„Die Herren wollen keinen gerechten Lohn bezahlen“ – Bettelmönch Sigismund predigt in Schwäbisch Hall über Gier und Leiharbeit

Gleich zweimal musste „Bettelmönch Sigismund“ (Siefried Hubele) am 1. Mai 2012 etwa 500 Zuhörern in Schwäbisch Hall die Leviten lesen. Vor dem Arbeitsamt und bei der DGB-Maikundgebung im Hospitalhof. Laut und ausdauernd hatten die Besucher ihn zu einer Zugabe aufgefordert. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Text des Bettelmönchs Sigismund in voller Länge.

Text des Bettelmönchs Sigismund (von Siegfried Hubele, Schwäbisch Hall)

Keine soziale Marktwirtschaft

Gegrüßt seid Ihr – Brüder und Schwestern der arbeitenden Klassen – vom Ordensbruder Sigismund von den Bettelmönchen. Es mag Euch verwundern, dass ich an diesem weltlichen Feiertag zu Euch spreche. Aber gerade am 1. Tag des Maien müssen wir über Glauben und Irrglauben sprechen. Nicht wenige Eurer Brüder und Schwestern – glauben immer noch – wir lebten in einer sozialen Marktwirtschaft – ohne Ausbeutung.

Nun gut – lasst uns das Gleichnis von den Bienen und dem Arbeiter hören:

Der Imker stellt den Bienen einen Bienenstock zur Verfügung. Der Kapitalist stellt den Arbeitern eine Fabrik zur Verfügung.

Die Bienen sammeln den ganzen Tag Honig. Die Arbeiter stellen den ganzen Tag Produkte her.

Der Imker nimmt den Bienen den Honig weg. Der Kapitalist nimmt den Arbeitern die Produkte weg.

Der Imker gibt den Bienen Zucker dafür. Der Kapitalist gibt den Arbeitern Lohn dafür.

Der Honig ist mehr wert als der Zucker. Die Produkte sind mehr wert als der Lohn.

Der Imker steckt den Mehrwert in seine Tasche. Der Kapitalist steckt den Mehrwert in seine Tasche.

Der Imker beutet die Bienen aus. Und wie verhält es sich mit dem Unternehmer und seinen Arbeitern?

Geldgeiles Treiben

Wir sehen also: der Glaube ist oft ein Irrglaube. So lasst uns nicht die Augen verschließen vor dem geldgeilen Treiben der weltlichen und geistigen (geistlichen) Herren, die mit wohlfeilen Worten die Wirklichkeit verdrehen und auch noch behaupten: Geld allein macht auch nicht glücklich. Fürwahr, nach den Erfahrungen der Krise gehören auch noch Aktien, Gold und Grundstücke dazu.

Lohn der Arbeiter unterschlagen

Ein weiterer Irrglaube ist: Wir lebten in der modernsten aller Welten. Und in den besten aller Wirtschaften. Doch mir klingen die Worte des Jakobus Psalm 5, Vers 4 in den Ohren, der schon vor mehr als 2000 Jahren vor Hartz 4 erzürnt war und anklagte: Siehe der Lohn der Arbeiter, den ihr unterschlagen, schreit zum Himmel und ihre Stimmen dringen an die Ohren des Herrn.

Bierpreise staatlich festsetzen

Ääääähh! Doch welches Herren Ohren sind gemeint? Welch‘ Ohren meint Jakobus? Sind es die Ohren des Herrn Dirk Niebel von der FDP – der da sagt: „Wer heute Mindestlöhne fordert, verlangt morgen staatlich festgesetzte Bierpreise.“

Die Stradivaris unter den Arschgeigen

Wir Mönche wissen um die geistestrübende Wirkung des Gerstensafts – insbesondere bei den Schafsköpfen der FDP – die die Stammwürze eines Oettinger Weißbiers verheißungsvoll schon für die Prozentpunkte der nächsten Bundestagswahl hält. Es ist ein Irrglaube, dass solch erbarmungswürdiges Volk einen Skandal in Stundenlöhnen unter 10 Euro erkennt. Bruder Priol geißelt sie zurecht – sie seien die Stradivaris unter den Arschgeigen.

Wunderglaube an das Job-Wunder

Wenden wir uns nun dem Glauben an Wunder zu. Es ist schon ein Wunder-Glaube, wenn man trockenen Fußes über den See Genezareth kommt. Aber noch größer ist der Wunder-Glaube an das viel gelobte „Job-Wunder“. Dieser Aufschwung ist ein Aufschwung der miesen Jobs. Die Hälfte der neuen Jobs entsteht im Bereich der Leiharbeit und Billiglöhne.

