„Tausende sterben im Mittelmeer“ – Antrag auf Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen verantwortliche Politiker beim Internationalen Strafgerichtshof (IstGH) gestellt

Ursula von der Leyen, Angela Merkel und Emmanuel Macron müssen als Verantwortliche für die EU-Flüchtlingspolitik wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit vor Gericht gestellt und bestraft werden, schreibt Rechtsanwalt Frank Jasenski von der Kanzlei Meister und Partner in Gelsenkirchen in einer Pressemitteilung am 26. Februar 2021.

Von Frank Jasenski, Rechtsanwaltskanzlei Meister und Partner in Gelsenkirchen

Menschenverachtende Flüchtlingspolitik

Am 20. Februar 2021 hat das „Tribunal 2.0 – Jetzt reden wir: Entschlossen gegen die reaktionäre Flüchtlingspolitik der EU“ als Online-Veranstaltung stattgefunden. Zahlreiche Zeugenaussagen von Geflüchteten berichteten von der menschenverachtenden, den Tod tausender im Mittelmeer sehenden Auges in Kauf nehmenden Flüchtlingspolitik der EU. Ebenso berichteten Menschen, die unter unwürdigsten Bedingungen in Internierungslagern der EU wie Moria/Kara Tepe leben müssen.

Für die Rechte von Geflüchteten eintreten

Neben zahlreichen Schlussfolgerungen über das gemeinsame organisierte Eintreten für die Rechte der Geflüchteten, deren Selbstorganisation oder der praktischen Flüchtlingssolidarität befürworteten die Teilnehmer des Tribunals auch die Einleitung juristischer Schritte gegen die Verantwortlichen des Massensterbens im Mittelmeer. Unsere Kanzlei hat daher heute bei der Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IstGH) in Den Haag, Frau Fatou Ben Bensouda, einen Antrag auf Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Verantwortlichen der EU und ihrer Mitgliedstaaten wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit im Sinne von Artikel 7 des IStGH-Statuts eingereicht. Der Antrag richtet sich gegen die Hauptverantwortlichen der reaktionären EU-Flüchtlingspolitik wie die Präsidentin der EU-Kommission von der Leyen, Bundeskanzlerin Merkel, den französischen Präsidenten Macron oder den Leiter der EU-Grenzpolizei FRONTEX.

Im Antrag heißt es unter anderem:

„Die Verantwortlichen in der EU und ihren Mitgliedstaaten, insbesondere den größten EU-Staaten wie Deutschland oder Frankreich, haben eine persönliche Verantwortung für diese menschenverachtende Migrationspolitik.

Diese muss als eine Politik der totalen Abschottung und Abschreckung gekennzeichnet werden, die unter anderem unter Verletzung der UN-Menschenrechtskonvention Tausende von Menschenleben fordert, unter Verletzung internationalen Völkerrechts mit Rücktransporten von Flüchtlingen illegale Zurückweisungen vornimmt und sie in Internierungslagern ähnlichen Einrichtungen menschenunwürdigen Lebensbedingungen aussetzt. … Die Vorgänge haben eine solche Schwere, dass ein Eingreifen des IStGH und von Ihnen als Chefanklägerin unbedingt gerechtfertigt ist. Ihr (der Verantwortlichen für die EU-Migrationspolitik; der Verfasser) Verhalten ist strafrechtlich relevant sie sollten letztlich bestraft und auch inhaftiert werden.“

Über den Fortgang des Verfahrens werden wir Sie informieren. Für weitere Auskünfte steht Ihnen unsere Kanzlei zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Jasenski, Rechtsanwalt

Antrag an die Chefanklägerin des IstGH:

Anwaltskanzlei, Industriestraße 31 , 45899 Gelsenkirchen

Frau
Fatou Ben Bensouda
Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH)
Oude Waalsdorperweg 10
NL – 2597 Den Haag
Niederlande

Roland Meister Rechtsanwalt Strafrecht, Asyl- und Aufenthaltsrecht

Frank Stierlin Rechtsanwalt Arbeitsrecht, Allgemeines Zivilrecht

Frank Jasenski Rechtsanwalt Strafrecht, Asyl- und Aufenthaltsrecht

Peter Weispfenning Rechtsanwalt Arbeitsrecht, Versammlungsrecht, Erbrecht

Yener Sözen Rechtsanwalt Strafrecht, Asyl-+ Aufenthaltsrecht Versammlungs-+ Vereinsrecht

Peter Klusmann Rechtsanwalt Fachanwalt für Sozialrecht Fachanwalt für Migrationsrecht

Industriestraße 31, 45899 Gelsenkirchen (Horst) Telefon: 0209/35 97 67 0 Fax: 0209/35 97 67 9 e-mail: RAeMeisterpp@t-online.de

Sachbearbeiter: Rechtsanwalt Meister 26. Februar 2021

Meister & Partner Anwaltskanzleipage1image65802368page1image34304032page1image65805056page1image34304816page1image65804672page1image65804864

Antrag auf Eröffnung und Durchführung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Verantwortlichen der EU und Mitgliedsstaaten der EU wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit aufgrund der Flüchtlings- und Migrationspolitik der EU und ihrer Mitgliedsstaaten

Sehr geehrte Frau Fatou Ben Bensouda,

im Auftrage der Internationalen Solidaritäts- und Hilfsorganisation Solidarität International e.V. (SI), der unmittelbar betroffenen Flüchtlinge Annie Blanche Tchikou Tuete, Sandrine Meffo, Fleur Enangue und Alassa Mfouapon sowie im eigenen Namen wenden wir uns an Sie als Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes im Hinblick auf Art. 15 IStGH – Statut.

I. Vorbemerkung

1.) Aufgrund der nachfolgend unterbreiteten „Situation“ liegt der dringende Verdacht vor, dass Verantwortliche der EU sowie Verantwortliche verschiedener Mitgliedsländer der EU an Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit der Flüchtlings- und Migrationspolitik der EU im Sinne des Art. 7 des IStGH–Statuts beteiligt waren und sind.

2.) Die von der EU und ihren Mitgliedsstaaten zu verantwortende Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen hat dazu geführt, dass inzwischen zehntausende Flüchtlinge zu Tode kamen. Weitere erlitten und erleiden erschütterndes Leid u. a. in von der EU zu verantworten- den Internierungslagern. Häufig sind darunter auch Kinder.

Partnerschaftsgesellschaft, Sitz Essen, Amtsgericht Essen PR 366

Postbank Essen: IBAN DE88 3601 0043 0037 7904 31 BIC PBNKDEFF Steuer-Nr.: 319/5882/5238 Finanzamt Gelsenkirchen-Süd

Bei Zahlungen und Schriftverkehr bitte angeben:

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Andauernd versuchen die EU und die Regierungen der mächtigsten EU–Mitgliedsländer – insbesondere Deutschland und Frankreich – einen ultimativen „Grenzschutz der EU- Außengrenzen“ durchzusetzen, um Opfer von politischer Verfolgung, Krieg, Zerstörung der Lebensgrundlagen durch regionale Umweltkatastrophen, Vertreibung oder Zwangsmigration daran zu hindern, das Gebiet der EU überhaupt zu erreichen.

So unterschiedliche konkrete Gründe die Todesfälle haben, lassen sie sich im Ergebnis auf von höchsten politischen Ebenen getroffenen Entscheidungen zur Abschottung Europas und anhaltenden weiteren Verschärfung der Asylpolitik zurückführen.

3.) Häufig wird seitens der EU–Verantwortlichen so getan, als ob die Fluchtgründe und die Folgen der Flucht mit Europa und der EU nichts zu tun hätten. Die Flüchtlinge werden dafür verantwortlich gemacht, dass es Probleme gibt und diese das „christliche Abendland“ und den in diesem erreichten „Wohlstand“ bedrohen würden. Die Abschottungspolitik sei daher nicht menschenfeindliche Gewalt, sondern „berechtigter Selbstschutz“. Diese Haltung, die häufig von EU–Politikern, ihren Einrichtungen und ihren Verwaltungsjuristen eingenommen wird, fällt an diesem Punkt mit faschistischen und rassistischen Argumentationslinien zusammen, denen zunehmend auch entsprechende Taten folgen. Dass der „Wohlstand“ in der EU – den im Übrigen auch nur eine kleine bourgeoise Schicht in vollen Zügen genießt – auch auf die Ausplünderung der Herkunftsländer der Flüchtlinge in Afrika oder dem Mittleren Osten und Jahrhunderte langen Sklavenhandel mit zurückzuführen ist, wird wohlweislich verschwiegen.

Die EU und ihre Mitgliedsstaaten, insbesondere die ökonomisch und politisch stärksten und einflussreichsten, wie Deutschland oder Frankreich, haben insbesondere Verantwortung für folgende Punkte:

a) Die EU hat unmittelbare Mitverantwortung – politisch, ökonomisch, ökologisch und militärisch – für die Ursachen, aufgrund derer Millionen von Menschen in die Flucht getrieben werden. Neben Krieg und Umweltzerstörung, direkter oder indirekter Förderung faschistischer bzw. islamistisch verbrämter Terrororganisationen ist es insbesondere auch die wirtschaftliche Ausplünderung von Länder des sogenannten „globalen Süden“ mit der die Lebensgrundlagen der dortigen Menschen zerstört werden. Ein konkretes Beispiel: Es wird Ihnen sicher bekannt sein, dass z. B. die Bauern in Afrika im Preiskampf um den nationalen Geflügelmarkt nicht mit den massiv subventionierten Geflügelexporten aus der EU mithalten können. Die Folge war u. a., dass im Senegal 70 Prozent der Masthühnerbetriebe schließen mussten, in Kamerun deshalb 120.000 Arbeitsplätze vernichtet wurden oder in Ghana die Kapazität von 30 % der Geflügelverarbeitungsanlagen abgebaut wurde. Weltweit ist die soziale Ungleichheit in den letzten Jahren drastisch gestiegen. So besitzen die reichsten 10 % der Weltbevölkerung 83 % des weltweiten Privatvermögens, während in den Händen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung lediglich 1,8 % sind. Durch die Covid 19–Pandemie und die bereits zuvor begonnene erneute Weltwirtschafts- und Finanzkrise hat sich die soziale Spaltung weiter verschärft. Die politische Verantwortung der EU für diese Entwicklung sei am Beginn zumindest erwähnt, auch wenn dieser Aspekt in der Folge nicht weiter zur Begründung herangezogen werden

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soll, warum hinsichtlich der EU–Migrations- und Flüchtlingspolitik von einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit ausgegangen werden soll.

