Gedenktafel für ehemalige jüdische Mitbürger in Dünsbach eingeweiht – Rund 90 Besucher kamen zu der Enthüllung

Der Dünsbacher Pfarrer Hansgeorg Kraft (links) und Gerabronns Bürgermeister Klaus-Dieter Schumm bei der Einweihung der Gedenktafel (im Hintergrund). FOTOS: Ralf Garmatter

Der Dünsbacher Pfarrer Hansgeorg Kraft (links) und Gerabronns Bürgermeister Klaus-Dieter Schumm bei der Einweihung der Gedenktafel (im Hintergrund). FOTOS: Ralf Garmatter

Eine Gedenktafel für die ehemaligen jüdischen Mitbürger Dünsbachs wurde am Donnerstagabend (30. Juli 2009) am Haus in der Obersteinacher Straße 4 enthüllt. Dünsbachs evangelischer Pfarrer Hansgeorg Kraft und der Gerabronner Bürgermeister Klaus-Dieter Schumm weihten die Gedenktafel in einer Feierstunde ein. Dazu spielte der Posaunenchor Dünsbach. Rund 90 Besucher kamen zu der Einweihungsfeier.

Von Ralf Garmatter, Hohenlohe-ungefiltert

48-seitige Broschüre ist Ergebnis zweieinhalbjähriger Forschungsarbeit

Zweieinhalb Jahre lang hat Pfarrer Hansgeorg Kraft die jüdische Geschichte Dünsbachs erforscht. Seine Forschungsergebnisse hat er in einer 48-seitigen detailreichen Broschüre mit dem Titel „Auf den Spuren der Juden in Dünsbach – Ein Beitrag zur Heimatgeschichte“ veröffentlicht. Der 72-jährige Theologe hat diese Forschungsarbeit neben seiner ehrenamtlichen Arbeit als Pfarrer der Kirchengemeinden Dünsbach und Ruppertshofen erledigt. Mindestens seit 1617 lebten Juden in Dünsbach, hat Pfarrer Kraft herausgefunden. 1846 waren 99 der 600 Einwohner Dünsbachs Juden. Dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von 16,5 Prozent. Danach sank die Zahl stetig, weil viele Juden in die Städte abwanderten. 1939 lebten noch sieben Menschen jüdischen Glaubens in Dünsbach. 1938 waren es noch neun. Bis auf Otto Adler, der 1940 in die USA flüchten konnte, wurden alle Juden Dünsbachs von den Nazis ermordet.

Pfarrer Hansgeorg Kraft hält am Sonntag, 9. August 2009, seine letzten Gottesdienste in Dünsbach und Ruppertshofen

Pfarrer Hansgeorg Kraft hat in den Kirchengemeinden Dünsbach und Ruppertshofen in den vergangenen zweieinhalb Jahren viel bewirkt – und das im eigentlichen Ruhestand. Bereits vor knapp acht Jahren ist Hansgeorg Kraft als Dekan des Kirchenbezirks Bernhausen pensioniert worden. Doch sein Beruf machte ihm so viel Spaß, dass er seither (inklusive Dünsbach/Ruppertshofen) in fünf Kirchengemeinden ehrenamtlich den Pfarrdienst versehen hat. Am Sonntag, 26. Juli 2009 wurde er von den Kirchengemeinden Dünsbach und Ruppertshofen offiziell verabschiedet. Für seine Arbeit erhielt er bei der Feierstunde in der Ruppertshofener Martinskirche und beim anschließenden Festakt im Gemeindehaus viel Lob und Anerkennung für seine Arbeit in den beiden Kirchengemeinden. Seine letzten Gottesdienste in Dünsbach und Ruppertshofen hält der scheidende Pfarrer Hansgeorg Kraft am Sonntag, 9. August 2009. Sein Nachfolger Axel Seidel tritt im September 2009 seinen Dienst an. Hansgeorg Kraft fühlt sich noch fit und könnte sich vorstellen in einer weiteren Kirchengemeinde ehrenamtlichen Pfarrdienst zu leisten. „Aber nicht mehr so weit von Korntal weg, wo ich wohne“, sagt er. „Die langen Autofahrten strengen mich immer mehr an.“

Info: Die Broschüre von Hansgeorg Kraft „Auf den Spuren der Juden in Dünsbach – Ein Beitrag zur Heimatgeschichte“ gibt es in Dünsbach beim Pfarramt und im GSG-Sportshop in der Obersteinacher Straße 4 sowie im Rathaus Gerabronn. Die Dokumentation im DinA4-Format hat 48 Seiten und 21 zum Teil farbige Bilder. Preis: 3 Euro.

Die Inschrift der Gedenktafel in Dünsbach am Haus Obersteinacher Straße 4 hat folgenden Wortlaut:

Die Gedenktafel am Haus in der Obersteinacher Straße 4.

Die Gedenktafel am Haus in der Obersteinacher Straße 4.

Wir erinnern an die jüdischen Mitbürger in Dünsbach

In diesem Haus betrieb Rudolf Adler ein Gemischtwarengeschäft. Heute erinnern auch noch die Judengasse, der Gedenkstein für die Synagoge und der Judenfriedhof an die jüdischen Mitbürger.

Seit 1617 lebten Christen und Juden selbstverständlich – wenn auch rechtlich nicht ganz gleichgestellt – zusammen in Dünsbach. Tief traurig macht uns das Ende in der Zeit des Nationalsozialismus: 1941/42 wurden die letzten hier einst lebenden Juden deportiert und später ermordet:

– Hannchen, Rudolf, Klara und Gertrud Adler

– Clotilde und Selma Wassermann

– Siegbert Adler und Adolf Arnstein verließen bereits 1938 Dünsbach und wurden ebenfalls ermordet.

