„Wirtschaftliche Demütigung“ – Wie Schwäbisch Hall neben Gewerbesteuereinnahmen jetzt auch noch seine Identität verliert

Kriegsbedingt gründete die „Bausparkasse der Volksbanken AG“ 1944 in Schwäbisch Hall eine Filiale, die 1947 zum Hauptsitz der „Bausparkasse der deutschen Volksbanken AG“ wurde. Als sich im Jahre 1956 auch die Gruppe der ländlichen Kreditgenossenschaften dem genossenschaftlichen Spitzeninstitut anschloss, wurde eine Namensänderung notwendig, die zugleich dem Firmensitz entlehnend „ortsprägend“ vorgenommen wurde: „Bausparkasse Schwäbisch Hall AG – Bausparkasse der Volksbanken und Raiffeisenkassen“. Letztere änderten später ihre Firmenbezeichnungen in „Raiffeisenbanken“, was 1970 auch im Firmennamen der Bausparkasse nachvollzogen wurde.

Artikel aus der Schwäbisch Haller Zeitschrift Alpha Press, Ausgabe 9+10/2009

Zur DZ-Bank mutiert

Zu dieser Zeit befanden sich die vinkulierten Namensaktien der Bausparkasse im Besitz mehrerer Beteiligungsgesellschaften von – im wesentlichen regionalen – genossenschaftlichen Zentralkassen. Die Dreistufigkeit des genossenschaftlichen Bankenverbunds, bestehend aus (örtlichen) Volks- und Raiffeisenbanken, (regionalen) Zentralkassen und Deutsche Genossenschaftskasse (spätere DG-Bank) wurde unter dem Schlagwort „Bündelung der Kräfte“ zunehmend aufgegeben, indem– im allgemeinen – regionale Zentralkassen in der DG-Bank aufgingen, bis schließlich die DG-Bank selbst von einer (regionalen) Zentralkasse vereinnahmt wurde und zur DZ-Bank mutierte.

Bausparkasse leistet für das Wohlergehen der Bürger keinen angemessenen Beitrag

Solange sich die Aktien der Bausparkasse noch im „Streubesitz“ regionaler Zentralkassen befanden, floss die Gewerbesteuer (weitgehend ungefährdet) in das Haller Stadtsäckel. Dies änderte sich schlagartig, als die DG-/DZ-Bank durch fusionsbedingten Aktienzuwachs einen Gewinnabführungsvertrag durchsetzen konnte, wodurch die steuerträchtigen Gewinne der Bausparkasse mit den steuermindernden Verlustgeschäften der „Mutter“ DG-/DZ-Bank verrechnet werden können. Deswegen leistet die Bausparkasse für den Erhalt und die Entwicklung der Infrastruktur der namensgebenden Stadt und damit für das Wohlergehen ihrer Bürger faktisch keinen Beitrag, der ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft entspricht.
Aber es kann ja immer noch schlimmer kommen.

Werbebotschaft „Bausparkasse Schwäbisch Hall“ zu sperrig

Neben dem Firmennamen stellen insbesondere die in Kreuzform angeordneten Backsteine als geschützte Bildmarke und zusammen mit dem als Wortmarke eingetragenen Slogan „Auf diese Steine können Sie bauen“ die laufend modernisierte Bildmarke des „Bausparfuchs“ („Bausparen ist Schlausparen“) die wichtigsten Werbekonstanten des Unternehmens dar.
Aber in der „Marktkommunikation“ stellte sich nach Meinung einiger Marketingspezialisten die Firmenbezeichnung „Bausparkasse Schwäbisch Hall“ als Bestandteil einer Werbebotschaft doch ein wenig zu „sperrig“ dar, so dass eine „Verkürzung“ geboten erschien.

