„Anschlag auf Versammlungsfreiheit“ – Montagsdemos gegen Stuttgart 21 durften nicht vor dem Hauptbahnhof stattfinden

Die Montagsdemos gegen Stuttgart 21 am 16. und 23. Dezember 2013 durften nicht auf dem Arnulf-Klett-Platz vor dem Hauptbahnhof stattfinden. Begründung: Die Stadt Stuttgart „habe bei der gebotenen Abwägung in vertretbarer Weise den Interessen (…) der betroffenen Verkehrsteilnehmer den Vorrang gegenüber dem von der Versammlungsfreiheit geschützten Interesse (der S21- Gegner) (…) eingeräumt.“

Vom Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit

Grundrecht wird leichtfertig geopfert

Zu deutsch: Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit wird der Straßenverkehrsordnung, beziehungsweise den „Interessen der Verkehrsteilnehmer“ geopfert. Der juristische Trick: Die Sicherheit und Leichtigkeit (!) des Straßenverkehrs wird zum Bestandteil der Rechtsordnung „ernannt“ und damit zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit. Und wenn die „bedroht“ ist – siehe oben. Mit dieser Begründung lässt sich jede Demonstration verbieten.

Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) ist von erheblicher politischer Brisanz:

Ist es doch derselbe Verwaltungsgerichtshof, der regelmäßig jeden Neonazi-Aufmarsch genehmigt, obwohl dafür ganze Innenstädte komplett abgeriegelt – der Verkehr also vollständig zum Erliegen kommt – und tausende Polizisten eingesetzt werden (Heilbronn, Göppingen etc.), um die Versammlungsfreiheit von ein paar dutzend Neonazis zu „schützen“.

Zum anderen hat derselbe Verwaltungsgerichtshof vor drei Jahren in gleicher Sache das gerade Gegenteil entschieden:

„Das Interesse des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, mit seiner Versammlung möglichst große Beachtung zu finden, überwiegt das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Verkehrsbeeinträchtigungen am Arnulf-Klett-Platz.“ (Entscheidung vom 29.10.2010, Az. 1 S 2493/10).

Wundersame Verlängerung der Verkehrsstaus

Dass die Argumentation von Ordnungsbürgermeister Schairer an den Haaren herbeigezogen ist, zeigt auch die wundersame Verlängerung der Verkehrsstaus: Vom 30.11.2013 („Auf dem Cityring bildet sich regelmäßig ein bis zu einem Kilometer langer Stau“, Schairer im StZ-Interview) bis zum 10.12.2013 hat sich die Staulänge – zumindest im Schriftsatz der
Stadt Stuttgart – dann verfünf- beziehungsweise verachtfacht.

Der grüne OB  schweigt

„Offensichtlich handelt Schairer im Einvernehmen mit dem grünen Oberbürgermeister Kuhn. Da ist die Ankündigung eines „bürgerfreundlichen“ Versammlungsgesetzes durch die grün-rote Landesregierung schon fast als Drohung zu verstehen,“ so Thomas Trüten, der Sprecher des  Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit. Und weiter: „Angesichts dieser Entwicklung sehen wir  uns erneut in unserer Forderung nach einem fortschrittlichen Versammlungsgesetz bestätigt. Die Vorrangigkeit des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit vor nachgeordneten Vorschriften und Gesetzen muss politisch und juristisch durchgekämpft werden.

Anschlag auf die Versammlungsfreiheit

Die demokratische Öffentlichkeit war am 16. und 23. Dezember 2013 im Rahmen der Montagsdemos aufgerufen – unabhängig vom jeweiligen Standpunkt zu Stuttgart 21 –  gegen diesen Anschlag auf die Versammlungsfreiheit zu demonstrieren.

Weitere Informationen und Kontakt:

http://versammlungsrecht.info/neu/aktuelles.html

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