Aufruf zur Bundestagswahl 2009: Das ver.di-Manifest

Eine menschenfeindliche Irrlehre scheitert.
Viel zu lange ging Gewinnsucht vor Gerechtigkeit. Viel zu oft wurde gute Arbeit missachtet und ungerecht entlohnt. Viele Menschen wurden in Armut gedrängt und gezwungen, um ihre Würde zu kämpfen.
Lange Jahre galt das Dogma des Neoliberalismus, nachdem weniger Marktregeln zu mehr Wachstum, Arbeit und Wohlstand führen. Heute wissen wir: Der zügellose Wettbewerb hat wenige immer reicher, die Mehrheit der Menschen aber ärmer gemacht. Sogar im Aufschwung vor der Krise ist der Realwert der Löhne in Deutschland um 2 Prozent gesunken, und den Beschäftigten ohne Tarifschutz wurden noch massivere Einbußen aufgezwungen. Viele wurden in schlecht bezahlte Leiharbeit und Jobs mit Dumpinglöhnen gedrängt. Dagegen sind die Unternehmensgewinne und die Einkommen aus Vermögen in den letzten zehn Jahren um 30 Prozent gestiegen.
– Wir haben erfahren, dass Neoliberalismus zu sozialer Ungerechtigkeit und verheerenden Krisen führt.
– Wir erleben, dass Spekulationsprofite privatisiert, die gigantischen Verluste aber der Allgemeinheit aufgebürdet werden.
– Wir wollen, dass ein für alle mal Schluss ist mit dieser Irrlehre und der ihr folgenden Politik.

Diese Krise muss eine Wende sein.
Jetzt stehen wir am tiefsten Punkt einer Epoche, die von ungezügelten Märkten und der Schwächung des Sozialstaats bestimmt war. Diese marktradikale Ideologie darf unsere Wirtschaft und Gesellschaft nicht länger beherrschen. Jetzt muss eine neue Zeit der Gerechtigkeit und Solidarität beginnen.
Diese Wirtschaftskrise ist viel mehr als nur ein Konjunktureinbruch, nach dem es weitergehen kann wie vorher. Diese tiefste Krise der Weltwirtschaft seit 1929 ist ein Epochenbruch. Nie zuvor ist die bundesdeutsche Wirtschaft stärker eingebrochen als jetzt mit mindestens 6 Prozent. Nie zuvor musste der Staat solche Unsummen zur Stabilisierung des Finanzsystems aufwenden. In dieser Krise drohen Entlassungen in nie gekanntem Ausmaß und tiefe Löcher in den Sozialkassen.
– Wir wollen eine neue Politik, die den Sozialstaat umfassend erneuert und allen Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht.
– Wir wollen eine neue Politik, die die Kaufkraft der Menschen stärkt, die nachhaltiges Wachstum fördert und mit dem Einstieg in einen sozialen und ökologischen Umbau beginnt.
– Wir wollen eine neue Politik, die für ausreichende Steuereinnahmen sorgt, damit der Staat allen Menschen soziale Sicherung und gute Daseinsvorsorge gewährleisten kann.

Wir verlangen Gerechtigkeit in der Krise.
Der Zusammenbruch der Finanzmärkte ist die Folge des Kasinokapitalismus. Einfach reparieren und so weitermachen wie bisher kann nicht die Lösung sein. Statt die Verluste zu sozialisieren, müssen jetzt die Profiteure zur Kasse gebeten werden.
Die Bekämpfung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Krise kostet sehr viel Geld, das nicht ohne neue Schulden aufgebracht werden kann. Trotzdem wird genau jetzt eine „Schuldenbremse“ beschlossen, und einige Parteien wollen in der Krise auch noch die Steuern massiv senken und die Erbschaftsteuer auf große Vermögen ganz abschaffen. Wenn die Schuldenaufnahme hart begrenzt und dazu noch auf staatliche Einnahmen verzichtet wird, können die Kosten der Krise nur durch massiven Sozialabbau und Kürzungen bei Bildung und Zukunftsinvestitionen zu finanzieren sein.
– Wir wollen, dass in der Krise nicht die kleinen und mittleren Einkommen belastet werden, sondern die Profiteure des Neoliberalismus, die Börsenspekulanten und die Manager mit Millioneneinkommen zur Kasse gebeten werden.
– Wir wollen, dass der Staat sich in der Krise und auch dauerhaft danach für die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen engagiert und mehr Geld in Bildung, Betreuung, Gesundheit und Infrastruktur investiert.
– Wir wollen keine konjunkturell unwirksamen Steuersenkungen, sondern ein weiteres Konjunkturpaket, dass durch Wachstum fördernde Investitionen Arbeitsplätze sichert und schafft.

