„Auch Erdkabel verursachen irreparable Schäden“ – Naturschutzverbände kritisieren 110-KV-Trassen Kupferzell-Rot am See

Die Naturschutzverbände im Landkreis Schwäbisch Hall kritisieren die 110-KV-Stromtrassen von Kupferzell nach Rot am See. „Auch Erdkabel verursachen irreparable Schäden“, schreibt das Umweltzentrum Schwäbisch Hall. Bei Talquerungen soll das „Spülbohrverfahren“ zum Einsatz kommen.

Von Martin Zorzi, Umweltzentrum Schwäbisch Hall

Abweichendes Ergebnis

Vor kurzem hat sich auch das kreisweite Umweltzentrum im Namen der angeschlossenen Naturschutz­ver­bände zur geplanten 110KV-Trasse geäußert. Es hat sich die aus ökologischer Sicht kritischen Abschnitte der einzelnen Korridore für Freileitungen und Erdkabel genauer angeschaut und kommt insbesondere bei den Erdkabeltrassen zu einem differenzierten, von den seitherigen meist kommunalen Stellungnahmen abweichenden Ergebnis.

Erdkabel besser als Freileitungen

Einigkeit mit den Kommunen besteht zunächst in der grundsätzlichen Forderung, dass Erdkabel den Freileitungen vorzuziehen sind. Letztere halten die Naturschützer aufgrund der Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und der großen Kollisionsgefahr für viele seltene, im Planbereich vorkommende Vogelarten für nicht vertretbar. Allerdings führe auch das Erdkabel für manche Trassenabschnitte zu einem massiven, nicht akzeptablen Eingriff. Dies gälte als erstes für naturnahe Wälder auf der Ebene.

Spülbohrverfahren anwenden

Anders als von der NetzeBW behauptet, lässt sich nach Auffassung des Umweltzentrums die Verlegung nicht auf den schmalen Waldwegen bewerkstelligen, die besonders wertvollen Innensäume müssten dem Aushub und den Fahrtrassen weichen. Die Naturschützer lehnen deswegen eine Trassenführung durch diese Wälder ab. Noch problematischer ist in deren Augen die Querung der Täler. Nahezu alle vorgeschlagenen Korridore lägen in Bereichen, die gespickt sind mit seltenen Waldbiotopen, Magerrasen, Blumenwiesen und Hecken. Viele dieser Biotope seien Lebensräume von geschützten und gefährdeten Arten. Weil eine Kabelverlegung im Steilhang in der Regel mehr Fläche in Anspruch nimmt als in der Ebene, drohen hier laut den Erfahrungen des Umweltzentrums enorme, nicht heilbare Schäden. Deswegen fordert es, dass derart hochwertige Trassenabschnitte mithilfe des Spülbohrverfahrens unterquert werden. Die Technik habe man bei einer anderen 110-KV-Leitung nahe Gosheim am Großen Heuberg bereits mit Erfolg praktiziert.

UZ lehnt alle drei nördlichen Trassen ab

Beim Vergleich der verschiedenen Erdkabel-Korridore untereinander bemängelt das Umweltzentrum zahlreiche Widersprüchlichkeiten in den Unterlagen des Raumordnungsverfahrens. Es lehnt alle drei nördlichen Trassen (E0 – E3) aus den oben angeführten Gründen mit Entschiedenheit ab. Zum Beispiel sei eine Querung des äußert sensiblen Brettachtales undenkbar. Dem vom Regierungspräsidium ins Spiel gebrachten Korridor E4, der bei Diembot die Jagst quert, bescheinigen sie eine bessere Umweltverträglichkeit, allerdings nur unter der Annahme, dass auch dort die wertvollen Biotopflächen entweder umgangen oder bohrgespült werden.

Südosttrasse

Deutliche Kritik äußert das Umweltzentrum an der Tatsache, dass die von seiner Seite schon 2016 ins Spiel gebrachte Südosttrasse nicht in derselben Weise wie die anderen Korridore geprüft wurde, obwohl diese bis auf den Jagsttalabschnitt bei Bölgental das geringste Konfliktpotential aufweist. Die NetzeBW argumentiere dort noch mit dem Argument, dass eine Querung wegen des geplanten Rohstoffabbaus nicht möglich sei. Inzwischen seien die Grenzen des Steinbruchs jedoch soweit von Bölgental abgerückt, dass dort ohne spürbare Beeinträchtigung von Einwohnern und Steinbruchbetrieb gequert werden könne. Allerdings müssten auch dort die wertvollen Biotope des Naturschutzgebiets mittels Spülbohrung passiert werden.

Hochtemperaturseile, Speicher, Power-to-Gas-Anlagen

Am liebsten wäre den Naturschützern jedoch eine Lösung, die völlig auf den Leitungsneubau verzichtet – und zwar durch technische Aufrüstung des bestehenden Mittelspannungsnetzes u. a. mit Hochtemperaturseilen, Installation von Speichern und Bau von Power-to-Gas-Anlagen, wodurch sich ihrer Meinung nach die in der jetzigen Weise geplante Ableitung des Stromes erübrigen würde.

