„Enorm schwebt im Himmel, Sonntag Aktuell schmort in der Hölle“ – Freischreiber-Jury würdigt faire Arbeitsbedingungen und angemessene Bezahlung

Der Verein Freischreiber verleiht zum zweiten Mal den Himmel- und Hölle-Preis. Preisträger sind das Hamburger Magazin Enorm (Himmel) und die Redaktion von Sonntag aktuell (Hölle). Freischreiber ist ein Berufsverband für freie Journalistinnen und Journalisten.

Von Julia Schoon

Magazin Enorm mit dem Himmel-Preis ausgezeichnet

Freischreiber hat die Redaktion des Magazins Enorm mit dem Himmel-Preis ausgezeichnet. Die Jury würdigt damit die fairen Arbeitsbedingungen und angemessene Bezahlung des kleinen Social Publish Verlags aus Hamburg, der zum zweiten Mal nominiert wurde. Jury-Mitglied Wolfgang Storz sagt: „Es ist eine besondere Leistung, wenn junge und (noch) kleine Unternehmen sich so fair und sozial verhalten, wie es die großen Medien-Unternehmen locker könnten und nicht tun.“

Der Hölle-Preis geht an Sonntag Aktuell

Der Hölle-Preis, der an Redaktionen vergeben wird, die freie Autoren besonders unfair behandeln, ging an Sonntag Aktuell. Der Grund: Seit vergangenem Jahr liefert die Redaktion von „Sonntag Aktuell“ Texte ihrer freien Mitarbeiter ohne weitere Vergütung an das Portal www.fernwehaktuell.com und den Reiseteil der „Münchner Abendzeitung“. Dafür gibt es keine vertragliche Grundlage, nur eine Mail an die Autoren zur Information. Die Proteste von 31 Autoren wurden nicht einmal beantwortet.

Es ist eine Frage der Unternehmenskultur

„Die Preisträger in diesem Jahr beweisen, dass es keine Frage allein der wirtschaftlichen Potenz ist, sondern der Unternehmenskultur, wie Verlage mit ihren Autoren umgehen“, sagt Benno Stieber, der Vorsitzende von Freischreiber. Auch in der Krise sollten sich die Redaktionen auf ihre wichtigste Ressource besinnen – ihre Autoren.

Fair zu Autoren: Enorm, mare, „Reportagen“ und „Solarthemen“

Weitere Nominierte für den Himmel-Preis waren in diesem Jahr das Monatsmagazin Mare, das Schweizer Magazin Reportagen und das Fachmagazin Solarthemen. Kandidaten für den Hölle-Preis waren die Madsack-Verlagsgruppe und das Handelsblatt.

Achtköpfige Jury hat entschieden

Der Jury gehörten in diesem Jahr Gabriele Bärtels (freie Autorin und Fotografin), Julia Friedrichs (freie Autorin), Prof. Dr. Michael Haller (Medienwissenschaftler, Uni Leipzig), Prof. Dr. Volker Lilienthal (Medienwissenschaftler, Uni Hamburg), Wolfgang Michal (freier Journalist und Blogger), Stefan Niggemeier (freier Journalist und Blogger), Tom Schimmeck (freier Radio- und Printjournalist) und Dr. Wolfgang Storz (Dozent) an.

Code of Fairness der Freischreiber

Grundlage für den Preis ist der Code of Fairness, mit dem Freischreiber Kriterien für eine gute Zusammenarbeit zwischen Redaktionen und freien Journalisten definiert hat.

Weitere Informationen und Kontakt:

Freischreiber Büro Hamburg

Telefon: 040 767 526 26

Mobil: 0171 193 55 67

Mail: presse@freischreiber.de

Internet: http://www.freischreiber.de/

Weitere Informationen über den Himmel- und Höllepreis der Freischreiber:

Text von der Internetseite der Freischreiber:

Drei Stühle für die Hölle-Nominierten blieben leer

Drei Stühle blieben leer, gleich vorne in der ersten Reihe rechts der Bühne. Wir hatten sie für die Hölle-Nominierten reserviert. Eigentliche keine Überraschung – denn was die drei Kandidaten Madsack-Verlag, Sonntag Aktuell und Handelsblatt vereint ist, dass sie auf den Austausch mit ihren Autoren und insbesondere auf deren Meinung keinen gesteigerten Wert legen.

Texte werden ohne Vergütung weiter verwertet

So konnten wir bei der (…) Preisverleihung in der Münchner Kranhalle dem Gewinner Sonntag Aktuell den Hölle-Preis leider nicht persönlich überreichen. Doch das rettet die Redaktion keinesfalls vor dem Schwefelpfuhl: Seit einem Jahr liefert diese Texte und Fotos ihrer Autoren ohne zusätzliche Vergütung an ihr neues Reiseportal fernweh-aktuell.com und an die Münchner Abendzeitung. Auf den offenen Brief von 31 derart enteigneten Autoren reagierte Sonntag Aktuell nicht einmal. Die Jury befand diesen Umgang mit freien Autoren für so kaltschnäuzig, dass Sonntag Aktuell „ein besonders warmes Plätzchen in der Hölle“ gebühre.

