„Schlag ins Gesicht der kritischen Zivilgesellschaft“ – Attac Schwäbisch Hall zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit

Einen „Schlag ins Gesicht der kritischen Zivilgesellschaft“ nennt die Attac-Gruppe Schwäbisch Hall den Entzug der Gemeinnützigkeit für den Verein. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht die Stellungnahme von Attac Schwäbisch Hall in voller Länge.

Von der Attac-Gruppe Schwäbisch Hall

Für einen fairen Handel

Attac scheint nach dem Entscheid des Bundesfinanzgerichtshofs nun endgültig seine Gemeinnützigkeit verloren zu haben. Im Sinne des Gesetzes ist es also nicht gemeinnützig sich für eine gerechtere Besteuerung einzusetzen. Im Sinne des Gesetzes ist es also nicht gemeinnützig sich für eine gerechtere Form der Globalisierung auszusprechen, eine die auf fairem Handel basiert und den Ländern des Südens nachhaltige Entwicklungschancen einräumt.

Für eine stärkere Bankenregulierung

Im Sinne des Gesetzes sei es nicht gemeinnützig, wenn man eine stärkere Bankenregulierung fordert damit sich eine Krise wie 2008 nicht wiederholt.
Im Sinne des Gesetzes sei es nicht gemeinnützig. wenn man das Klagerecht von Großkonzernen gegenüber Bürger‘innen ablehnt.

Gleichzeitig sind andere Dinge scheinbar unbestritten gemeinnützig:

Lobbyorganisationen wie die „Initiative Soziale Marktwirtschaft“, ein Interessenverband der Arbeitgeber, der maßgeblich an der Ausgestaltung von Hartz 4 beteiligt war.
Oder die „Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik e.V.“, ein Lobbyorgan der Rüstungsindustrie. Die Liste geht noch weiter, wie die Südwestpresse berichtete: auch UNITER, eine paramilitärische Reservistenorganisation, die laut taz-Recherche als eindeutig rechtsnational einzustufen ist und mit autokratischen Regimen kooperiert –  auch gemeinnützig.

Politisches Engagement nicht gemeinnützig

Zur Begründung teilte das Gericht mit, es sei nicht gestattet sich politisch zu engagieren und gleichzeitig gemeinnützig zu sein. Dies kollidiere mit dem Parteienfinanzierungsgesetz. Das mag formaljuristisch ja stimmen, an dieser Stelle sei aber eine Frage gestattet: „Was bitte ist nicht politisch?“

Es geht in die falsche Richtung

Wir sehen in dem Urteil einen Richtungsentscheid in die falsche Richtung. Unbequeme Stimmen aus der Zivilgesellschaft sollen über die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Spendengeldern zum Schweigen gebracht werden. Es ist zu befürchten, dass Attac nur der Anfang ist und andere Organisationen wie Campact oder die Umwelthilfe folgen. Gleichzeitig diskreditiert man uns und schädigt unseren Ruf. Lieber mundtot machen, statt Inhalte oder Argumente austauschen, scheint hier offenbar die Maxime zu sein.

Wir von Attac Schwäbisch Hall schließen uns der Meinung der „Allianz für Rechtssicherheit und Demokratie“ an, in der sich über 80 Organisationen zusammengefunden haben:

“Der Bundestag muss den Handlungsspielraum zivilgesellschaftlicher Organisationen sichern und zügig neue gemeinnützige Zwecke ins Gesetz schreiben. Menschen schließen sich zusammen, um sich selbstlos außerhalb von Parteien und Profitinteresse für Demokratie und Gesellschaft zu engagieren. Dieses Engagement für Umweltschutz oder Gerechtigkeit mag manchmal nerven, aber führt zu besseren Entscheidungen, weil dadurch sonst ungehörte Stimmen in die politische Willensbildung einfließen.“

Jetzt erst recht weitermachen

In diesem Sinne machen wir hier als regionale Ortsgruppe weiter „Jetzt erst recht!“. Wir treffen uns meist am ersten Donnerstag im Monat, um 20 Uhr im Umweltzentrum Schwäbisch Hall, Gelbinger Gasse 85.

