„Das große Wegschweigen“ – Fürstenhaus Hohenlohe-Langenburg in der Zeit des Nationalsozialismus

Zwei Männer suchen einen Raum, in dem sie eine Nazi-Geschichte erzählen können. Nicht irgendeine, sondern eine über Fürst Ernst II. von Hohenlohe-Langenburg, der Hitler für ein Geschenk Gottes hält. Die beiden Männer finden keinen Saal, weil sie keinen kriegen sollen. In Langenburg und anderswo.

Von Josef-Otto Freudenreich, Erstveröffentlichung am 26. Februar 2020 in Kontext:Wochenzeitung, Stuttgart

Wo Joschka Fischers Vater schaffte

Langenburg liegt auf einem Bergrücken, an dessen einem Ende der Fürst lebt und am anderen seine Vorfahren ruhen. Das eine Ende markiert das Schloss, das andere ein Mausoleum auf dem Friedhof. Dazwischen drängt sich das Städtchen mit seinen 1800 Einwohnern, das schön anzuschauen ist, mit seinen Fachwerkhäuschen, den Gasthäusern und den kleinen Geschäften, von denen zwei Großes hervorgebracht haben. In einer Metzgerei hat Joschka Fischers Vater geschafft, und in einem Kaffeehaus sind die Wibele erfunden worden, jenes Kleingebäck, mit dem schon Queen Elisabeth II bei ihrem Besuch 1963 erfreut worden ist.

In der britischen Thronfolge auf Platz 189

Das war kein Zufall, sondern die Folge der engen Verwandtschaft des englischen Königshauses mit den Fürsten von Hohenlohe-Langenburg, die seit Jahrhunderten in dem eingangs erwähnten Schloss wohnen. Heute residiert dort Prinz Philipp Gottfried Alexander, 50, der in der britischen Thronfolge auf Platz 189 rangiert, und deshalb auch zur Hochzeit von Kate und William eingeladen war, zusammen mit Frau Saskia, einer Münchner Investmentbankerin. Häufiger widmet sich der studierte Betriebswirt jedoch bürgerlichen Belangen.  

Auch ein Fürst hat’s schwer, wenn er 476 Fenster hat

In seinem Wald, der zu den größten Deutschlands zählt, pflanzt er gerne Windräder, weil die nicht so anfällig sind wie Holz. In seinem Schloss, das einen eigenen Hundefriedhof unterhält, lädt er zum „Langenburg Forum für Nachhaltigkeit“, gemeinsam mit der Firma des einstigen Vizekanzlers, die „Joschka Fischer & Company“ heißt, und die einstige US-Außenministerin Madeleine Albright, Ministerpräsident Wilfried Kretschmann sowie Prinz Charles (per Video) zu den Gästen zählt. Darüberhinaus sitzt der Fürst noch für die Freien Wähler im Langenburger Gemeinderat, und klagt darüber, wie aufwendig es ist, 476 Fenster, vier Hektar Dach und fünf Hektar Mauern in Schuss zu halten. Das hat er dem Südwestrundfunk verraten.

Fürst Philipp Gottfried Alexander Prinz zu Hohenlohe-Langenburg mit Gattin Saskia. Foto: Gottfried Stoppel
Fürst Philipp Gottfried Alexander Prinz zu Hohenlohe-Langenburg mit Gattin Saskia. Foto: Gottfried Stoppel

Die lange, etwas faktenüberladene Einleitung war jetzt nötig, damit das Folgende besser verstanden werden kann: Vor zwei Jahren machte sich der freie Journalist Ralf Garmatter, 55, daran, die NS-Geschichte derer von Hohenlohe-Langenburg zu erforschen. Der Faschismus in der Region, das ist seit 1995 eines seiner Themen, weil er, im Rahmen seiner Möglichkeiten, verhindern will, dass Deutschland wieder ein antidemokratisches Land wird. Und weil er erklären will, wie es kommen konnte, dass die Nazis von diesen Herrschaften geadelt wurden. Zu all dem betreibt er auch einen Blog. Diesmal kümmerte er sich um Fürst Ernst II. (1863 – 1950), den Urgroßvater des amtierenden Standesherrn Philipp.

Fürst Ernst II. und seine Familie – alle für den Führer

Den Nazis nahe: Fürst Ernst II. von Hohenlohe-Langenburg mit Alexandra Louise Olga Victoria (1878 – 1942). Foto: Eduard Uhlenhuth, Flickr, Gemeinfrei, <a rel=
Den Nazis nahe: Fürst Ernst II. von Hohenlohe-Langenburg mit Alexandra Louise Olga Victoria (1878 – 1942). Foto: Eduard Uhlenhuth, Flickr, Gemeinfrei, Link.

Die gesamte Familie, Vater, Mutter, zwei Töchter, ein Sohn, war Mitglied in der NSDAP, als Patron der evangelischen Kirchengemeinde sorgte Ernst II. 1936 dafür, dass das „Gebet für den Führer“ in den Gotteshäusern legitimiert wurde. Für ihn war Hitler ein „Geschenk Gottes“ an das deutsche Volk, das sich „nach starken Führern“ sehnt, die Demokratie war des Übels, der Parlamentarismus zum Erbrechen. Als Abgeordneter im Berliner Reichstag konnte er den „Ekel nicht überwinden“, schrieb er 1906 an seinen Vater, wenn Bebel oder Erzberger sprachen.

1936 zum Ehrenbürger ernannt

Die Stadt Langenburg machte ihn 1936 zum Ehrenbürger, erhielt dafür zwei Parzellen Land (rund 600 Quadratmeter) zwischen Schloss und Friedhof, welche fortan „Fürst-Ernst-Platz“ hießen, auf dem die Jugend, so der Namensgeber, sich tummeln und zu „tüchtigen deutschen Menschen“ heranwachsen solle. Was zunächst wie eine Schenkung aussah, notiert Heimatforscher Garmatter, bezahlte die Gemeinde mit 1.500 Reichsmark in bar. Den Ehrentitel gibt es noch immer, den Platz auch. Er ist ein wenig trostlos.

Buchreihe „Täter Helfer Trittbrettfahrer“

Nachzulesen ist diese Geschichte in dem Buch „Täter Helfer Trittbrettfahrer – NS-Belastete aus dem Norden des heutigen Baden-Württemberg“, herausgegeben von Wolfgang Proske, erschienen 2018. Garmatter und Proske hätten gerne daraus gelesen, am liebsten in einem Raum der Stadt, in dem sich ihre Geschichte erzählen ließ. Aber das war ihnen nicht vergönnt. Was folgt gleicht einer Odyssee. 

Die erste Absage kommt von der Stadt Langenburg

Die erste Absage ereilt sie am 2. August 2018. Sie kommt aus dem Langenburger Rathaus. Der „Philosophenkeller“ werde nicht fremdvermietet, meldet die Kulturbeauftragte Doris von Göler, und präzisiert am 21. November 2018: „Das Programm steht.“ In ihrem Portfolio hat sie unter anderem einen Vortrag des Langenburger Stadtrats Axel Dittrich, der über die „glanzvollen Verbindungen“ des Hauses Hohenlohe-Langenburg referiert. Aber sie wünscht viel Erfolg „bei der Suche nach weiteren Präsentationsmöglichkeiten“.

Doch, den Platz gibt es in Langenburg noch. Foto: Joachim E. Röttgers
Doch, den Platz gibt es in Langenburg noch. Foto: Joachim E. Röttgers

Das fürstliche Haus versendet Post auf noblem Büttenpapier, des Inhalts, dass man an einer Zusammenarbeit nicht interessiert sei. Und was die Räumlichkeiten betreffe, so fänden Vorträge „zu historischen Büchern oder ähnlichem“ auf Schloss Langenburg nicht statt. Im Übrigen sei dies durch das Programm seines Hohenlohe Zentralarchivs in Neuenstein abgedeckt, schreibt der Fürst am 16. Oktober 2018, was Garmatter insoweit bezweifelt, als seine Anfragen nach Akteneinsicht jedes Mal abschlägig beschieden wurden. Alles, was jünger ist als 100 Jahre, ist gesperrt.

Geschichtsverein: „Für einen Vortrag ist kein Bedarf“

Kurz und knapp äußert sich der Geschichts- und Kulturverein vor Ort. Man habe das Buch in der Langenburger Stadtbücherei eingestellt, dort könnten sich die Bürger informieren, befindet der Verein am 14. Oktober 2018 – „für einen Vortrag ist kein Bedarf“. Beim Auftritt des Fürstenfans Dittrich ist der Klub als Kooperationspartner dabei.

