Landratsamt: „In den neuen Bauwerken hätte noch gar nichts gelagert werden dürfen“ – Interview zum Tiersterben in der Jagst und zu den Löscharbeiten in Kirchberg-Lobenhausen

Nach dem Mühlenbrand in Kirchberg/Jagst-Lobenhausen vor viereinhalb Wochen ist die Nachrichtenlage inzwischen äußerst ruhig geworden. Polizei und Staatsanwaltschaft fahnden weiter nach einem möglichen Brandstifter. Der Schaden an der Natur entlang der Jagst ist immens. Hohenlohe-ungefiltert hat beim Landratsamt Schwäbisch Hall nachgefragt. Die Antworten der dortigen Pressestelle geben den Sachstand vom 22. September 2015 wieder.

Interview von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert

Hohenlohe-ungefiltert: 1. Das Landratsamt hat für die Lobenhausener Mühle am 30. Mai 2012 den Neubau einer Lagerhalle für landwirtschaftliche Produkte, drei Silos für Getreide, ein Silo für Holzpellets genehmigt. Zählt Kunstdünger zu den „landwirtschaftlichen Produkten“?

Landratsamt: Nein.

2. Das Landratsamt hat die Neubauten nach eigenen Angaben nicht formell „abgenommen“, weil „nicht alle Unterlagen für die Abnahme vorlagen“. Hat ohne Abnahme überhaupt irgendetwas in den neuen Bauwerken der Mühle gelagert werden dürfen?

Nein.

3. Wie ist der korrekte Ablauf einer Inbetriebnahme derartiger Gebäude?

Genehmigung, (dann) Lagerung.

4. Der Feuerwehrführung in der Brandnacht – dem Kirchberger Kommandanten – wird vom Landratsamt im Nachhinein der Vorwurf gemacht, es sei bei der Brandbekämpfung zu viel Löschwasser verwendet worden. Dies habe mit dazu beigetragen, dass viel verseuchtes Löschwasser in die Jagst gelangte. Es hätte stattdessen ein geschlossener Wasserkreislauf von kontaminiertem Löschwasser errichtet werden sollen, so das Landratsamt. Dadurch wären geringere Mengen verseuchtes Wasser in die Jagst gelangt. Hatte der Kreisbrandmeister (Mitarbeiter des Landratsamts), der in der Brandnacht vor Ort gewesen ist, den Kirchberger Kommandanten in der Brandnacht auf diese Vorgehensweise hingewiesen? Hat der Kirchberger Kommandant dann bewusst gegen diesen Hinweis gehandelt?

Dieser Vorwurf wurde vom Landratsamt zu keiner Zeit gemacht. Die Löschwasserverwendung war korrekt.

5. Wie haben die eingesetzten Feuerwehrleute den Einsatz gesundheitlich überstanden?

Dem Landratsamt liegen keine Erkenntnisse über gesundheitliche Beschwerden bei Einsatzkräften während des Einsatzes und danach vor.

6. Welche gesundheitliche Gefahr bestand für die eingesetzten Feuerwehrleute?

Eine gesundheitliche Gefährdung kann bei jedem Brand vorliegen, sowohl durch Rauchgase, als auch durch mechanische Einflüsse.

7. Beim Verbrennen großer Mengen Kunstdünger und Kunststoffe entstehen gesundheitsgefährdende Substanzen. Die Atemschutzgeräte reichten nicht für alle beim Einsatz aktiven Feuerwehrleute. Konnten sich alle Feuerwehrleute beim Einsatz in dem Lobenhausener Talkessel gegen den gesundheitsschädigenden Qualm schützen? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht?

Wie bei jedem Brandeinsatz wird ab der Rauchgrenze unter schwerem Atemschutz gearbeitet, ansonsten halten sich die Einsatzkräfte in der rauchfreien Zone auf.

8. Gibt es für die eingesetzten Feuerwehrleute eine gesundheitliche Nachsorge?

Dies ist zuständigkeitshalber bei der Stadt Kirchberg zu erfragen.