Weitere Informationen und Kontakt:

https://www.attac-netzwerk.de/index.php?id=71108

https://www.attac.de/was-ist-attac/strukturen/attac-netzwerk/

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„Gegen Diffamierung, Nationalismus und Menschenfeindlichkeit“ – Crailsheimer Aufruf der „Initiative Erinnerung und Verantwortung“

Den Crailsheimer Aufruf „Gegen Diffamierung, Nationalismus und Menschenfeindlichkeit“ hat die „Initiative Erinnerung und Verantwortung“ erstellt. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Aufruf in voller Länge.

Von der Crailsheimer Initiative Erinnerung und Verantwortung

Der Text des Crailsheimer Aufrufs:

Am Freitag, 29. März 2019, veranstaltet die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) eine Wahlveranstaltung in unserer Stadt. Dazu ist sie wie jede andere zugelassene Partei berechtigt. Berechtigt sind aber auch alle Bürgerinnen und Bürger Crailsheims, gegen den Politikstil und die politischen Inhalte und Zielsetzungen dieser rechtspopulistischen Gruppierung zu protestieren. Denn diese verstoßen fundamental gegen die Grundsätze einer auf Humanität, Offenheit und gegenseitigem Respekt basierenden Stadtgesellschaft – insbesondere in Crailsheim, das sich als Geburtsstadt Hans Scholls und Eugen Grimmingers in der Tradition der Werte der „Weißen Rose“ sieht.

So wenden wir uns entschieden
gegen einen Politikstil, der vorwiegend auf Provokation, Übertreibungen und Diffamierung beruht! Politische Auseinandersetzung gehört zum Wesen der Demokratie. Sie kann und muss kritisch und konfrontativ sein, aber sie muss sich an Fakten und Problemlösungen orientieren und die Spaltung der Gesellschaft durch die Verunglimpfung Andersdenkender unterlassen.

gegen die Ausgrenzung und Stigmatisierung bestimmter Menschengruppen und Religionen, gegen Menschenverachtung und Rassismus!
Eine moderne Stadtgesellschaft lebt von Vielfalt, Offenheit und Toleranz. Wir begegnen deshalb allen Menschen in unserer Stadt, unabhängig von ihrer Herkunft oder Religion, mit Respekt und laden sie ein, sich für Crailsheim zu engagieren.

gegen eine Politik des Nationalismus und der nationalen Alleingänge!
Nur die europäische und internationale Zusammenarbeit kann eine Antwort finden auf die großen Probleme der Gegenwart, wie etwa den Klimawandel oder eine gerechtere Weltordnung.

gegen eine Einschränkung der Frauenrechte, gegen Homophobie und eine verachtende Haltung gegenüber Menschen mit Behinderung!
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner sexuellen Orientierung oder einer Behinderung benachteiligt werden. Allen Menschen müssen die gleichen Chancen und Perspektiven offenstehen.

gegen eine Einstellung, die der Freiheit von Kunst und Kultur feindlich gegenübersteht und eine nationalistische Indienstnahme der Kultur propagiert!
Kunst und Kultur sind frei, sie entstehen als innovative Kraft durch das Zusammenfließen und die Auseinandersetzung vielfältiger Einflüsse, sie müssen nicht gefallen und dürfen nicht dienen.

gegen jede Form von Geschichtsrevisionismus und die die Opfer verhöhnende Reduzierung der Nazidiktatur auf einen „Vogelschiss“ der deutschen Geschichte!
Die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus bleibt auch in Zukunft Verpflichtung und wichtiger Orientierungspunkt für die Gestaltung einer humanen Gesellschaft.

gegen eine Partei, die in Teilen mit Neonazis gemeinsame Sache macht und in der offen antisemitische und rassistische Positionen vertreten werden!
Wir treten stattdessen ein für die energische Verteidigung unserer freiheitlich demokrati- schen Grundordnung mit ihrer Verpflichtung auf Menschenrechte und humane Werte.
Bei allen Enttäuschungen und Ungerechtigkeiten, die viele Menschen angesichts der politischen Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten empfinden, kann die Antwort darauf nicht eine Politik der nationalistischen Abschottung, der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit oder des Rassismus sein. Wohin eine solche Politik führt, hat die Geschichte des 20. Jahrhunderts hinlänglich gezeigt, auch und gerade hier in Crailsheim. Niemand, der diese Politik unterstützt, kann später sagen, er hätte von nichts gewusst!