  1. b)  Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind unmittelbar dafür verantwortlich, dass täglich Menschen, die nach Europa fliehen wollen, aufgrund der Fluchtbedingungen sterben oder auf der Flucht und in Internierungslagern der EU unmenschliche Verhältnisse erfahren müssen. Diese Lager sind gemessen an internationalen völkerrechtlichen Abkommen zu Asyl- und Menschenrechten letztlich illegal.Das „Massengrab Mittelmeer“ – die Schande Europas – ist nicht einfach eine unvermeidliche „humanitäre Katastrophe“, sondern ein geplantes und systematisch organisiertes V erbrechen, für die konkrete Individuen V erantwortung tragen. Internationales Völkerrecht – wie die Genfer Flüchtlingskonvention – wird häufig drastisch verletzt, wie in den sogenannten push back–Aktionen, für die EU– Einrichtungen wie FRONTEX unmittelbar Verantwortung tragen. Die vielfältigen Abschottungsmaßnahmen fallen zusammen mit menschenfeindlichen Deals mit der faschistischen Erdogan-Regierung in der Türkei oder diktatorischen afrikanischen Regimes. Dazu gehört auch die aktive Förderung und Kooperation der EU mit der sog. „libyschen Küstenwache“ und mafiösen militärischen Gruppierungen, die Flüchtlinge im Auftrag der EU massiven Repressionen aussetzen und sie in Internierungslagern unterbringen, wo Mord, Folter und Vergewaltigung an der Tagesordnung sind.
  2. c)  In der EU angekommene Flüchtlinge erleben eine massive Rechtlosigkeit, werden wie Menschen zweiter und dritter Klasse behandelt. Sie sind häufig auch rassistischer Gewalt faschistischer und ultrareaktionärer Kräfte ausgesetzt, die auch Verbindungen zu Teilen des staatlichen Gewaltapparates und den Geheimdiensten haben. In den Ländern der EU wird häufig das Asylrecht verweigert und werden Abschiebungen angedroht, was massive Auswirkungen auch auf den psychischen Zustand von Flüchtlingen hat. In der Liste der Toten sind auch die Flüchtlinge enthalten, die aufgrund von Abschiebungen und Zwangsrückführungen umgekommen sind. Europäische Abkommen – wie die Dublin–Verordnungen – verpflichten Flüchtlinge, in dem EU-Land Asylantrag zu stellen, in dem sie eingereist sind. Dies sind vor allem die Länder des Südens Europas: Italien, Spanien, Griechenland. Das Dublin III– Abkommen ist insbesondere auch ein Instrument der Grenzkontrolle, mit dem Flüchtlinge in diese Länder abgeschoben werden, während bekanntlich die EU– Grenzländer neu angekommene Flüchtlinge in Nicht EU–Länder wie die Türkei oder Libyen zurückdrängen. Mit dem im September 2020 von der EU–Kommission vorgestellten EU–Migrationspakt, der u. a. ein sogenanntes Grenzverfahren (border procedure) vorsieht, sollen diese menschenfeindliche EU–Politik noch eine weitere Steigerung erfahren und die bereits jetzt erfolgenden tausendfachen push backs einen „legalen Rahmen“ erhalten. Es ist wesentlich einem gewachsenen Selbstbewusstsein der Flüchtlinge in Einheit mit einer anwachsenden Solidaritätsbewegung für Flücht- lingsrechte in Europa zu verdanken, dass Asylsuchenden Flüchtlingsschutz zugebilligt wird. Aber auch sie werden vielfachem Leid ausgesetzt, in dem ihnen grundlegende

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Rechte wie Familiennachzug oder Freizügigkeit verwehrt werden. Auch diese völker- rechtswidrige Behandlung führt häufig zu psychischen Erkrankungen und auch Selbsttötungen.

3.) Sie selbst hatten bereits im Mai 2017 zur Situation in Libyen vor dem Sicherheitsrat der UN erklärt, dass dort „schwere und weit verbreitete Verbrechen an Migranten begangen werden, die Libyen durchqueren.“ Sie hatten Ihre Beunruhigung und Besorgnis zum Ausdruck gebracht, dass dort „schutzbedürftige Migranten, einschließlich Frauen und Kindern, in Haft – oft unter unmenschlichen Bedingungen sein sollen, Verbrechen, einschließlich Tötungen, Vergewaltigungen und Folter alltäglich sein sollen.“

Durch unsere Kanzlei wird eine Vielzahl von Flüchtlingen vertreten, die selbst Opfer von Verbrechen in Libyen wurden oder auf der Flucht über das Mittelmeer nächste Angehörige durch Ertrinken verloren haben, die auch als Zeuginnen und Zeugen für Ihre Ermittlungen zur Verfügung stehen.

4.) Die Abschottungspolitik, insbesondere die systematischen Grenzkontrolloperationen im Mittelmeer mit vollem Bewusstsein über die tödlichen Folgen, die Einrichtung und das Betreiben von Internierungslagern, auch für Kinder an den Außengrenzen der EU und die Zusammenarbeit und Förderung von mafiösen Kräften in Libyen erfolgte bewusst mit einer allseitigen Mixtur aus Rechtsverordnungen, Richtlinien und Beschlüssen, des planmäßigen Einsatzes militärischer und polizeilicher Kräfte, systematischen Ausbildungen, Auf- und Ausbau sowohl des Grenzüberwachungssystems EUROSUR, wie der militärischen Einrichtung „Europäische Grenzschutzagentur FRONTEX.“

Die politisch Verantwortlichen, ihre Beamten und Sicherheitskräfte verwirklichen planmäßig und akribisch eine Politik des organisierten Angriffs auf einen Teil der Zivilbevölkerung, die dringlich des internationalen Schutzes bedürfen.

5.) Bereits die Zahl von über 20.000 im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlingen seit Abbruch der Operation Mare Nostrum 2014 macht deutlich, dass die EU eine strafrechtlich relevante Verantwortung für eine der tödlichsten Aktionen der jüngeren Geschichte hat.

Die Straftaten dauern an, obwohl u. a. im Juni 2019 die Rechtsanwälte Omer Shatz und Dr. Juan Branco in einem ausführlichen Antrag mit umfangreichen Beweisen an Sie herangetreten sind, damit seitens der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) Ermittlungen aufgenommen werden.

6.) Mit diesem Antrag wollen wir Sie mit allem gebotenen Respekt dringlich auffordern, die Ermittlungen aufzunehmen, damit diesem systematischen Sterben und den menschenun- würdigen Zuständen in den Internierungslagern der EU ein Ende gemacht und die dafür besonders verantwortlichen Personen zur Rechenschaft gezogen werden.

Schließlich handelt es sich um völkerstrafrechtliche Kernverbrechen im Sinne des Art. 5 IStGH–Statut, welches der Gerichtsbarkeit des IStGH unterliegt.

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Wir erstatten von daher

und beantragen,

Strafanzeige

ein entsprechendes Ermittlungsverfahren zu eröffnen und durchzuführen

und der Vorverfahrenskammer des IStGH zur Vorprüfung zuzuleiten.

II.)

1.) Art. 15 des IStGH–Statuts sieht ausdrücklich vor, dass sie „auf der Grundlage von Informationen über der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen aus eigener Initiative Ermittlungen einleiten“ können. Sie können zu diesem Zwecke bekanntlich auch „von Staaten, Organen der Vereinten Nationen, zwischenstaatlichen oder nichtstaatlichen Organisationen oder anderen … als geeignet erachteten zuverlässigen Stellen zusätzliche Auskünfte einholen und am Sitz des Gerichtshofs schriftliche oder mündliche Zeugenaussagen entgegennehmen.“

So haben Sie u. a. auch Zugriff auf Einsatzberichte der FRONTEX, die ihr Vorgehen dokumentiert hat. Wir wollen aber auch in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass wir und die von uns vertretenen Einrichtungen engste Verbindungen zu Flüchtlingen haben, die gegenwärtig noch in Lagern in Griechenland, Bosnien–Herzegowina oder auf den kanarischen Inseln leben, in libyschen Lagern Folter und Vergewaltigungen erlitten oder nächste Angehörige bei der Flucht über das Mittelmeer aufgrund des systematischen Abbaus der Seenotrettungskapazitäten verloren haben. Diese Personen stehen als Zeuginnen bzw. Zeugen zur Verfügung.

Die Aufnahme formeller Ermittlungen durch Sie eröffnet aber auch die Möglichkeit, dass sie eigene Ermittlungsteams entsenden, um Beweismittel zu gewinnen und wichtige Zeuginnen und Zeugen zu befragen. Sie beinhaltet auch die Möglichkeit, unmittelbar Dokumente und Unterlagen anderer Staaten und internationaler Organisationen anzufordern.

