Tagung für Landwirte, Gärtner und Naturfreunde, die das Spritzen, Hacken, Hauen, Ziehen, Stechen oder Köpfen von Unkraut satt haben

Das zehnte Kirchberger Distel-Orchideen-Seminar findet am Freitag, 5. und Samstag, 6. Juni 2009, in der Jugendherberge in Kirchberg an der Jagst statt. Dabei geht es um symbiotische Lebensgemeinschaften von Wild- und Kulturbegleitpflanzen, die auch wichtig für die landwirtschaftlich genutzte Böden oder den Gartenbau sind.

Von Hartmut Heilmann, Vorsitzender des Bundesverbands für Ökologie in Land- und Gartenbau e.V.

Gezielte Garebereitung verhindert Distel-, Ampfer- oder Queckenprobleme

Die modernen Agrarwissenschaften verstehen den Betriebskreislauf als Mineralstoffkreislauf. Aufgrund des Fehlens von energetischen Flussmodellen fehlen auch systemwissenschaftliche Grundlagen für ein pflanzenbauliches Regulationsmodell, in dem Unkräuter nicht bekämpft werden müssten. Daran arbeitet der Arbeitskreis Standortphysiologie der Gesellschaft für Boden, Technik, Qualität (BTQ). Bekanntermaßen leben Orchideen in einer Lebensgemeinschaft mit obligaten pilzlichen Wurzelsymbiosen. Eine vergleichbare Lebensgemeinschaft im Acker ist Grundlage für das Auftreten von Disteln. Mit gezielter Garebereitung ist eine Landwirtschaft ohne Distel-, Ampfer-, oder Queckenprobleme möglich. Die Tagung wendet sich an naturkundlich Interessierte, an Landwirte oder Gärtner, die das Spritzen, Hacken, Hauen, Ziehen, Stechen oder Köpfen von Unkraut satt haben.

Freitag, 5. Juni 2009 („Disteltag“)
(bis 12 Uhr Anreise der auswärtigen Gäste, zum Mittagessen in der Jugendherberge bitte ggf. anmelden!)
13:00 Uhr: Mitgliederversammlung der BTQ (Jugendherberge)
14:00 Uhr: Begrüßung, Einführung (Hartmut Heilmann, Standortphysiologe und Vorsitzender der BTQ)
15:30 Besuch bei Ernst Weber (Landwirt und Leiter des Arbeitskreises Standortphysiologie der BTQ): „Landwirtschaft ohne Unkrautbekämpfung im vieharmen Bio-Betrieb mit viel Getreide und wenig Kleegras.“ Anschließend: Besichtigung der Felder von Ernst Weber, der nur mit Hilfe des Stoppelhobels eine freie Fruchtfolge führt und praktisch distel- und ampferfreie Bestände aufweist. Spatendiagnose.
18:00 Abendessen in der Jugendherberge
19:30 Vorträge Ernst Weber (Landwirt) + Hartmut Heilmann (Standortphysiologe und Vorsitzender der BTQ): „Landwirtschaft ohne Distelbekämpfung“ (Jugendherberge)

Samstag, 6. Juni 2009 („Orchideentag“, Jugendherberge)

09:00 (Mitarbeiter Universität Bayreuth angefragt), Labor für Isotopen-Biogeochemie: „Die verborgene Ernährungsform einheimischer Orchideen – Unterirdische Nährstoffflüsse vom Pilz zur Pflanze“
12:00 Uhr Mittagessen
14 Uhr Öffentliche Abschlussexkursion „Orchideen und andere seltene Pflanzen in und um Kirchberg“ mit dem Bus, Abfahrt am Hofgartenparkplatz Kirchberg, Besuch von Standorten in Wald, Feuchtwiesen, Kalktrockenrasen und von Privatgärten mit Orchideen (rund 14 Arten) und mehreren Distelarten
(Ende gegen 16:00 Uhr; Programmänderungen vorbehalten)
Teilnehmerbeitrag: € 60,-ohne Unterkunft, BTQ-Mitglieder € 40; Einzeltag: € 30,- BTQ-Mitglieder € 20,-
Mitzubringen sind Allwetterkleidung, Fernglas und Bestimmungsbücher

Anmeldung:  Per E-Mail, per Fax oder schriftlich an:

Bundesverband für Ökologie
in Land- und Gartenbau e.V.
Vorstand: Hartmut Heilmann, Dipl.Ing.agr.
Birkenstr. 10,
D-74592 Kirchberg/Jagst
Tel.: 07954-216, Fax: -925995
E-Mail: hartmut.heilmann@t-online.de

Hintergrundinformationen zum Thema:

Was haben Disteln und Orchideen miteinander zu tun?

In vielen Kirchberger Hausgärten wachsen Orchideen wie das Unkraut: ungepflanzt und ungesät. Ihr Samen ist nämlich überall in der Landschaft verbreitet. Aber ihr Auftreten hängt von einer Gemeinschaft von Bodenlebewesen ab, die recht selten sein kann. Bei Kulturbegleitpflanzen, welche sich zu Konkurrenzpflanzen entwickeln können, ist das vergleichbar: auch ihre Samen sind überall verbreitet, dagegen ist aber ihre Lebensgemeinschaft im Boden recht verbreitet. Unkrautregulierung wird traditionell eher als Symptombehandlung mit Maßnahmen mechanischer Bodenbearbeitung, bestimmten Fruchtfolgen und – seit einigen Jahrzehnten – mithilfe chemisch-synthetischer Wirkstoffe gemacht. Im Rahmen einer zeitgemäßen Landwirtschaft muss heute aber erwartet werden, dass die Landschaft und der Nahrungsstrom für den Menschen mit immer weniger ökosystemfremden Wirkstoffen belastet werden. Nach unserer Erfahrung existieren Anhaltspunkte für autoregulative Aspekte des Bodens, aufgrund welcher erst die Symbiose mit bestimmten Bodenlebewesen die Ackerkratzdistel zu einer störenden Begleitpflanze macht. Anhaltspunkt dafür, dass diese Pflanzen die Sonne weniger zu ihrem Leben brauchen als andere, ist, dass sie sogar im Schatten gedeihen. Die Orchidee Nestwurz (Neottia nidus avum) wächst bei uns in Kirchberg sogar im tiefsten Schatten; sie braucht überhaupt gar kein funktionsfähiges Chlorophyll (!), weil sie energetisch ganz aus dem Boden ernährt wird. Auch die Orchidee des Jahres 2009, das Männliche Knabenkraut (Orchis mascula L.) wächst in der Landschaft um Kirchberg.

Nach gängiger Theorie der Pflanzenernährung sind Kulturpflanzen autotroph, demnach erhalten sie ihre Energie allein aus der Sonne und der Boden liefert theoretisch nur Wasser und Mineralstoffe. Auf dieser Grundlage ist aber nicht erklärbar, warum Kulturbegleitpflanzen – allen voran die Ackerkratzdistel – sich zuweilen so entwickeln können, dass sie Kulturpflanzen im Wachstum überholen. Gibt es also „Kräfteflüsse aus dem Boden“? Entsprechende Prozesse sind für einheimische Orchideen, Scrophulariaceen und Pyrolaceen bekannt. Auch nach dem Bild der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise gibt es entsprechende Anhaltspunkte für solche Phänomene des Pflanzenwachstums. Hier hat die Wissenschaft des ökologischen Landbaues eine wichtige Forschungsaufgabe zu lösen. Die tut sich damit noch etwas schwer. Aber auch jetzt schon können wir dem Praktiker zeigen, wie er Bodenpflege am besten gestaltet, damit er weniger Unkrautprobleme hat; und das steht im Mittelpunkt dieses Seminars.

Die Ergebnisse werden wir den Mitgliedern und Förderern in BTQ-Tagungen, dem Rundbrief und in Artikeln vermitteln. Mitglieder und Förderer haben schon eine gute Summe für den Anfang der Forschung mit dem Stichwort Standortphysiologie auf unser Konto überwiesen. (Bankverbindung: Konto 338 592 017, Mainzer Volksbank, BLZ 551 900 00)

Jeder Naturfreund weiß: „Wenn ich Orchideen haben will, muss ich Biotoppflege treiben; mit Säen oder Pflanzen werde ich kein Glück haben. Ihre Samen sind ja überall.“
Jeder Landwirt weiß mithilfe der Arbeit unseres Arbeitskreises Standortphysiologie, wie er gezielt Standortpflege treiben muss, um keine Ackerkratzdisteln mitzukultivieren: auch deren Samen sind ja überall. Jeder Interessierte kann dazu in Kirchberg viel lernen, denn hier wachsen Orchideen wie Unkraut – ungepflanzt und ungesät – und hier in der Gegend gibt es auch Landwirte, die zeigen können, wie man Kulturbegleitpflanzen mit gutem Erfolg reguliert und dabei ordentliche Erträge hat.