Die Wirtschaft braucht demokratische Regeln.
Ungezügelte Märkte zerstören die Wirtschaft und vergiften die Gesellschaft. Erfolgreiches Wirtschaften braucht alle, muss allen nützen und von allen mitbestimmt werden. Jeder Mensch hat das Recht auf gute Arbeit und anständige Löhne.
Wirtschaft wird von Menschen gemacht und muss allen Menschen dienen. Was passiert, wenn allein der Markt die Gesetze des Wirtschaftens und Zusammenlebens bestimmt, zeigt sich gerade in schlimmster Form. Jetzt ist es höchste Zeit, die vielen zu schützen und zu stärken, deren Arbeit echte Werte schafft und die das Recht haben müssen, von ihrer Arbeit in Würde zu leben. Damit Wirtschaft der Gesellschaft dient, muss die Gesellschaft ihr klare Regeln setzen.
– Wir wollen, dass scharfe Regeln und eine lückenlose Kontrolle der Finanzmärkte tatsächlich durchgesetzt werden, dass Anleger wirksam geschützt und riskante Spekulationen verboten werden.
– Wir wollen, dass Banken nicht nur gerettet, sondern auch verpflichtet werden, der Wirtschaft, den Immobilienkäufern und Konsumenten faire Kredite zu geben.
– Wir wollen, dass alle Unternehmen auf das Gemeinwohl und zu nachhaltigem Wirtschaften verpflichtet werden.
– Wir wollen endlich einen branchenübergreifenden gesetzlichen Mindestlohn für alle Beschäftigten in Deutschland.
– Wir wollen, dass die Mitbestimmung und die Rechte der betrieblichen Interessenvertretungen ausgebaut werden, damit Krisen nicht einseitig zu Lasten der Belegschaften gehen und alle Beschäftigten gleichgestellt werden.

Der Sozialstaat muss jedem Chancen garantieren und alle schützen.
Bildung ohne Herkunftsschranken, soziale Vor- und Fürsorge und Existenz sichernde Renten. Das brauchen alle Menschen in Deutschland, Europa und unserer globalisierten Welt.
In den letzten zehn Jahren wurden durch Steuersenkungen von 185 Milliarden Euro die finanziellen Grundlagen des Staates untergraben. Dies hat zu vermehrter Armut, ungerecht verteilten Bildungschancen und zur Verschlechterung und Verteuerung staatlicher Leistungen und der medizinischen Versorgung geführt.
Wir wollen einen handlungsfähigen und aktiven Staat, der seinen Bürgern ein Leben in Würde, eine verlässliche Daseinsfürsorge und gleiche Chancen auf Teilhabe garantiert.
– Wir wollen eine entschiedene Bekämpfung der Armut bei Kindern, bei Arbeitenden und Arbeitslosen und Existenz sichernde Einkommen im Alter
– Wir wollen Bildung nicht als Privileg für wenige, sondern als garantiertes Grundrecht für alle
– Wir wollen ein klassenloses, solidarisches Gesundheitssystem, in das alle mit allen Einkommen einzahlen und dass alle Menschen gleich gut versorgt
– Wir wollen einen Staat, der seine Versorgungsaufgaben nicht radikal privatisiert, sondern seinen Bürgern bezahlbare Energie, erschwingliche Mobilität und eine intakte öffentliche Infrastruktur garantiert.

Diese Wahl ist nicht egal.
Gewerkschaft ist die organisierte Solidarität der Vielen. Unsere Werte gelten seit über 150 Jahren bis heute. Wir rufen zur Wahl auf, um Einfluss darauf zu nehmen, was vorbei sein muss und was kommen soll. In der Krise und in Zukunft wollen wir eine neue Politik, die unsere Stimmen hört und verdient.
Mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten darf es niemandem gleichgültig sein, zu wessen Lasten die Folgen gehen und welche Lehren für die Zukunft gezogen werden. Auch wer seine Vorstellungen und Interessen von keiner Partei voll und ganz vertreten sieht, darf sich gerade jetzt nicht der Stimme enthalten.
Wirklich beendet werden kann die unsoziale, marktradikale Ideologie der letzten Jahre nur dann, wenn sich die Mehrheit der Menschen dagegen stellt. Auch nach den Wahlen 2009 muss der Kampf für soziale Gerechtigkeit und eine solidarische Gesellschaft weitergehen.
Eine klare Wahl gegen Markt Radikal bringt die Sache der Vielen voran.

http://wahlen09.verdi.de/manifest
(Gefunden von Axel Wiczorke, Hohenlohe-ungefiltert)

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