„Die `Weiter-so-Landwirtschaft´ führt die Bauern in den Ruin und nicht der Naturschutz“ – Offener Brief des Umweltzentrums Schwäbisch Hall

Einen Offenen Brief mit der Überschrift „Die `Weiter-so-Landwirtschaft´ führt die Bauern in den Ruin und nicht der Naturschutz!“ hat das Umweltzentrum Schwäbisch Hall an den Bauernverband Schwäbisch Hall Hohenlohe Rems geschrieben. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Offenen Brief in voller Länge.

Von Manfred Mächnich (Vereinsvorsitzender) und Martin Zorzi (Geschäftsstellenleiter) des Umweltzentrums Schwäbisch Hall

Sehr geehrter Herr Bleher,

bevor wir uns nun im Detail mit Ihren Vorwürfen auseinandersetzen, folgende Anmerkung: In Ihrer Position wissen Sie genauso gut wie wir, dass die Medien nur selten Pressemitteilungen 1:1 veröffentlichen. Vor Ihrer Reaktion wäre es also angebracht gewesen, bei uns die originale Pressemitteilung (PM) anzufordern, die in einigen Punkten deutlich differenzierter formuliert war als die Veröffentlichung. Auch der Begriff „industrielle Landwirtschaft“ wurde zum Beispiel von uns  nicht verwendet. Wir haben die originale PM deswegen angehängt.

Peinliches Wortspiel

Uns ist völlig unverständlich, wie man in eine Pressemitteilung des Umweltzentrums derart viel Unzutreffendes hinein interpretieren kann. Und es ist nicht akzeptabel, dass man uns – darauf aufbauend – einen Missbrauch für eigene Zwecke unterstellt und dann auch noch persönliche Angriffe gegen den Geschäftsführer fährt. Das Ganze gipfelt darin, dass man uns mit den Begriffen „mediale Sturzflut“ (ein doch recht peinliches Wortspiel angesichts der Hochwassergeschädigten) für die Vernichtung bäuerlicher Existenzen verantwortlich macht. Damit praktizieren Sie genau das, was Sie uns ungerechtfertigt vorwerfen: „billigen Populismus“.

Im Detail zu Ihrer Pressemitteilung:

Alte Flurbereinigung verschärft die aktuellen Hochwasserprobleme

Wir haben bewusst vermieden, „die Landwirtschaft“ oder gar „die Bauern“ als Schuldige zu brandmarken, sondern stattdessen den Zustand der „Agrarlandschaft“ kritisiert. Dies ist ein erheblicher Unterschied, denn an der Gestaltung/Ausprägung unserer Agrarlandschaft wirken sehr viele Teile unserer Gesellschaft mit, worunter die Bauern nur einen bedingten Anteil haben. Kommunen, Behörden und Verbände waren und sind hier mit ihren Interessen ebenso eingebunden, zudem kommt, dass in der Nachkriegszeit Gelder für Maßnahmen nur geflossen sind, wenn man auf den „Rat“ der Finanzgeber gehört hat. Bestes Beispiel hierfür ist die Flurbereinigung alten Stils, die auch heute das Bild von weiten Teile Hohenlohes prägt und jetzt zur Verschärfung der aktuellen Hochwasserprobleme führt.

Wucht des zusammenlaufenden Wassers

Es ist nicht zutreffend, dass „alle Fachleute“ die „jüngsten Überflutungskatastrophen“ allein auf die besonders extreme Wettersituation“ zurückführen. Wir hatten schon vor Jahren diese Diskussion, ausgelöst durch wissenschaftliche Untersuchungen zum Abflussverhalten kleiner Fließgewässer. Es stimmt: Die Wassermassen müssen bei gesättigtem Boden „irgendwo hinfließen“. Anderes behauptet auch unsere PM nicht. Entscheidend ist aber, auf welche Weise sie das in der vorgegebenen Topographie tun. Und genau das war der Kern unserer PM. Denn es macht eben einen erheblichen zeitlichen Unterschied, ob sich das Wasser gebremst durch die Windungen eines Baches bzw. durch den verfilzten Pflanzenbestand einer Wiese seinen Weg bahnt oder ungehindert über einen kahlen Acker oder geraden Profilgraben abfließt. Letzteres verstärkt die Wucht des zusammenlaufenden Wassers erheblich und steigert die Hochwasserspitzen.