2.) Art. 53 I IStGH–Statut stellt nur geringe Anforderungen an die Feststellung einer „hinreichenden Grundlage“ um die Eröffnung von Ermittlungen zu bewilligen.

Angesichts der andauernden Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit der Migrationspolitik der EU und der Straflosigkeit der Verantwortlichen kommen wir zum Schluss, dass auch die Zulässigkeitskriterien von Art. 17 des IStGH–Statuts erfüllt sind. Weder die EU, noch ihre tragenden Mitgliedsländer erfüllen ihre Verpflichtungen aus dem Komplementaritätsprinzip und sind auch nicht gewillt, diese zu erfüllen. Kein Mitgliedsstaat der EU hat bislang nach unserer Kenntnis Ermittlungen im Zusammenhang mit der Flüchtlings- und Migrationspolitik der EU bewirkt. Diese Untätigkeit der europäischen

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nationalen Justizeinrichtungen ebnet unserer Ansicht nach deshalb den Weg, dass Ihre Behörde aus eigenem Antrieb tätig wird. Trotz mehr als 40.000 Toten und mindestens 50.000 weiteren Opfern krimineller Handlungen in den letzten sieben Jahren sind von keinem der EU–Staaten strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden, während dies gegenüber humanitären Seenotrettungsorganisationen und Kapitänen von Rettungsschiffen der Fall war und ist.

Der lange Zeitraum der Untätigkeit belegt, dass dies nicht auf einen vorübergehenden Mangel zurückgeführt werden kann. Diese inländische Inaktivität in den nationalen Mitgliedsstaaten reicht unserer Ansicht nach von daher aus, um eine Zuständigkeit des IStGH zu bejahen.

III.)

Die Strafanzeige richtet sich insbesondere gegen

  • Frau Ursula Gertrud von der Leyen, seit dem 1. Dezember 2019 Präsidentin der Europäischen Kommission
  • Herrn Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission vom 1.11. 2014 bis 30.11. 2019•
  • Herrn Fabrice Leggeri, seit Januar 2015 Leiter der Europäischen Agentur für die

Grenz- und Küstenwache (englisch European Border and Coast Guard Agency, EBCG), auch FRONTEX genannt

  • Frau Angela Merkel, Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland
  • Herrn Emmanuel Macron, amtierender französischer Staatspräsident
  • Herrn Kyriakos Mitsotakis, amtierender griechischer Ministerpräsident
  • Herrn Zoran Tegeltija, Vorsitzender des Ministerrats von Bosnien und HerzegowinaDie genannten Personen haben jeweils aufgrund der mit ihrer Funktion verbundenen verantwortlichen Stellung in den Einrichtungen der EU bzw. ihrer Mitgliedsstaaten unmittelbare Verantwortung für die begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.Alle genannten Personen gehören Ländern der Europäischen Union an. Alle Staaten der EU unterstützen den IStGH und haben das sog. Römische Statut (IStGH – Statut) unterzeichnet.IV .) Insbesondere die nachfolgenden V orgänge ergeben, dass von einem ausreichenden Anfangsverdacht eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit ausgegangen werden muss.

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Herrn Jose Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission vom 22.11.page6image65937280

2004 bis 31.10. 2014

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1.) Flüchtlinge werden in Seenot allein gelassen

Durch „UNITED for Intercultural Action“ wird seit 1993 der Tod von Flüchtlingen beobachtet und erfasst, die auf dem Weg nach Europa waren. Eine jeweils aktualisierte Liste wird jährlich veröffentlicht. (unitedagainstrefugeedeaths.eu) Gegenwärtig sind über 40.000 Todesfälle von Migranten dokumentiert. Die genaue Zahl ist nicht bekannt, von Wissen- schaftlern wird jedoch geschätzt, dass die Zahl dreimal höher als die dokumentierte Zahl ist. Ein hoher Anteil ertrank im Mittelmeer. Ihrer Behörde ist diese Zahl bekannt.

Die UNO–Flüchtlingshilfe schreibt in einem aktuellen Bericht auf ihrer Website (heruntergeladen 17.02.2021):

„Flucht nach Europa – Schon seit Jahren fliehen Menschen aus den Krisenregionen der Welt über das Mittelmeer nach Europa – mit verheerenden Auswirkungen: Im Jahr 2016 ertranken über 5.000 Menschen im Mittelmeer. 2017 starben oder verschwanden laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) mehr als 3.100 Geflüchtete, 2018 waren es mehr als 2.200 Tote und Vermisste, 2019 1.335 Menschen und 2020 fanden 1.166 Menschen den Tod bei der Flucht über das Mittelmeer oder sind vermisst. Die Zahl der Toten und Vermissten können jedoch nur Schätzungen sein. Die genaue Zahl der Opfer wird für immer im Dunkeln bleiben.

Obwohl die Zahl der Ankünfte über die Mittelmeerroute seit 2016 stark gesunken ist (2016: 373.652 Menschen; 2017: 185.139 Menschen; 2018: 141.472 Menschen; 2019: 123.663 Menschen; 2020: 72.751 Menschen), bleibt der Weg übers Mittelmeer die tödlichste Seeroute der Welt.“ (Mittelmeer: Hilfe für Flüchtlinge in Not, uno- fluechtlingshilfe.de)

Im Artikel der renommierten deutschen Tageszeitung Frankfurter Rundschau vom 01.02.2021 wird – gestützt auf Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM– auf folgendes hingewiesen:

„Fluchtroute Mittelmeer: Das Sterben geht immer weiter

Das Jahr hat auf der Fluchtroute im zentralen Mittelmeer besonders tödlich begonnen. Derzeit sind nur wenige Rettungsschiffe im Einsatz. Im Mittelmeer sind auch dieses Jahr schon viele Menschen bei dem Versuch, nach Europa zu kommen, gestorben. Die meisten Toten gibt es im zentralen Mittelmeer. Rettungsschiffe sind aktuell kaum im Mittelmeer zu finden. Das neue Jahr ist gerade mal einen Monat alt, und schon jetzt haben mindestens 105 Menschen den Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, mit dem Leben bezahlt. Dazu kommen 22 Tote zwischen Westafrika und den Kanaren. Das besagen Schätzungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM), die bekannt gewordene Tode aufpage7image65938432

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ihrer Projektseite ‚Missing Migrants’ veröffentlicht. Auf einer Karte kann man dort die einzelnen Vorfälle anklicken. …

Fluchtroute: Die meisten Geflüchteten sterben im zentralen Mittelmeer

Die meisten Menschen sterben Jahr für Jahr aber nicht im westlichen oder östlichen, sondern im zentralen Mittelmeer, wo die Entfernungen von Land zu Land besonders groß sind. Insgesamt geht die Zahl der Toten allerdings seit Jahren zurück, ebenso wie die Zahl derer, die es über das Mittelmeer nach Europa schaffen – rund 90 000 waren es laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR im Jahr 2020, etwa 1100 Menschen starben bei dem Versuch oder gelten als vermisst.

Zum Vergleich: 2019 kamen etwa 124 000 Menschen, mindestens 1 300 starben. Nicht in den Zahlen enthalten sind all jene, die von Küstenwachen wieder zurückgeschleppt wurden in jenes Land, von dem aus sie mit ihrem Boot aufgebrochen waren. Alleine die libysche Küstenwache hat laut Zahlen der IOM zwischen Januar und November 2020 mehr als 10 000 Menschen auf dem Mittelmeer aufgegriffen und zurückgebracht.

Dabei warnte der Leiter der Libyen-Mission der IOM, Federico Soda, gerade wieder vor den Zuständen in dem Land. So sei es wahrscheinlich, dass die Menschen nach ihrem ‚Pullback’ – also dem Zurückgeschlepptwerden – in libyschen Lagern landen, wo sie ‚Ausbeutung und Gewalt’ ausgesetzt seien.“ (Fluchtroute Mittelmeer: Das Sterben geht immer weiter | Politik (fr.de))

Ihrer Anklagebehörde stehen vielfältige Möglichkeiten offen, über diese Vorgänge exakte Angaben zu erhalten. So können Sie sich jederzeit auch an die UNO–Flüchtlingshilfe oder die Internationale Organisation für Migration (IOM) und deren Leiter der Libyen–Mission, Herrn Federici Soda, wenden.

Nachdem bei zwei Bootsunglücken vor Lampedusa Anfang Oktober 2013 binnen weniger Tage mehr als 600 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken waren, wurde die seit 2004 laufende Überwachungsoperation Constant Vigilance aufgestockt. Am 18. Oktober 2013 startete Mare Nostrum unter der Leitung des Admirals Guido Rando. Laut der IOM hat die Operation Mare Nostrum in dem Zeitraum ihrer Aktivität rund 150.000 Menschen gerettet.

Durch eine bewusste Entscheidung der EU wurde die Operation Mare Nostrum am 31. Oktober 2014 beendet. Am folgenden Tag begann die Operation Triton unter Führung der EU-Grenzagentur FRONTEX. Sie wurde später mit gleicher Aufgabenstellung durch die Operation Themis ersetzt. Im Gegensatz zu „Mare Nostrum“ beschränken sich „Triton“ und „Themis“ im Wesentlichen auf die Sicherung der Grenzen.

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Die Einstellung der Rettungsmission „Mare Nostrum“ durch die FRONTEX geführte Operation „Triton“ war eine bewusste Entscheidung der EU und ihrer maßgeblichen Entscheidungsträger. Ihnen war bewusst, dass diese Entscheidung Menschenleben kosten wird. Das ist von strafrechtlicher Relevanz. Am Tod von inzwischen mehr als 20.000 Flüchtlingen im Mittelmeer seit Einstellung der Mission tragen die Verantwortlichen der EU und ihrer Einrichtung FRONTEX unmittelbar Verantwortung.