9. Wie sieht diese aus?

Siehe Antwort auf Frage 8.

10. Werden die Feuerwehrleute medizisch auf Schadstoffe im Körper untersucht?

Siehe Antworten auf die Fragen 6 und 8.

11. Kann es im Körper zu Spätfolgen durch die Giftstoffe im Körper kommen?

Siehe Antwort auf Frage 8.

12. Mit was und wie stark ist und wurde das Wasser verunreinigt? Liegen inzwischen Ergebnisse vor?

Siehe Pressemitteilung vom 10. September 2015. (Anmerkung der Redaktion: Diese ist unten an dieses Interview angehängt.)

13. Laufen derzeit noch Reinigungsarbeiten in der Mühle und deren näherer Umgebung?

Ja.

14. Wohin wird das verseuchte Wasser langfristig gebracht?

Das ist derzeit noch unklar.

15. Können Sie dem Laien kurz erläutern, warum nach Ansicht des Landratsamts bei dem Brand, der anschließenden Verseuchung der Jagst und dem Fischsterben keine Katastrophe im Sinne des Katastrophenschutzgesetzes vorlag?

Für die betroffenen Gebietskörperschaften waren keine Voraussetzungen zur Feststellung des Katastrophenfalls gegeben.

Dies lässt sich wie folgt begründen:

1) Die Einheiten der Feuerwehr und des THW arbeiteten als „Amtshilfe“. Die Schadenlage ist keine Pflichtaufgabe nach Feuerwehrgesetz, sondern wird von den Ordnungsbehörden bearbeitet. Feuerwehrgesetz und Landeskatastrophenschutzgesetz finden hier keine direkte Anwendung.

2) Die formalen Kriterien, die vorliegen müssen, um den Katastrophenfall festzustellen, waren nicht erfüllt. Zweifelsfrei handelt es sich aktuell um ein schlimmes Ereignis. Eine außergewöhnliche Schadenlage, bei der zahlreiche Menschen, erhebliche Sachwerte gefährdet waren oder die Versorgung mit Lebensnotwendigem nicht mehr gegeben war, ist hier nicht feststellbar.

16. Wie kommentiert das Landratsamt öffentliche Aussagen des Landesumweltministers, der in punkto Jagst fortwährend von einer Katastrophe sprach?

Steht dem Landratsamt nicht zu.

Pressemitteilung des Landratsamts Schwäbisch Hall vom 10. September 2015:

Ergebnisse der Löschwasseruntersuchung

Das in der Brandnacht im Löschwasserrückhaltebecken bei der Lobenhausener Mühle aufgefangene, mit Düngemitteln kontaminierte Löschwasser, wurde durch die Feuerwehr abgepumpt und zur Kläranlage nach Crailsheim gebracht, wo es in einem Speicherbecken zwischengelagert wurde. Unklar war zunächst, mit welchen Stoffen dieses Löschwasser belastet ist.

Die Laboruntersuchung hat pro Liter Löschwasser ergeben:

Ammonium-N (Ammoniumstickstoff) 23.000 mg/l

Nitrat-N (Nitratstickstoff) 14.000 mg/l

Nitrit-N (Nitritstickstoff) 7,9 mg/l

Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) 0,025 mg/l

Gesamtphosphor (als PO4) 12 mg/l

Dioxine unter der Bestimmungsgrenze

Die Beprobung des Löschwassers im Mühlkanal hatte bereits ergeben, dass die Anteile von Schwermetallen weit unterhalb der Grenzwerte liegen und damit unbedenklich sind.

Bei den nachgewiesenen Stoffen handelt es sich um düngerspezifische Parameter. Die PAK-Werte stammen aus der Verbrennung von organischem Material (z. B. Holz, Holzpellets). Die Entsorgung bzw. Verwertung des düngemittelhaltigen Löschwassers wird vom Sachverständigen der Gebäudebrandversicherung geprüft und veranlasst.

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