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Hohenloher Lokalzeitungen stecken in einer inhaltlichen Krise – Was will Hohenlohe-ungefiltert bieten?

Warum brachten wir vor zwei Monaten die Internetzeitung Hohenlohe-ungefiltert an den Start? Warum ist ein kritisches Internetmedium für Hohenlohe notwendig? Viele positive Zuschriften ermutigen uns, weiter zu machen. Konstruktive Kritik nehmen wir ernst.

Kommentar von Ralf Garmatter, Redaktionsleiter von Hohenlohe-ungefiltert

Die lokalen Medien in Hohenlohe stecken in einer inhaltlichen und strukturellen Krise

Krise ist eines der am meisten gebrauchten Worte in den vergangenen Wochen und Monaten gewesen. Auch die Region Hohenlohe und Heilbronn steckt in der Krise – einer Medienkrise. Nicht viel hört man davon aber in Crailsheim, Schwäbisch Hall, Gaildorf, Künzelsau, Öhringen und Heilbronn. Was ist die Ursache für diese Medien-Krise? Profitgier der Geschäftsleitung sowie Profilierungssucht nach außen bei gleichzeitiger Duckmäuserei leitender Angestellter nach innen haben Zeitungsverlage der Region seit Jahren im Würgegriff. Journalisten, die ihren Beruf ernst nehmen und über Missstände aufklären, wird das Leben oft schon im eigenen Haus schwer gemacht. Leicht verdauliche Kost ist in den Medienhäusern angesagt. Das ist schnell und billig produziert und bringt keinen Ärger mit Anzeigenkunden ein.
Medien schließen sich immer häufiger zusammen oder kommen unter das Dach einer Holding. Durch die Konzentration nimmt die Meinungsvielfalt ab. Ein Lichtblick: Das Bundeskartellamt hat am Dienstag, 21. April 2009, die Übernahme des Haller Tagblatts durch die Südwestpresse Ulm untersagt.

Hofberichterstattung lässt Medien unglaubwürdig werden

Die Medienhäuser mit ihrer kurzsichtigen Geschäftspolitik wollen meist nur Kosten einsparen. Das geht vor allem auf Kosten der journalistischen Qualität. Redakteure werden entlassen, freie Journalisten bekommen Hungerlöhne bezahlt und können sich dafür keine aufwändigen Recherchen für gute Geschichten leisten. Langfristig verlieren die lokalen Medien durch ihre Hofberichterstattung zunächst ihre Glaubwürdigkeit und anschließend die Leser.

Lokalzeitungen in Hohenlohe werden ihrer Wächterfunktion nicht mehr gerecht

Die negativen Folgen sind dramatisch. Die Medien der Region – vor allem die Lokalzeitungen – werden ihrer journalistischen Wächterfunktion nicht mehr gerecht. Das höhlt den wichtigen Paragraphen 5 des Grundgesetzes aus, der die Pressefreiheit einschließt. Die kritische journalistische Beobachtung der Arbeit von politischen Mandatsträgern, von Wirtschaftskapitänen und den Zuständen in deren Betrieben ist unterentwickelt. Viele Journalisten haben Angst, ihren Job zu verlieren, wenn sie heiße Eisen anpacken. Dabei ist es deren wichtigste Aufgabe, mächtige Menschen zu kritisieren, wenn diese schlechte Arbeit geleistet haben.

Redaktioneller Inhalt und Werbung werden oft vermischt

Eine traurige Entwicklung: Die Grenze zwischen journalistischer Berichterstattung und Public Relations (PR/Öffentlichkeitsarbeit/Werbung) wurde in den vergangenen Jahren immer mehr verwässert. Die Vermischung von redaktioneller und werblicher Berichterstattung nimmt zu. Die Leser werden nicht oder nur unzureichend über wirtschaftliche Abhängigkeiten und Verflechtungen von Medienhäusern und den Menschen und Objekten der Berichterstattung informiert.
Medienunternehmen treten auch vermehrt selbst als Veranstalter und Präsentatoren von Events auf. Kritische Berichterstattung über die eigenen Aktionen sind dadurch nahezu ausgeschlossen. Redaktionsleiter, Redakteure und freie Journalisten berichten oft selbst über Vereine, Organisationen, Parteien und Gremien, in denen sie selbst Mitglied sind. Durch die Autorenzeile wird dem Leser dabei noch Objektivität und Unabhängigkeit vorgetäuscht. Was wir brauchen, sind nicht noch mehr PR-Agenten, sondern mutige Journalisten.

Hohenlohe-ungefiltert will ein Forum für kritische Öffentlichkeit bieten

Das ist der Grund, weshalb wir die Internetzeitung Hohenlohe-ungefiltert gegründet haben. Seit dem 20. Februar 2009 sind wir online. Wir wollen in den Landkreisen Schwäbisch Hall und Hohenlohe ein Forum für eine kritische Öffentlichkeit bieten. Das ist unser Anliegen. Wir wollen auch Dinge beim Namen nennen, die sonst in der regionalen Medienlandschaft nicht oder nicht ausreichend vorkommen. Dazu gehört auch eine kritische Beobachtung und Kommentierung der hohenlohischen Zeitungen und anderer Medien der Region. Wir versuchen Ungereimtheiten aufzudecken, Missstände klar zu benennen sowie Hintergründe zu beschreiben und Zusammenhänge zwischen dem Autor und seinem behandelten Thema herzustellen.

Der Verein Hohenlohe-ungefiltert ist vom Finanzamt Schwäbisch Hall als gemeinnützig anerkannt. Der Vorstand besteht aus drei Personen. Die drei Vorstandsmitglieder sind Axel Wiczorke (Kirchberg an der Jagst), Hermann-Julius Bischoff (Schwäbisch Hall) und Ralf Garmatter (Kirchberg an der Jagst).

Kritische Mitarbeit ist jederzeit möglich – Auch Spender und Mäzene, die keine inhaltlichen Bedingungen stellen, sind willkommen

In der Internetzeitung Hohenlohe ungefiltert können auch Gastautoren Texte, Bilder, Filme und Audio-Beiträge veröffentlichen. Potentielle Autoren können alle Menschen aus der Region sein, die sich mit gesellschaftlichen, kulturellen, sozialen, politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen oder sportlichen Themen kritisch auseinandersetzen. Grundvoraussetzung für Leute, die dabei für eine Gruppe, eine Organistation, einen Verband oder eine Partei sprechen wollen, ist, dass sie bereit sein müssen, neben den positiven auch die kritischen und negativen Seiten der Handlungsweise ihrer eigenen „Firma“ zu benennen. Ein Internetportal wie Hohenlohe ungefiltert soll keine weitere Möglichkeit zur Verbreitung von PR-Geblubber sein. Unser Motto lautet: Harte Fakten, statt weichgespülte Worte. Hohenlohe-ungefiltert will aufklären und Licht ins Dunkel der kommunalen und regionalen Politik, Kultur, Wirtschaft und des Sports bringen. Jede/r, der mithelfen will, diesen hohen Anspruch zu erfüllen, ist willkommen. Auch Hinweise auf Missstände in der Region nehmen wir gerne entgegen, um gegebenenfalls darüber zu berichten. Auch Positives hat Raum in Hohenlohe-ungefiltert – dann wenn es eine gewisse Bedeutung für das Zusammenleben der Menschen hat.

Als ehrenamtlich tätiger Verein können wir nicht alles machen. Deshalb sind wir auf inhaltliche Unterstützung, aber auch auf Spenden angewiesen (Spendenkonto: Hohenlohe-ungefiltert, Konto 01 81 85 47 09,  BLZ 600 100 70 bei der Postbank Stuttgart). Finanzielle Zuwendungen werden keinerlei Einfluss auf die Berichterstattung haben. Wir lassen uns nicht kaufen. Dafür verbürgen wir uns. In den USA gibt es bereits Stiftungen, die einen kritischen Journalismus finanziell fördern. Das wäre ein ehrgeiziges Ziel auch für die Region Hohenlohe.
Räumlich beschränken wir uns weitgehend auf die Landkreise Schwäbisch Hall und Hohenlohe. Das von uns bearbeitete Gebiet deckt sich weitgehend mit den Wahlkreisen der politischen Mandatsträger – den EU-Abgeordneten, dem Bundestagsabgeordneten und den Landtagsabgeordneten. Web-Links könnten auf der Seite aber auch – zum Beispiel bei Veranstaltungstipps oder weiterführenden Themenseiten – über die Region hinaus reichen.