Das Landesarchiv will den Fürsten nicht verärgern

Deutlich schwerer tut sich das Landesarchiv Baden-Württemberg, dessen Außenstelle auf Schloss Neuenstein das Hohenlohe-Zentralarchiv verwaltet. Immerhin eine staatliche Einrichtung, getragen durch Steuergelder. Er würde sehr gerne Ja sagen, verrät ein Mitarbeiter (Name der Redaktion bekannt) am 29. Oktober 2018, „und würde damit doch den Fürsten tief verärgern“. Er überlege aber, wie er den Autoren trotzdem ein „gutes Podium“ bieten könne. Das Grübeln hält bis heute an.

Verwaltungsgemeinschaft Langenburg-Gerabronn

Garmatter versucht es nun im fünf Kilometer entfernten Gerabronn beim „Historischen Arbeitskreis“. Selbiger wird bei Bürgermeister Christian Mauch vorstellig. Ohne Erfolg. Wenn Langenburg keinen Raum stelle, werde es auch für die Nachbargemeinde schwierig, heißt es, schließlich befinde man sich in der Verwaltungsgemeinschaft Langenburg-Gerabronn. Das sei „sehr bedauerlich“, berichtet der Arbeitskreis am 22. November 2018, aber ihnen seien nun die „Hände gebunden“.

Am anderen Ende des Städtchens: das Mausoleum der Fürstenfamilie. Foto: Joachim E. Röttgers
Am anderen Ende des Städtchens Langenburg: das Mausoleum der Fürstenfamilie. Im Vordergrund der Grabstein von August Wilhelm von Preußen (Im Volksmund „Prinz Auwi“ genannt). Auwi (1887-1949) war der vierte Sohn des Deutschen Kaisers Wilhelm II. aus dem Haus Hohenzollern und ein SA-Führer im Rang eines Obergruppenführers. Er war ein enger Vertrauter von Adolf Hitler. 1949 wurde Auwi in Langenburg begraben. Foto: Joachim E. Röttgers

„Stahlhelmpfarrer“ Borst

Fehlt nur noch die Kirche. Am 19. November 2018 fragt Ralf Garmatter bei der Evangelischen Kirchengemeinde Langenburg an. Ein Vortrag wäre in ihren Kreisen besonders interessant, begründet er, weil ihr früherer Dekan Albert Borst (1892 -1941) nicht nur der Seelsorger der Fürstenfamilie gewesen sei, sondern auch ein strammer Nationalsozialist. Ernst II. saß bei ihm regelmäßig in der Kirchenbank und im Kirchengemeinderat, dessen Aufstellung im „engsten Einvernehmen“ mit der Ortsgruppenleitung der NSDAP erfolgt sei, notierte der „Stahlhelmpfarrer“ Borst 1933.

Absage ohne Begründung

Am 15. April 2019 erreicht Garmatter die Absage. Die Mehrheit des Kirchengemeinderats habe sich dagegen ausgesprochen, der Grund sei aber nicht gewesen, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema „generell abgelehnt wird“, verkündet das Langenburger Pfarramt. Wie es sich im Besonderen verhält, verrät Marianne Mühlenstedt, die Vorsitzende des Gremiums, nicht.

Die Kirche sagt zuerst zu und erteilt dann Hausverbot

Am 26. November 2019, also nach mehr als einjähriger Suche, scheint es zu gelingen: ein öffentlicher Vortrag über die Nazi-Geschichte des Fürstenhauses Hohenlohe-Langenburg – in Gerabronn. Die dortigen Kirchengemeinden, evangelisch und katholisch, versprechen Ralf Garmatter und Wolfgang Proske eine Bühne zum Thema „Täter Helfer Trittbrettfahrer“. Bis zum 21. November 2019.

An diesem Tag kündigt die Kirche, ein Hausverbot inbegriffen. Mit der Begründung, Autor, Herausgeber sowie der kooperierende Verein „Ohne Rechtsaußen e. V.“ hätten eine Vereinbarung gebrochen, die da lautete: „Es dürfen in keiner schriftlichen/öffentlichen Werbung für die Veranstaltung die vollen Namen von mutmaßlichen ‚Tätern‘ genannt werden“.  Ernst II. auf einem Täter-Plakat? Undenkbar!

„Gewisse Kontinuität“ beim Beschützen von NS-Tätern

Weder Garmatter noch der Vorsitzende des Vereins, David Jäger, können sich an eine solche Absprache erinnern, zumal sie auch völlig irrsinnig wäre. Sie können nur vermuten, dass die Veranstaltung bewusst klein gehalten werden sollte, ein geheimer Klub der Wissenden, die Verhinderung der Aufklärung, die man vorgab zu leisten. Er erkenne eine „gewisse Kontinuität“ seitens der Kirche – beim Beschützen von NS-Tätern, resümiert Jäger.

Hohenloher Tagblatt veröffentlicht Leserbrief nicht

Jetzt hilft nur noch die Presse, mag sich der Journalist Garmatter gedacht haben, als er am 1. Januar 2020 einen Leserbrief an das „Hohenloher Tagblatt“ (HoTa) schickt. Er vermerkt darin, dass kein Kirchenvertreter vor der Absage mit ihnen gesprochen, geschweige denn eine solches Namensnennungsverbot ausgesprochen habe. Einleuchten mag auch ihm nicht, warum bei der Bewerbung des Vortrags dessen Hauptpersonen Ernst II. und Tochter Alexandra, die es immerhin bis zur NS-Kreisfrauenschaftsführerin gebracht hat, nicht erwähnt werden sollten. Von der Absage des Abends erfahren die LeserInnen des HoTa nie etwas, von dem Leserbrief auch nicht. Er erscheint  dort  nicht.  

Das Oberamt Gerabronn war einst Hochburg der Nazis

Warum wird hier soviel geschwiegen, hier in der Region Hohenlohe, die heute für jeden Besucher eine Sonnenblume bereit hält? Verspricht die Tourismuswerbung. Was war früher, als das Oberamt Gerabronn eine Hochburg der Nationalsozialisten war, nirgendwo in Württemberg prozentual soviele Menschen zwischen 1932 und 1934 die NSDAP gewählt haben?

Den NS-Tätern seit Jahren auf der Spur: Wolfgang Proske. Foto: privat
Den NS-Tätern seit Jahren auf der Spur: Wolfgang Proske. Foto: privat

Der Untertanengeist sei hier noch nicht verloren gegangen, sagt Folker Förtsch, der Leiter des Crailsheimer Stadtarchivs. Ihn wundert die Odyssee der Aufklärer nicht, sie deprimiert ihn eher, weil Monarchie und Feudalismus fröhliche Urständ feiern, und kämen sie nur im Gewand des vorauseilenden Gehorsam daher. Förtsch ist forsch. „Niemand will sich offenbar mit dem Fürsten anlegen“, betont der Historiker, die Absagen erfolgten aus „fadenscheinigen Gründen“. Er selbst hatte kein Problem damit, das Duo Garmatter/Proske am 10. September 2018 ins Rathaus einzuladen, um über den früheren Crailsheimer Landrat Werner Ansel, der ein Nazi war, zu sprechen.

Wolfgang Proske ist kein historischer Hasardeur, er hat sich mit seinem mittlerweile zehnbändigen Werk über die NS-Täter bleibende Verdienste erworben. Etwa durch seine Entmystifizierung des „Wüstenfuchses“ Erwin Rommel.

Der Bürgermeister sagt, das Fürstenhaus nehme keinerlei Einfluss

Er kennt die Debatten, sei’s aus Heidenheim, Giengen, Meßkirch oder Donauwörth, das Gar-nicht-wissen-wollen, was gewesen ist, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Er nennt es das „Große Beschweigen“. Aber in dieser Ausschließlichkeit wie in Langenburg? Das hat ihn überrascht. „Niemand wagt sich aus der Deckung“, sagt er, „sie verhalten sich wie Sektenangehörige.“ Allein die Erwähnung des Fürstenhauses im NS-Zusammenhang löse „Panikattacken“ aus.

Das evangelische Pfarramt von Langenburg – das Rathaus spiegelt sich im Fenster. Foto: Joachim E. Röttgers
Das evangelische Pfarramt von Langenburg – das Rathaus spiegelt sich im Fenster. Foto: Joachim E. Röttgers

Nicht bei Wolfgang Class, dem Langenburger Bürgermeister, parteilos. Sein Rathaus liegt gegenüber dem evangelischen Pfarramt, quasi in einem spitzwinkligen Dreieck mit dem Schloss. Gegenüber Kontext möchte er zunächst klarstellen, dass das Fürstenhaus „keinerlei Einfluss“ auf die Stadtverwaltung nimmt. Außer, dass der Fürst als Ratsmitglied die Kommunalpolitik mitgestalte. Im Übrigen könnten „die Herren“, gemeint sind Garmatter und Proske, ihren Vortrag „jederzeit“ in Langenburg halten. Die Gastronomen böten hierzu „geeignete Räumlichkeiten“ an. Er könne sich freilich des Eindrucks nicht erwehren, dass es die Herren bewusst darauf anlegten, einen Keil zwischen Schloss und Stadt zu treiben. Das aber werde, aufgrund der „sehr guten und erfolgreichen Zusammenarbeit“, nicht gelingen. Da ist er sich ganz sicher.