Seenotrettung ist jedoch eine völkerrechtlich verankerte Verpflichtung. Sie findet sich u. a. im Seerechtsübereinkommen der UN von 1982, im SOLAS – Übereinkommen von 1974 sowie im SAR – Übereinkommen von 1979.

Die insbesondere von der EU–Kommission und den Regierungen der größten EU– Mitgliedsstaaten Deutschland und Frankreich betriebene Politik erfolgt vorsätzlich zu Abschreckungszwecken. Um potentielle Flüchtlinge vor der Flucht nach Europa abzuhalten, werden bewusst Menschen nicht aus Seenot gerettet und deren Leben geopfert, um einen Abschreckungseffekt zu erzielen.

Hinzu kommt, dass auch private Seenotretter kriminalisiert und strafrechtlich verfolgt werden, weil sie sich angeblich an illegaler Einwanderung bzw. Schleuseraktivitäten beteiligen würden.

Die EU–Verantwortlichen statten zugleich die libysche Küstenwache mit Schiffen und elektronischen Geräten aus und bilden das libysche Militär aus.

Die Verweigerung der Seenotrettung ist eine „illegale Zurückweisung“ nach internationalem Völkerrecht von Personen, die eindeutig einen Flüchtlingsstatus haben und daher nicht einfach zurückgewiesen werden dürfen. Den EU–Verantwortlichen und den Verantwortlichen maßgeblicher Mitgliedsstaaten – wie Deutschland und Frankreich – sind die tödlichen Folgen für viele Flüchtlinge bekannt. Sie handeln mit Vorsatz. Flüchtlinge müssen ohne Weiteres als Zivilbevölkerung im Sinne des IStGH–Statuts angesehen werden. Das Vorgehen bedeutet von daher einen organisierten Angriff auf die Zivilbevölkerung.

Die Dringlichkeit und Notwendigkeit der Aufnahme von Ermittlungen wird auch durch die aktuelle Entwicklung betont. So sind allein in der dritten Januarwoche 2021 mindestens 60 Menschen im Mittelmeer gestorben. Zugleich wurden laut IOM 452 Menschen auf dem Mittelmeer abgefangen und zurück nach Libyen verschleppt und dort in die menschenun- würdigen Internierungslager verbracht.

2.) Völkerrechtswidrige Zurückdrängung von Flüchtlingen

Die internationale Organisation „Mare Liberum“ verfolgt mit eigenen Schiffen die Lage der Flüchtlinge in der Ägäis. In einem aktuellen Bericht (www.daten.mare-liberum.org/s/- MkcCZtNp5WrNsyr#pdfviewer) hat diese erschütternde Anschuldigungen zusammen-page9image66016896page9image66016704

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getragen, wie schutzsuchende Menschen auf dem Weg in die EU von Sicherheitskräften behandelt werden. Auch Vorfälle mit deutscher Beteiligung sind dabei bekannt geworden. Die Menschenrechte von Flüchtlingen in der Ägäis werden diesem Bericht zufolge systematisch verletzt. Im vergangenen Jahr kam es zu einer massiven Eskalation im Umgang mit den Menschen auf der Flucht. Allein von März bis Dezember 2020 wurden mehr als 9.700 Fliehende gewaltsam in die Türkei zurückgedrängt und damit ihres Rechts auf Asyl beraubt. Neben der griechischen Küstenwache sei die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX hauptsächlich für die sogenannten push backs verantwortlich, heißt es in dem Bericht. Auch Schiffe unter Nato-Kommando hätten sich daran beteiligt. Mare Liberum weist darauf hin, dass das exakte Ermitteln der Vorfälle schwierig ist und die dem Bericht zugrundeliegenden Zahlen daher als Annäherung an die tatsächlichen Zahlen zu verstehen sind. Ihre Behörde hat sicher weitergehende Möglichkeiten, hier Ermittlungen aufzunehmen. Der Bericht weist ein- deutig nach, dass immer wieder Flüchtlinge zurückgedrängt wurden, die bereits griechischen Boden – und damit das Gebiet der EU – erreicht haben. Unter den Opfern sind sehr viele Kinder. Die Schlauchboote werden zerstört und häufig unmittelbare Gewalt gegen die Flüchtlinge ausgeübt. Es handelt sich nicht um Einzelfälle, die übereifrigen Sicherheitskräften vor Ort zugeschrieben werden können, sondern um die systematische und alltägliche Vorgehensweise an einer EU–Außengrenze, die auch durch die Verantwortlichen der EU, insbesondere die EU–Kommission und deren Präsidentin, sowie FRONTEX gebilligt und vorangetrieben wird. push backs werden seit Monaten kritisiert. Auf entsprechende Dokumente kann Ihre Behörde sicher zurückgreifen.

Nach unseren Informationen wird in einem internen FRONTEX-Bericht zumindest zugestanden, dass fünf Fälle, an denen Beamte der EU–Agentur FRONTEX beteiligt waren, unaufgeklärt sind. Die EU-Kommission habe sich zudem „zutiefst besorgt über Berichte über push backs oder andere Formen der Nichteinhaltung des EU-Rechts“ gezeigt. Damit wird jedoch verdeckt, dass die – auch strafrechtlich bedeutsame – Hauptverantwortung für diese push back-Politik bei der EU–Kommission selbst liegt. Im Bericht von Mare Liberum wird nachgewiesen, dass es zu einer dramatischen Zunahme illegaler push backs gekommen ist. Aufgelistet werden im Jahr 2020 321 Vorfälle in der Ägäis, bei denen 9.798 Personen zurückgedrängt worden sind. Auch Nachrichtenmagazine wie der in Deutschland erscheinende „DER SPIEGEL“ und das Recherche-Kollektiv Bellingcat haben nachgewiesen, wie Schutzsuchende gewaltsam zurück in die Türkei gedrängt und dabei gegen internationales, europäisches und nationales Recht verstoßen wird. Mare Liberum berichtet, dass die Dokumentation von Rechtsbrüchen und push backs im spezifischen in dem extrem militarisierten Grenzgebiet der Ägäis besonders schwierig sei, da die EU-Einrichtungen – wie FRONTEX – und die maßgeblich von der EU finanzierte griechische Küstenwache alles tun, um derartige illegale Handlungen möglichst unbemerkt durchzuführen und die damit verbundenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verdecken. Dem Bericht von Mare

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Liberum liegen jedoch auch Aussagen von Zeuginnen und Zeugen zugrunde, die auch seitens Ihrer Anklagebehörde angehört werden können. Angesichts der aktiven Verschleierung der push backs durch die EU–Kommission und die EU–Agentur FRONTEX ist davon auszugehen, dass 2020 tendenziell mehr push backs durchgeführt wurden, als im Bericht von Mare Liberum angenommen. Die push backs sind Teil der auf Abschottung und Abschreckung setzenden EU–Grenzpolitik und deren menschenverachtenden und tödlichen Ausmaße. Den Verantwortlichen – wie sie in diesem Schreiben auch ausdrücklich namentlich benannt worden sind – sind die Folgen bekannt. Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden bewusst und vorsätzlich begangen.

Strafschärfend kommt hinzu, dass seitens der EU–Kommission und seitens der deutschen Bundesregierung aktiv betrieben wird, dass eine Beobachtung und Dokumentation der Verbrechen verhindert wird. So wurden die beiden Schiffe von Mare Liberum blockiert und Angehörige der Organisation und die Organisation werden derzeit in Griechenland kriminalisiert. Das von Andreas Scheuer (CSU) geleitete Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hatte die beiden Schiffe von Mare Liberum am 19. August 2020 festgesetzt. Dies erfolgte aufgrund einer Änderung der deutschen Schiffssicherheits- verordnung, die bewusst herbeigeführt wurde, um das Auslaufen von Schiffen für den Einsatz für Menschenrechte und Rettungseinsätze zu verhindern. Das deutsche Verwaltungsgericht Hamburg (Aktenzeichen: 5 E 3819/20) gab Mare Liberum schließlich in zweierlei Hinsicht Recht. Am 2. Oktober 2020 verkündete das Gericht, dass die Schiffe von Mare Liberum unter der geltenden Rechtslage keine Schiffssicherheitszeugnisse benötigen, die Festhalteverfügungen gegen die Schiffe wurden damit aufgehoben. Darüber hinaus entschied das Verwaltungsgericht, dass die Änderung der Schiffssicherheitsverordnung durch die deutsche Regierung gegen Europarecht verstößt. Neben dieser aktiven Behinderung erfolgt auch eine Kriminalisierung durch griechische Behörden. Am 05.09.2020 stürmten Einheiten der Polizei, der griechischen Küstenwache und einer Spezialeinheit ohne Angabe von Gründen und unter Verstoß gegen internationales und griechisches Recht das Schiff Mare Liberum.

Die push back-Politik der EU bedeutet, dass vorsätzlich Flüchtlingen die Möglichkeit Asyl zu beantragen verwehrt wird, obwohl sie sich bereits auf dem Hoheitsgebiet der EU und ihrer Mitgliedsländer befinden. Sie bedeuten Verhinderung von Schutz unter Anwendung von Gewalt und stellen eindeutig einen Verstoß gegen internationales Völkerrecht, insbesondere die Genfer Flüchtlingskonvention dar. Push backs verstoßen gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung (non-refoulement), der sowohl in der EU-Grundrechtecharta, wie in der Genfer Flüchtlingskonvention festgeschrieben ist.