„Keiner bringt mehr Menschen in die eigenen 4 Wände“ – zunächst nicht patentierbar

Am 4. September 2006 meldete die Bausparkasse Schwäbisch Hall beim Deutschen Patent- und Markenamt als weitere Wortmarke den Slogan „Keiner bringt mehr Menschen in die eigenen 4 Wände – Schwäbisch Hall“ an und scheiterte damit zunächst, denn „Schwäbisch Hall“ sei (lediglich) „der Name einer Kreisstadt mit rund 36.000 Einwohnern und bezeichne zugleich einen gleichnamigen Landkreis mit etwa 190.000 Einwohnern in Baden-Württemberg“, so dass es sich nur um eine geographische Bezeichnung handele. Auch die Wortfolge „Keiner bringt mehr Menschen in die eigenen 4 Wände“ sei lediglich beschreibend. Mangelnde Originalität und Unterscheidungskraft führten damit zur Ablehnung der Eintragung als Wortmarke.

Bausparkasse legte Gutachten für Markenbezeichnung Schwäbisch Hall vor

Gegen diese Entscheidung erhob die Bausparkasse erfolgreich Klage beim Bundespatentgericht und legte u.a. ein Gutachten der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) vom März 2008 vor, wonach der Werbeslogan „Keiner bringt mehr Menschen in die eigenen 4 Wände“ „bei einer Befragung eines repräsentativen Querschnitts der deutschen Gesamtbevölkerung über 14 Jahren … eine Bekanntheit in Zusammenhang mit ‚Bausparen oder Baufinanzieren‘ von 73,8 %“ ergeben hat. Für den isolierten Markenbestandteil „Schwäbisch Hall“ hatte die Bausparkasse noch ein gesondertes Gutachten aus dem März 2008 vorgelegt, wonach die Bezeichnung „Schwäbisch Hall“ im Zusammenhang mit „Bausparen oder Baufinanzierung“ eine Bekanntheit von 96,1 %in der Bevölkerung erreicht hat.

Kleiner Ort mit nur regionaler Bedeutung

Der 33. Senat des Bundespatentgerichts bemerkte zwar, dass „der erste Markenbestandteil mit seiner Herausstellungswerbung“ – „Keiner bringt mehr Menschen in die eigenen 4 Wände“- „einen reinen Werbespruch“ darstellt „(ähnlich wie etwa ‚Keiner verkauft mehr Autos‘)“ betonte aber: „Ungewöhnlich ist die Nachstellung einer Ortsangabe, noch dazu eines vergleichsweise kleinen Ortes bzw. Kreises mit nur regionaler Bedeutung, … denn die Nachstellung wirkt für den werbegewöhnten Verkehr eher so, also ob ‚Schwäbisch Hall‘ selbst hinter der Werbeaussage steht“ und bemüht Ähnlichkeiten zu anderen Werbeslogans: „Keine Sorge – Volksfürsorge“, „Nichts ist unmöglich – Toyota“. Also folgerte der Senat: „Der an solche Werbung gewöhnte Verkehr wird unwillkürlich dazu neigen, im letzten Markenbestandteil den Hinweis auf einen bestimmten Anbieter zu sehen.“

„Schwäbisch Hall“ ist jetzt beliebig verwendbares Markenzeichen des Unternehmens

Nach Überzeugung des Gerichts genügen „sowohl die angemeldete Gesamtmarke als auch ihr isolierter Bestandteil ‚Schwäbisch Hall‘ .. den Anforderungen zur Zuerkennung einer Verkehrsdurchsetzung“. Schließlich bemerkt das Gericht unter Bezug auf die GfK-Erhebung, „dass die angemeldete Marke allein wegen der mit hohen Werten verkehrsdurchgesetzten Bezeichnung ‚Schwäbisch Hall‘ … eintragbar ist. „Schwäbisch Hall“ ist damit jetzt beliebig verwendbares Markenzeichen des Unternehmens, das der namensgebenden Stadt – auch für die „verlorene Identität“ – dank steuerrechtlicher Regelungen (siehe oben) keinen Beitrag zum Wohlergehen zu leisten hat, der der wirtschaftlichen Leistungskraft des Unternehmens entspricht.

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