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„Geschlossen aber sichtbar“ – Virtueller Rundgang durch die Ausstellung „“Bruno Seeber 80“ im Sandelschen Museum Kirchberg/Jagst

Zwar ist das Sandelsche Museum in Kirchberg/Jagst zur Zeit geschlossen, aber die Ausstellung „Bruno Seeber 80“ ist als virtueller Rundgang trotzdem für das Publikum sichtbar.

Vom Sandelschen Museum Kirchberg/Jagst

Kunstwerke in der Endlosschleife

Museumsleiter Stefan Fitzlaff hat im Glasvorbau des Eingangs einen digitalen Bildschirm installiert, der Fotos der fertig aufgebauten Ausstellung zeigt. Diese Corona-bedingte Art der Präsentation wird solange bleiben, bis das Museum wieder geöffnet ist und die Besucherinnen und Besucher die Originalen betrachten können. Der virtuelle Rundgang durch die Sonderausstellung dauert etwa sieben Minuten und findet als Endlosschleife zu den eigentlichen Öffnungszeiten des Museums an Sonn- und Feiertagen, von 14 bis 17 Uhr, statt.

Bildschirm im Glasvorbau

Seinerzeit war der Glasvorbau des Museums als Schutz der historischen Eingangstür konzipiert und durchaus umstritten. Nun ermöglicht er den Einsatz moderner Technik und die Museumsleitung freut sich, dass so die Seeber-Ausstellung nach außen gezeigt werden kann.

Weitere Informationen und Kontakt:

www.kirchberg-jagst.de/index.php?id=481&publish[objectId]=344609

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„Sechs ungesühnte Morde“ – 14. April 1945 in Kirchberg an der Jagst

Der Nationalsozialismus hat in Kirchberg/Jagst Spuren des Todes hinterlassen. Sechs Menschen wurden am 14. April 1945 von den Nazis in Kirchberg erschossen. Bei diesen sechs Menschen handelt es sich um die beiden deutschen Einwohner Angela Galczinski (Kirchberg) und Johann Heigl (Eichenau) sowie die vier Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen, den Franzosen Ernest Bonne, den Polen Michael Kubicky und die beiden Ukrainer Josef Hepak und Wasyl Petryczka. Keiner dieser Morde ist gesühnt worden. Der Tag der sechs Morde jährt sich am heutigen 14. April 2020 zum 75. Mal.

Von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert

Staatsanwaltschaft Ellwangen ermittelte erst 1959

Der Rentner Gustav Roth aus Kirchberg brachte die Erschießungen am 5. April 1946 beim Landespolizeiposten in Kirchberg zur Anzeige. Die Staatsanwaltschaft Ellwangen ermittelte erst 1959 wegen der Erschießung der vier ausländischen Arbeiter. Es hatte nach Roths Angaben zuvor nur eine einzige Untersuchung durch zwei Kriminalbeamte wegen der insgesamt sechs Erschießungen in Kirchberg gegeben. Sie verliefen allerdings ohne Erfolg. Der Fall von Johann Heigl wurde dabei überhaupt nicht untersucht. Roth war der Ansicht, dass die Intensität der Untersuchung „höchstens einem Apfeldiebstahl“ gerecht geworden wäre. Die Motive der Täter blieben weitgehend unklar.

Ein Grab existiert noch in Kirchberg, drei in Crailsheim

Angela Galczinski wurde später auf dem alten Friedhof in Kirchberg begraben. Das Grab existiert heute noch und wird von der Stadt Kirchberg gepflegt. Über die Todesursache steht nichts auf dem Grabstein. Der Pole Michael Kubicky sowie die beiden Ukrainer Josef Hepak und Wasyl Petryczka wurden in den 1950er Jahren auf den Crailsheimer Ehrenfriedhof umgebettet, der Franzose Ernest Bonne auf einen Friedhof in Frankreich.

Nach dem Krieg in Erziehungsheimen

Bis heute sind die damals hingerichteten Menschen nicht rehabilitiert worden. Seit 2003 erinnert ein Mahnmal auf dem Kirchberger Frankenplatz an das sinnlose Morden der Nazis. Die Angehörigen und Kinder der Opfer haben bis heute keine Entschädigung dafür erhalten, dass ihnen durch die Nazis die Mutter, der Vater oder der Ehepartner genommen wurde. Die beiden Kinder von Angela Galczinski, Roswitha Münzentaler und Benno Galczinski, mussten nach dem Krieg lange Zeit in Erziehungsheimen leben. Sie konnten zu ihrem Vater zurück, als dieser aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause gekommen war. Einige Jahre lang wohnte die Familie Galczinski in einem Haus in Kirchberg-Hornberg (im Tal). Die Kinder besuchten die Volksschule in Kirchberg. Zur Berufsausbildung verließen sie ihre Heimatstadt Kirchberg. Roswitha Münzentaler lebte später in Remscheid, ihr Bruder Benno Galczinski in Duisburg.

Ein Link zur ausführlichen Dokumentation „Nationalsozialismus in Kirchberg an der Jagst“ ist auf folgender Internetseite zu finden:

www.hohenlohe-ungefiltert.de/?p=22109

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„Stadtgeschichte: Vor 75 Jahren wurde Crailsheim fast vollständig zerstört“ – Informationen des Crailsheimer Stadtarchivs

In diesen Tagen jähren sich zum 75. Mal die Ereignisse, die in die Crailsheimer Stadtgeschichte als ihre größte Katastrophe eingegangen sind. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs kam es zu schweren Kämpfen mit großen Zerstörungen. Die Innenstadt war verloren.

Vom Stadtarchiv Crailsheim

„Schlacht um Crailsheim“

Über etwas mehr als zwei Wochen stand die Stadt am Ende des Zweiten Weltkrieges im Zentrum militärischer Kampfhandlungen, der „Schlacht um Crailsheim“, die zur fast kompletten Zerstörung der Innenstadt führten. Nicht nur die historische Altstadt fiel damals in Schutt und Asche, viele Crailsheimerinnen und Crailsheimer verloren ihr Hab und Gut, etwa 350 Menschen, Zivilisten wie Soldaten, starben.

Erschreckende Bilanz

Am Ende von zwölf Jahren nationalsozialistischer Herrschaft stand eine erschreckende Bilanz: eine Spur der Verwüstung und des Todes durch ganz Europa, Verbrechen ungeheuerlichen Ausmaßes und ein kriegszerstörtes Deutschland, in dem Crailsheim mit zu den am schwersten getroffenen Städten gehörte.

Crailsheim – „ein einziger Trümmerhaufen“

Dieser Tage gedenkt Crailsheim der Geschehnisse kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren. Das Stadtarchiv zeigt auf eindrückliche Weise, wie es zur katastrophalen Zerstörung Crailsheims im April 1945 kam.

Radiobericht 1950

In einem Beitrag für den Rundfunk Stuttgart im März 1950 berichtete der Crailsheimer Polizeimeister Karl Hörner über einen Einsatz fünf Jahre zuvor in seiner Heimatstadt Crailsheim. Gerade war die Stadt von deutschen Truppen zurückerobert und Hörner „mit der Totenbergung beauftragt“ worden:
„Eine Stange mit einem Fetzen Leinwand diente als weiße Fahne, und so zogen wir durch die Trutenbach-Allee, dem Wachholderberg zu … Die Toten lagen teilweise wie hingemäht. Es waren meist deutsche Soldaten, aus allen Einheiten zusammengesetzt. Junge und ältere Leute. Wir hatten einen Handkarren bei uns. … Wir luden immer zehn bis zwölf Tote auf und fuhren sie zum Alten Friedhof. Dieser Anblick der aufgestapelten Toten auf einem Pritschenwagen wird mir unvergesslich bleiben. Der Abtransport war mit großen Schwierigkeiten verknüpft, da der Weg mit Stolperdraht und Panzerminen versperrt war …, und nur mühselig konnten wir uns einen Weg bahnen. So trugen wir ungefähr drei Offiziere und 140 Mann und 85 Zivilisten weg. Die Leichen waren teilweise verbrannt. Die Kleider der Toten waren wahrscheinlich nach Wertsachen durchwühlt. … Die Leichen waren schon teilweise in Verwesung übergegangen, und mussten wir Kalk besorgen und dieselben bestreuen. Es dürften in den Gräbern des Alten Friedhofs zirka 200 Tote liegen. Tote, auf deren Rückkehr auch heute noch Angehörige warten und deren Namen niemals festgestellt werden können.“

Die Innenstadt war verloren

Die Situation in Crailsheim Mitte April 1945, die Hörner in seinem Bericht schildert, ist für die meisten Bewohner der Stadt heute unvorstellbar. Man kennt Vergleichbares höchstens aus Nachrichtensendungen über aktuelle Kriegsgebiete. Vor 75 Jahren war Crailsheim ein solches Kriegsgebiet, in dem geschossen, getötet und gestorben wurde. Dabei erlitt die Stadt furchtbare Schäden: Auf die Gesamtstadt gerechnet lag der Zerstörungsgrad bei etwa 65 Prozent, im Bereich der Innenstadt, also der Bebauung innerhalb der früheren Stadtmauer, waren 95 Prozent der Gebäude zerstört oder so schwer beschädigt, dass sie nicht mehr bewohnbar waren.

