„966 Euro für Solidarische Gemüsegärten in Peru“ – Pflanzenspendenbörse in Schwäbisch Hall zu „25 Jahre Solidarität International (SI)“

25 Jahre Solidarität International – das wurde in Schwäbisch Hall am 8. Mai 2021 mit einem Infostand im Froschgraben gefeiert. Für die Vorbereitungen bildeten wir eine „Taskforce“-Gruppe per Skype, was sich sehr gut bewährt hat. Passend zu dem Projekt „Huertos Solidarios“ (Solidarische Gemüsegärten) von Canto Vivo/Peru, hatten wir die Idee, bei Gärtnereien, Gartenmärkten um eine Spende für Samenpäckchen anzufragen und die Mitglieder zu bitten, Setzlinge und Jungpflanzen zur Verfügung zu stellen.

Von Willi Maier, Schwäbisch Hall

Verschiedenste Setzlinge

Nach Anlaufschwierigkeiten bekamen wir schlussendlich doch so knapp 100 Tütchen, die Udo und Willi liebevoll in kleine Briefumschläge mit den Emblemen von Canto Vivo und SI verpackten. Auch die verschiedensten Setzlinge erhielten wir von allen Seiten, so dass wir auch da gut 80 Pflanzen anbieten konnten. Auch auf andere Weise brachten sich diesmal sehr viele Mitglieder ein: Elfriede und Katrin haben noch süßes und salziges Gebäck gebacken und Corona-gerecht verpackt. Chris und Olli bauten ein super Regal, auf dem wir die Pflanzen perfekt präsentieren konnten und erstellten eine kurze Präsentation über das, was die Haller in den letzten 25 Jahren so getrieben haben. Leonore sammelte mit zwei Freundinnen Schneckenhäuser, bemalten sie kunstvoll und steckten diese auf Spießchen in die Töpfe. Dank dieser aktiven Mitarbeit wurde dieser Infostand der attraktivste seit langem. Ein großes Banner „25 Jahre Solidarität International“ war aufgespannt.

Viele Gespräche geführt

Bei strahlendem Sonnenschein waren seit langem nicht so viele Menschen in der Stadt wie am 8. Mai 2021. Und viele blieben am Stand stehen und wir führten viele Gespräche über SI und Canto Vivo. Einige waren auch offen gegenüber einer Mitgliedschaft und nahmen Aufnahmeanträge mit, direkt gewonnen haben wir ein Mitglied. Richtig gut war, dass sehr viele Mitglieder aus Hall vor Ort waren, beim Auf- bzw. Abbau halfen und alle fast die ganze Zeit am Stand waren und sich aktiv an Gesprächen beteiligten. Bei alldem erhielten wir noch Unterstützung von zwei Mitgliedern des Internationalen Chors, die zeitweise Live-Musik spielten.
Rundum eine gelungene Veranstaltung, die uns sensationelle 902,12 Euro für die Huertos Solidarios einbrachten, außerdem 64 Euro aus dem Verkauf von Kunsthandwerk.

Eingeladen zur „Fairen Meile“ am 31. Juli 2021

Außerdem: Zwei Reporter des Haller Tagblatts waren da, um einen Bildbericht zu schreiben. Und: Wir wurden eingeladen, am 31. Juli 2021 bei der Fairen Meile mitzumachen, einem jährlichen Markt für fair gehandelte Produkte. Wir machen mit.

Weitere Informationen und Bilder zu den Gärten der Solidarität auf folgender Internetseite:

https://solidaritaet-international.de/pflanzenspendenboerse-in-schwaebisch-hall-zu-25-jahre-si/

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„Hinterland im Widerstand“ – Ein Jahr Proteste des Querdenken-Milieus im Nordosten Baden-Württembergs

Vor einem Jahr, am 9. Mai 2020, fand die erste Versammlung des Querdenken-Milieus im Nordosten Baden-Württembergs statt. Seitdem wurden in den vier Landkreisen Hohenlohe, Main-Tauber, Neckar-Odenwald und Schwäbisch Hall etwa 100 Versammlungen gegen die Covid-19-Schutzmaßnahmen organisiert. Timo Büchner zieht eine Zwischenbilanz: Was ist in der ländlichen Region geschehen – und welche Rolle spielt Telegram?