Gesellschaftliche Probleme mit den Betroffenen lösen

Wenn unsere Arbeit bewirkt, dass einige unter den Teppich gekehrte relevante Themen im politischen, gesellschaftlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und sportlichen Feld, öffentlich diskutiert werden und dann auch versucht wird, die Probleme zusammen mit den Betroffenen zu lösen, dann haben wir schon eine ganze Menge erreicht.

Beim Lesen, Hören und Anschauen von Hohenlohe ungefiltert wünschen Ihnen die Mitarbeiter und die Mitglieder des Vereins viel Spaß und einen möglichst großen Erkenntnisgewinn. In Kommentaren oder eigenen Beiträgen können Sie auch gerne Ihre eigene Meinung veröffentlichen.

Kontakt zur Redaktion:

www.hohenlohe-ungefiltert.de; Redaktion; Buchenstraße 54; 74592 Kirchberg an der Jagst; Telefon 07954/7176; E-Mail: redaktion@hohenlohe-ungefiltert.de

Spendenkonto:

Hohenlohe-ungefiltert; Konto 01 81 85 47 09; BLZ 600 100 70 bei der Postbank Stuttgart

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Gegen die kriegerische Nato nicht mit Krieg reagieren – Reportage eines jungen Hohenlohers von der Anti-Nato-Demo in Straßburg

Paradoxes Bild: Eine Frau mit einer Friedensfahne vor einem brennenden Gebäude

Ein paradoxes Bild: Eine Frau mit einer Friedensfahne steht vor einem brennenden Gebäude. FOTO: David Jäger

Es war das erste Mal richtig warm in diesem Jahr, als sich vor kurzem viele Menschen aufmachten, um in Straßburg gegen die Nato und ihre Kriege zu demonstrieren. Unter den Demonstranten war auch eine kleine Gruppe junger Leute aus Hohenlohe. Einer von ihnen berichtet: Die erste Meldung von dunklen Wolken überbrachte uns nicht der Wetterbericht im Radio, sondern die Nachrichten. Die Meldungen besagten, dass allein auf deutscher Seite 15.000 Polizisten im Einsatz seien. Massive Kontrollen, Ausreise- und Einreiseverbote seien an der Tagesordnung, hieß es. Bei uns im Auto herrschte eine Stimmung der Ungewissheit. Keiner wollte und konnte dazu etwas sagen, nur alle wussten, wie schnell so eine Tour ungemütlich werden kann.

Reportage von David Jäger aus Gerabronn

Aufgetürmte Blockaden brannten

Doch die Realität sah zunächst ganz anders aus. Wie bei einem Herrenausflug ins schöne badische Land, erreichten wir fünf Hohenloher ohne auch nur eine Kontrolle zu passieren das Camp auf französischer Seite. Der erste Eindruck war durchaus sympathisch. Verschiedene Fahnen internationaler politischer Organisationen flatterten im Wind. Farblich dominierte jedoch die Landschaft oberhalb des Camps in rot-schwarz. Nach dem Aufbauen des Zeltes schlenderten wir über das Campgelände und trafen eine alte Bekannte. Sie meinte nur, als würde sie es schon ahnen, „haltet euch bloß fern von spontanen Aufrufen. Die bringen in ihrer Unorganisiertheit nur eins: Ärger“. Am Abend zuvor hatte die französische Polizei nach Aussagen der Frau das Camp mit Tränengasgranaten angegriffen, nachdem es Krawalle in der Stadt gegeben hatte. Wir konnten den Gedanken gar nicht zu Ende denken, da begann es schon laut zu knallen. Plötzlich bemerkten wir, wo wir hingeraten waren. Das vorher noch relativ heterogen wirkende Camp formierte sich. Viele begannen, sich nervös in ihre schwarze „Uniform“ zu werfen und stürmten Richtung Campeingang. Als wir am Ort des Geschehens ankamen, hatten die Demonstranten schon ganze Arbeit geleistet. Die komplette Zufahrtstrasse war blockiert. Straßenschilder, Holzstämme, Bauzäune waren zu hohen, teilweise brennenden Blockaden aufgetürmt. Je weiter man nach vorne durchdrang, desto dichter wurde der Nebel. Wir fanden schnell heraus, was nur Rauch und was Tränengas war.

Polizei schuf einen nahezu rechtsfreien Raum

Einer aus dem schwarzen Block wirft einen Stein

Ein Autonomer bewirft eine Polizeiabsperrung mit einem Stein.

Dasselbe Bild – nur in größerem Ausmaß – bot sich am nächsten Tag auf der Europabrücke zwischen Kehl und Straßburg. Von der französischen Polizei haben wir bis zu diesem Zeitpunkt zwar viel Tränengas zu spüren bekommen, aber nur wenig gesehen. Deren Taktik war meist auf Abstand bedacht. Am späten Nachmittag des 4. April 2009 kesselten sie den Kern der Unruhen um die Europabrücke ein. Innerhalb dieser Zone schufen sie so einen nahezu rechtsfreien Raum. Als es überall anfing zu brennen und die Masse deutlich unruhiger wurde, machte man sich schon Gedanken darüber, ob denn in diesem Bereich überhaupt die medizinische Versorgung gewährleistet sei. Es war keine Ambulanz und auch keine Feuerwehr zu sehen. Es war keine Form der Anarchie nach Bakunins rosiger Idee, sondern es war das negativ behaftete Bild der Anarchie, -ein unkontrolliertes Chaos. Egal in welche Himmelsrichtung man schaute, es brannte und rauchte überall. Über uns kreisten die Hubschrauber. Es war laut, dann wieder leise, mal wurde gerannt, mal gemütlich geschlendert.

Plan einer Sitzblockade wurde verworfen

Am Abend zuvor waren verschiedene Besprechungen der einzelnen politischen Bewegungen bei uns im Camp gewesen. Die „Linksjugend solid“ plante eine Sitzblockade, von der die französischen Genossen aber abrieten. Die französische Polizei sei nicht wie die deutsche, sie habe kein Interesse daran persönliche Daten von Demonstranten zu sammeln, sie wolle einen  auch nicht unbedingt in Gewahrsam nehmen, berichteten sie. Wenn es der französischen Polizei zuviel werde, „schießen sie alles mit Tränengas und Schockgranaten kurz und klein“, erläuterten die französischen Genossen weiter. Was dann noch übrigbleibe, werde weggeknüppelt.

Polizei fing an „aufzuräumen“ – Panik wegen Tränengas

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Die Europabrücke zwischen Straßburg und Kehl: Die Polizei sperrt von deutscher Seite her ab.

Am nächsten Tag war es dann soweit gekommen, dass die Sicherheitskräfte durchgriffen. Es wurde dabei nicht zwischen aggressivem schwarzem Block und friedlichen Demonstranten unterschieden. Kurz zuvor war unsere kleine Gruppe weg von der Europabrücke und ihrem brennenden alten Zollhaus zum Kundgebungsplatz der offiziellen Demonstration gegangen. Dort hatten sich bis dahin schon fast 10.000 Menschen versammelt. Ein bunt gemischtes Publikum, auch in farblichem Sinne, Junge und Alte. Einige hatten sich große Mühe mit ihren Transparenten und Basteleien gegeben. Aber genau bei diesen friedlichen Leuten fing die Polizei an, „aufzuräumen“. Es war für die Polizisten die einzige größere Gruppe von Menschen in ihrer direkten Nähe. Für den Polizeieinsatz lag der Kundgebungsplatz praktischerweise sogar in einem Kessel. Dadurch war dieser besonders gut mit Tränengas zu beschießen. Als dies geschah, brach eine Massenpanik aus. An die 10.000 Menschen fingen auf einmal an zu rennen. Ältere Menschen versuchten sich in die Büsche zu retten, aus Angst überrannt zu werden. Das bot ihnen jedoch keinen Schutz vor dem aggressiven Gas. Sie sahen panisch aus.

Paradox: Bei Anti-Kriegsdemo steckten wir selbst mitten im Krieg

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Ein Demonstrationszug Autonomer auf dem Weg zur Europabrücke.