Zerstörung in mehreren Etappen

Wie ist diese Katastrophe zu erklären, vor allem auch im Blick auf Städte der Umgebung, die sehr viel glimpflicher über die letzten Kriegstage kamen?
Die Kriegszerstörung Crailsheims 1945 ereignete sich in mehreren Etappen und ihr Ablauf weist Besonderheiten auf, die Crailsheim von den Nachbarstädten deutlich unterscheidet.
Erste größere Schäden verursachten zwei schwere Luftangriffe am 23. Februar und am 4. April 1945, die sich gegen den Bahnhof und gegen den im Westen der Stadt gelegenen Fliegerhorst richteten. Teile der westlichen Innenstadt inklusive des Rathausturms wurden dabei schwer getroffen. Die beiden Angriffe forderten knapp 100 Menschenleben. Trotz der verursachten Schäden war die Stadt von einer Komplettzerstörung noch weit entfernt, weite Bereiche des Stadtgebietes noch intakt.

Ein zweifelhaftes „Alleinstellungsmerkmal“

Die „Sonderrolle“ Crailsheims begann am 5./6. April 1945, als motorisierte Einheiten der US-Armee die starken deutschen Verteidigungsstellungen an Neckar und Jagst bei Heilbronn umgingen und in schnellem Tempo entlang der heutigen Bundesstraße (B 290) nach Süden vorstießen. Am Spätnachmittag des 6. April erreichten sie Crailsheim und besetzten die Stadt ohne große Kampfhandlungen. Damit hätte der Krieg für die Bewohner der Stadt zu Ende sein können und es wäre – alles in allem – ein glückliches Ende gewesen.

Massive Gegenangriffe von Wehrmacht und SS

Aber der Vorstoß der US-Truppen, dessen eigentliches Ziel die Umfassung der deutschen Stellungen bei Heilbronn war, was die gesamte deutsche Front in Südwestdeutschland bedrohte, rief massive Gegenangriffe von Wehrmacht und SS hervor – und diese richteten sich vor allem gegen Crailsheim. Ab dem 8. April beschoss deutsche Artillerie die Stadt, alle verfügbaren deutschen Truppen, bis hin zu Gebirgsjäger-Einheiten aus dem Alpenraum, wurden in die „Schlacht um Crailsheim“ geworfen. Und es gelang dem deutschen Militär etwas, was ihnen an der Westfront außer in Crailsheim nie gelang: Sie konnten die Stadt, wenn auch unter enormen Verlusten, für zehn Tage, vom 11. bis zum 20. April, von den Amerikanern zurückgewinnen – ein zweifelhaftes „Alleinstellungsmerkmal“ Crailsheims.
Die Stadt wurde in der Folge mit Panzersperren und Maschinengewehr- Stellungen befestigt, die Bevölkerung durch SS und Parteifunktionäre massiv unter Druck gesetzt.

Der 20. April 1945

Aber natürlich war der deutsche „Sieg“ in Crailsheim nur ein kurzes Intermezzo. Die US-Truppen rückten in den folgenden Tagen wieder auf Crailsheim vor – diesmal auf breiter Front – und standen am Abend des 20. April 1945 zum zweiten Mal vor der Stadt. Nach ersten Beschießungen versuchten die Amerikaner die Stadt zur Übergabe zu bewegen, es fand sich jedoch auf Stadtseite kein Verantwortlicher, der die Verhandlungen geführt hätte. Daraufhin erfolgte der massive Beschuss der Stadt, der zu schweren Bränden und großen Zerstörungen führte. Die Crailsheimer Innenstadt war verloren.

Weißes Bettlaken und Hakenkreuzfahne

Eine fast bizarre Szene, die aber vielleicht einen kleinen Einblick in die Gefühlslage der Crailsheimerinnen und Crailsheimer in diesem Moment gibt, berichtet eine der wenigen zu diesem Zeitpunkt noch in der Stadt befindlichen Personen. Herr Kirn, der noch versucht hatte, beim Löschen in der Innenstadt zu helfen, befand sich am Spätnachmittag des 20. April auf dem Heimweg in seine Wohnung am östlichen Stadtrand. In der Schönebürgstraße sieht er zwei Fahnen aus dem Fenster hängen: zum einen ein weißes Bettlaken als Zeichen der Kapitulation, der Hoffnung auf die Beendigung der Kämpfe, zum anderen eine Hakenkreuzfahne! Der 20. April war schließlich auch der Geburtstag Adolf Hitlers.

Kriegsende für manche Crailsheimer auch die Rettung

Auch wenn die Geschehnisse des Kriegsendes im April 1945 von den allermeisten Bewohnern der Stadt als Katastrophe wahrgenommen wurden und mit Erfahrungen von Angst, Zerstörung und des Verlustes von Eigentum oder gar Menschenleben verbunden waren, gab es auch Crailsheimerinnen und Crailsheimer, die den Vormarsch der Alliierten sehnsüchtig erwarteten.

In den Lagern und Gefängnissen der Nationalsozialisten saßen auch Menschen aus Crailsheim, für die das Kriegsende mit der vernichtenden Niederlage Nazi-Deutschlands die Rettung bedeutete:
So wurde die 45-jährige Betty Essinger, geborene Pappenheimer, aus der Wilhelmstraße, Anfang 1945 von der Roten Armee in einem Lager in Lettland befreit, desgleichen die gebürtige Crailsheimerin Lina Kohn (Jagststraße), die Auschwitz überlebte. Mehrere KZ-Lager durchstand Moritz Eichberg, bevor er am 9. Mai 1945 in Theresienstadt befreit wurde und ab 1951 seine Pferde- und Viehhandlung in der Langen Straße betrieb.

Gymnasialprofessors Fritzmartin Ascher

Nach dem Einmarsch der Franzosen am 20. April 1945 endete auch die mehr als zweijährige Haftzeit Eugen Grimmingers im Zuchthaus Ludwigsburg. Er war als Unterstützer der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Und im April 1945 endete schließlich auch die Leidenszeit des Gymnasialprofessors Fritzmartin Ascher, der als jüdischstämmiger Mann das „Dritte Reich“ nur aufgrund seiner Ehe mit einer „Arierin“ überlebte („privilegierte Mischehe“). Unter diskriminierenden Bedingungen hatte er als Straßenkehrer und Totengräber in Mühlacker die NS-Zeit überstanden. Im Mai 1948 wurde er Schulleiter am späteren Albert-Schweitzer-Gymnasium in Crailsheim.

Weitere Informationen und Kontakt:

www.stadtarchiv-crailsheim.de

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„Lang beschattete Täler“ – Eine Fortsetzungsgeschichte aus Hohenlohe von Birgit Häbich: Der Episoden dritter Teil

„Lang beschattete Täler“ – Eine Fortsetzungsgeschichte zu „Irgendwo in Hohenlohe“ von Birgit Häbich: Der Episoden dritter Teil. Die geschilderten Handlungen, Personen und Namen sind frei erfunden. Es werden keine realen Namen von Personen angegeben. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten, lebenden oder toten Personen wären rein zufällig, und sind weder gewollt noch beabsichtigt.

Von Birgit Häbich

III Schtrom

… es klingelte, das müsste jetzt Heiner sein. Paul stand schwerfällig auf und schleppte sich mit schlurfendem Schritt zum Fenster, um nachzusehen, wer unten stand. Ja, es war Heiner, ihr dritter Mann, der sich nun demnächst zu ihnen gesellen würde. Paul betätigte den Türöffner und nickte Carl kurz, eher mit den Augen als mit dem Kopf zu. Mit den knappen Worten: „Mach ihm bitte auf“, hinkte Paul Richtung Bad. Und Carl ging durch die kleine Diele zur Wohnungstür, um den gemeinsamen Freund hereinzulassen.