Von Timo Büchner, Belltower News

Antisemitische Hetze

Es ist ein sonniger Freitagabend, 15. April 2021. Die „Querdenken“-nahe Gruppierung „Buchen steht auf“ protestiert auf dem Marktplatz der Stadt Buchen (Neckar-Odenwald-Kreis). Ein älterer Mann tritt ans Mikrofon und erklärt: „Mein Name ist Arno und ich bin im Widerstand.“ Seinen Redebeitrag widmet er dem Vegankoch Attila Hildmann. In seinem Telegram-Kanal (zirka 115.000 Abonnent*innen) hetzt Hildmann seit Monaten im Stile der NS-Propagandazeitung „Der Stürmer“ gegen den Juden. In unzähligen Posts behauptet er, der Jude wolle die Menschheit durch die „Giftspritze“ vernichten. Aufgrund seiner antisemitischen und nationalsozialistischen Hetze ermittelt die Bundesanwaltschaft in hunderten Fällen.

Hildmann „immer aggressiver“

Aber der Redner sagt, er verstehe nicht, warum Hildmann „in die rechte Ecke“ gestellt werde – und ergänzt: „Ich hab’ keine Ahnung.“ Es ist aus seiner Sicht nachvollziehbar, dass Hildmann „immer aggressiver“ geworden sei. Schließlich seien, so klagt der Redner, seine Produkte aus dem Sortiment zahlreicher Filialen genommen worden. Der Vegankoch wurde „wirtschaftlich zerstört“. Dass Hildmann ein Antisemit und Neonazi ist, der die Shoah leugnet und Hitler verehrt, ist kein Thema. Anmelderinnen und Besucherinnen der Kundgebung bleiben ruhig. Einzig der Moderator kommentiert, Hildmann habe „sich ein bisschen in die falsche Ecke entwickelt“.

Auf Telegram-Kanälen

Der ältere Mann betont in seiner Rede, er habe schon vieles über Hildmann gelesen. In diversen Telegram-Kanälen. Auch im Telegram-Kanal der Gruppierung „Buchen steht auf“ sind bereits Beiträge von Hildmann gepostet worden. Im Nachgang der Veranstaltung tauschen sich Mitglieder des Kanals über die Rede des Mannes aus. Ein Mitglied ist traurig, dass die Rede „den ganzen Zeitungsartikel [in der Lokalpresse, TB] dunkel eingefärbt hat“. Andere finden die Rede „großartig“ oder betonen, dass die Meinung gehört werden müsse. Der Redner selbst schreibt im Kanal über Hildmann: „Ich vertrete nicht seine Ansichten und verharmlose sie auch nicht.“ Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Positionen Hildmanns findet nicht statt.

Kein Diskussionsforum fundierter Argumente

Das hat System. Denn: Die Durchsicht des gesamten „Buchen steht auf“-Kanals, der Mitte Februar 2021 gegründet wurde, zeigt, dass der Kanal keineswegs ein Diskussionsforum fundierter Argumente ist. Die meisten Inhalte werden ohne inhaltliche Debatte, ohne Widerspruch in den Kanal weitergeleitet. Das gilt auch für extrem rechte und verschwörungsideologische Inhalte. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, derartige Inhalte zu löschen. Aber das geschieht nicht. Im Gegenteil: Führende Köpfe, die löschen könnten, verbreiten die Inhalte seit Wochen selbst.

Desinformationen und Verschwörungserzählungen

Ein Beispiel: Christa-Maria Ellenberger. Sie, Mitte 20, ist eine Co-Initiatorin der Proteste. Bereits im Herbst 2020 hat Ellenberger die große Bühne gesucht: Nachdem sie Mitte Oktober 2020 im Rahmen einer „Querdenken“-Demonstration in Stuttgart gesprochen hatte, gab sie dem extrem rechten Compact-Magazin ein ausführliches Interview. Ellenberger war die offizielle Inhaberin des Kanals – bis Kritik an ihren Positionen und an den extrem rechten Inhalten des Kanals laut wurde. Der Kanal besteht im Wesentlichen aus Desinformationen und Verschwörungserzählungen. Die Quellen reichen vom Verschwörungsideologen Ken Jebsen bis hin zu Compact und PI-News. Ellenberger selbst bewarb u.a. mehrere Compact-Beiträge und den Kanal des österreichischen Ablegers der antisemitisch-verschwörungsideologischen „QAnon“-Sekte. „Q“ bzw. „QAnon“, eine anonyme Person aus den USA, behauptet, eine globale Elite entführe, foltere und ermorde Kinder, um aus deren Blut eine Verjüngungsdroge zu gewinnen. Der Verschwörungsmythos knüpft an die antijüdische Ritualmordlegende aus dem Mittelalter an. Im Zuge der öffentlichen Kritik verließ Ellenberger den Kanal, aber kehrte nach wenigen Tagen zurück. Nun ist sie nicht mehr die Inhaberin des Kanals, aber die stille Rückkehr offenbart: Die Distanzierungen von der extremen Rechten, die vonseiten der Gruppierung im Zuge der öffentlichen Kritik geäußert wurden, sind strategischer Natur. Sie sollen offenbar die Anschlussfähigkeit an die Breite der Gesellschaft gewährleisten.