Otto Adler konnte 1940 in die USA auswandern und so überleben.

Die Erinnerung ist uns Ansporn, Sorge zu tragen für die Verständigung zwischen Juden und Christen und für ein friedliches Zusammenleben im demokratischen Rechtsstaat.

Stadt Gerabronn, Ortsteil Dünsbach

Weitere Infos:

www.evangelisch-in-hohenlohe.de/uploads/media/Nur_ein_Duensbacher_Jude_entging_dem_Holocaust.pdf

www.evangelisch-in-hohenlohe.de/uploads/media/326_Jahre_Juden_in_Duensbach.pdf

www.alemannia-judaica.de/duensbach_friedhof.htm

www.alemannia-judaica.de/duensbach_synagoge.htm

www2.landesarchiv-bw.de/ofs21/olf/struktur.php?bestand=19752&sprungId=551297&letztesLimit=suchen

www.evangelisch-in-hohenlohe.de/kirchen-bezirke/blaufelden/dunsbach-ruppertshofen/

Besucher der Gedenkfeier vor dem Haus in der Obersteinacher Straße 4.

Besucher der Gedenkfeier vor dem Haus in der Obersteinacher Straße 4.

Pfarrer Hansgeorg Kraft berichtet bei der Einweihungsfeier von der jüdischen Geschichte Dünsbachs. Dahinter ist am Hauseck die noch verhüllte Gedenktafel zu sehen.

Pfarrer Hansgeorg Kraft berichtet bei der Einweihungsfeier von der jüdischen Geschichte Dünsbachs. Dahinter ist am Hauseck die noch verhüllte Gedenktafel zu sehen.

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Ein Gedanke zu „Gedenktafel für ehemalige jüdische Mitbürger in Dünsbach eingeweiht – Rund 90 Besucher kamen zu der Enthüllung

  1. Wenn man weiß, dass Juden in Dünsbach sich in herausragender Weise für ihre Mitbürger und für den Staat eingesetzt haben 1- ich erinnere an Simon Nördlinger, der sogar vom württ. König für seine 50jährige Religionslehrer-Tätigkeit geehrte wurde oder an den gefallenen Frontkämpfer Otto Adler – dann ist es umso beschämender, wenn sich nach 1933 niemand öffentlich für die zunehmend entrechteten Juden eingesetzt hat, so als wären sie nun überflüssig oder im Nazi-Deutsch „Volksschädlinge“. Das ist auch der kirchlichen Verkündigung anzulasten, die hier mindestens stumm blieb, anstatt gleiches Recht Liebe zum Nächsten einzufordern und anzumahnen. Umso wertvoller, dass durch die Arbeit von Dekan Kraft diese Erinnerungsarbeit entstanden ist, nur hätte sie bereits viel früher kommen müssen, um die damals lebenden Mitbürger wachzurütteln und zur Einsicht zu bringen. –

    Berichte aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde

    Aus der Geschichte der jüdischen Lehrer und der Schule
    50-jähriges Dienstjubiläum von Lehrer Simon Nördlinger (1865)

    Duensbach Israelit 19041865.JPG (100309 Byte)Artikel in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 19. April 1865: „Dünsbach, Oberamt Gerabronn. Vermöge höchster Entschließung vom 2. März dieses Jahres haben Seine Königliche Majestät dem israelitischen Vorsänger und Religionslehrer Nördlinger hier aus Anlass seines 50jährigen Dienstjubiläums die silberne Verdienstmedaille gnädigst zu verleihen geruht. – Seit 1828 ist dies der erste Fall, dass ein jüdischer Religionslehrer, der nicht zugleich Schullehrer ist, eine öffentliche Auszeichnung erhält. – Mit aufrichtigem Gefühl wurde deshalb auch der Geburtstag des Königs am 6. März dieses Jahres in allen Synagogen gefeiert und über den Text Psalm 23,1-4 gepredigt, den der König selbst dazu erwählt hatte. – Ebenso gern wird künftig nach Allerhöchster Anordnung auch der Geburtstag Ihrer Majestät der Königin als Festtag mit Gottesdienst behandelt werden, da die edle Frau mit Ihrem Gemahl in allem Schönen und Guten wetteifert, und so gewann sie Gunst in den Augen aller, die sie sahen (nach Esther 2,15). Aus Veranlassung des königlichen Geburtstages hat Sie auch der israelitischen Waisenanstalt ‚Wilhelmspflege‘ in Stuttgart (sc. Esslingen, Trägerverein in Stuttgart) ein Gnadengeschenk von 40 Gulden zugewendet.“

    Duensbach Israelit 03051865.jpg (59407 Byte)Artikel in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 3. Mai 1865: „Aus Württemberg. Dünsbach (Oberamt Gerabronn), den 27. März (1865). (Nachtrag). Die hiesige israelitische Gemeinde feierte am 18. dieses Monats das 50jährige Dienstjubiläum des würdigen Vorsängers und Religionslehrers Nördlinger. An dem Festzug vom Schulhause zur Synagoge nahmen auch der evangelische Ortsgeistliche und die bürgerlichen Kollegien Teil. (Warum nicht auch der Bezirksrabbiner?). Der Jubilar wurde von seiner Gemeinde mit einem silbernen Pokale sowie auch von christlichen Mitbürgern beschenkt.“

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