Erodierte Äcker

Sie werfen uns vor, den Konsens mit der Landwirtschaft aufs Spiel zu setzen. Genau das Gegenteil ist der Fall: Unsere „Hoffnung auf Einsicht der Landwirte“ für eine nachhaltigere Wirtschaftsweise war als ein Appell gemeint, dass Bauern und Naturschützer noch enger zusammenrücken müssen. Denn auf einem erodierten, zur Austrocknung neigenden Acker lassen sich eben auch keine rentablen Erträge erwirtschaften.

Preisverfall

Fazit: Auch wir sind uns selbstverständlich bewusst, dass wir unsere bäuerliche Landwirtschaft zum Erhalt unserer Landschaft brauchen. Gleichzeitig sind wir in großer Sorge um diese und haben den Eindruck, dass viel zu viele Bauern – leider auch unter dem Einfluss Ihres Verbandes – nach dem Motto „weiter so“ wirtschaften und nicht registrieren, dass der Karren auf den Abgrund zurast. Wer versucht, in Hohenlohe unter Weltmarktbedingungen zu produzieren, zerstört nicht nur unsere Landschaft, sondern vernichtet die Existenz seiner weniger intensiv wirtschaftenden Kollegen, verstärkt das Überangebot an landwirtschaftlichen Produkten, trägt zum Preisverfall bei und ruiniert sich somit letztendlich selbst.

Regionale Wertschöpfungsketten aufbauen

Unsere Bauern müssen stattdessen raus aus dieser Sackgasse: Geringere, dafür höherwertige, gut bezahlte Produktion, Solidarität untereinander bei den Preisverhandlungen mit dem Handel, Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten und Vermarktungsstrukturen und schließlich – mit am wichtigsten – Überzeugungsarbeit beim Verbraucher, dass er Billigware und eine intakte Landschaft nicht gleichzeitig haben kann. Die Milchpreis- und Hochwasserkatastrophe liegen demnach näher beieinander, als man zunächst vermutet.

Flächenversiegelung

Wie hoffen, Sie sehen an Hand dieser Zeilen ein, dass Sie uns mit Ihrer Pressemitteilung Unrecht getan haben. Den Berufsstand der Bauern für „alle Katastrophen“ verantwortlich zu machen, kann nie unsere Intention sein. Wir erwarten nun, dass Sie dieses Schreiben der Fairness halber an dieselben Adressen rundmailen, wie dies bei Ihrer Mail vom Freitag, 3. Juni 2016, um 15:01 geschehen ist. Ferner können wir diese Diskussion gerne im Rahmen eines Gesprächs zwischen unseren Verbänden fortführen. Müßig ist es, zu erwähnen (weil Allgemeingut), dass es für Hochwasserkatastrophen auch noch andere Ursachen gibt wie Flächenversiegelung – was aber mehr den stärker besiedelten Bereich anbelangt. Diese Auseinandersetzung führen wir seit Jahren insbesondere mit den Kommunen.

Mit freundlichem Gruß

Manfred Mächnich (Vereinsvorsitzender)
Martin Zorzi (Geschäftsstellenleiter)

Link zur Pressemitteilung des Umweltzentrums Schwäbisch Hall, die zur Reaktion durch den Bauernverband Schwäbisch Hall Hohenlohe Rems e.V. führte:

https://www.hohenlohe-ungefiltert.de/?p=20751

Pressemitteilung des Bauernverbands Schwäbisch Hall Hohenlohe Rems e.V. vom 3. Juni 2016:

http://www.bauernverband-hohenlohe.de/aktuelles/nachrichten/details/umweltzentrum-schwaebisch-hall-nutzt-wetterkatastrophe-fuer-billigen-populismus.html

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