Fast wie Zuhälter

Wie schon im Mittelalter üblich benehmen sich die Anbieter von Leiharbeit in den Verleihfirmen fast wie Zuhälter, die ihr Eigentum, die Leiharbeiter, wie Prostituierte am Markt anbieten. Manche lassen sogar Werbeslogans wie – „alle müssen raus“ oder „unsere Leute sind geil“ – in Zeitungen abdrucken.

Schlechten Ruf aufpolieren

Viele der sich modern und innovativ gebärdenden Firmen, wie zum Beispiel Recaro, Kärcher und viele andere nutzen dieses legale Instrument der Lohndrückerei durch Leiharbeit weidlich aus. Durch das Anheuern und Feuern von Leiharbeitern lassen sich profitabel zusätzliche Silberlinge verdienen. Doch der Glaube an das Jobwunder Leiharbeit hat schon erhebliche Risse. Der schlechte Ruf der Leiharbeitsfirmen wird also aufpoliert wie der Messweinkelch auf der Comburg zu Ostern. Mit Sport-Sponsoring, als Kunstmäzene und mit sozialem Engagement werden schlechte Löhne, schlechte Arbeitsverträge und Benachteiligungen der Leiharbeiter überspielt.

Von weiterem Irrglauben verabschieden

Dabei müssen wir uns von einem weiteren Irrglauben verabschieden. Selbst die christlichen Brüder der Diakonie lassen sich nicht gerne erinnern an die Psalme des Jakobus – der die schlechten Löhne der Arbeiter geißelt. Nein! Sie bevorzugen aus dem reichen Psalmenschatz den alten Matthäus, Kapitel 20, Vers 1: „Das Himmelreich ist gleich einem Hausvater, der am Morgen ausging, Arbeiter zu mieten in seinem Weinberg.“

Durch vergorenen Messwein

So kann es wohl nur dem vergorenen Messwein aus des Herren Weinberg geschuldet sein, als die Bremische Kirche im Jahre des Herren 2006 verkündete: „Das Institut der Leiharbeit ist diakonischen Dienstgebern nicht verschlossen.“

(Herr, erbarme Dich…)

Und was die heilige Kirche nicht verhindern will – das segnet sie auch noch. So verliehen die Landesbischöfe der evangelischen Kirche 2009 und 2011 das „Zertifikat – Arbeit plus“ an das Leiharbeitsunternehmen BERA. Sie zeichneten den Leiharbeits-Luden BERA aus für „Lebenschancen, Entfaltungschancen und Beiträgen zur Sozialkultur.“

(Herr, erbarme Dich…)

Doch lasst mich zum Schluss noch zu unseren eigenen Unzulänglichkeiten mit dem Glauben sprechen: Wie mir zu Ohren gekommen ist, wollen die Arbeiter und Arbeiterinnen in diesen Tagen bei IHREN Herren vorsprechen, um einen gerechten Lohn einzufordern. Aber der Herren Ohren sind verschmalzt. Sie sind taub geworden vom Geklingel in ihren Kassen. Sie wollen keinen gerechten Lohn bezahlen. Trotzdem glauben immer noch viele – die Gewerkschaft wird’s schon richten. Doch wer ist die Gewerkschaft?: Bruder Hofmann?, Bruder Bsirske?, Bruder Huber oder Schwester Heidi vom Orden der hällischen Metaller?

Ihr seid die Gewerkschaft!

Nein! Meine Brüder und Schwestern – Ihr seid die Gewerkschaft! Nur wenn Ihr im rechten Glauben daran denkt, dass Ihr alle Werte dieser Gesellschaft erschafft, so seid Ihr auch eine unschlagbare Macht, wenn ihr gegen die Leiharbeit kämpft, für die Übernahme eurer Nachkommen (Auszubildende kannte die Bibel nicht) und für einen höheren Anteil an dem, was ihr geschaffen habt.

Ermuntert einander

Schließen will ich mit Kapitel 10, Vers 25 aus den Briefen der Hebräer: Lasst uns nicht unseren Zusammenkünften fernbleiben, wie es einigen zur Gewohnheit geworden ist – sondern ermuntert einander.

Wohlan zu den Warnstreiks

Mit dieser biblischen Erkenntnis: Wohlan zur Mai-Prozession und den Warnstreiks am „morgigen Mittwoch“ (2. Mai 2012). Damit ihr nicht zu Bettelmönchen werden müsset, wie euer Bruder Sigismund.

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