Männerfreundschaft

Carl Eugen Friedner blickte besorgt zu dem Freund hinab und fragte sich im Stillen, wie lange Heiner noch solche Treppen erklimmen würde. Seine beiden Freunde bauten in letzter Zeit sehr schnell ab, gerade jetzt wo sie sich endlich so gut kannten, dass man wusste wie der andere eine Bemerkung auffassen würde, wo nicht mehr jedes Wort auf die Goldwaage gelegt würde, um eventuelle, womöglich sogar gezielt geäußerte Beleidigungen herauszulesen, welche man dann mit spitzfindigen Kommentaren erwidern würde. Nein, diese Zeiten waren vorbei, sie hatten sich zu dritt eine haltbare Männerfreundschaft aufgebaut.

Firlefanz

Heiner, der früher mindestens zwei Treppenstufen auf einmal nahm, hatte die Linke am Handlauf und mit der Rechten stützte er sich auf einen Stock, um sich Stufe um Stufe zu ihm hochzuarbeiten. „Mensch, diese alten Treppenhäuser“, schimpfte er, „und alle immer noch ohne Aufzug. Sollte verboten werden, wo wir Strom ohne Ende erzeugen könnten, um ihn dann verschwenderisch für allen lebenserleichternden Firlefanz zu verbrauchen“. Zur Erholung machte er eine kleine Pause und stellte dabei eine seiner üblichen, sich selbst beantwortenden rhetorischen Schachtelsatzfragen: „Kann es möglich sein, in so ein großes Treppenhaus einen Treppenlift einzubauen? Wenn ja warum gibt es noch keinen? Wenn nein, hat man das seither nur wegen der Möglichkeit, dass eventuell der Strom ausfällt, und man dann in der Wand stecken bleibt, unterlassen?“ Und schnaufte sich Stufe für Stufe weiter in Richtung erstem Stock.
Mit seiner üblichen dröhnenden Begrüßung: „Hallo Carl“, erklomm Heiner die letzte Stufe und nahm Carl Eugen Friedner, in seiner gewohnten herzlichen Art, fest in die weit geöffneten Arme. Carl freute sich, Heiner wiederzusehen und war erleichtert über dessen unverwüstlichen Frohsinn. Er würde ihm helfen, Paul von seinen trüben Gedanken weg, zu ihrer genussvollen Männerrunde hinzustimmen.

Regenerative dezentrale Stromerzeugung

Wie Paul, war Heiner Grün, ein studierter Pädagoge, hatte aber sein Lehrerdasein schon bald an den Nagel gehängt, um sich voll und ganz der regenerativen dezentralen Stromerzeugung zu widmen. Heiner Grün war einst Realschullehrer. Er unterrichtete Physik und setzte auf die heranwachsende Jugend, welche sich dann für eine bessere Welt einsetzen sollte. Heiner gab seine Lehrtätigkeit in den Siebzigern für die Gründung seiner Energiefirma auf, er wollte effektiver für die Zukunft arbeiten.
Es erschein ihm nicht möglich, was ihm vorschwebte, mit erzieherischen Predigten an Jugendliche zu erreichen. Es ging ihm nicht schnell genug seine Überzeugung als Lehrperson über langwierige Schuljahre und Legislaturperioden* hinweg und durch- und umzusetzen – er lebte für die Idee der dezentralen Stromerzeugung durch regenerative Energie, welche demokratisch und in Bürgerhand verwaltet werden sollte. Heiner gehörte zu den überzeugten Vorreitern der grünalternativen Szene, die sich bereits für einen schonenden Umgang mit unserem Erdball einsetzten, als andere Leute noch kniefällig an die saubere atomare Technik glaubten.

Herzerkrankungen und Schlaganfälle

Paul Malibo, Heiner Grün und Carl Eugen Friedner lernten sich vor einigen Jahren bei einer Informationsveranstaltung zur Nachsorge von Herzerkrankungen und Schlaganfällen in der Meziklinik im Luftkurort Hoheitshausen im Schwarzwald kennen und verstanden sich auf Anhieb. Machten lange gemeinsame Spaziergänge auf den vielen Wanderwegen der Gegend und genossen ihre ausgiebigen gepflegten Unterhaltungen. Sie waren alle drei Nachkommen tüchtiger Eltern, Handwerker, welche Wert auf eine gute Bildung ihrer Söhne legten. Daher genossen sie in den sechziger und siebziger Jahren den Vorteil einer höheren Schulbildung.

Glaubensgemeinschaft

Bei Heiner und Carl machten mehrschichtige gesundheitliche Probleme langwierige Krankenhausaufenthalte nötig. Und so wurden sie zur sogenannten „Reha“ nach Hoheitshausen, in die gute Höhenluft des mittleren Schwarzwaldes geschickt – Paul beteiligte sich lediglich ambulant an den auferlegten Nachsorgeterminen. Er lebte schon jahrelang in der in Hoheitshausen ansässigen Glaubensgemeinschaft, da seine Tochter Gisléne dort die zugehörige christliche Schule besuchte. Und weil Paul seine Tochter keinesfalls lange alleine lassen wollte, kam für ihn nur eine Maßnahme an seinem Wohnort in Hoheitshausen in Frage.

Künstler in der „Karinakrise“

Als Heiner sich an den Esstisch im Wohnzimmer gesetzt hatte, ging Carl in die Küche, um weiteres Bier und Knabbereien für den Männerabend zu holen. Plötzlich kam ihm seine geliebte Paula in den Sinn. Wie ging es ihr wohl jetzt, jetzt wo die „Karinakrise“ alle Künstler schwer in ihrer Existenz treffen würde. Man hatte kurzerhand sämtliche Theater, Musik- und Kulturveranstaltungen verboten. Die Kunstschule an der Paula mitwirkte, war geschlossen worden. Er würde sich nach seinem Ausflug in den Schwarzwald, sofort mit ihr in Verbindung setzen. Vielleicht brauchte sie gerade jetzt seine Hilfe … Fortsetzung folgt.

*Legislaturperioden: Wahlperioden, Gesetzgebungsperioden, Amtsperioden der jeweiligen gewählten, gesetzgebenden Volksvertretung (Parlament), die Dauer beträgt je nach dem gesetzlich festgelegten Zeitraum, der Landtag von Baden- Württemberg hatte eine Legislaturperiode von früher vier, jetzt von fünf Jahren

Kontaktaufnahme zur Autorin ist möglich unter folgender E-Mail-Adresse:

b.haebich@web.de

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„Wir helfen Schwäbisch Hall“ – Neue NonProfit-Aktion in der Kreisstadt

Es gibt eine neue NonProfit-Aktion in Schwäbisch Hall mit dem Namen „Wir helfen Schwäbisch Hall“. Die Internetadresse lautet www.helfensha.de/shop

Von Willi Maier, Schwäbisch Hall

Gutscheine kaufen

„Ich selbst arbeite bei den Naturfreunden und im Lemberghaus mit und möchte euch empfehlen, einen oder mehrere Gutscheine vom Lemberghaus zu kaufen, den ihr dann nach der Corona-Pandemie einlösen könnt.“

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„Das tödliche Rezept von Merkel und Schäuble“ – In Italien und Spanien wurden die Gesundheitssysteme kaputt gespart

Unsere Medien berichten ausführlich über Horrorszenen, die sich tagtäglich in italienischen und spanischen Krankenhäusern abspielen. Wir erfahren, dass Menschen unter dem maroden Gesundheitssystem zu leiden haben. Darüber wie es dazu kam, dass die Gesundheitssysteme, so marode sind, erfahren wir nichts.

Kommentar von Paul Michel, Schwäbisch Hall

Bundesregierung als Antreiber und Scharfmacher

Das Corona-Virus traf in Spanien und Italien auf gesellschaftliche Infrastrukturen, die von mindestens einem Jahrzehnt harter Sparpolitik wund geschlagen waren. Kaum jemand in der BRD weiß, dass die Gesundheitssysteme in beiden Ländern nicht immer so schlecht waren wie sie heute sind. Im Jahr 2000 bewertete die WHO das italienische Gesundheitssystem als das zweitbeste der Welt, nach Frankreich. Spanien lag auf Platz 7, weit vor Deutschland auf Platz 25. Dafür, dass das spanische und italienische Gesundheitssystem am Abgrund stehen, gibt es einen Grund: Sie wurden in der „Eurokrise“ kaputtgespart – auf Druck der europäischen Institutionen. Nach einer jüngsten Untersuchung sprach die EU zwischen 2011 und 2018 insgesamt 63 „Empfehlungen“ für Kürzungen oder Privatisierungen im Gesundheitswesen der EU-Staaten aus. Dabei tat sich die Bundesregierung als Antreiber und Scharfmacher hervor.