Weitere Informationen und Kontakt:

Umweltzentrum Kreis Schwäbisch Hall e.V., Vereinigung und gemeinsame Geschäftsstelle der Naturschutzverbände im Landkreis Schwäbisch Hall, Gelbinger Gasse 85, 74523 Schwäbisch Hall

Telefon: 0791/55967

Fax: 9540780

E-Mail: umweltzentrumSHA@web.de

Internet: www.umweltzentrum-schwaebisch-hall.de

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2 Gedanken zu „„Auch Erdkabel verursachen irreparable Schäden“ – Naturschutzverbände kritisieren 110-KV-Trassen Kupferzell-Rot am See

  1. Leserbrief zum Artikel: Auch Erdkabel ist ein Eingriff
    Mit seiner Stellungnahmen zur Trassenführung der geplanten 110-kV-Stromleitung hat das Umweltzentrum Schwäbisch Hall die Katze aus dem Sack gelassen. Viele Bürger in Gröningen und in Bölgental waren verwundert, dass sich das Orakel in Hall nicht in die Auseinandersetzung um den in Bölgental geplanten Steinbruch eingemischt hat, sondern während des ganzen Jahres dazu geschwiegen hat. Jetzt hat es gesprochen:
    Es kritisiert, dass die Planer seinen Vorschlag, die Südosttrasse, d.h. die Querung des Jagsttales bei Bölgental, nicht überprüft habe. Das Argument, die Trasse behindere die Einrichtung eines Steinbruchs, in dem der „Crailsheimer Muschelkalk“ abgebaut werden solle, sei nicht stichhaltig, denn “die Grenzen des Steinbruchs (seien) so weit von Bölgental abgerückt, dass dort ohne spürbare Beeinträchtigung von Einwohnern und Steinbruchbetrieb gequert werden könnte – unter der Maßgabe, dass die Spülbohrung zum Einsatz komme.(HT) Mit dieser will das Umweltzentrum das FFH-Gebiet an der Jagst schützen.
    Das ist in der Tat interessant: Die Bürger von Bölgental und Gröningen fürchten den Lärm, Dreck und die Erschütterungen, die ihnen durch die Einrichtung eines Steinbruchs drohen. Bürger, die seit einem Jahrhundert unter den Folgen des Steinbruchs in Neidenfels leiden, streiten mit dem Betreiber, wer für die Schäden, die an ihrem Eigentum entstanden sind, haftet.
    Und da kommen die Weisen aus Schwäbisch Hall daher und erklären: Keine Sorge liebe Leute, da wird gar nichts passieren. Der Steinbruch ist so weit von Bölgental weg, dass man auch noch eine unterirdische Stromtrasse verlegen kann. So wird außerdem das FFH-Gebiet geschont. Wenn man weit vom Schuss wohnt, kann man vieles leicht behaupten. Und wenn es schließlich anders kommt, dann hat man sich halt leider geirrt.
    Ist den Damen und Herren in Hall nicht bekannt, unter welchen Belastungen unsere Landschaft und die Bewohner von Satteldorf bereits jetzt schon leiden müssen? Reichen der bestehende Gips- und Muschelkalkbruch nicht? Was ist mit dem ungeklärten Abwasser der B290 und der A6, die in Gronach und Jagst fließen? Welche Belastungen kommen auf das FFH-Gebiet zu, wenn die A6 verbreitert wird und neue Brücken gebaut werden?
    Vielen Dank, Umweltzentrum – das war eine gelungene Weihnachtsüberraschung!
    Richard Gebhard
    Gröningen

  2. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass das der Herr Zorzi das Jagsttal zwischen Neidenfels, Wollmershausen und Bölgental bereits abgeschrieben hat. Der seit Jahrzehnten betriebene Steinbruch Kernmühle hat dem Jagsttal und der Jagst hinter Neidenfels bereits schweren Schaden zugefügt. Der Hangwald hinab zur Jagst, entlang des Steinbruchs, leidet, die Jagst im dortigen Bereich wird häufig mit sedimenthaltigem Wasser aus dem Steinbruch Kernmühle belastet. Diese Sedimente sind im Wasser zeitweise noch auf Höhe des Wehrs bei Kirchberg sichtbar. Diesbezügliche Beschwerden und Aktionen des Umweltzentrums – des Herrn Zorzi – nicht bekannt. Nun soll bei Bölgental ein neuer Steinbruch eröffnet werden, also einige hundert Meter weiter flussabwärts vom Bruch Kernmühle. Das vergleichbare Szenario wie an der Kernmühle, direkt an das FFH-Gebiet angrenzend, soll dieser Bruch ohne nennenswerten Abstand zur Talkante hin entstehen. FFH-Gebiet – egal, Belastung der Jagst mit Abwasser – Augen zu, Hangwald – interessiert nicht, Umwelt und Naturschutz – Fehlanzeige. Diesen Jagstabschnitt hat das Umweltzentrum wohl bereits vor Jahren quasi abgeschrieben. Klar da kommt der Ausbau der A6, der Steinbruch sowieso, dann kann man da auch noch die Hochspannungsleitungen verlegen, der Jagstabschnitt ist eh ziemlich belastet, da kommt es darauf auch nicht mehr an, so scheint das Kalkül des „obersten Naturschützers des Landkreises zu sein.
    Bezeichnend war, dass auf Nachfragen besorgter Bürger bezüglich des geplanten Steinbruchs bei Bölgental, der Herr Zorzi meinte: „Eine Verhinderung ist aussichtslos, das ist bereits alles ausgemacht“. Kurzum, die Naturschützer des Landkreises haben dieses Naturschutzgebiet zwischen Gronach und Jagst bei Bölgental abgeschrieben, bleibt nur die Frage um welchen Preis und zum Vorteil von wem.

    Wolfgang Glasbrenner, Bölgental

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