Nachdem sich die meisten, so auch wir, in Sicherheit gebracht hatten, blickte ich auf die Stadt zurück. In allen Himmelsrichtungen stiegen Rauchsäulen in den Himmel, man hörte das Propellerschlagen von vier oder fünf Hubschraubern. Es knallte in unregelmäßigen Abständen. Es sah so aus, wie ich mir Krieg vorstelle. Straßburg war im Krieg. Eine paradoxe Situation, wenn man bedenkt, dass wir dort waren, um gegen Krieg zu demonstrieren. Jetzt steckten wir selbst mittendrin. Die Kundgebung wurde abgesagt, der Ostermarsch konnte die Brücke von Kehl nach Straßburg nicht überqueren. Die Veranstaltung war für uns gelaufen. Wir machten uns auf den Rückweg, was leichter gesagt war als getan. Ein dreistündiger Marsch durch ein Industriegebiet, vorbei an allen Absperrungen, hin zum Camp stand uns bevor. Genauso schwierig gestaltete sich die Ausreise, nirgends wollte man uns Auskunft geben, geschweige denn passieren lassen. Doch wir fanden einen Weg. Wir folgten einem deutschen Paar, ab einem Golfplatz zurück nach Deutschland. Sie hatten wohl ganz unbehelligt eine Runde Golf gespielt, während im Hintergrund Straßburg brannte. Einer von vielen Gedanken, die mir bleiben: wie paradox. Auf dem Heimweg hörten wir im Radio, dass anscheinend 34 Demonstranten und acht Polizisten verletzt worden seien. Mindestens 300 Festnahmen soll es gegeben haben. „Verhältnismäßig wenig, für das, was wir gesehen haben“, sagt einer aus unserer Gruppe. Danach wurde eine politische Diskussion im Radio übertragen. Es war der erste sinnvolle politische Diskurs, den wir an diesem Demo-Wochenende hörten. Ein Experte kritisierte faktisch-formal die Nato und ihre Misserfolge. Gerne hätten wir davon auch mehr in Straßburg gehört. Doch daraus war leider nichts geworden.

Der „Schwarze Block“ hinterließ eine Spur der Verwüstung

Brennendes altes Zollhaus direkt an der Europabrücke.

Brennendes altes Zollhaus direkt an der Europabrücke.

Auf dem Weg zur Demonstration hatte der „schwarze Block“ eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Scheiben wurden eingeworfen, Läden geplündert und alles angezündet, was brennbar schien. Einer kam sogar auf die völlig idiotische Idee, eine Tankstelle anzuzünden. Als wir das gesehen hatten, liefen wir deutlich schneller. Von einer Explosion haben wir jedoch nichts mitbekommen. Bei einigen Aktionen, die wir gesehen und miterlebt hatten, fragten wir uns öfter nach deren Sinn. Ein Problem war sicher, dass sich sehr viele französische „Ghettokids“ aus den Vorstädten unter die Demonstrierenden gemischt hatten. Die Situation erinnerte stark an die Ausschreitungen in den Banlieues von Paris vor einigen Jahren. Mein Eindruck war: Diese Kids wollten um jeden Preis Krawall machen, so dass es sogar innerhalb des schwarzen Blocks zu Auseinandersetzungen kam.

Mit etwas zeitlicher Distanz zu den Ereignissen lautet mein Fazit: Wer einer mächtigen Institution wie der Nato schaden will, braucht für eine Demonstration eine zentrale Aussage. „Hallo, wir sind besser als ihr und wir sind mehr“. Gegen Krieg zu demonstrieren, indem man in einer Stadt kriegsähnliche Zustände schafft, kann keine sinnvolle Aussage sein.

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Bundeskartellamt hat entschieden: Südwestpresse Ulm darf das Haller Tagblatt nicht übernehmen

Die Südwestpresse Ulm (Neue Pressegesellschaft) darf die Lokalzeitung Haller Tagblatt in Schwäbisch Hall nicht übernehmen. Dies hat das Bundeskartellamt entschieden.

Von Ralf Garmatter, Freier Journalist, Hohenlohe-ungefiltert

Zu seiner Entscheidung teilt das Bundeskartellamt im Einzelnen folgendes mit: Die Parteien in dem Fusionsfall B6-150/08 Neue Pressegesellschaft (NPG)/Zeitungsverlag Schwäbisch Hall (ZVSH), Objekt „Haller Tagblatt“ haben gestern Abend (Anmerkung von Hohenlohe-ungefiltert: Dienstag, 21. April 2009) eine Untersagungsentscheidung erhalten.
Das Zusammenschlussvorhaben ist bereits deshalb zu untersagen, weil es die Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung des ZVSH auf dem Lesermarkt für Abonnement-Tageszeitungen mit lokaler bzw. regionaler Berichterstattung im Raum Schwäbisch Hall erwarten lässt. Zusätzlich lässt es die Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung der HDV auf dem Lesermarkt für
Abonnement-Tageszeitungen mit lokaler bzw. regionaler Berichterstattung im Raum Crailsheim erwarten. Dies gilt ebenso für die Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung der NKR (Neue Kreisrundschau, Gaildorf) auf dem Lesermarkt für Abonnement-Tageszeitungen mit lokaler bzw. regionaler Berichterstattung im Raum Gaildorf. Ferner lässt das Zusammenschlussvorhaben die Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung des ZVSH auf dem lokalen Anzeigenmarkt bzw. auf dem lokalen Anzeigenmarkt ohne Rubrikenanzeigen im Raum Schwäbisch Hall erwarten. Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen, welche die Nachteile des Marktbeherrschung überwögen (§ 36 Abs. 1, 2. Hs. GWB) sind von den Beteiligten weder schlüssig vorgetragen noch nachgewiesen worden.

Weitere Informationen zu dem Verfahren sind in wenigen Tagen auf der Homepage des Bundeskartellamts zu finden:

www.bundeskartellamt.de/

Lesen Sie zur geplant gewesenen Übernahme des Haller Tagblatts durch die Südwestpresse Ulm auch den älteren Artikel auf

www.hohenlohe-ungefiltert.de/?p=302


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Mischen Sie sich ein! – Landeszentrale für politische Bildung ruft zur Kommunalwahl auf

Die Landeszentrale für politische Bildung ruft zur Kommunalwahl in Baden-Württemberg am Sonntag, 7. Juni 2009 auf: Mischen Sie sich ein! Lassen Sie sich aufstellen! Gehen Sie zur Wahl! (Internet: www.kommunalwahl-bw.de/)

Am 7. Juni 2009 haben rund 7,7 Millionen Wahlberechtigte in Baden-Württemberg wieder die Wahl: in 1.101 Gemeinden und 35 Landkreisen werden die Mitglieder von Gemeinderäten und Kreistagen gewählt. Die Kommunalwahl findet zusammen mit der Europawahl statt. Weiterführende Infos für EU-Bürger in verschiedenen Sprachen: www.jum.baden-wuerttemberg.de/servlet/PB/menu/1240623/index.html, allgemeine Infos: www.baden-wuerttemberg.de/de/Europawahl_2009/85803.html?referer=86226
Wie das Innenministerium am 8. August 2008 in Stuttgart mitteilte, wurden zum beabsichtigten Wahltermin für die Kommunalwahlen 2009 die kommunalen Landesverbände, die Landtagsfraktionen, der Landesverband der Freien Wähler Baden-Württemberg e.V. und der Verband Region Stuttgart gehört. Alle hatten dem Termin zugestimmt. Obwohl die Freien Wähler auf ihre grundsätzliche Haltung zugunsten eines eigenständigen Termins für die Kommunalwahlen hingewiesen haben, sind sie mit Blick auf die im Jahr 2009 ebenfalls stattfindende Bundestagswahl einverstanden.

Aktives und passives Wahlrecht nutzen

Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (LpB) appelliert an die Bürgerinnen und Bürger im Südwesten, die Kommunalpolitik nicht einfach „den anderen“ zu überlassen. Die Demokratie lebt von engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Voraussetzung für Demokratie ist, dass Wählerinnen und Wähler ihr aktives und passives Wahlrecht nutzten, d.h. wählen gehen oder sich zur Wahl stellen.

Die Landeszentrale bereitet zur Kommunalwahl 2009 interessante Projekte, Publikationen und zahlreiche Veranstaltungen vor. Die Aktivitäten zur Wahl sollen es den Bürgerinnen und Bürgern im Südwesten leichter machen, sich um ein Mandat in den Gemeinderäten und Kreistagen im Land zu bewerben und am 7. Juni 2009, dem Tag der Kommunal- und Europawahl, das Wahlrecht auszuüben und zu den Urnen zu gehen.