Für ein offenes, buntes und tolerantes Crailsheim

Gemeinsam setzen wir deshalb ein Zeichen gegen Rechtspopulismus, Nationalismus und Menschenfeindlichkeit in unserer Stadt – und treten ein

FÜR EIN OFFENES, BUNTES UND TOLERANTES CRAILSHEIM !

Initiative Erinnerung und Verantwortung
Karin Durst, Folker Förtsch, Roland Klie, Anja Koppermann, Malte Möller, Charlotte Rehbach, Anne Technau, Peter Erler, Peter Gansky, Sebastian Klunker, Gernot Mitsch, Ursula Mroßko, Konrad Schneider

Die Initiative ruft auf zur Demonstration und Kundgebung am Freitag, 29. März 2019, in Crailsheim:

18 Uhr: Treffpunkt am Weiße-Rose-Platz vor dem Jagstbrückenhochhaus

19 Uhr: Kundgebung auf dem Marktplatz vor dem Rathaus

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„Die Nazis geadelt“ – NS-Belastete aus dem Langenburger Fürstenhaus

Groß war vor Kurzem das Interesse an dem Vortrag „NS-Belastete aus dem Langenburger Fürstenhaus“. Über 80 Besucher kamen in das Forum in den Arkaden des Crailsheimer Rathauses.

Pressemitteilung des Referenten

„Täter, Helfer, Trittbrettfahrer…“

Der Journalist Ralf Garmatter berichtete über Fürst Ernst II. (1863-1950) und seine Tochter Prinzessin Alexandra zu Hohenlohe-Langenburg (1901-1963). Grundlage des Vortrags waren zwei Artikel in dem 2018 erschienenen Buch „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer – NS-Belastete aus dem Norden des heutigen Baden-Württemberg“ (THT, Band 8). Veranstalter des Abends waren das Stadtarchiv Crailsheim und der Crailsheimer Historische Verein.

Keinen Raum in Langenburg

In ihren einführenden Reden berichteten Crailsheims Stadtarchivar Folker Förtsch und Wolfgang Proske, Herausgeber der THT-Buchreihe, von den Schwierigkeiten bei der Archivrecherche und beim Finden eines Veranstaltungsraums in Langenburg. Ralf Garmatter wurde konkreter: „In Langenburg, Gerabronn und beim Hohenlohe-Zentralarchiv in Neuenstein ist es trotz zahlreicher Versuche während der vergangenen Monate nicht gelungen, einen Raum für diesen Vortrag anzumieten.“ Gerne würde der Journalist seinen Vortrag in Langenburg halten.

Fürstenhaus Hohenlohe erschwerte Archivrecherche

Auch die Recherche zu den zwei Biographien habe sich viel schwieriger gestaltet als zuvor gedacht. „Beim Hohenlohe-Zentralarchiv in Neuenstein durfte ich nur Akten einsehen, die älter als 100 Jahre waren“, erklärte Garmatter. Jüngere Akten blieben unter Verschluss, weil das Fürstenhaus Hohenlohe sein Veto eingelegt hatte. Das Findbuch – die Inhaltsangabe des Archivbestands – habe er einsehen dürfen, berichtet der Journalist. Dort fanden sich einige interessante Hinweise und Kontakte von Fürst Ernst II. und seiner Tochter Alexandra. Die Dokumente selbst blieben aber unter Verschluss. „Bei meinen Recherchen war ich vor allem auf Unterlagen aus anderen Archiven, Zeitungsartikel und auf einschlägige Literatur über das Fürstenhaus Hohenlohe-Langenburg angewiesen.“

Fürst Ernst II.: „Hitler ist ein Geschenk Gottes für das deutsche Volk“

Fürst Ernst II. war von 1913 bis zu seinem Tod 1950 Standesherr des Hauses Hohenlohe-Langenburg. Dazu gehörte auch die Position als Kirchenpatron der evangelischen Kirchengemeinde Langenburg. Zu Beginn seiner Regentschaft in Langenburg war Ernst 50 Jahre alt. „Völkisches und antidemokratisches Denken herrschte schon früh am Fürstenhof Hohenlohe-Langenburg“, berichtete der Referent. Fürst Ernst II. (1863-1950) war ein großer Anhänger Hindenburgs. In Adolf Hitler sah er ein „Geschenk Gottes“ für das deutsche Volk.