Die Push backs sind gewalttätig und demütigend und verletzen die Flüchtlingen physisch und psychisch. Die völkerrechtswidrige Praxis der Push backs wird ausdrücklich durch die Regierung Griechenlands wie die EU–Kommission gedeckt. Bei einem Besuch der

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griechischen Grenztruppen auf dem Festland nach massenhaften, gewalttätigen und in einem Fall tödlichen push backs über den Grenzfluss, bedankte sich EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ausdrücklich für die „Aufrechterhaltung der Ordnung“. Die deutsche Tageszeitung taz berichtet am 14.03.2020:

„Festung Europa im Jahr 2020: Stacheldraht riegelt die EU-Außengrenze ab, Fliehende werden mit Tränengas und Blendgranaten abgewehrt, vereinzelt wird scharf geschossen. Wer den Grenzposten in die Hände fällt, wird seiner Hab- seligkeiten beraubt und zurückgeschickt oder kommt in Haft an einem unbekannten Ort. Was 2015 in Deutschland lediglich eine Forderung der AfD war, ist 2020 an der griechischen Grenze zur Türkei Realität. Mehr noch: es ist politisch gewollt und wird von höchster deutscher Stelle ausdrücklich begrüßt. Wer braucht eine Beatrix von Storch in der AfD, wenn man eine Ursula von der Leyen an der Spitze der EU- Kommission hat. Der Auftritt der deutschen EU-Kommissionschefin in Griechenland am Dienstag war unwürdig. Sie dankte nicht nur, was normal wäre, den griechischen Behörden und versprach ihnen Hilfe. Sie vermied auch jedes öffentliche Wort der Kritik am griechischen Vorgehen, sei es an den Übergriffen gegen Geflüchtete oder an der Aussetzung des Asylrechts. ‚Die Aufrechterhaltung der Ordnung an unserer Außengrenze hat für uns Vorrang’, sagte sie stattdessen.“

Auch durch Videoaufnahmen dokumentiert sind mindestens sechs Fälle, an denen FRONTEX an push backs beteiligt war. Am 8.06.2020 war das rumänische FRONTEX Schiff “MAI1102” in einen push back verwickelt. Ein weiteres rumänisches FRONTEX Schiff, die “MAI1103”, war am 15.08.2020 gemeinsam mit dem deutschen Marineschiff “A1411Berlin” ebenfalls an einem Pushback beteiligt. Die “A1411Berlin” war zu dem Zeitpunkt unter NATO- Kommandantur in der Ägäis im Einsatz.

Wir sind uns sicher, dass die Aufnahme von Ermittlungen durch Ihre Behörde dazu führen wird, dass weitere Beweise dem IStGH vorgelegt werden.

Durch die Verantwortlichen wird nach wie vor systematisch versucht, ein Aufdecken der Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu behindern.

So hatten eine Anfrage im Deutschen Bundestag durch die Abgeordnete Luise Amtsberg (Die Grünen), ob die Bundesregierung Erkenntnisse über push backs in der Ägäis habe, die Antwort zur Folge, dass dies nicht offengelegt werden könne, da es “nachteilige Auswirkungen auf NATO-Aktivitäten und die bilateralen Beziehungen von Deutschland und Griechenland haben könnte.”

Da die Praxis weiter anhält, ist eine Untersuchung dieser Politik dringend erforderlich, damit die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und insbesondere auch diese menschenverachtende Praxis der push backs und die damit verbundene bewusste tödliche Abschottungspolitik der EU beendet wird.

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3.) Beihilfe zu Folter, Versklavung, Vergewaltigung und Ermordung tausender Menschen

Dem IStGH liegen bereits umfangreiche Dokumente und Zeugenaussagen vor, aus denen hervorgeht, dass Flüchtlinge in Libyen Opfer schwerster Verbrechen werden. Nach unseren Informationen werden durch die Anklagebehörde unter Ihrer Leitung bereits seit 2017 Verbrechen in den libyschen Internierungslagern untersucht. Trotz vielfacher Berichte von internationalen Organisationen, dass in Libyen Ausbeutung, Gewalt, Folter für Flüchtlinge existiert und Libyen kein sicheres Land für Flüchtlinge ist, wohin Flüchtlinge zurückgeschickt werden sollen, wird seitens der EU an der Praxis festgehalten. Nach Angaben des UN- Flüchtlingshilfswerks UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) halten sich in Libyen rund 50.000 registrierte Flüchtlinge und Asylsuchende auf, sowie mindestens 800.000 weitere Migranten. „Manchmal sind die Geflüchteten buchstäblich aufeinander gestapelt, unter entsetzlichen hygienischen Bedingungen und mit großen Schwierigkeiten, an Wasser zu gelangen – ab und zu gibt es überhaupt kein Trinkwasser“, berichtetBenjamin Gaudin von der Hilfsorganisation „Première Urgence Internationale“ (PUI) über die Zustände in libyschen Flüchtlingscamps.

Laut Julien Raickmann, Leiter von „Ärzte ohne Grenzen“ in Libyen, sterben in den Lagern immer wieder Menschen an Krankheiten und Hunger. Amnesty international berichtet von Folter, schwerer Gewalt und sexueller Ausbeutung. Außerdem würden Flüchtlinge durch Zwangsarbeit ausgebeutet oder weiterverkauft. Die Menschenrechtsorganisation hat auch Fälle dokumentiert, in denen Menschen getötet wurden, als sie versucht hatten zu flüchten. Vor allem aber knöpften Milizen und Schlepper den Geflüchteten Geld ab, indem sie sie mit Gewalt oder dem Tod bedrohten, teils Videos von Folter drehten, die dann an die Familien geschickt würden. Nach Beobachtungen von Amnesty hat sich die Situation für Flüchtlinge seit dem Ausbruch der Kämpfe in Libyen Anfang April 2019 weiter verschlimmert. Die in Haftzentren unter katastrophalen Bedingungen festgehaltenen Menschen gerieten zwischen die Fronten und würden wegen der Kämpfe tagelang nicht mit Essen versorgt. Angesichts der verheerenden Zustände in dem Bürgerkriegsland forderte auch der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR), Filippo Grandi und der IOM-Generaldirektor António Vitorino die EU auf, die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache einzustellen.

Der Rücktransport von Flüchtlingen und deren faktische Inhaftierung in menschenunwürdigen Internierungslagern wird seitens der EU bewusst gefördert und finanziell unterstützt, obwohl die Tatsachen bekannt sind. Trotz vielfältiger Kritik hält dieses Vorgehen an, wie aktuell durch die Aussage des Leiters der Libyen-Mission der IOM, Herrn Federico Soda, bestätigt wird. Den in der Anzeige genannten Personen – insbesondere auch Bundeskanzlerin Angela Merkel – war bei Unterzeichung der „Erklärung von Malta, abgegeben von den Mitgliedern

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des Europäischen Rates, über die externen Aspekte der Migration: Vorgehen in Bezug auf die zentrale Mittelmeerroute“ vom 03.02.2017 in vollem Umfang die Situation in den Internierungslagern in Libyen auch aufgrund eines internen Berichtes der deutschen Auslandsvertretung bekannt. Die Malta-Einigung war ein weiterer Schritt einer völkerrechtswidrigen Abschottungspolitik. Ausdrücklich wurde sich geeinigt, dass weiterhin die EU keine eigenen Rettungsschiffe im Mittelmeer einsetzen werde. Bekräftigt wurde, dass die Küstenwachen in Nordafrika weiter gestärkt und zugleich die Seenotrettung im Mittelmeer durch private Rettungsorganisationen deutlich erschwert werden soll.

Das Vorgehen der EU–Verantwortlichen und der Verantwortlichen in den Regierungen von Deutschland und Frankreich ist Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der Art. 5 und 7 des IStGH–Statuts.

4.) Betreiben von menschenunwürdigen Flüchtlingslagern

Unter maßgeblicher Verantwortung der EU werden verschiedene Flüchtlingslager betrieben.

a) Das griechische Flüchtlingslager Moria befand sich im Landesinneren der Insel Lesbos. In dem für 2.800 Personen konzipierten Lager lebten zeitweilig mehr als 20.000 Menschen (März 2020); es war Europas größtes Flüchtlingslager und ein sogenannter Hotspot der EU. In dem Lager herrschten wegen der Überfüllung jahrelang katastrophale Verhältnisse.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen forderte deshalb bereits im Februar 2020 die Verlegung von Familien und Kranken an andere Orte. Im Lager gab es im Februar 2020 nur drei Ärzte, acht Krankenschwestern und zwei Hebammen. Angesichts der damals beginnenden COVID-19-Pandemie warnten Ärzte und Hilfsorganisationen vor Ort vor der Gefahr einer Epidemie in dem unzureichend medizinisch versorgten übervollen Flüchtlings- lager, ohne dass seitens der EU Maßnahmen ergriffen wurden. Ausdrücklich forderte die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ angesichts der Covid-19-Pandemie im März 2020 eine sofortige Evakuierung des Lagers und eine dezentrale Verteilung der Menschen. Tatsächlich teilten sich im Lager 1.300 Menschen einen Wasserhahn; Seife zum Händewaschen war nicht erhältlich und es gab keine Möglichkeit, räumliche Distanz zu wahren. Als am 08.09.2020 bekannt gegeben wurde, dass bei 35 Bewohnern des Lagers Covid-19 festgestellt worden war, kam es wegen der Quarantäne und Angst vor Ansteckungsgefahr zu Unruhen zwischen den Migranten und Flüchtlingen. Manche wollten wegen der Ansteckungsgefahr das überfüllte Lager verlassen, während manche Infizierte und Kontaktpersonen sich weigerten, in Isolation gebracht zu werden. Am späten Abend explodierte die Situation laut Mytilinis Bürgermeister und ein Brand im Lager brach aus. Die Flammen wurden von bis zu 70 Stundenkilometer schnellen Winden angefacht. Das Lager brannte dabei fast völlig aus. Mehr als 12.000

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Menschen wurden durch das Feuer obdachlos, darunter 4.000 Kinder. Tausende Menschen verbrachten die folgenden Nächte auf der Straße ohne eine ausreichende Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln.