Damit will die Landeszentrale auch dem Trend, nicht wählen zu gehen, entgegenwirken. Die LpB will aber in den kommenden Monaten so viele Bürgerinnen und Bürger wie möglich erreichen, sie dazu bringen, sich zu informieren, mitzureden und sich zu engagieren.

Jetzt beginnen die Parteien und Wählervereinigungen in den 1.101 Städten und Gemeinden im Land mit der Suche nach Kandidaten. Die Kommune ist der Ort, in dem Bürgerinnen und Bürger unmittelbar daran mitwirken können, ihre Lebenswirklichkeit zu verändern. Viele Menschen haben ein Gefühl der Machtlosigkeit. Dies kommt zum Beispiel dann zum Ausdruck, wenn „von denen da oben und wir da unten“ gesprochen wird. Zur Wahl zu gehen oder für ein Amt zu kandidieren und es später auszuüben, ist das beste Rezept gegen eine Politik, deren Entscheidungen der jeweilige selbst nicht mittragen könne oder wolle. Damit ist politisches Engagement die beste Methode, etwas gegen empfundene Hilflosigkeit zu tun. Wahlverweigerer geben zudem das Kritikrecht aus der Hand. Denn es ist zu einfach, sich an den Rand zu stellen und den Besserwisser zu mimen statt alles in seiner Macht stehende zu tun, die Dinge demokratisch zu beeinflussen.

Zu bedauern ist die seit Jahren sinkende Beteiligung vor allem bei Kommunal- und Europawahlen. Die Demokratie lebt von der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Wer sich verweigert, stärkt damit nicht die Demokratie. Ob Rathauschef oder Gemeinderäte – eine niedrige Wahlbeteiligung hinterlässt ein schales Gefühl und mindert die Legitimation, mit der die Macht ausgeübt werde.

Eine niedrige Wahlbeteiligung ist aber kein Indiz für eine Gefährdung der Demokratie. Ob Frankreich, die USA oder die Schweiz – auch in diesen Mutterländern der Demokratie ist die Wahlbeteiligung teilweise sehr niedrig. So lag sie zuletzt in der Schweiz bei Kantonsratswahlen teilweise nur zwischen 29 und 35 Prozent.

Nicht zur Wahl zu gehen, wird von einigen Experten auch als Zustimmung und Zufriedenheit mit der Politik interpretiert: „Wenn alles flutscht, warum soll ich dann zur Wahl gehen?“ Konsequent zu Ende gedacht, führt dies aber zu einer „Herrschaft der Wenigen“, die nichts mehr mit einer Demokratie zu tun hat.

Warum wählen?

Es ist ein Glück wählen zu dürfen.
Das ist der Besitz: eine Stimme.
Sie fällt ins Gewicht und beweist, dass ich lebe.
Günter Grass

Warum soll es ein Glück sein wählen zu dürfen? Was kann ein einzelner schon bewirken? Diese Frage scheinen sich immer mehr Menschen zu stellen und durch ihre Stimmenthaltung darauf auch eine Antwort zu geben. Man sollte aber nicht vergessen, dass seit Ende des zweiten Weltkrieges ein beachtlicher Wertewandel bezüglich gesellschaftlicher Normen stattgefunden hat und die Parteiidentifikation stark nachließ (sinkende Mitgliedzahlen, zurückgehendes Engagement). Diese Sozialfaktoren erklären auch den augenblicklich noch
wachsenden Zulauf zur „Partei der Nichtwähler“.
Ohne Wahlen aber gibt es keine Demokratie. Zur Demokratie gehört unverzichtbar, dass in regelmäßigen Abständen der Wille der Mehrheit der Bürger neu festgestellt wird und sie ihre Repräsentanten in den Gemeindevertretungen, Kreistagen und Parlamenten neu bestimmen. Die Ausübung des Wahlrechts ist deshalb lebensnotwendig für eine Demokratie. Der Wählerwille, der durch Wahlen zum Ausdruck kommt, ist Grundlage für die politischen Entscheidungen in der nachfolgenden Wahlperiode. Wahlen ermöglichen, bisherige Mehrheiten zu Minderheiten zu machen. Dies ist ein wichtiger Bestandteil der politischen Kontrolle. So wird verhindert, dass bestimmte Gruppen Herrschaft auf Dauer ausüben können.
In der Bundesrepublik Deutschland herrscht das Prinzip der repräsentativen Demokratie. Das bedeutet, die Bürger wählen ihre Vertreter, die für sie eine Wahlperiode lang die politischen Entscheidungen treffen. Die Gewählten bei den Kommunalwahlen sind Vertreter aller Einwohner des jeweiligen Wahlgebietes, nicht nur ihrer Wähler. Sie sind nur ihrem Gewissen und dem Gemeinwohl verpflichtet und an Weisungen und Aufträge nicht gebunden. So wird ein hohes Maß an Unabhängigkeit der gewählten Vertreter gesichert.

Politikverdrossenheit oder lediglich Umorientierung?

Das zwischenzeitlich mal zum Modebegriff avancierte Wort von der Politikverdrossenheit bezeichnete ebenfalls im Grunde nur charakteristisch jene Umorientierung, die seit geraumer Zeit gesellschaftlich zu beobachten ist. Der Wertewandel ist ein konstanter historischer Prozess, der aber jederzeit wieder die Richtung ändern, ja sogar den Rückwärtsgang einlegen kann. Beispiele kennt die Geschichte genug – im kleinen, regionalen Rahmen, bis hin zu weltumspannenden Veränderungen. So folgte etwa auf eine sehr beschauliche, unpolitische Phase in der deutschen Gesellschaft der fünfziger Jahre, eine revolutionäre, konfrontative Phase Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre. Und augenblicklich scheinen wir uns wieder in die unpolitisch-geruhsame Haltung zurückgekehrt zu sein.
Die „Partei“ der Nichtwähler hat im letzten Jahrzehnt verstärkt Zulauf bekommen. Sagt das schon etwas über die Qualität einer Demokratie aus? Im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Meinung: nein! 1930 etwa haben die Nationalsozialisten, die NSDAP, gerade deshalb so gut abgeschnitten, weil die Nichtwähler von 1928 mobilisiert wurden. 1928 war die  wirtschaftliche Situation in der Weimarer Republik noch relativ gut, 1930 hatte die Weltwirtschaftskrise Deutschland schon voll im Griff. Die höhere Wahlbeteiligung hatte in den Folgejahren also nicht zu einer Stabilisierung der parlamentarischen Demokratie beigetragen, das Gegenteil war der Fall.
Lässt sich also umgekehrt sagen, dass eine hohe Wahlbeteiligung – als Signal für eine wirtschaftliche oder politische Gefährdung – schlecht für die Demokratie ist? Auch dies muss verneint werden. In Deutschland liegt die durchschnittliche Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen bei weit über 70 Prozent, bei Landtags-, Kommunal- und Europawahlen bei über 50 Prozent. In der Schweiz oder den Vereinigten Staaten ist die Wahlbeteiligung viel niedriger. Trotzdem gelten weder die Schweiz, noch die USA oder Deutschland als besonders instabil. Fazit: Die Wahlbeteiligung alleine sagt noch nichts über die Qualität einer Demokratie aus.
Das Argument „Wozu soll ich wählen, ich kann ja doch nichts ändern!“ zählt nicht. Wenn ein einzelner (oder wenige) nach Belieben bestimmen könnten, würde ja keine Demokratie, sondern eine Diktatur und Tyrannei vorliegen. Aber jeder kann sich dahingehend engagieren, andere von seiner Meinung zu überzeugen und kann versuchen, eine Minderheitenmeinung mehrheitsfähig zu machen.

Den Bürgerinnen und Bürgern einer Demokratie bieten sich viele Möglichkeiten der Beteiligung am politischen Willensbildungsprozess:
Mitgliedschaft in Parteien
Mitgliedschaft in Interessensverbänden (z.B. Kirchen, Gewerkschaften, etc.)
Engagement in Bürgerinitiativen
Einwirkung auf die öffentliche Meinung und den Gesetzgeber
Wahlen (und Volksabstimmungen).
Die Wahl ist die typischste und wichtigste Partizipationsmöglichkeit. Sie steht prinzipiell allen Bürgerinnen und
Bürgern des Landes offen (sofern sie nicht, wie etwa Minderjährige, in ihren Bürgerrechten per Gesetz
eingeschränkt sind).