Verheerende Kürzungen in Italien

Rom, August 2011: In das Postfach der italienischen Regierung flattert ein Brief der Europäischen Zentralbank. Die EZB erklärt in ihrem Schreiben, dass Schutz vor steigenden Zinsen auf italienische Staatsanleihen nur unter der Bedingung harter Einschnitte gewährt würde. Zur gleichen Zeit, Oktober 2011, war auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) unzufrieden mit den Sparanstrengungen Italiens. „Italien muss seine Hausaufgaben machen“, forderte der deutsche Austeritätspolitiker. Die italienische Regierung unter dem ehemaligen EU-Kommissar Mario Monti tat wie von Schäuble geheißen. Sie verabschiedete eine Reihe von Gesetzen, mit denen die Gesamtfinanzierung der öffentlichen Gesundheit um 900 Millionen Euro im Jahr 2012, 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2013 und weitere zwei Milliarden Euro im Jahr 2014 gekürzt wurde. Dadurch gingen die Mittel für unentbehrliche Medikamente und den nationalen Gesundheitsfonds zurück. In der Folge sank die Anzahl von Krankenhäusern im Land um 15 Prozent. „Es wurden verheerende Kürzungen vorgenommen“, sagt Guido Marinoni, Präsident des Ärztebundes der besonders betroffenen Stadt Bergamo. Das Krankenhaus Johannes Paul XXIII. zum Beispiel – Symbol für das Sterben Hunderter Menschen in der Region – habe 400 Betten, vor ein paar Jahren seien es noch 1.000 gewesen.

Ungeheuerliche Einsparungen in Spanien

„Die Einsparungen der vergangenen zehn Jahre waren ungeheuerlich“, sagt Mercedes Romero, Verwaltungsangestellte und Betriebsrätin im Hospital Severo Ochoa in Leganés bei Madrid. Die spanische Regierung sah sich von den gleichen europäischen Institutionen gezwungen, ein Kürzungsprogramm zu unterzeichnen.

Sparkommissare Merkel und Schäuble

Und abermals als Scharfmacher und Sparkommissar im Hintergrund: Merkel und Schäuble. Daraufhin wurden die Ausgaben für das Gesundheitssystem allein im Jahr 2012 um 5,7 Prozent gedrückt. Das Land hat seit 2010 knapp elf Prozent seiner Krankenhausbetten verloren. Nach jüngsten Daten des Europäischen Statistikamtes Eurostat hatte man 2008 noch 320 Betten pro 100.000 Einwohner, 2017 waren es nur noch 297. Vor 20 Jahren waren es sogar noch 365. In der EU-Rangliste ist Spanien weit hinten.

Laut einer Untersuchung der CCOO, der größten Gewerkschaft in Spanien, wurde nach 2010 das Budget des Gesundheitswesens um knapp zehn Prozent, die Personalausgaben um sieben Prozent und das Investitionsbudget um 62 Prozent gekürzt. Die gesamten öffentlichen Gesundheitsausgaben wurden um elf Prozent reduziert, die Gesundheitsausgaben in den öffentlichen Verwaltungen sind pro Einwohner um 12,6 Prozent gesunken. Insgesamt wurden Gehaltskürzungen zwischen 18 Prozent und 23 Prozent (je nach Region und Berufskategorie) vorgenommen.

Kahlschlag in Griechenland

Aber am härtesten traf es bekanntlich Griechenland: Die staatlichen Mittel wurden zwischen 2009 und 2016 von 16,2 Milliarden auf 8,6 Milliarden Euro fast halbiert. Mehr als 13.000 Ärzte und über 26.000 sonstige im Gesundheitswesen Angestellte wurden entlassen. 54 der 137 Krankenhäuser wurden geschlossen und das Budget der übriggebliebenen um 40 Prozent gesenkt. Insgesamt fielen zwischen 2011 und 2016 bei etwa elf Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern mehr als drei Millionen Menschen völlig aus dem Schutz einer Krankenversicherung.

Same Old Story

Wer gehofft hatte, dass die Bundesregierung angesichts des zum Himmel schreienden Dramas in den Kliniken Italiens und Spaniens die eigene Verantwortung anerkennen würde, sieht sich getäuscht. Es ist nicht erkennbar, dass die Bundessregierung ihre in den 2010er Jahren praktizierte Erpressungspolitik gegenüber den damals abfällig als PIiGS Staaten (Portugal, Italien, Irland, Griechenland, Spanien) bezeichneten Ländern der europäischen Peripherie kritisch überdenken würde. Und es gibt keinerlei Anzeichen, dass die Bundesregierung gegenüber Italien oder Spanien um Wiedergutmachung bemüht wäre.

Politik des „Deutschland Zuerst“

Gegenüber den genannten Ländern hat sich allenfalls die Rhetorik geändert. In der Substanz wird eine Politik des „Deutschland Zuerst“ praktiziert. Dabei schimmert immer wieder die alt bekannte Arroganz gegenüber den „faulen Südländern“ durch, gekoppelt mit dem Anspruch, ihnen vorzuschreiben, was sie zu tun und was sie zu lassen haben.

Das zeigt sich an der Haltung der Bundesregierung zu Corona Bonds – was Thema des nächsten Artikels sein wird.

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„Jugendbüro Crailsheim: Schulsozialarbeit, Offene und Mobile Jugendarbeit bleiben aktiv“ – Wichtige Telefonnummern bei Problemen und Konflikten zu Hause

Trotz der aktuellen Corona-Situation und der Schließung von Schulen sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendbüros weiterhin erreichbar. Für die kommende Zeit wurde ein abwechslungsreiches Programm für die Sozialen Medien und die Internetseite entwickelt.

Von der Stadtverwaltung Crailsheim

Für Jugendliche online erreichbar

„Uns ist es wichtig, in dieser nicht ganz einfachen Zeit für Familien, vor allem auch für die Jugendlichen, da zu sein“ berichtet Katharina Kalteiß, Leiterin des Jugendbüros. Auch wenn derzeit alle öffentlichen Einrichtungen, also auch Schulen und Jugendräume, geschlossen sind, bleiben die Mitarbeiter des Jugendbüros weiterhin erreichbar.
Die Jugendarbeit orientiert sich an der Lebenswelt und den Bedürfnissen der Jugendlichen und die digitalen Medien und Netzwerke sind Teil ihres Alltages. Das Jugendbüro versteht es als Aufgabe und Chance, sich auf die Entwicklung der Jugendarbeit einzulassen sowie diese neu und digital auszurichten.

Kontakt und Beratung

„Wir dürfen an ihrer Online-Lebenswelt teilhaben. Dies ermöglicht uns neue Zugänge für die Kontakt- und Beziehungspflege, präventive Beratung und Information sowie die kreative und jugendkulturelle Arbeit“, meint Katja Kliemank, Mitarbeiterin der Offenen Jugendarbeit in Crailsheim. Daher ist das Jugendbüro trotz der gegenwärtigen Umstände unverändert aktiv, wie beispielsweise über die sozialen Medien Instagram und Facebook. Unter dem Accountnamen „jugendbuero_crailsheim“ dürfen sich die Jugendlichen über täglich neu vorgestellte Ideen und Infos auf Instagram freuen. So wird montags immer eine Wochenaufgabe ausgerufen, donnerstags gibt es beispielsweise neue Informationen zur aktuellen Situation und am Freitag bietet das Jugendbüro eine kreative Idee für das Wochenende.

Bilderwettbewerb

Auch eine „Bilderchallenge“ ist geplant, bei der einzelne Fotoausschnitte aus Crailsheim veröffentlicht werden, hinter denen sich immer besondere Geschichten verbergen, die erraten werden wollen. Auf Facebook sind die Aktionen, Ideen und wichtige Informationen unter „Jugendbüro Crailsheim“ zu finden. Ebenso werden alle Angebote auch auf der Internetseite online gestellt.

Malwettbewerb für Kinder und Jugendliche

Damit es auch weiterhin nicht langweilig wird, ruft das Jugendbüro einen Malwettbewerb für Kinder und Jugendliche zum Thema „Mein Zuhause“ auf. Einfach das Kunstwerk mit ausgefüllter Einverständniserklärung, die zum Download auf der Homepage bereitsteht, bis zum 19. April 2020. per Post oder E-Mail an das Jugendbüro jugendbuero@crailsheim.de. senden und verschiedene Preise gewinnen.

Wichtige Telefonnummern bei Problemen und Konflikten zu Hause:

„Nummer gegen Kummer“ für Kinder und Jugendliche: 116 111

Elterntelefon: 0800 111 0550

Pflegetelefon: 030 2017 9131

Hilfetelefon „Schwangere in Not“: 0800 404 0020

Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“: 0800 011 6016

Info: Alle Informationen zu Kontaktdaten, Notfallnummern, Freizeitideen und der Schulsozialarbeit finden sich im Internet auf der Seite

www.jugendbuero-crailsheim.de

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„Sie halten das System am Laufen: Menschen in Pflege- und Gesundheitsberufen, in Supermärkten, in der Landwirtschaft und in Versorgungssystemen“ – Informationen des „Forum Umwelt und Entwicklung“

Die Corona-Krise hält die Welt in Atem. Durch Maßnahmen wie #StayAtHome und die Verlagerung von Arbeitsprozessen ins Home Office versuchen auch wir im Netzwerk derzeit, einen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie zu leisten – und denjenigen die Arbeit zu erleichtern, die derzeit das System am Laufen halten: Menschen in Pflege- und Gesundheitsberufen, in Supermärkten, in der Landwirtschaft und in Versorgungssystemen.