Für echte Verleger ist Journalismus das Ziel und Geld das Mittel. Nicht umgekehrt

„Für echte Verleger ist Journalismus das Ziel und Geld das Mittel. Nicht umgekehrt“, schrieb einmal der freie Kollege Stefan Niggemeier, der auch der achtköpfigen Jury des Himmel- und Höllepreises in diesem Jahr angehörte. In diesem Sinne hatte Freischreiber vier echte Verleger für den Himmelpreis nominiert: Enorm, Mare, das Schweizer Magazin Reportagen und den Branchendienst Solarthemen. Verliehen wurde der Himmel-Preis schließlich an Enorm, die bereits zum zweiten Mal von den Freischreiber-Mitgliedern nominiert wurde. Damit würdigte die Jury die fairen Arbeitsbedingungen auf Augenhöhe und die angemessene Bezahlung des kleinen Social Publish Verlags aus Hamburg. „Es ist eine besondere Leistung, wenn junge und (noch) kleine Unternehmen sich so fair und sozial verhalten, wie es die großen Medien-Unternehmen locker könnten und nicht tun“, sagt Jury-Mitglied Wolfgang Storz.

Hannes Grassegger ist aus Bern angereist

Marc Winkelmann, stellvertretender Chefredakteur von Enorm, war nach München gekommen, um den Preis entgegen zu nehmen. Auch der Ressortleiter Deutschland, Hannes Grassegger von Reportagen, war aus Bern angereist. Warum es gerade diesen beiden jungen, von großen Verlagen unabhängigen Magazinen gelingt, ihre freien Autoren in den Himmel zu heben?

Auf Augenhöhe mit den Autoren

Auch aus eigenem Interesse. Nur wer mit seinen Autoren gut zusammenarbeitet, bekommt auch gute Texte, sagten Winkelmann und Grassegger übereinstimmend. Ein Heft wie Reportagen, das sich auf ausführliche, lange und aufwändig recherchierte Geschichten spezialisiert, könne gar nicht anders, als intensiv und auf Augenhöhe mit den Autoren zusammenzuarbeiten.

Warum gehen Redakteure schlecht mit ihren Autoren um?

„Ich habe noch nie verstanden, warum Redakteure schlecht mit ihren Autoren umgehen“, sagte Marc Winkelmann. Das schlägt sich unweigerlich auch auf die Qualität der Texte nieder. Außerdem müsse ein Magazin, das sich mit sozialem Unternehmertum beschäftigt, auch selber an diesen Maßstäben messen lassen. Womöglich hat der unbedingte Wille beider, vorbildlich mit Autoren umzugehen, seinen Grund auch darin, dass sowohl Winkelmann als auch Grassegger selbst einmal frei arbeiteten und, so Grassegger, dabei selber „schmerzhafte Erfahrungen“ gemacht hätten.

Nach der Preisverleihung wurde getanzt, getrunken und geschmust bis in die frühen Morgenstunden.

Weitere Informationen im Internet:

http://www.freischreiber.de/

Code of Fairness

Freischreiber kämpft für eine faire Zusammenarbeit zwischen freien Journalisten und Redaktionen – das ist einer der zentralen Punkte für unsere Gründung im Jahr 2008. Wir haben daher den Code of Fairness formuliert*: Zehn Kriterien, welche aus unserer Sicht eine ideale Redaktion definieren, die fair mit ihren freien Mitarbeitern umgeht.

Noch hat keine Redaktion sich zu allen zehn Punkten bekannt und den Code of Fairness unterschrieben. Aber wir geben nicht auf! Wenn Sie den Code of Fairness in Ihrer Redaktion umsetzen oder mit uns darüber ins Gespräch kommen möchten: Schicken Sie uns eine Mail an vorsitz -ät- freischreiber.de.

Bis dahin möchten wir all jene Kollegen ermutigen, die bereits sehr viele dieser zehn Kriterien erfüllen, nämlich mit einer Nominierung für den Himmel-Preis. Und wer mit seinen freien Autoren nicht fair umgeht, den schicken wir in die Hölle.

Der Code of Fairness im Wortlaut:

[MEDIUM X] verpflichtet sich zu einer fairen Zusammenarbeit mit freien Journalisten.

Das bedeutet für unsere Redaktion,

dass wir Aufträge schriftlich bestätigen. Festgehalten werden in dem Schreiben das Thema, der Umfang der Arbeit, ihr Abgabetermin sowie das vereinbarte Honorar.

dass wir weder zu offener noch zu verdeckter PR auffordern.

dass wir Beiträge weder tendenziös noch wirklichkeitsverzerrend bearbeiten.

dass wir innerhalb von vier Wochen einen Beitrag verbindlich abnehmen. Änderungs- oder Ergänzungswünsche, die später erfolgen, werden extra honoriert; Gleiches gilt für zusätzlich zu recherchierende Aspekte, die nicht im Briefing vereinbart wurden.

dass wir freien Journalisten rechtzeitig die Endfassung ihres Beitrags zur Durchsicht zukommen lassen.

dass wir unsere Autoren entsprechend ihres Zeit- und Rechercheaufwands sowie ihrer Expertise angemessen bezahlen.

dass wir spätestens zwei Wochen nach Abnahme das Honorar überweisen,

dass wir uns verpflichten, Beiträge, die aus redaktionellen Gründen nicht oder nur in gekürztem Umfang erscheinen, vollständig zu vergüten.

dass wir keine Themenideen, die uns von Freien angeboten wurden, intern oder durch Dritte realisieren lassen – auch nicht in abgewandelter Form.

dass wir unsere freien Autoren an allen Erlösen ihrer Werke finanziell beteiligen.

*Der Code of Fairness wurde einstimmig beschlossen vom Vorstand der Freischreiber am 8. Juni 2011.

Der Code of Fairness der Freischreiber im Internet:

http://www.freischreiber.de/code-of-fairness

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