zu kurz und sie ist irreführend. Denn zu was sollen Investmentbanken, der Hort der Spekulation, des Tricksens und Betrügens gut sein? Der Hinweis Peukerts, Investmentbanking müsse legal möglich sein, weil es sonst ins Darknet abwandert, ist ziemlich an den Haaren herbei gezogen. Dafür gibt es keinerlei Hinweis. Zum anderen sind die Finanzvolumen, die in den Zockerabteilungen von Goldman-Sachs, JP Morgan, Deutsche Bank oder HSBC herumgeschoben werden, viel zu groß, um sie einfach ins Darknet zu verschieben.

…und mit der Vergesellschaftung beginnen

Das Bankengeschäft ist zu wichtig, um es in den Händen des Privatsektors zu belassen. Der Finanzsektor muss Teil der gesamtwirtschaftlich notwendigen Infrastruktur werden und nicht länger Ort eigenständiger Wertschöpfung (sprich: Profitmacherei) sein.  Erforderlich sind Maßnahmen, die tief in die Struktur der Finanzwelt und des kapitalistischen Systems eingreifen. Banken und Versicherungen müssen privater Verfügungsgewalt und Profitmacherei entzogen werden. Der Bankensektor ist den Regeln des öffentlichen Dienstes zu unterstellen, die Einnahmen aus dessen Geschäftstätigkeit sind für das öffentliche Wohl zu verwenden. Investmentbanken a la Goldman-Sachs, JP Morgan, Deutsche Bank müssen dicht gemacht werden. Axel Troost, der Finanzexperte der Partei „Die Linke“, zeigt in einem lesenswerten Aufsatz Möglichkeiten auf, wie solche Institute aufgelöst, abgewickelt und unter öffentliche Kontrolle gestellt werden können.

Axel Troost schlägt vor, den Finanzsektor in seinem Volumen erheblich zu schrumpfen und letztendlich auf seine Kernfunktionen zurückzustutzen.

1) Die Sicherstellung eines zuverlässigen, und kostengünstigen Zahlungsverkehrs inklusive einer entsprechenden Bargeldversorgung

2) Banken müssen auf ihre Rolle als Kapitalsammelstellen zurückgeführt werden, die für SparerInnen verständliche und nachhaltige Sparmöglichkeiten bieten anstatt mit deren und riskante Geschäfte zu tätigen.

3) Banken müssen ihre Finanzierungsfunktion erfüllen, indem sie Investitionen von Unternehmen und des Staates zu annehmbaren Bedingungen über Kredit finanzieren.

An dieser Stelle kann ich nicht weiter ausführen, wie ein Bankensektor unter öffentlicher Kontrolle genau aussehen könnte. Dazu möchte ich auf den lesenswerten Aufsatz von Axel Troost „Den Bankensektor neu ordnen ‒ und mit der Vergesellschaftung beginnen“ verweisen. Er ist meiner Meinung nach eine gute Grundlage für weiterführende Diskussionen.

Kräfte in Bewegung setzen

Eine abschließende Bemerkung noch. Natürlich werden all unsere Versuche, den für die reiche Minderheit profitablen Status quo zu ändern, heftigsten Widerstand der Geld- und Machteliten hervorrufen. Um eine sozial gerechte, nachhaltige und umfassend demokratische Gesellschaft zu erreichen, reichen gute Argumente alleine nicht aus. Entscheidend ist, welche Kräfte wir zur Durchsetzung unserer Vorstellungen in Bewegung setzen können. Nur massive soziale Auseinandersetzungen eröffnen eine Aussicht auf Erfolg.

Zur vertiefenden Diskussion empfehle ich folgende Texte:

Axel Troost, „Den Bankensektor neu ordnen – Mit der Vergesellschaftung beginnen“ in: Michael Brie, Richard Detje, Klaus Steinitz (Hrsg.) Wege zum Sozialismus im 21. Jahrhundert, VSA Verlag 2011

Eric Toussaint, Europa: Alternativen zur Krise:in Emanzipation Jahrgang 4, Nummer 2 (Dezember 2014)

Internet: http://www.emanzipation.org/articles/em_4-2/e_4-2_toussaint.pdf

   Sende Artikel als PDF   

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.