Aktivitäten im Nordosten Baden-Württembergs

Die Positionen und strategischen Distanzierungen von „Buchen steht auf“ lassen sich in ähnlicher Form in den übrigen Querdenken- und Querdenken-nahen Gruppierungen im Nordosten Baden-Württembergs beobachten. Inzwischen hat sich pro Landkreis eine relevante Gruppierung herauskristallisiert. Die regionalen Dynamiken sind recht unterschiedlich:

„Querdenken 793 – Bad Mergentheim“ (Main-Tauber-Kreis) veranstaltete bereits im Mai 2020 die ersten Kundgebungen, aber konnte über die Monate hinweg keine regelmäßigen Proteste etablieren. Bis heute fanden etwa 15 Versammlungen statt.

„Querdenken 794 – Öhringen“ (Hohenlohekreis) und „Querdenken 791 – Schwäbisch Hall“ (Landkreis Schwäbisch Hall) gründeten sich erst im Herbst 2020, aber können seitdem einen harten Kern mobilisieren. Die Gruppierungen protestieren wöchentlich. Bis heute fanden etwa 30 Versammlungen in Öhringen und 35 Versammlungen in Schwäbisch Hall statt.

In den vergangenen Wochen zeichnet sich in Schwäbisch Hall ein Wandel ab. Die regionalen Dynamiken hängen von mehreren Faktoren ab: von der Mobilisierungskraft des Telegram-Kanals und der lokalen Veranstalter*innen, von der Einbindung einer Gruppierung in lokale, regionale und überregionale Netzwerke, von der Art und Weise (Qualität/Quantität) der lokalen Berichterstattung – und nicht zuletzt von den Teilnehmenden der Versammlungen.

Mit „Buchen steht auf“ (Neckar-Odenwald-Kreis, etwa 10 Versammlungen) und „MenschenWürde 2020“ (früher: „Querdenken 795 – Crailsheim“, etwa 15 Versammlungen) agieren zwei Gruppierungen mit strategischer Distanz zum „Querdenken“-Label. Nach der öffentlichen Kritik an „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg und der „Querdenken“-Beobachtung durch den baden-württembergischen Inlandsgeheimdienst ist das Label aus der Sicht einiger Coronaleugner*innen verbrannt.
Im Vorfeld der Landtagswahlen in Baden-Württemberg (März 2021) wurden die beiden Parteien „dieBasis“ und „WiR2020“ im Nordosten Baden-Württembergs aktiv.

Kanäle sind der Dreh- und Angelpunkt der Gruppierungen

Was sämtliche Gruppierungen und Parteien – abseits unterschiedlicher Labels und Mobilisierung – eint, sind die Inhalte und Quellen in den Telegram-Kanälen. Die Kanäle sind der Dreh- und Angelpunkt der Gruppierungen. Streckenweise zeichnet sich in den Kanälen die Stimmung der Mitglieder ab. Einige Mitglieder radikalisieren sich und verbreiten Aufrufe zum „Volksaufstand“. Die Zeit friedlicher Proteste sei vorüber. Wohin die kontinuierliche Radikalisierung führen wird, ist bislang unklar. Daher bleibt ein zivilgesellschaftliches Monitoring der Gruppierungen dringend erforderlich. Auf der Straße und insbesondere in den Telegram-Kanälen.

Link zum Artikel auf der Internetseite Bell Tower:

https://www.belltower.news/baden-wuerttemberg-hinterland-im-widerstand-115441/

Link zum Artikel „NPD-Jugend: Warum ein Wasserturm einen völkischen Verein in Bedrängnis bringt“ auf der Internetseite Belltower:

https://www.belltower.news/npd-jugend-warum-ein-wasserturm-einen-voelkischen-verein-in-bedraengnis-bringt-108991/

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