Bei Protesten gegen diese Zustände setzte die griechische Polizei Tränengas ein. In Deutschland forderten Hilfsorganisationen, Selbstorganisationen von Flüchtlingen eine sofortige Evakuierung der Menschen und Aufnahme in Deutschland. Auch ein Bündnis aus Städten und Kommunen boten dafür Plätze in ihren Geflüchtetenunterkünften an und appellierten an die Bundesregierung, diese Plätze zu nutzen. Solidaritäts- und Hilfsorgani- sationen wie Solidarität International e. V. in Zusammenarbeit mit griechischen Aktivisten auf Lesbos und Selbstorganisationen der Flüchtlinge auf Lesbos organisierten Hilfe.

Die Bundesregierung weigerte sich jedoch ebenso wie die Verantwortlichen der EU, nachhaltige Maßnahmen zum Schutz der Flüchtlinge, insbesondere der Kinder durchzuführen. Mitte September 2020 begann die Polizei das Lager zu räumen und die Menschen in einem Zeltlager, dem sogenannten Übergangslager Kara Tepe auf Lesbos unterzubringen. Tatsäch- lich sind die Bedingungen dort noch prekärer als im alten Lager. In Folge der Zerstörung des Flüchtlingslagers Moria wurde für die meisten der durch den Brand obdachlos gewordenen Flüchtlinge in der Nähe des bereits bestehenden Flüchtlingslagers Kara Tepe ein zweites provisorisches Zeltlager auf einem ehemaligen Schießplatz direkt an der Küste eröffnet.Der Presse sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten ist der Zugang zum Gelände untersagt.In dem provisorischen Zeltlager leben mindestens 7.500 Menschen, darunter 2.500 Kinder. Mitte Oktober 2020 gab es nach Regenfällen Überflutungen in dem provisorischen Zeltlager, wodurch sich die humanitäre Situation verschlechterte.

Im Dezember 2020 bestanden weiterhin große Gesundheitsprobleme und mangelhafter Schutz vor Kälte und Nässe. In dem provisorischen Zeltlager an der Küste leben nach Informationen von Aktivisten und Betroffenen vor Ort Ende Dezember 2020 8.200 Menschen. In der Regel teilten sich je zwei Familien (7–8 Personen) eines der 1.000 Sommerzelte. 1.200 unbegleitete Minderjährige seien in fünf Großzelten untergebracht, davon sind nur zwei mit Stockbetten ausgestattet, in den anderen liegen die Kinder auf dem Boden. Es gebe zu wenige Toiletten und nur provisorische Kübelduschen mit kaltem Wasser. Es mangele an passender Kleidung. Pro Tag werde nur eine kleine Mahlzeit ausgegeben; die sei kalt, weil die Caterer ohne Wärmeboxen liefern. 55 Tonnen Hilfsgüter und 181 Wohn- und Sanitärcontainer, die Öster- reichs InnenministerKarl Nehammerim Frühling bzw. Herbst 2020 nach Griechenland geschickt hat, seien bisher nicht im Lager angekommen, sondern lagerten am Athener Flughafen, weil der Weitertransport nicht beauftragt wurde. Ab 31. Dezember 2020 sollten weitere 1.200 Menschen, die bisher noch in Containern im alten Flüchtlingslager Kara Tepe einquartiert waren, in das im September 2020 errichtete provisorische Zeltlager verlegt werden. Am 23.12.2020 wandte sich ein Großteil der Flüchtlinge in einem „Weihnachtsbrief“ an die europäische Öffentlichkeit. Darin übten sie harsche Kritik an der EU und an den

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verheerenden Zuständen im neuen Lager. Das Schreiben wurde EU-Kommissions- präsidentin Ursula von der Leyen übergeben.

Nach dem Brand von Moria wurde das Lager Kara Tepe auf einem ehemaligen militärischen Übungsplatz gebaut. Bewohnerinnen und Bewohner und Hilfsorganisationen waren schon lange über Munitions- und Granatenrückstände besorgt. Sehr frühzeitig wurde vor möglichen Bleivergiftungen gewarnt. Eine wissenschaftliche Analyse bezüglich einer möglichen Bleiver- giftung der Böden hat diese These nun im Januar 2021 bestätigt: Fast alle Proben, die untersucht wurden, haben Blei in giftiger Menge nachweisen können. Als Folge werden nun weitere Analysen der Böden veranlasst und Teile der vergifteten Bereiche durch Betonplatten versiegelt. Eine Evakuierung der Bewohner ist nicht vorgesehen, stattdessen werden die drohende Bleivergiftungen von über 7.000 Bewohnerinnen und Bewohnern in Kauf genommen.

Was im Moria-Nachfolgelager bei Kara Tepe geschieht, ist keine Naturkatastrophe, sondern ein gewolltes Verbrechen. Die unhaltbaren Zustände sind seit Monaten Thema in der internationalen Öffentlichkeit, aber geändert hat sich nichts. Die dünnen Zelte stehen immer wieder unter Wasser, die Duschvorrichtungen sind vollkommen unzureichend, das Essen ist schlecht, es gibt keine Heizmöglichkeit und die Menschen erhalten kaum medizinische V ersorgung.

Die Verantwortlichen der EU sind über die Verhältnisse in vollem Umfange informiert.

In Deutschland hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein–Westfalen angesichts der Zustände in Griechenland am 21.01.2021 entschieden, dass Asylanträge von in Griechenland anerkannten Schutzberechtigten grundsätzlich nicht als unzulässig abgelehnt werden dürfen, weil zumindest derzeit generell die ernsthafte Gefahr besteht, dass sie im Falle ihrer Rückkehr dorthin ihre elementarsten Bedürfnisse (“Bett, Brot, Seife“) für einen längeren Zeitraum nicht befriedigen können. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte die Asylanträge der Kläger als unzulässig abgelehnt, weil diese in Griechenland bereits internationalen Schutz erhalten hatten; gleichzeitig hatte es ihnen die Abschiebung dorthin angedroht. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt: Die Asylanträge der Kläger könnten nicht als unzulässig abgelehnt werden, weil ihnen für den Fall ihrer Rückkehr nach Griechenland die ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung drohe. Denn die Kläger gerieten in Griechenland unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not, weil sie dort für einen längeren Zeitraum weder eine Unterkunft noch eine Arbeit fänden. (Aktenzeichen: 11 A 1564/20.A und 11 A 2982/20.A)

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b) In Bosnien–Herzegowina kam es aktuell im Winter 2020/2021 zu einer humanitären Krise. Dort harren ca. 3.000 Menschen auf der Flucht ungeschützt vor dem bosnischen Winter ohne winterfeste Unterbringung aus. Ihnen droht der Kältetod. Die meisten der in Bosnien- Herzegowina gestrandeten Schutzsuchenden befanden sich bereits in der EU, sie wurden allerdings von kroatischen Grenzpolizistinnen und Grenzpolizisten nach Bosnien völker- rechtswidrig und unter Gewaltanwendungen zurückgebracht. Seit Jahren sind an der bosnisch- kroatischen Grenze push backs, die mit äußerster Brutalität durchgeführt werden und gegen internationales und europäisches Recht verstoßen, an der Tagesordnung. Die push backs geschehen mit Billigung und Unterstützung der EU und der Bundesregierung. Ungeachtet der gut dokumentierten, systematischen Menschenrechtsverletzungen wird Kroatien für den Grenzschutz allein seit Dezember 2018 mit über 18 Mio. Euro von der EU unterstützt. Vom deutschen Bundesinnenministerium erhielt die kroatische Grenzpolizei 2020 zusätzlich Wärmebildkameras und Fahrzeuge.

Der EU sind die Zustände bekannt. Im bosnischen Flüchtlingslager Lipa oder in der Umgebung müssen laut einem internen EU-Bericht rund 1.900 Menschen bei bis zu minus 15 Grad Celsius im Freien schlafen, wie die Zeitung „Welt“ am 22.01.2021 meldete. Einige Migranten wiesen laut dem Bericht Corona-Symptome auf, heiße es in dem internen EU- Papier weiter, das laut der Zeitung vor wenigen Tagen erschienen ist.

V.) Die Voraussetzungen des Art. 7 IStGH–Statut liegen vor

Seitens des IStGH werden nur solche Verbrechen verfolgt, die in Art. 5 des IStGH-Statuts benannt sind. Neben Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression sind dies insbesondere Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie sie in Art. 7 des IStGH–Statuts aufgeführt sind. Aufgrund der oben mehr zusammenfassend geschilderten Vorgänge sind die unter III.) genannten Personen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinreichend verdächtig.

