Langenburg: Gestapo-Haft, weil er 1938 gegen Hitler stimmte

Bei Volksabstimmungen ließen sich die Nationalsozialisten ihre Politik vom Volk absegnen. Obwohl es schon seit März 1933 keine politische Konkurrenz mehr gab, versuchten die Nazis in Langenburg die Bevölkerung bei der Volksabstimmung am 10. April 1938 noch weiter einzuschüchtern. Wer mit Nein gestimmt hatte, wurde ermittelt. Der Landwirt Erich Gunzenhauser kam dafür fünf Tage lang in Gestapo-Haft nach Ellwangen.

Von Ralf Garmatter, Freier Journalist aus Kirchberg/Jagst

Erich Gunzenhauser kam in Gestapo-Haft weil er bei der Volksabstimmung 1938 gegen Adolf Hitler votiert hatte. FOTO: PRIVAT

Erich Gunzenhauser kam in Gestapo-Haft weil er bei der Volksabstimmung 1938 gegen Adolf Hitler votiert hatte. FOTO: PRIVAT

Bei dieser Volksabstimmung wenige Wochen nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich war gefragt worden, ob die Menschen mit der Politik Hitlers einverstanden seien. In Langenburg stimmten elf Personen mit Nein. Zwei davon waren das NSDAP-Parteimitglied Erich Gunzenhauser und seine Frau Paula Gunzenhauser aus Atzenrod. Wie die anderen Nein-Stimmer der Gemeinde konnte das Landwirtsehepaar Gunzenhauser durch manipulierte Stimmzettel ermittelt werden. Dies geht aus einem persönlichen Bericht von Paula Gunzenhauser und einer Dokumentation des SPD-Ortsvereins Gerabronn-Langenburg im Kapitel „Die Zerschlagung der Arbeiterbewegung in Gerabronn“ hervor.
Langenburgs Bürgermeister Heinrich Laub hatte seinem Gemeindediener den Auftrag gegeben, er solle die Stimmzettel und Kuverts nummerieren. So sollten die Wähler ermittelt werden, die mit Nein gestimmt hatten. Die elf Personen, die es wagten,  gegen die Politik Hitlers zu stimmen, meldete Bürgermeister Laub am 11. April 1938 in einem Brief an die NSDAP-Kreisleitung in Crailsheim. Für Erich Gunzenhauser als Parteimitglied hatte diese Denunziation mindestens fünf Tage Gestapohaft in Ellwangen zur Folge.
Ende April 1938 war der Landwirt im Langenburger Rathaus verhört worden. Paula Gunzenhauser berichtet: „Nachmittags wurde dann noch der Kreisbauernführer Friedrich Niklas aus Riedbach und zwei Gestapoleute aus Ellwangen herbeigeholt. Was da mein Mann alles zu hören bekam, ist nicht zu beschreiben“.
Mit einer „Einstweiligen Verfügung“ vom 2. Mai 1938 schloss NSDAP-Kreisleiter Otto Hänle das Parteimitglied Erich Gunzenhauser kurzerhand aus der NSDAP aus. Als Begründung führte Hänle unter anderem an, dass ihm Kreisbauernführer Niklas persönlich und Prinzessin Alexandra von Hohenlohe-Langenburg durch die Kreisfrauenschaftsleiterin Beck in Crailsheim mitgeteilt hätten, „Erich Gunzenhauser habe mit seiner Frau am 10. April 1938 als Parteigenosse bei der Reichstagswahl mit Nein abgestimmt“. Dies soll Gunzenhauser laut Kreisleiter Hänle bei der Vernehmung „am 25. April 1938 in Langenburg wieder zugegeben haben“.
Paula Gunzenhauser berichtet von der Vernehmung im Langenburger Rathaus (sie gibt als Termin den 24. April 1938 an): Dort seien beim Eintreffen mit ihrem Mann „bereits der Kreisleiter Hänle und ein sogenannter Kreisrichter – im Beruf Angestellter bei der Bahn“ – gewesen. Laut Paula Gunzenhauser mussten sie und ihr Mann sich haarsträubende Vorwürfe gefallen lassen: „Wenn einer einen totschlägt,  das sei lange nicht so schlimm, wie wenn man dem Führer die Treue bricht“, bekamen sie da zu hören. Nach der Vernehmung wurden „noch die ganzen Nein-Stimmer herbeigeholt, um nachzuweisen, dass Erich (Gunzenhauser) sie verleitet hat, mit nein zu stimmen, was natürlich nicht der Fall war, sonst wäre er fortgekommen und hätte Atzenrod nie wieder gesehen“, schreibt Paula Gunzenhauser in ihrem persönlichen Bericht weiter.
Für Erich Gunzenhauser hatte der Ausschluss aus der Partei wirtschaftlich und gesellschaftlich negative Folgen. Er musste „alle seine Ehrenämter niederlegen oder wurde rausgeschmissen“, wie seine Gattin berichtete. Nachdem er sich gegen die NS-Volksgemeinschaft gestellt hatte, war für Erich Gunzenhauser auch kein Platz mehr in den Gremien des örtlich zuständigen Lagerhauses, der Molkerei Gerabronn oder dem Pferdezuchtverein Gerabronn. Auch Paula Gunzenhauser litt unter der angespannten Situation. „Die ganzen Atzenroder Leute gingen mir aus dem Weg, aus Angst, wenn sie mit mir sprechen, würden sie dafür angesehen“, erzählte die damals 30 Jahre alte Bauersfrau im Rückblick.

INFO: Langenburgs Bürgermeister Heinrich Laub ist nach Angaben der Verfasser der Gerabronner SPD-Dokumentation im Kapitel „Die Zerschlagung der Arbeiterbewegung in Gerabronn“ am 1. Juni 1939 in den „Württembergischen Staatsdienst“ bei der Landesversicherungsanstalt Württemberg nach Stuttgart versetzt worden. Laut dieser SPD-Schrift ist Heinrich Laub am 30. April 1901 geboren und starb am 21. Oktober 1975 in Leonberg.

   Sende Artikel als PDF   
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Gedanken zu „Langenburg: Gestapo-Haft, weil er 1938 gegen Hitler stimmte

  1. Langenburgs Bürgermeister Heinrich Laub hatte seinem Gemeindediener den Auftrag gegeben, er solle die Stimmzettel und Kuverts nummerieren. So sollten die Wähler ermittelt werden, die mit Nein gestimmt hatten. Die elf Personen, die es wagten, gegen die Politik Hitlers zu stimmen, meldete Bürgermeister Laub am 11. April 1938 in einem Brief an die NSDAP-Kreisleitung in Crailsheim. Für Erich Gunzenhauser als Parteimitglied hatte diese Denunziation mindestens fünf Tage Gestapohaft in Ellwangen zur Folge.

    Interessieren würde mich, ob es hierfür Beweise gibt. Brief usw.

  2. mein opa hiess genauso wie der bürgermeister und stammte aus waibstadt in der nähe von sinsheim . können sie mir die angaben des bürgermeisters schicken . meine adresse : h. leber, keplerstr.83,69120 heidelberg vielen dank

  3. wo ist der geboren , wo stammen die eltern und großeltern her usw.das wäre sehr hilfreich . gruß d. vorige

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.