Wahlen in Deutschland sind allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim (Art. 38 des Grundgesetzes).
Allgemein sind Wahlen, weil jeder wahlberechtigt und wählbar ist, der gewisse Voraussetzungen erfüllt. Dazu gehört z. B., dass die Wählerinnen und Wähler und die Kandidatinnen und Kandidaten ein gewisses Mindestalter erreicht haben müssen.
Die Wähler bestimmen die Gemeindevertreter, die Mitglieder die Kreistage, die Bürgermeister und die Ortsbeiräte direkt. Sie wählen also kein zwischengeschaltetes Gremium, das dann erst die eigentlichen Vertreter wählt. Dies nennt man eine unmittelbare Wahl. Dem gegenüber werden die Amtsausschüsse und Amtsdirektoren und die Landräte nicht in unmittelbarer Wahl von der Bevölkerung, sondern in mittelbarer Wahl von der Gemeindevertretung, dem Amtsausschuss oder dem Kreistag gewählt.
Frei sind die Wahlen, weil niemand gezwungen werden kann, überhaupt zu wählen. Es gibt keine Wahlpflicht. Frei sind die Wahlen auch, weil niemand Druck auf die Wähler ausüben darf. Niemand darf einen Wähler zwingen, für einen bestimmten Kandidaten oder eine bestimmte Partei seine Stimme abzugeben. Selbstverständlich dürfen Kandidaten, Wählergruppen, politische Vereinigungen und Parteien um Stimmen werben.
Das Prinzip der geheimen Wahl ist eng mit dem Grundsatz der freien Wahl verbunden. Es ist sicherzustellen, dass die Wähler ihre Stimmen unbeobachtet abgeben können und auch niemand erfährt, für wen sie gestimmt haben.
Die Wahlen sind gleich, weil alle Wähler die gleiche Anzahl an Stimmen abgeben können (Gleichheit des Zählwerts). Gleich nennt man die Wahlen auch, weil jede Wählerstimme im Prinzip das gleiche Gewicht bei der Auszählung hat und damit im selben Maße wie andere darüber entscheidet, welche Kandidaten, Parteien, politischen Vereinigungen oder Wählergruppen in welcher Stärke in die Kommunalvertretungen einziehen können.

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Aufruf des Wahlleiters zur Europawahl: Alle Wähler müssen im deutschen Wählerverzeichnis eingetragen sein – Letzte Frist: 17. Mai 2009

Bekanntmachung des Kreiswahlleiters, Landrat Helmut Jahn, für den Hohenlohekreis, (Anmerkung von Hohenlohe-ungefiltert: Entsprechendes gilt auch für alle anderen Landkreise) für Staatsangehörige der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Unionsbürger) zur Wahl zum Europäischen Parlament in der Bundesrepublik Deutschland am Sonntag, 7. Juni 2009.

Am 07. Juni 2009 findet die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland statt. An dieser Wahl können Sie aktiv teilnehmen, wenn Sie in der
Bundesrepublik Deutschland eine Wohnung innehaben oder sich dort gewöhnlich aufhalten und am Wahltag
1. die Staatsangehörigkeit eines der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union besitzen,
2. das 18. Lebensjahr vollendet haben,
3. seit mindestens drei Monaten in der Bundesrepublik Deutschland oder in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Wohnung innehaben oder sich dort sonst gewöhnlich aufhalten (auf die Dreimonatsfrist wird ein aufeinanderfolgender Aufenthalt in den genannten Gebieten angerechnet),
4. weder in der Bundesrepublik Deutschland noch in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union, dessen Staatsangehörigkeit Sie besitzen, vom aktiven Wahlrecht zum Europäischen Parlament ausgeschlossen sind,
5. in ein Wählerverzeichnis der Bundesrepublik Deutschland eingetragen sind. Die erstmalige Eintragung erfolgt nur auf Antrag. Der Antrag ist auf einem Vordruck spätestens bis zum 17. Mai 2009 zu stellen. Einem Antrag auf Eintragung in ein deutsches Wählerverzeichnis, der erst nach dem 17. Mai 2009 bei der zuständigen Gemeindebehörde eingeht, kann nicht mehr entsprochen werden (§ 17a Abs. 2 der Europawahlordnung).
Sind Sie bereits auf Grund Ihres Antrages bei der Wahl am 13. Juni 1999 oder am 13. Juni 2004 in ein Wählerverzeichnis der Bundesrepublik Deutschland eingetragen worden, so brauchen Sie
keinen erneuten Antrag zu stellen. Ihre Eintragung erfolgt dann von Amts wegen, sofern die sonstigen wahlrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Dies gilt nicht, wenn Sie bis einschließlich
zum 17. Mai 2009 gegenüber der zuständigen Gemeindebehörde auf einem Formblatt beantragen, nicht im Wählerverzeichnis geführt zu werden. Die Entscheidung gegen die Eintragung in ein deutsches Wählerverzeichnis gilt dann für alle künftigen Wahlen zum Europäischen Parlament bis Sie erneut einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis stellen.
Sind Sie bei den Europawahlen von 1979 bis 1994 in ein Wählerverzeichnis in der Bundesrepublik Deutschland eingetragen worden, müssen Sie für eine Teilnahme an der Europawahl in
Deutschland einen erneuten Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis stellen. Nach einem Wegzug in das Ausland und einem erneutem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland müssen Sie immer einen neuen auf Eintragung in ein deutsches Wählerverzeichnis stellen. Antragsvordrucke sowie Merkblätter zur Information können bei allen Gemeindebehörden in der Bundesrepublik Deutschland angefordert werden.

Wenn Sie in der Bundesrepublik Deutschland als Wahlbewerber für einen der deutschen Sitze im Europäischen Parlament kandidieren wollen, ist u. a. Voraussetzung, dass sie am Wahltag

1. das 18. Lebensjahr vollendet haben,
2. die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union besitzen,
3. weder in der Bundesrepublik Deutschland noch in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union,
dem sie angehören, von der Wählbarkeit ausgeschlossen sind.

Mit Ihrem Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis oder mit dem Wahlvorschlag Ihrer Kanditatur müssen Sie eine Versicherung an Eides statt abgeben, dass bei Ihnen die oben genannten Voraussetzungen für eine aktive oder passive Wahlteilnahme vorliegen.

Künzelsau, den 10. Februar 2009
gez.
Der Kreiswahlleiter für den    Helmut M. Jahn
Wahlkreis Hohenlohekreis     Landrat

Allgemeine Infos zur Europawahl im Internet:

www.baden-wuerttemberg.de/de/Europawahl_2009/85803.html?referer=86226

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Alle SPD-Kreistagskandidaten im Landkreis Schwäbisch Hall auf einen Blick

Die Kandidaten der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) im Landkreis Schwäbisch Hall für die Kreistagswahl am Sonntag, 7. Juni 2009:

Eingesandt vom SPD-Kreisverband Schwäbisch Hall

Wahlkreis 1 (Schwäbisch Hall)

Hermann-Josef Pelgrim, Oberbürgermeister; Dieter Vogt, Notar im Ruhestand; Rüdiger Schorpp, Rektor; Anton Eugen Schmid, Angestellter; Ninon Kiesler, Dipl. Haushaltsökonnomin; Monika Jörg-Unfried, Richterin am Amtsgericht; Ralph Gruber, Lehrer; Luigi Monzo, Dipl.-Ing. Architektur; Danny Multani, Dipl. Wirtschaftsjurist (FH);Olga Exter, Sozialpädagogin; Birgit Kern, Sozialpädagogin; Jürgen Riehle, Schulleiter; Helmut Kaiser, Rektor; Hansjörg Stein, Freier Architekt; Nikolaos Sakellariou, Rechtsanwalt, Mitglied des Landtags

Wahlkreis 2 (Rosengarten)

Hans Zipperer, Schulleiter; Rose Kircher, Bankkauffrau; Wolfgang Schickner, Technischer Angesteller; Martin Gaukel, Betriebsrat; Karl-Eugen Altdörfer, Rektor; Maren van Bergen, Bankkauffrau; Dieter Tassler, Selbstständiger Unternehmensberater; Manfred Maier, Rentner;  Wolfgang Kasselhus, Bankvorstand a.D.; Helmut Philipp, Schreinermeister

Wahlkreis 3 (Gaildorf)