Prinzessinnen an der Spitze der NS-Frauenbewegung

Ernsts Tochter Alexandra (1901-1963) engagierte sich von der Fürstenfamilie am stärksten in den NS-Organisationen. Sie war Führerin der NS-Frauenschaft im Oberamt Gerabronn und Leiterin der NS-Frauenschaft in Langenburg. Alexandras jüngere Schwester Irma (1902-1986) stand in Langenburg an der Spitze des „Bund deutscher Mädel“ (BdM). Somit waren alle NS-Frauen- und Mädchenorganisationen fest in der Hand von Mitgliedern des Fürstenhauses.

Amerikaner setzten Erbprinz Gottfried als Landrat ab

Kronprinz Gottfried (1897-1960) haben die Amerikaner im Mai 1945 kurzzeitig als Landrat des Kreises Crailsheim eingesetzt. Schon nach wenigen Wochen setzten sie ihn aber ab, „vermutlich als seine politische Vorgeschichte stärker in den Blickpunkte rückte“, heißt es im Findbuch des Hohenlohe-Zentralarchivs Neuenstein. Mitglieder der NSDAP waren alle vier genannten Personen der Fürstenfamilie. Auch Fürstin Alexandra (1878-1942) war ab 1937 Mitglied der Nazi-Partei. Sie starb bereits 1942.

Dekan Borst – „Nationalsozialist und Leiter eines Kirchenbezirks“

Langenburgs evangelischer Dekan Albert Borst (1892-1941) nannte es in seinem Pfarrbericht von 1933 „bemerkenswert, dass das Fürstenhaus bei den Frauen- und Mädchenorganisationen die Führerinnen stellt, nicht ohne vor Übernahme des Amtes und nun in der Führung engste Fühlung mit mir zu haben.“ Sich selbst bezeichnete Borst als „Nationalsozialist und Leiter eines Kirchenbezirks“. Borst lobte die gute Zusammenarbeit der örtlichen Kirchengemeinde mit dem NS-Ortsgruppenleiter in Langenburg.

„Für Rassepolitik, aber gegen Judenvernichtung“

Prinzessin Alexandra befürwortete nach eigenem Bekunden die Rassepolitik der Nazis, sprach sich nach eigenen Worten aber gegen die Judenvernichtung aus. Diese Aussage machte sie in ihrem Entnazifizierungsverfahren 1947. Dort gab sie an, von KZs in der Region und von der Verfolgung und Inhaftierung politisch Andersdenkender erstmals am Tag der Spruchkammerverhandlung gehört zu haben. Dabei hatte sie über Jahre hinweg persönlichen Kontakt zu Erich Gunzenhauser aus Atzenrod. Der Landwirt saß 1938 fünf Tage lang in Gestapo-Haft in Ellwangen, weil er bei der Volksabstimmung 1938 gegen Hitler gestimmt hatte.

Fürst Ernst II. erhielt „Weihnachtsamnestie“

Wegen ihres Engagements für die Nazis im Oberamt Gerabronn wurde Prinzessin Alexandra von der Militärregierung 27 Monate lang im Interniertenlager Ludwigsburg inhaftiert. Am 10. Dezember 1947 wurde sie aus der Haft entlassen. Formell wurde Alexandra zuerst als „Minderbelastete“ (Stufe 3 von 5) eingestuft, in einer Berufungsverhandlung als „Belastete“ (Stufe 2), später wurde sie einer Mitläuferin (Stufe 4) gleichgestellt. Allerdings blieben 20 Prozent ihres Vermögens eingezogen. Ihr Vater Fürst Ernst II. fiel wegen seines Alters und seines schlechten Gesundheitszustands unter die Weihnachtsamnestie und blieb straffrei. Beide starben in Langenburg und wurden auf dem dortigen Friedhof der Fürstenfamilie beerdigt. Ihre Gräber bestehen heute noch.

Buchempfehlung:

Weitere Informationen über das Buch „Täter, Helfer, Trittbrettfahrer – NS-Belastete aus dem Norden des heutigen Baden-Württemberg“ gibt es auf folgender Internetseite:

http://www.ns-belastete.de/band_8.html

Das Buch kann unter folgender ISBN-Nummer im Buchhandel bestellt werden:

„Täter, Helfer, Trittbrettfahrer – NS-Belastete aus dem Norden des heutigen Baden-Württemberg“, herausgegeben von Wolfgang Proske, Kugelbergverlag Gerstetten, 441 Seiten, Preis 19,99 Euro, ISBN 978-3945893098

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