„Irgendwo in Hohenlohe“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden siebzehnter Teil

„Irgendwo in Hohenlohe“ – Eine Fortsetzungsgeschichte von Birgit Häbich: Der Episoden siebzehnter Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig, und sind weder gewollt noch beabsichtigt.

Von Birgit Häbich

XVII Lindgrün

… die langsam einsetzende Erkenntnis lähmte Carl. Er bat Anton, eine Pause zu machen, damit sie sich auf einem der Bänkle unten am Wasser ausruhen könnten. Der Freund erkannte seine Not und steuerte sofort die nächstgelegene Holzbank an. Dort setzten sie sich, schauten auf das stille Wasser und schwiegen eine Weile. Die Sonne schien und ließ die Luft lau werden, das Wasser glitzerte und schlug in sanften Wellen gegen die hölzerne Uferbefestigung, die Vogel zwitscherten in den lindgrün schimmernden Bäumen und die Welt schien in Ordnung zu sein. Einzig in Carl war alles völlig aus der Fassung geraten. Carl Eugen Friedner hatte endlich den Punkt gefunden, von dem an es hoffnungslos bergab ging.

Volkshochschullehrgang in Rechtskunde

Vor seinem geistigen Auge tauchte der Verhandlungstag in Heilbronn von vor acht Jahren auf. Damals, im Prozess gegen Vorderschein hatte Carl Eugen sich vom „Vorsitzenden Richter“ fragen lassen müssen, warum er seine Mandantin so derart miserabel vertreten hätte. Warum er die Widerspruchsfrist nicht eingehalten, die Zeit tatenlos verstreichen und damit eine Chance zum klaren Gewinn der Verhandlung vertan hätte? Er wusste damals keine Antwort auf die klare Frage des Rechtsprechenden. Aber der junge Richter sprach nur aus, was längst offensichtlich war – er hatte sich aufgeführt, als hätte er kein Jurastudium mit Staatsexamen hinter sich gebracht, sondern einen Volkshochschullehrgang in Rechtskunde für Neueinsteiger. Der Richter schüttelte abschließend wiederholt missbilligend den Kopf und erklärte, dass das Urteil ihm dann in Schriftform zugestellt werden würde.

Warum?

Paula hatte damals die Dimension des Geschehenen gar nicht erfasst, sie war wie immer vollkommen arglos. Das Herz blieb ihm fast stehen, wenn er daran dachte, wie wenig sie in dieser Zeit ahnte, dass seine schlichte Untätigkeit sie eines Tages schier die berufliche Existenz kosten würde. Und Carl fragte sich nun warum er das alles zugelassen hatte?

Allen recht machen

Anton hatte ihm vorhin auch genau diese Frage gestellt und der Freund wartete jetzt geduldig auf seine Antwort. Carl Eugen musste nun der Wahrheit ins Auge blicken und dem Freund erklären, warum er damals so unfassbar blödsinnig gehandelt hatte. Müde begann er zu erzählen. Von den sogenannten Freunden aus der alten Verbindung und wie sie ihm immer wieder zugesetzt hatten. Carl dachte damals einen Weg zwischen den Forderungen der alten Verbindungen und seiner Zuneigung zu der geliebten Frau hindurch zu finden. Er wollte es allen recht machen, sein Ansehen bei den einflussreichen, vermeintlichen Freunden nicht gefährden und sie, die er doch so sehr brauchte und über alles liebte, vor diesen gierigen Geiern beschützen, sie, seine Paula auf keinen Fall verlieren.

Niemals erfüllbar

Es war ihm nicht möglich, die beiden Wünsche gleichzeitig zu erfüllen. Viel zu spät hatte er erkannt, dass die Vorstellungen, die er damals von Loyalität hatte, niemals erfüllbar waren. Selbst wenn er sich noch mehr angestrengt hätte, und wenn er noch so viel Fingerspitzengefühl gezeigt hätte, er wäre auf lange Sicht damit gescheitert. Er hätte sich klar entscheiden müssen, zu wem er halten wollte, eindeutig Farbe bekennen müssen. Weil er sich damals aber nicht klar entscheiden konnte, entschieden andere für ihn, und er beschwörte mit seiner passiven Haltung die sich anbahnende Katastrophe geradezu herauf.

Zu feige

Als ihm nach der Verhandlung dämmerte, was er angerichtet hatte, verließ ihn der Mut. Er konnte es ihr nicht erklären, ihm fehlten die Worte, und er war schlicht zu feige gewesen, ihr zu gestehen, dass er sie mit den begangenen Unterlassungen quasi hintergangen hatte. Paula bemerkte natürlich, dass etwas nicht mehr stimmte, schwieg zwar eine Zeit lang, weil sie nicht einordnen konnte, was da vor sich ging. Dann begann Paula aber nachzufragen, wollte wissen, was der Richter mit seiner Rede an ihn gemeint hätte. Konnte nicht verstehen, warum Carl ihr das nicht schlüssig erklärte und konnte schon gleich gar nicht begreifen, warum er sich vollkommen zurückzog. Als dann das Urteil gekommen war und er die klägliche Niederlage einräumen musste, verstand Paula anfangs gar nicht, was dieses Urteil bedeutete. Als sie jedoch im Lauf der Zeit langsam dahinter kam, in welchem Umfang Carl versagt hatte, war sie ziemlich gegen ihn aufgebracht.

Zwiespalt

Anton seufzte laut und deutlich und fragte Carl, warum er ihn damals nicht schon um seine Hilfe gebeten hätte, wenigstens ihm hätte er die Zwickmühle doch erklären können, sie als alte Hasen hätten bestimmt einen gangbaren Weg aus dem Dilemma finden können. Carl Eugen bekannte seinem Freund, dass er vor acht Jahren mit niemandem mehr reden wollte, zu sehr schämte er sich, er wollte diese Niederlage so schnell wie möglich vergessen. Dass er dabei auch Paula verlor, musste er offenen Auges geschehen lassen. Es war Carl seinerzeit unvorstellbar, ihr offen und ehrlich die grausame Wahrheit über seinen Zwiespalt zu sagen und jetzt wurde er mit der Last dieser Vergangenheit nicht mehr fertig. Würde Paula die Wahrheit nun heute ertragen und vor allem würde sie ihm je verzeihen?…. Fortsetzung folgt.

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E-Mail: b.haebich@web.de

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