Karl Eichele, Betriebsratsvorsitzender; Karin Chmiel, Rentnerin; Martin Zecha, Gartenbauingenieur; Eleonore Hofmann-Heer, Rechtsanwältin; Rainer Hasenmaier, Gymnasiallehrer im Ruhestand; Jürgen Riehle, Schulleiter; Nikolaos Sakellariou, Rechtsanwalt, Mitglied des Landtags; Alexander Chmiel, Teamtechniker; Markus Tiebl, Postobersekretär

Wahlkreis 4 (Satteldorf)

Frank Hesse, Student; Hans Christian Stolberg, Buchhändler; Herma Paul, Altenpflegerin; Brunhilde Klingler, Hausfrau; Barbara Elisabeth Singer, Lehrerin; Heidrun Stelzer, Kaufmännische Angestellte; Ulrich Feige, Lehrer; Gert Singer, Lehrer; Peter Trampert, Versicherungsmakler

Wahlkreis 5 (Crailsheim)

Roland Klie, Finanzbeamter; Helga Hartleitner, Hausfrau; Günther Herz, Dipl. Betriebswirt; Gernot Mitsch, Studiendirektor; Werner Ehrmann-Krauß, Krankenpfleger; Sinasi Karlak, Industriemechaniker; Georg Schlenvoigt, Oberbürgermeister a.D., Dipl. Ing.; Frank Hesse, Student; Helmut Hofmann, Vermessungstechniker; Manfred David, Finanzbeamter; Magnus Krause, Fotograf; Eva Barbara Kuhr, Einsatzleiterin; Kevin Graf, Betriebswirt

Wahlkreis 6 (Ilshofen)

Rudi Fischer, Fachoberlehrer; Elvira Probst-Lipski, Arzthelferin; Oliver Paul, Dipl. Geograph; Hannelore Pankwitt, Lehrerin; Markus Wanck, Schornsteinfegermeister; Oliver Flamm, Selbstständiger Versicherungskaufmann; Stefanie Paul, Arbeitsvermittlerin; Ernst Krauß, Kriminalhauptkommissar, Frank Mäschig, Schriftsetzermeister

Wahlkreis 7 (Schrozberg)

Jürgen Scharch, Dipl. Wirtschaftsmathematiker; Anita König, Rentnerin; Frank Weiß, Selbstständiger Unternehmensberater; Anette Heiden, Teamleiterin; Helmut Klingler, Fernmeldetechniker; Andreas Schenk, Beamter; Walter F. Leyh, Dipl. Pädagoge; Wolfgang Maurer, Angestellter; Heiner Borchers, Freier Handelsvertreter

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Metzgers Rache – Kabarett mit Albrecht Metzger (Schwaben-Offensive) im KULT in Niederstetten

Albrecht Metzger

Ein schwäbischer Rächer aus Berlin: Albrecht Metzger

Eine schwäbische Maultasche packt aus: Im Kabarettprogramm METZGERS RACHE zeigt Albrecht Metzger am Freitag, 8. Mai 2009, um 20 Uhr im Niederstettener „Kult“ die Highlights aus 20 Jahren Schwaben-Offensive und 30 Jahren Geiselhaft in Kreuzberg.

Von Norbert Bach, Kulturreferent der Stadt Niederstetten

Prägnant und saukomisch reiben sich in 20 Szenen schwäbische Wertarbeit am Berliner Pfusch, misst sich die große Berliner Klappe mit der schwäbischen Schwertgosch und die Kehrwochen-Neurose mit Schlamperei und Weddinger Wurstigkeit. Albert Metzger bietet eine rasante One-Man-Show mit viel Musik, Tanz und jeder Menge Amüsemang! Metzger, ein Schwabe, erster Moderator der legendären TV-Show Rockpalast und Gründer der Schwaben-Offensive Berlin lebt seit mehr als 30 Jahren in Berlin. Jetzt zieht er mit METZGERS RACHE seine zwerchfellerschütternde Bilanz: Die Heimat ist immer woanders. Ein exorzistischer Abend für Schwaben und Schwabenhasser.
Kontakt: Karten können über die Städtische Mediothek Niederstetten reserviert werden (Telefon 07932/60032; E-Mail: mediothek@niederstetten.de), Eintritt: 12 Euro (ermäßigt 10 Euro).

Kurzinfo: Freitag, 8. Mai 2009, 20 Uhr; Niederstetten; KULT
Albrecht Metzger (Schwaben-Offensive): „Metzgers Rache“

Internet:

www.albrecht-metzger.de

www.niederstetten.de/fruku/kulturprogramm_f.html

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Merkwürdiger Schriftzug eines Steinmetzbetriebs in Wallhausen: Ellwanger Staatsanwaltschaft hält Verwechslungsgefahr mit SS-Runen der Nazis für ausgeschlossen

Der Schriftzug der Steinmetz-Firma Prassler in Wallhausen. FOTO: Garmatter

Einige Buchstaben des Schriftzugs der Steinmetz-Firma Prassler in Wallhausen ähneln Runen. FOTO: Garmatter

Mit eigenartigen Schriftzeichen wirbt die Steinmetzfirma Prassler in Wallhausen seit vielen Jahren für ihre Dienste. Doch nicht alle Menschen sind von diesen Schriftzeichen angetan. Zu stark erinnern einige davon an die Zeit des Nationalsozialismus. Das doppelte S in Prasslers Firmenschriftzug hat starke Ähnlichkeit mit dem Symbol der SS im Dritten Reich. Der Firmenschriftzug ist so angebracht, dass er von der Bundesstraße 290 von Crailsheim her am Ortseingang von Wallhausen und auch aus der anderen Richtung gut zu sehen ist. Das Firmengebäude Prasslers befindet sich nur wenige Meter vom Straßenrand entfernt. Weil das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg den Anfangsverdacht einer Straftat sah, überprüfte die Staatsanwaltschaft Ellwangen die Schriftzeichen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Der zuständige Sachbearbeiter der Ellwanger Staatsanwaltschaft bewertete die Schriftzeichen als nicht verboten.

Bericht und Kommentar von Ralf Garmatter, Freier Journalist aus Kirchberg/Jagst

Staatsanwalt: Kein Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

Staatswalt Oliver Knopp begründete die Entscheidung auf Nachfrage von Hohenlohe-ungefiltert: Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sei verneint worden, „da selbst der unbefangene, nicht genau prüfende Beobachter die Buchstaben in der Mitte des (…) Nameszuges nicht für Zeichen der Organisation der Waffen-SS halten kann, weil er nicht den Symbolgehalt eines tatsächlichen Kennzeichens vermittelt. Das Verfahren wurde daher bereits am 27.03.2009 nach § 152 Abs.2 StPO (Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens) eingestellt.

S-Rune sei dem SS-Schriftzug nicht zum Verwechseln ähnlich

Zum Vergleich: Emblem der SS / Aus dem Internetlexikon Wikipedia

Zum Vergleich: Emblem der SS / Aus dem Internetlexikon Wikipedia

Staatsanwalt Knopp weiter: Das S in dem Namenszug, der Gegenstand des Ermittlungsverfahrens war, ist nicht mit der Sig-Rune, die in ihrer doppelten Verwendung durch die „Sturmstaffel (SS)“ und die (Waffen-)SS Bedeutung erlangt hat, identisch. Gemäß § 86a Absatz 2 Satz 2 StPO kommt es daher darauf an, ob das verwendete S dieser Sig-Rune „zum Verwechseln ähnlich“ ist.
Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, so zuletzt in dem Urteil des 3. Strafsenats vom 28. 7. 2005 – 3 StR 60/05-  muss „nach dem Gesamteindruck eines durchschnittlichen, nicht genau prüfenden Betrachters eine Verwechslung mit dem Original möglich sein“. Dies setzt voraus, dass die typischen Merkmale, welche das äußere Erscheinungsbild eines Kennzeichens einer der in § 86  StGB bezeichneten Parteien oder Vereinigungen prägen und dadurch dessen Symbolgehalt vermitteln, sich in dem verwendeten Zeichen wiederfinden lassen.
Von der höchstricherlichen Rechtsprechung wird mit diesen Formulierungen somit der Begriff der „Verwechslungsgefahr“ im Sinne des § 86a Abs.2 Satz 2 StGB konkretisiert.
Der zuständige Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft Ellwangen hat nach Prüfung eine solche Verwechslungsgefahr verneint.