Informationen des „Forum Umwelt und Entwicklung“

Schattenseiten der globalisierten Produktions- und Lieferketten

Mittel- bis langfristig wird es jedoch auch darum gehen, die richtigen politischen Konsequenzen aus der Krise zu ziehen. Die Pandemie bringt politische Diskussionen auf die Tagesordnung, die noch vor wenigen Monaten undenkbar schienen – zum Beispiel über die Schattenseiten der globalisierten Produktions- und Lieferketten und damit entstehender Abhängigkeiten. Über die fatalen Auswirkungen des viel zu lange vorangetriebenen Sparkurses im Gesundheitssystems sowie eines Wirtschafts- und Handelssystems, das die profitable Ausweitung von Märkten als wichtigstes Ziel verfolgt.

Zugang zu Medikamenten erschwert

Die Krise zeigt auch, welche ökonomischen Tätigkeiten wirklich systemrelevant sind. Und es sind gerade nicht diejenigen, in deren (Export)-Interessen jahrzehntelang Handels- und Investitionsschutzabkommen abgeschlossen wurden – sondern häufig diejenigen, die sowieso bereits mit den negativen Folgen dieser Abkommen konfrontiert waren: Auch mit Hilfe von Freihandelsabkommen wurden Gesundheitsdienstleistungen jahrzehntelang liberalisiert und privatisiert, die bäuerliche Landwirtschaft unter Druck gesetzt und durch Verschärfung von Eigentumsrechten der Zugang zu Medikamenten erschwert.

„Das neoliberale Weltmarktprojekt ist gescheitert“

Sicherlich, wir befinden uns im Krisenmodus. Schon sind Stimmen zu vernehmen, die eine möglichst schnelle Rückkehr zum Business as Usual einfordern. Angesichts der Ungleichheiten, die dieses Business as Usual bisher produziert hat, kann das aus unserer Sicht keine Option sein. Vielmehr gilt es gerade angesichts der Krise, auf verfehlte Politikansätze hinzuweisen und progressive Krisenlösungen einzufordern: „Das neoliberale Weltmarktprojekt ist gescheitert. Jetzt ist es Zeit, die Handelsbeziehungen auf Basis eines neuen Wirtschaftskonzepts umzugestalten und dabei das gute Leben für alle in den Mittelpunkt zu stellen“, konstatierte Alexandra Strickner von Attac Österreich in einem sehr lesenswerten Kommentar, der in der österreichischen Zeitung „Der Standard“ erschienen ist.

Daher wollen wir an dieser Stelle auf einige empfehlenswerte Diskussionsbeiträge und Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Organisationen zur Corona-Krise hinweisen:

· Unter dem Stichwort „Corona: Was jetzt wirklich wichtig ist“ zeigt Attac die Konstruktionsfehler unserer profitorientierten globalisierten Wirtschaft auf und sammelt Beiträge dazu, wie wir zu einer solidarischen, sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Gesellschaft kommen und was wir aus der Corona-Krise lernen können.

· Medico international weitet im Dossier „Solidarität in Zeiten der Pandemie“ den Blick auf die globale Perspektive und mahnt, dass die existierenden Ungerechtigkeiten in der Krise noch weiter verschärft werden.

· Auch der Corona-News-Ticker von Inkota hebt die Auswirkungen der Pandemie für den Globalen Süden hervor, wo vielerorts die Menschen nicht nur gegen die Ausbreitung des Virus, sondern um ihre eigene Existenz kämpfen.

· In den Lobby-News rund um Corona stellt LobbyControl ausgewählte Artikel und Kommentare vor, die Fragen von Demokratie und Grundrechten, Lobbyismus und Einflussnahme und sozialen und politischen Ungleichgewichten berühren.

· Die Klimaschutz-Organisation 350.org ruft mit ihrem Offenen Brief „Grundsätze für eine #JustRecovery von COVID-19“ zu einer globale Strategie als Reaktion auf die Pandemie auf, die eine gerechte Zukunft für alle in den Mittelpunkt stellt.

· Greenpeace hat eine Petition für einen Neustart mit grünem Konjunkturprogramm gestartet: Wenn wir jetzt in erneuerbare Energien, saubere Mobilität, naturnahe Landwirtschaft und energiesparende Gebäude investieren, können wir eine grüne, gesunde und widerstandsfähige Wirtschaft schaffen, in der die Menschen und unsere Erde an erster Stelle stehen.

· Auch den Malwettbewerb von PowerShift wollen wir an dieser Stelle erwähnen – als ganz praktischen Tipp gegen Langeweile beim Zuhause-Bleiben: Alle Kinder sind herzlich dazu eingeladen, kreative Vorschläge für die „Straßen von morgen“ einzusenden: Sind sie grün und voller Radfahrerinnen und Fußgängerinnen? Wie viel Platz sollen große Autos bekommen, und wird es gar ganz neue Transportmittel geben?

Verhandlungen über den Welthandel

Welche Auswirkungen die Corona-Krise auf den Fortschritt der laufenden Handelsverhandlungen hat, ist übrigens noch weitgehend unklar. Während die WTO-Konferenz im Juni abgesagt wurde, fanden die Verhandlungsrunden der EU mit Australien und Neuseeland wie geplant statt, beziehungsweise wurden ins Internet verlegt.

Sicher ist: Wir bleiben dran und setzen uns auch während Corona-Zeiten für eine solidarische Welthandelspolitik ein. Aktuelle Neuigkeiten aus der Welt der Handels- und Investitionspolitik erfahren Sie wie immer in unserem Newsletter.

  • + + EU-Mercosur-Abkommen + + +

Das Handelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay wird derzeit rechtlich geprüft und dann in alle Amtssprachen übersetzt. Bereits Ende letzten Jahres hatte die Bundesregierung angekündigt, das Abkommen während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft (1. Juli bis 31. Dezember) voranbringen zu wollen. Schon im frühen Herbst könnte es somit im EU-Ministerrat zur Abstimmung stehen.

Ob dieser Zeitplan einzuhalten ist, hängt stark vom weiteren Verlauf der Corona-Pandemie und seiner Folgen ab. Die argentinische Regierung, die sich zuletzt zunehmend kritisch äußerte, muss aktuell vor allem die durch die Pandemie noch verstärkte wirtschaftliche Krise bewältigen. Der brasilianische Präsident Bolsonaro gerät wegen seiner Verharmlosung der Pandemie und fehlender Maßnahmen zunehmend unter innenpolitischen Druck und es ist unklar, ob er seine Machtbasis langfristig aufrechterhalten kann – und wie das Land nach der Pandemie dastehen wird. Ebenfalls unklar ist derzeit, ob die von der Bundesregierung geplanten Veranstaltungen zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft wie geplant stattfinden können, und welche der geplanten Themenschwerpunkte tatsächlich auf der Agenda landen.

  • + + Abstimmung über CETA in den Niederlanden + + +

Mitte Februar stimmte das niederländische Unterhaus über das Handels- und Investitionsschutzabkommen der EU mit Kanada (CETA) ab. Nach wochenlangen intensiven öffentlichen Debatten fiel das Ergebnis schließlich mit 71 Ja- zu 69 Nein-Stimmen denkbar knapp für die vollständige Ratifizierung des Abkommens aus. Die Zustimmung ist aber nur die erste Hürde, auch das Oberhaus (das etwa dem Deutschen Bundesrat entspricht) wird noch entscheiden müssen. Dort hat die Koalition des liberalen Premiers Mark Rutte keine Mehrheit, eine Zustimmung gilt daher als unwahrscheinlich. Wann das Oberhaus abstimmen wird, ist noch nicht bekannt.

Ratifizierungsverfahren in Deutschland

In Deutschland wird das Ratifizierungsverfahren aller Voraussicht nach starten, sobald das Bundesverfassungsgericht über die anhängigen Klagen geurteilt hat. Doch auch dieser Zeitpunkt ist immer noch nicht bekannt.

Deutscher Bundestag und Bundesrat über CETA

Sicher ist hingegen: Früher oder später werden auch der Deutsche Bundestag und Bundesrat noch über CETA abstimmen. Insbesondere im Bundesrat haben wir eine Chance, das Abkommen zu stoppen, denn in 11 von 16 Landesregierungen sind mittlerweile Bündnis90/Die Grünen beteiligt, die sich auf Bundesebene immer konsequent gegen CETA ausgesprochen haben. Diese Position gilt es auch auf Länderebene beizubehalten! Schon allein deswegen, weil die Ratifizierung des Abkommens einer „Selbstentmachtung der Politik im Kampf gegen die Klimakatastrophe“ gleichkomme, wie Alessa Hartmann von PowerShift in einem Beitrag im Berliner Tagesspiegel aufzeigte.