1.) Art. 7 IStGH lautet:

„Art. 7 Verbrechen gegen die Menschlichkeit
1. Im Sinne dieses Statuts bedeutet «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» jede der folgenden Handlungen, die im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung und in Kenntnis des Angriffs begangen wird:
a) vorsätzliche Tötung;
b) Ausrottung;
c) Versklavung;
d) Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung;
e) Freiheitsentzug oder sonstige schwer wiegende Beraubung der körperlichen Freiheit unter Verstoß gegen die Grundregeln des Völkerrechts;
f) Folter;
g) Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene Schwangerschaft, Zwangssterilisation oder jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere;

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h) Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe oder Gemeinschaft aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, Gründen des Geschlechts im Sinne des Absatzes3 oder aus anderen nach dem Völkerrecht universell als unzulässig anerkannten Gründen im Zusammenhang mit einer in diesem Absatz genannten Handlung oder einem der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechen;

i) zwangsweises Verschwindenlassen von Personen;
j) das Verbrechen der Apartheid;
k) andere unmenschliche Handlungen ähnlicher Art, mit denen vorsätzlich große Leiden oder eine schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der geistigen oder körperlichen Gesundheit verursacht werden.
2. Im Sinne des Absatzes 1
a) bedeutet «Angriff gegen die Zivilbevölkerung» eine Verhaltensweise, die mit der mehrfachen Begehung der in Absatz1 genannten Handlungen gegen eine Zivilbevölkerung verbunden ist, in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik eines Staates oder einer Organisation, die einen solchen Angriff zum Ziel hat;
b) umfasst «Ausrottung» die vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen – unter anderem das Vorenthalten des Zugangs zu Nahrungsmitteln und Medikamenten –, die geeignet sind, die Vernichtung eines Teiles der Bevölkerung herbeizuführen;
c) bedeutet «Versklavung» die Ausübung aller oder einzelner mit einem Eigen- tumsrecht an einer Person verbundenen Befugnisse und umfasst die Ausübung dieser Befugnisse im Rahmen des Handels mit Menschen, insbesondere mit Frauen und Kindern;
d) bedeutet «Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung» die erzwungene, völkerrechtlich unzulässige Verbringung der betroffenen Personen durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen aus dem Gebiet, in dem sie sich rechtmäßig aufhalten;
e) bedeutet «Folter», dass einer im Gewahrsam oder unter der Kontrolle des Beschuldigten befindlichen Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden; Folter umfasst jedoch nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind;
f) bedeutet «erzwungene Schwangerschaft» die rechtswidrige Gefangenhaltung einer zwangsweise geschwängerten Frau in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen oder andere schwere Verstöße gegen das Völkerrecht zu begehen. Diese Begriffsbestimmung ist nicht so auszulegen, als berühre sie innerstaatliche Gesetze in Bezug auf Schwangerschaft;
g) bedeutet «Verfolgung» den völkerrechtswidrigen, vorsätzlichen und schwer wiegenden Entzug von Grundrechten wegen der Identität einer Gruppe oder Gemeinschaft;
h) bedeutet «Verbrechen der Apartheid» unmenschliche Handlungen ähnlicher Art wie die in Absatz 1 genannten, die von einer rassischen Gruppe im Zusammenhang mit einem institutionalisierten Regime der systematischen Unterdrückung und Beherrschung einer oder mehrerer anderer rassischer Gruppen in der Absicht begangen werden, dieses Regime aufrechtzuerhalten;
i) bedeutet «zwangsweises Verschwindenlassen von Personen» die Festnahme, den Entzug der Freiheit oder die Entführung von Personen durch einen Staat oder eine politische Organisation oder mit Ermächtigung, Unterstützung oder Duldung des Staates oder der Organisation, gefolgt von der Weigerung, diese Freiheitsberaubung anzuerkennen oder Auskunft über das Schicksal oder den Verbleib dieser Personen zu

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erteilen, in der Absicht, sie für längere Zeit dem Schutz des Gesetzes zu entziehen.
3. Im Sinne dieses Statuts bezieht sich der Ausdruck «Geschlecht» auf beide Ge- schlechter, das männliche und das weibliche, im gesellschaftlichen Zusammenhang. Er hat keine andere als die vorgenannte Bedeutung.“

2.) Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind Massenverbrechen, die gegenüber der Zivilbevölkerung begangen werden. Ausdrücklich geschütztes Rechtsgut sind neben der Zivilbevölkerung auch die grundlegenden Menschenrechte.

a) Die geschilderten tatsächlichen Vorgänge stellen jeweils Einzeltaten dar, durch die verschiedene der in Art. 7 Absatz 1 IStGH – Statut beschriebenen Handlungen verwirklicht werden.

Im Gesamttatzusammenhang bedeuten sie einen ausgedehnten und systematischen Angriff auf die Zivilbevölkerung. Im einzelnen:

aa) Vorsätzliche Tötung gemäß Artikel 7 I a) IStGH – Statut

Die oben geschilderten Handlungen – insbesondere die Verweigerung der Seenotrettung – erfüllen die Voraussetzungen der vorsätzlichen Tötung im Sinne des IStGH–Statuts. Unbestritten kam es aufgrund der EU–Politik zu massenhaften Todesfällen von Teilen der Zivilbevölkerung. Diese Todesfälle waren auch Teil eines systematischen Planes und Angriffes auf eine besonders charakterisierte Gruppe der Zivilbevölkerung. Den beschuldigten Personen war dies auch bewusst. Die vorsätzliche Tötung setzt nicht voraus, dass diese durch eine aktive Handlung erfolgt, sondern kann auch durch Unterlassung erfolgen. Es besteht unserer Ansicht nach nicht nur eine moralische Pflicht, sondern auch eine ausdrückliche völkerrechtliche Pflicht zum Handeln, um Zivilisten in lebensgefährdeten Situationen Hilfe zu leisten. Die Beendigung der Operation Mare Nostrum war unter allen Gesichtspunkten eine bewusste Entscheidung, den Tod durch Unterlassen massenhaft herbeizuführen. Das Unterlassen bzw. Nichthandeln, das zum Tod führte, erfolgte bewusst und vorsätzlich. Auch durch Unterlassung eines Rechtsakts und eines Vorgehens, zu dem eine gesetzliche Pflicht besteht, können sich unserer Ansicht nach Personen wegen vorsätzlicher Tötung strafbar machen. Dies gilt um so mehr, als die EU-Menschenrechtscharta die Verantwortlichen der EU ausdrücklich zum Schutz menschlichen Lebens verpflichtet. Es ist nach unseren Erkenntnissen unbestritten, dass bei Fortführung der Operation Mare Nostrum das Leben Zehntausender hätte gerettet werden können.

Insbesondere die aktuelle Präsidentin der EU–Kommission und ihre Vorgänger sowie die weiteren Mitglieder der EU–Kommission haben aufgrund ihrer Funktion die Möglichkeit, anders zu handeln. Sie wissen, dass ihr Handeln zum Tod von Menschen führt und nehmen dies bis heute bewusst in Kauf.

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Es darf nicht vergessen werden, dass es vorliegend um den zehntausendfachen Schutz des Rechts auf Leben geht. Auch die internationalen Seerechtsübereinkommen, auf die ich bereits eingegangen bin und die alle relevanten EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert haben, verpflichten dazu, Seenotrettungsaktionen durchzuführen und Menschen in Seenot und Lebensgefahr in sichere Häfen zu bringen. Es handelt sich hierbei um eine unter moralischen wie völker- rechtlichen Gesichtspunkten absolute Pflicht, gegen die nicht verstoßen werden darf. Die Todesfälle im Mittelmeer sind direkte Folge der EU–Politik. Die EU und ihre Mitgliedsländer sind in der Lage zu helfen, den Tod zu verhindern, sind dazu jedoch nicht bereit. Das zentrale Mittelmeer steht unzweifelhaft unter einer wirksamen tatsächlichen Kontrolle der EU und ihrer Einrichtungen, Kräfte der EU patrouillieren und überwachen die Region mit Flugzeugen, Booten, Drohnen u. a. Das rechtswidrige Unterlassen ist Teil der Gesamtpolitik der EU, die um jeden Preis Abschrecken will und dazu die tödlichen Folgen ihres Handelns in Kauf nimmt.

Die unter III) genannten Personen haben hierfür eine besondere persönliche Verantwortung, da sie diese an führender Stelle entwickelt und vorangetrieben haben und dies bis heute tun.

Die jeweils besondere strafrechtliche Verantwortung der bereits genannten Vertreter, sowie weiterer Vertreter der EU und ihrer Mitgliedsstaaten, wird sich im Rahmen einer gründlichen strafrechtlichen Untersuchung ergeben, in deren Rahmen den Beschuldigten natürlich auch das Recht auf rechtliches Gehör eingeräumt werden muss.

bb) Vertreibung oder zwangsweise Überführung der Bevölkerung gemäß Art. 7 I d) des IStGH–Statuts

Art. 7 I d) wird sowohl durch die Rückführung in libysche Internierungslager, wie die push- back-Aktionen in der Ägäis erfüllt.

Die seitens der EU, ihrer Agentur FRONTEX und ihren Mitgliedsstaaten ergriffenen Maßnahmen verstoßen gegen internationales Völkerrecht und erfolgen zwangsweise. Gegenüber Flüchtlingen, die bereits auf das Gebiet der EU gelangt sind, bedeutet das Vorgehen eine bewusste Vertreibung.

cc) Freiheitsentzug oder sonstige schwerwiegende Beraubung der körperlichen Freiheit unter Verstoß gegen die Grundregeln des Völkerrechts gem. Art. 7 I e) des IStGH– Statuts

Die Rückführungen nach Libyen in die dortigen KZ-ähnlichen Internierungslager erfüllt zweifelsohne die Voraussetzungen für Straftaten gem. Art. 7 I e). Den Verantwortlichen der EU sind die dortigen Zustände bekannt, wie aus vielfältigen Dokumenten hervorgeht. Gleichwohl wird bis heute seitens der EU daran festgehalten, Flüchtlinge in diese

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Internierungslager zu bringen, wo sie systematisch misshandelt werden. Es ist ihnen auch fast absolut unmöglich, sich gegen die Beraubung der körperlichen Freiheit zu wehren, da diese in Libyen aufgrund einer völlig willkürlichen Grundlage erfolgt und durch mafiösen Banden ähnlichen Strukturen erfolgt. Obwohl dies bekannt ist, erfolgen weiterhin Rückführungen und wird mit diesen Kräften seitens der EU zusammen gearbeitet, diese ausgerüstet und finanziert.