Staatsanwalt Knopp: „Nicht zu allgemeiner Rechtsauskunft befugt“

Eine völlig unbefriedigende Antwort erteilte Staatsanwalt Knopp auf die Frage von Hohenlohe-ungefiltert „Wie identisch muss ein SS-Zeichen mit dem SS-Zeichen der Nazis sein, damit es strafverfolgt wird – wie groß darf die Abweichung der Winkel des jeweiligen S sein, die zwischen Straftat und Nicht-Straftat entscheiden?“ Knopps Antwort: „Die Beantwortung dieser Frage würde eine über den konkreten Fall hinausgehende allgemeine Rechtsauskunft darstellen, zu welcher ich nicht befugt bin.“

S, P, R und das Steinmetzzeichen erinnern an Runenalphabet

Diese Zeichen erinnern stark an Hitlers Schutzstaffel

Diese Zeichen erinnern stark an Hitlers Schutzstaffel

Der Autor des Artikels von Hohenlohe-ungefiltert bleibt bei der Beurteilung des Schriftzuges der Firma Prassler bei seiner Meinung: Die leicht abgewandelte doppelte S-Rune könnte man alleine betrachtet möglicherweise noch als ein Versehen durchgehen lassen. Wenn da nicht auch noch das R, das P und auch das Steinmetzzeichen aus dem Runenalphabet Futhark stammen würden. Das scheint kein Zufall mehr sein. „Das sind Schriften, die an der Berufsschule für Steinmetze in Freiburg gelehrt werden“, sagt Firmeninhaber Prassler auf Nachfrage von Hohenlohe-ungefiltert. „Diese Schrift haben wir ganz normal in Freiburg gelernt.“

Beschreibung von Runenzeichen im Internetlexikon Wikipedia unter de.wikipedia.org/wiki/Runen

Die Zeichen "P" und "R" stammen auch aus dem Runenalphabet

Die Zeichen "P" und "R" stammen auch aus dem Runenalphabet

Freiburger Berufsschule bestätigt Prasslers Angaben nicht

Eine Nachfrage von Hohenlohe-ungefiltert an der Friedrich-Weinbrenner-Gewerbeschule in Freiburg bestätigt Prasslers Behauptung aber keineswegs. Demnach seien an der Berufsschule der Steinmetze nach 1945 weder Runenzeichen noch solche wie die von der Firma Prassler verwendete, unterrichtet worden, schreibt der stellvertretende Schulleiter Norbert Muser an die Hohenlohe-ungefiltert-Redaktion. An der Schule seien nach 1945 keine wie von Prassler verwendete Schriften zur Verwendung empfohlen worden.

Beratungslehrer sieht kein Neonazi-Bekenntnis

Dieses Steinmetzzeichen ist aus den Runen "M", "R" oder "P" zusammengesetzt

Dieses Steinmetzzeichen ist aus den Runen "M", "R" oder "P" zusammengesetzt

Der Freiburger Beratungslehrer Rupert Birmele bewertet die Schrift wie folgt: „Bei dem Schriftzug von Herrn Prassler handelt es sich nicht um eine klassische Schriftart, sondern um eine frei gestaltete stilisierte Schrift, die unter gestalterischen Gesichtspunkten in sich stimmig ist. Sicherlich lassen sich in unserem Hause ähnlich gestaltete „S“ finden, die besonders in den 70er und 80er Jahren einen gewissen Anklang fanden. Bei der „MRP“-„Rune“ handelt es sich um ein Steinmetzzeichen. Diese Zeichen haben ihre Herkunft aus dem Mittelalter und wurden damals als Signierung zu Abrechnungszwecken auf jedem Werkstein angebracht. Hier handelt es sich um eine durchaus übliche Form. Natürlich haben diese Zeichen den Nazis gut gefallen, sodass der in den 30-er Jahren gegründete Reichsverband der Steinmetze und Steinbildhauer ein solches Symbol im Wappen trägt. Dieses Symbol finden Sie auch heute noch im Wappen des Bundesinnungsverbandes der Steinmetze und Steinbildhauer.“ Der Beratungslehrer der Friedrich-Weinbrenner-Schule ist „vorsichtig, aus einem Schriftzug ein Bekenntnis eines Neonazis zu machen. Insider würden die SS-Zeichen vermutlich als solche erkennen. Für mich zählt, ob es sich um Werbung für Nazi-Denkweisen handelt, die Erkennbarkeit im Gesamt-Schriftzug fällt meiner Meinung nach schwer.“

Lehrer sorgt sich um Neonazi-Denkweisen bei Schülern

Der Berufsschullehrer macht sich an seiner Schule aber Sorgen wegen Schülern mit Neonazi-Denkweisen. „Wir haben an unserer Schule immer wieder Probleme mit Jugendlichen aus dem Neonazi-Milieu. Da diese Gesinnung dieser jungen Männer allzu offen auf T-Shirts und Arbeitsunterlagen prangten, haben wir an unserer Abteilung kurzerhand ein Verbot jedweder Symbole mit radikalem Inhalt ausgesprochen. Bei vielen dieser Symbole ist es jedoch schwierig, eine eindeutige Zuordnung zu finden, und noch schwieriger wird es sein, dies einem staatlich verbotenen Symbol zuzuordnen.“ Dies werde nach Ansicht von Rupert Birmele wohl auch bei den Schriftzügen der Firma Prassler nicht gelingen. „Vermutlich ist sich Herr Prassler der Zweideutigkeit dieses Schriftzuges auch nicht bewusst“, meint der Freiburger Beratungslehrer.

Polizei kann anhand einzelner Schriftzeichen den Schriftzug nicht bewerten

Der Polizeidirektion Schwäbisch Hall fiel es schwer, anhand der einzelnen zugesandten Schriftzeichen der Firma Prassler den gesamten Schriftzug zu bewerten, teilt Polizei-Pressesprecher Hans Ulrich Stuiber auf Nachfrage mit. „Die uns übersandten drei Schriftzeichen entsprechen in ihrer Ausführung nicht der Runenschrift. Die Schreibart des „S“ entspricht ebenfalls nicht der Schreibweise SS (…).“

Die Redaktion von Hohenlohe-ungefiltert meint: Zweideutige Schriftzeichen vermeiden

Die Redaktion von Hohenlohe-ungefiltert fände es gut, wenn die Firma Prassler ihren Schriftzug am Gebäude noch einmal überdenkt und abändert. Es gibt sicher bessere und unverfänglichere Schriften, um im 21. Jahrhundert für seine Firma zu werben.

INFO: www.ida-nrw.de/html/Fverbsymb.htm?

Kontakt: Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit e. V. (IDA), Dr. Stephan Bundschuh (Geschäftsführer), Volmerswerther Straße 20, 40221 Düsseldorf, Tel: 02 11 / 15 92 55-5, Fax: 02 11 / 15 92 55-69, E-Mail: Stephan.Bundschuh[at]IDAeV.de
Web: www.IDAeV.de

Auszüge der Internetseite von IDAeV: Die S- bzw. Sigrune ist das Symbol, das nach dem Hakenkreuz am deutlichsten mit der NS-Diktatur assoziiert wird. Die aus zwei S-Runen kombinierte Doppel-Sigrune war das Zeichen der „Schutzstaffel“ (SS) der  NSDAP, die für die „innere Sicherheit“ zuständig war. Die einfache Sigrune war das Emblem des „Deutschen Jungvolkes“ in der Hitlerjugend, das auf Fahnen, Standarten und Uniformen eine breite Verwendung fand.

In abgewandelter Form mit waagerechten Spitzen benutzte die neonazistische „Aktionsfront nationaler Sozialisten/Nationaler Aktivisten“ das Symbol. Aufgrund des 1983 ergangenen Verbots der Gruppe ist auch die Verwendung dieser Form der S-Rune strafbar.

Trotz Verbots taucht das Zeichen in modifizierter Form auch in Deutschland immer wieder in Schriftzügen auf CD-Covern oder Aufnähern auf. Im Ausland aktive Neonazis benutzen das Zeichen weiterhin offen. So bietet die 2000 in Deutschland verbotene, aber in anderen Ländern weiterhin aktive „Blood&Honour“-Bewegung über das Internet Fahnen mit dem SS-Abzeichen an, die hinsichtlich der NS-Ausrichtung keinen Zweifel lassen: Das SS-Zeichen wird z. B. kombiniert mit dem Totenkopf, dem Symbol der SS-„Totenkopfverbände“, die ab 1936 unter anderem für die Bewachung der Konzentrationslager zuständig waren.

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