Online-Konferenz über CETA

Für alle, die ihr Wissen über CETA auffrischen wollen, bieten wir am 16. und 17. Mai 2020 eine Online-Konferenz an. Wer sich zum ersten Mal mit dem Abkommen beschäftigt, kann zudem bereits am 10. Mai 2020 an einem einführenden Webinar teilnehmen – und wer selbst gegen CETA aktiv werden will, ist herzlich eingeladen, an der Planung von Aktivitäten teilzunehmen.

Mehr Infos gibt es in Kürze im Internet auf folgender Seite: www.gerechter-welthandel.org/ceta

  • + + Rechtsstreit über die Geheimhaltung bei CETA-Ausschüssen + + +

Seitdem CETA in Kraft getreten ist, tagen Ausschüsse und Foren, um den Handel zwischen Kanada und der EU zu vereinfachen. In diesen Gremien wird jedoch auch Politik gemacht und es besteht ein hohes Risiko, dass hier ohne Kontrolle durch Parlamente, JournalistInnen und Öffentlichkeit Entscheidungen zum Beispiel gegen den Verbraucherschutz geplant werden. Doch während die Kommission die Tagesordnungen der Sitzungen veröffentlicht, gelten die Ergebnisse als geheim. Den Antrag des Umweltinstituts München auf Veröffentlichung der Protokolle eines Treffen im März 2018, bei dem Pestizidpolitik auf der Tagesordnung stand, lehnte die Kommission trotz der europäischen Informationsfreiheitsverordnung ab. Ihr wichtigstes Argument war, dass die kanadische Bundesregierung sich dagegen sperrt. Gegen diesen Bescheid erhob das Umweltinstitut Ende 2018 Klage vor dem Gericht der Europäischen Union in Luxemburg. Das Verfahren dauert inzwischen über ein Jahr und ist noch nicht entschieden.

EU-Kommission wollte pikante Informationen verheimlichen

Im Frühling 2019 bat das Umweltinstitut eine Kollegin der Organisation Council of Canadians, eine gleichlautende Anfrage nach dem kanadischen Informationsfreiheitsgesetz zu stellen. Die kanadische Regierung stellte ihr daraufhin das Protokoll und einige weitere Dokumente zur Verfügung. Offenbar war es nicht die kanadische Regierung, sondern die EU-Kommission, die die pikanten Dokumente unter Verschluss halten wollte. Auch wenn die Unterlagen inzwischen öffentlich sind, führt das Umweltinstitut den Rechtsstreit mit der Kommission fort. Denn dabei geht es grundsätzlich um die Frage, wie viel wir als BürgerInnen über die Verhandlungen in den CETA-Ausschüssen wissen dürfen.

Mehr Infos finden sich auf der Webseite des Umweltinstitutes.

  • + + Die Gefahren der CETA-Ausschüsse + + +

Mittlerweile hat die kanadische Organisation Council of Canadians zusammen mit Foodwatch Niederlande einen Bericht (in englischer Sprache) veröffentlicht, der die Tätigkeit des CETA-Ausschusses für Gesundheit und Pflanzengesundheit unter die Lupe nimmt. Anhand von Sitzungsunterlagen konnten sie aufzeigen, dass kanadische Behörden den Ausschuss nutzen, um europäische Grenzwerte für Pestizide anzugreifen – und dass sie damit zumindest teilweise erfolgreich sind. In Gesprächen über das Insektizid Dimethoat und den Herbizidwirkstoff Glyphosat – die beide im Verdacht stehen, krebserregend zu sein – äußerte der CETA-Ausschuss nicht nur Zustimmung zu Kanadas niedrigeren Standards, sondern beschloss darüber hinaus, sich aktiv für eine Änderung der EU-Vorschriften einzusetzen. Die Dokumente zeigen zudem Fälle auf, in denen sich die kanadischen Regulierungsbehörden umgekehrt weigern, die europäischen Standards zu diskutieren. Die Begründung: Aufgrund der größeren Bedeutung des US-Marktes müssten sie eine Harmonisierung mit den dort geltenden Standards bevorzugen.

  • + + TTIP 2.0 + + +

Auch in Zeiten der Corona-Krise führen die EU und die USA ihre Gespräche über zwei Handelsabkommen fort; in den vergangenen Wochen soll es mehrere Videokonferenzen zwischen EU-Handelskommissar Phil Hogan und US-Botschafter Robert Lighthizer zu diesem Thema gegeben haben. Zur Erinnerung: Im Sommer 2018 veröffentlichten US-Präsident Trump und EU-Kommissionspräsident Juncker ein gemeinsames Statement, in dem sie die Wiederaufnahme von Handelsgesprächen in einzelnen Bereichen ankündigten. Seit Frühjahr 2019 finden offizielle Verhandlungen statt: zum Abbau von Zöllen einerseits sowie zur Zusammenarbeit bei der so genannten „Konformitätsbewertung“ andererseits. Damit ist gemeint, dass beispielsweise Prüfverfahren für Produkte im jeweils anderen Land als gleichwertig akzeptiert werden.

Ernstzunehmende Gefahr für demokratische Entscheidungsprozesse

Doch was harmlos bürokratisch klingt, birgt tatsächlich eine ernstzunehmende Gefahr für demokratische Entscheidungsprozesse. Denn unter dem Deckmantel der Konformitätsbewertung diskutieren die Verhandlungsparteien auch die Angleichung beziehungsweise Absenkung von Standards, die vermeintlich den Handel behindern – beispielsweise Standards zur Lebensmittelsicherheit. Insbesondere bei den in der Fleischproduktion erlaubten Chemikalien, bei den erlaubten Höchstwerten an Pestizidrückständen sowie bei gentechnisch veränderten Organismen und neuen Gentechnik-Verfahren besteht die Gefahr, dass die EU Zugeständnisse an die USA macht und ihre eigenen vergleichsweise strengen Vorschriften lockern könnte.

„Kein TTIP durch die Hintertür“

Daher forderten über einhundert Nichtregierungsorganisationen aus ganz Europa im Februar in einem Offenen Brief an ihre Abgeordneten und Regierungen: Kein TTIP durch die Hintertür! Kein Ausverkauf unserer Regeln und Standards, kein Ausverkauf der Demokratie, Handel für alle – und nicht nur für Konzerne!

Ausführlichere Infos zum aktuellen Stand und den Gefahren von TTIP 2.0 enthält der Blogbeitrag von LobbyControl.

  • + + Veröffentlichungen + + +

Factsheet: Wie der Energiecharta-Vertrag ambitionierte Klimapolitik gefährdet

Weit über 100 Konzernklagen vor privaten Schiedsgerichten basieren auf dem internationalen Vertrag über die Energiecharta. Für die fossile Energiewirtschaft ist der Vertrag eine Geheimwaffe, um SteuerzahlerInnen für ihre klimaschädlichen Fehlinvestitionen aufkommen zu lassen. Das Factsheet beschäftigt sich mit der Entstehungsgeschichte des Vertrages und stellt einige der besonders skandalösen Klagen und Klagedrohungen genauer vor. Zudem geht es auf den seit Ende 2019 laufenden Reformprozess ein und stellt die Forderungen der Zivilgesellschaft dar.

Herausgegeben von PowerShift

Download des 8-seitigen Factsheets:

https://power-shift.de/stolperfalle-fuer-den-klimaschutz-wie-der-energiecharta-vertrag-ambitionierte-klimapolitik-gefaehrdet/

  • + + Termine + + +

Webinar zum Einstieg: CETA – neoliberale Handelspolitik contra Klima, Umwelt und Demokratie

  1. Mai 2020, 17 bis 19 Uhr (online)

Das Webinar richtet sich an Interessierte sowie an Aktive aus verschiedenen sozialen Bewegungen, die mehr über das Handels- und Investitionsabkommen der EU mit Kanada und über die damit verbundenen Gefahren für Klima, Mensch und Umwelt erfahren möchten.

Mehr Informationen und Anmeldung in Kürze unter

www.gerechter-welthandel.org/ceta

Online-Konferenz „Stopp CETA!“

16./17. Mai 2020 (online)

Die Konferenz umfasst Inputs, die die Auswirkungen von CETA auf verschiedene Bereiche zusammenfassen und den aktuellen Stand des Abkommens erläutern. Zudem wollen wir in Arbeitsgruppen Aktivitäten planen und unsere Argumentation schärfen.

Mehr Informationen und Anmeldung in Kürze unter

www.gerechter-welthandel.org/ceta

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