Ein bewusst herbeigeführter Freiheitsentzug einer Masse von Flüchtlingen ist auch in den auf den griechischen Inseln errichteten Internierungslagern festzustellen. Die Flüchtlinge werden dort unter menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten, obwohl es in der EU jederzeit die Möglichkeit gibt, diese Lager aufzulösen und die Flüchtlinge unter die Menschenwürde achtenden Bedingungen unterzubringen.

dd) Folter gem. Art. 7 I f) IStGH – Statut

Diese wird systematisch insbesondere in den libyschen Internierungslagern betrieben. Gleichwohl werden Flüchtlinge planmäßig in Verantwortung der EU in diese Lager überstellt.

ee) Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Nötigung zur Prostitution, erzwungene Schwangerschaft, Zwangssterilisation oder jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere gem. Art. 7 I g) IStGH-Statut

Ebenso wie die Folter erfolgen die in Art. 7 I g) genannten Verbrechen systematisch in den libyschen Internierungslagern.

Aufgrund der in den Ländern der EU existierenden weitgehenden Rechtlosigkeit von Flüchtlingen werden diese auch dort häufig in die Zwangsprostitution getrieben.

Der deutsche Nachrichtensender „Deutschlandfunk“ hatte bereits Ende 2019 darüber berichtet, dass seit 2015 mindestens 15.000 Flüchtlingsfrauen aus Nigeria, darunter auch minderjährige Mädchen, in Europa in die Zwangsprostitution getrieben wurden. Die Zwangsprostitution verstößt gegen ein ganzes Bündel von EU-Rechtsvorschriften. Insbesondere ist Art. 5 der Charta der Grundrechte der EU bedeutsam, der ausdrücklich die Organe der EU und die Mitgliedstaaten bindet.

ff) Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe oder Gemeinschaft aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, Gründen des Geschlechts im Sinne des Absatzes 3 oder aus anderen nach dem Völkerrecht universell als unzulässig anerkannten Gründen im Zusammenhang mit einer in diesem Absatz genannten Handlung oder einem der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechen gem. Art. 7 I h) des IStGH–Statuts.

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Die Flüchtlinge, die sich auf den Weg nach Europa machen, sind eine „identifizierbare Gruppe oder Gemeinschaft“ im Sinne des Art. 7 I h).

Die ihnen gegenüber begangenen Handlungen, die zu Tod, Folter, Vergewaltigung, Verbreitung u. a. führen, stellen eine Verfolgung im Sinne dieses Artikels dar.

Sie erfolgen aus Gründen der Abschreckung und Einschüchterung, die systematisch gegen internationales Völkerrecht verstoßen.

gg) Andere unmenschliche Rechtsakte ähnlicher Art, mit denen vorsätzlich große Leiden oder eine schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der geistigen oder körperlichen Gesundheit verursacht werden im Sinne des Art. 7 I k)

Bereits die von Flüchtlingen, die Seenotereignisse überlebten, erlittenen schweren Verletzungen und psychischen Traumata bedeuten unmenschliche Handlungen im Sinne dieses Artikels.

In den EU-Internierungslagern in Griechenland – wie das in Moria/Lesbos – werden die Flüchtlinge und insbesondere die Kinder zerstörerischen Lebensbedingungen ausgesetzt, die vielfältiges Leid bedeuten.

Die Verantwortlichen der EU und ihrer mächtigsten Mitgliedsstaaten sind nicht bereit, daraus Konsequenzen zu ziehen, sondern halten diese zerstörerischen Lebensbedingungen aufrecht, obwohl es hinreichende Alternativen gibt.

So ist Deutschland ohne Weiteres in der Lage, eine Vielzahl von Flüchtlingen aufzunehmen. Entsprechende Zusagen liegen von Landesregierungen und über 100 kommunalen Selbstverwaltungsorganen vor.

Die verschiedenen Einzeltaten wirken zusammen und bilden eine Gesamttat, die im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung – völkerrechts- widrige Abschottungs- und Abschreckungspolitik der EU gegen Flüchtlinge – verwirklicht wird.

b) Das IStGH-Statut schreibt vor, dass die betreffenden Handlungen „gegen die zivile Bevölkerung“ begangen werden. Jede Personenmehrheit, die durch gemeinsame Merkmale verbunden ist, welche sie zum Ziel eines Eingriffs machen, erfüllt diese Voraussetzung. Es ist unbestritten, dass dies nicht die gesamte Bevölkerung eines Staates oder einer Region sein muss. Die nach Europa fliehenden Flüchtlinge sind ein solcher Teil der Zivilbevölkerung, der geschützt werden soll.

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Sie sind Opfer, die als Flüchtlinge außerhalb der Heimat rechtlos sind, sich oft auf unbekanntem und gefährlichem Terrain bewegen und von daher besonders wehrlos gegenüber staatlicher, militärischer oder sonst organisierter Gewalt sind.

Daraus ergibt sich auch eine besondere Verwerflichkeit des Vorgehens der EU und ihrer Mitgliedsstaaten.

c) Es handelt sich auch um einen ausgedehnten und systematischen Angriff, obwohl nach Art. 7 II des IStGH–Statuts bereits ausreichend wäre, wenn diese Voraussetzung nur alternativ vorliegen würde.

Quantitativ umfasst die Opferzahl mindestens 1 Million Menschen. Neben den mehr als 40.000 getöteten Menschen müssen auch die Flüchtlinge mitgerechnet werden, die in den verschiedenen EU-Internierungslagern untergebracht sind oder denen die Einreise auf EU – Gebiet durch illegale push back Aktionen verunmöglicht wurde.

Der Angriff auf die Zivilbevölkerung dauert im übrigen auch bereits seit Jahren an.

d) Die unter III.) genannten Personen gehören dem Täterkreis an, da sie an der Spitze des tatbeteiligten Machtapparates der EU bzw. ihrer Mitgliedsstaaten stehen.

Sie handeln auch mit Vorsatz und insbesondere in Kenntnis des „Angriffs auf die Zivilbevölkerung“. Sie wissen, dass dieser langanhaltende, ausgedehnte und systematische Angriff gegen die Flüchtlinge stattfindet und ihre Tathandlung integraler und entscheidender Teil dieses Angriffs ist. (Art. 30 III IStGH – Statut)

Neben den von uns bereits genannten Personen kommen natürlich auch noch weitere Personen als Täter in Betracht, die in Ausführung und zur Unterstützung dieser Abschreckungs- und Abschottungspolitik in Kenntnis deren Völkerrechtswidrigkeit handeln.

VI.) Fazit

1.) Die Verantwortlichen in der EU und ihren Mitgliedsstaaten, insbesondere den größten EU- Staaten wie Deutschland oder Frankreich, haben eine persönliche Verantwortung für diese menschenverachtende Migrationspolitik.

Diese muss als eine Politik der totalen Abschottung und Abschreckung gekennzeichnet werden, die u. a. unter Verletzung der UN–Menschenrechtskonvention Tausende von Menschenleben fordert, unter Verletzung internationalem Völkerrechts mit Rücktransporten von Flüchtlingen illegale Zurückweisungen vornimmt und sie in Internierungslagern ähnlichen Einrichtungen menschenunwürdigen Lebensbedingungen aussetzt.

Aus all dem ergibt sich ein ausreichender Anfangsverdacht, der ein Eingreifen Ihrerseits erfordert.

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2.) Es ist zu begrüßen, dass sich der IStGH im April 2019 im Falle der gewaltsamen Vertreibung der Rogingya in Myanmar für zuständig erklärt und ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet hat. Dazu hat der IStGH ausdrücklich erklärt, das das Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht nur auf dem Staatsgebiet stattfindet, aus dem sie vertrieben wurden.

Der IStGH ist in diesem Zusammenhang wohl auch auf das Vorliegen der unmenschlicher Handlungen aufgrund der sehr schlechten Lebensbedingungen der Vertriebenen in Bangladesch eingegangen, wofür es Anhaltspunkte gäbe.

Der IStGH hat bislang eine deutliche Zurückhaltung an den Tage gelegt, wenn es um mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Verantwortliche in Europa ging. Er hat in den letzten 20 Jahren vor allem gegen Politiker afrikanischer Staaten ermittelt.

Auch in Fragen der Migrations- und Flüchtlingspolitik hat er bislang eine große Zurück- haltung an den Tag gelegt.

Gleichzeitig erleben wir sozusagen täglich – so in immer wieder neuen Fällen des Todes im Mittelmeer, den Vorgängen in den Lagern in Libyen, Griechenland oder Bosnien– Herzegowina, wie seitens der EU-Verantwortlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden, die in die Zuständigkeit des IStGH fallen.

Die von uns unter III.) aufgeführten Politikerinnen und Politiker sind Täter – sie sind vorsätzlich an Mord, Folter, Sklaverei und Vergewaltigungen beteiligt.

Die Vorgänge haben auch eine solche Schwere, dass ein Eingreifen des IStGH und von Ihnen als Chefanklägerin unbedingt gerechtfertigt ist. Ihr Verhalten ist strafrechtlich relevant und sie sollten letztlich bestraft und auch inhaftiert werden.

Ihre fortdauernde Straflosigkeit ist für sie letztlich ein Anreiz, mit ihren Verbrechen gegen die Menschlichkeit fortzufahren, da sie sich dadurch zur Tatbegehung ermutigt fühlen anstatt durch eine effiziente Strafverfolgung abgeschreckt zu werden.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt

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Antrag an den Strafgerichtsholf
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26.02.2021 13:42 2

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