„Doch keine Auftragsvergaben für Stuttgart 21?“ – Große geologische und planungsrechtliche Probleme

Gibt es doch keine Auftragsvergaben für Stuttgart 21? Wer will eigentlich S21 bauen? Diese Fragen werden in einem Artikel auf der Internetseite http://www.geologie21.de/index.php?id=98 gestellt.

Zugesandt von Jochen Dürr, Schwäbisch Hall

Stuttgart 21 besteht aus sieben Bauabschnitten

Vor der Volksabstimmung haben sowohl die Deutsche Bahn AG als auch die befürwortenden Parteien den Bürgern das Projekt Stuttgart 21 zum Festpreis versprochen. Begründet wurde diese Zusage mit der angeblich guten Planung und der bereits erfolgten Vergabe von vielen großen Aufträgen.

Inwieweit das stimmt und ob den Bürgern damit die Wahrheit erzählt wurde, soll im Folgenden aufgezeigt werden:

1. Es ist entscheidend zu wissen, dass Stuttgart 21 aus sieben Bauabschnitten besteht.

2. Die Pläne für den Abschnitt „Filderbahnhof“ (PFA 1.2) von Stuttgart 21 sind aktuell noch nicht mal beim Eisenbahnbundesamt eingereicht und somit finanziell kaum zu bewerten.

3. Der Abschnitt „Abstellbahnhof“ (PFA 1.6b) von Stuttgart 21 ist noch nicht genehmigt – und somit kann auch noch kein Auftrag vergeben worden sein.

Die Abschnitte „Tiefbahnhof“ (PFA 1.1) und „Fildertunnel“ befinden sich aktuell in der Planänderung und stehen somit still. Beim Tiefbahnhof ist dies bereits die neunte Planänderung. Die Kosten können hier somit nicht klar und schon gar nicht fest sein.

Betrachten wir die einzelnen Bauwerke des geplanten Tiefbahnhofabschnittes 1.1 in der Stadtmitte:

Technikgebäude für den Tiefbahnhof: Angeblich geplanter Baubeginn Januar 2011

Auftragsvergabe an die Firma Wolf & Müller AG (hier saß bis vor kurzem Finanzbürgermeister Föll von der CDU im Beirat).

Doch die Wolf & Müller AG hat diesen Auftrag wieder zurückgegeben. Als Grund werden unter vorgehaltener Hand statische Probleme beim direkt angrenzenden Bahnhofsgebäude genannt.

Stuttgart 21 – Bahn will nicht pausieren – Stuttgarter Zeitung

Der Vertrag wurde aber nicht, wie erst behauptet, von der Bahn entzogen.

Stuttgart 21 – Der Zeitplan droht zu scheitern – Stuttgarter Zeitung

Nesenbachdüker ist geologisch äußerst problematisch

Die Auftragsvergabe war für Mitte 2010 geplant, siehe Zeitplan – Maßnahmen Düker Nesenbach

Dieses geplante Bauwerk für Stuttgart 21 reicht geologisch am tiefsten. Es liegt deutlich unter dem Niveau der S-Bahn in einem besonders schwierigen und kritischen Bereich – sowohl geologisch gesehen als auch im Hinblick auf die Gefährdung des Mineralwassers.

Aufgrund dieser geologischen Voraussetzungen hat die Bahn für dieses Bauwerk, das für den Bau des Tiefbahnhoftroges eine zwingend nötige Voraussetzung ist, auch nach jahrelanger Ausschreibung bislang keine Baufirma gefunden. Dies liegt offensichtlich am geringen Auftragserlös, der in keinem Verhältnis zum unkalkulierbaren und damit existenzgefährdenden Risiko dieses bergmännischen Eingriffs beim Bau des Nesenbachdükers nahe am Mineralwasser steht, siehe Bieterfragen.

Wichtige Hintergundinformationen:

Nach Angaben der Bahn wird der Nesenbachdüker derzeit neu geplant:

Stuttgart 21 – Bahn könnte mehr Bäume im Park erhalten

Der geplante Tiefbahnhoftrog kann erst nach der Fertigstellung des Nesenbachdükers gebaut werden.

Der Nesenbachdüker kann wiederum erst gebaut werden, wenn das Grundwassermanagement genehmigt und monatelang getestet ist. Für das Abpumpen von Grundwasser für Stuttgart 21 liegt derzeit keine Erlaubnis durch die Umweltbehörden vor, da sich die beantragte Menge wegen ursprünglicher Fehlberechnungen mittlerweile mehr als verdoppelt hat.

Stuttgart 21 – Bahn will mehr Grundwasser abpumpen – Stuttgarter Zeitung

Der bereits Mitte 2011 gestellte Änderungsantrag zur Grundwasserentnahme wurde im Januar 2012 von der Bahn AG ohne Angabe von Gründen wieder zurückgezogen.

Fildertunnel

Aktuell in Planänderung: Planänderungsverfahren Fildertunnel

Auftrag schon vergeben:

Stuttgart 21 – Bahn vergibt Aufträge für 700 Millionen Euro –  Stuttgarter Zeitung

Tunnelbohrmaschinen schon bestellt:

Stuttgart 21 – Fildertunnel: Bohrmaschine ist bestellt – Stuttgarter Nachrichten

Dass man Aufträge vergibt, bevor die endgültige Baugenehmigung für den beantragten Bauabschnitt vorliegt, ist zumindest zweifelhaft. Dass aber die Tunnelbaupreise hier unveränderliche Festpreise sein sollen, kann man bei dem aktuellen Stand mit noch nicht abgeschlossenen Genehmigungen und Planungen wohl ausschließen. Tunnel werden immer teurer:

Prognose der Projektkosten Neubaustrecke Wendlingen-Ulm – Vieregg-Rössler

Geologie21 liegen Informationen vor, dass der Auftragsnehmer für den Fildertunnel, die östereichische Porr AG, mittlerweile wieder in Rückabwicklung des Vertrages ist – verfolgen Sie also aufmerksam die Presse. Sollte sich das bewahrheiten, so wären für Stuttgart 21 noch überhaupt keine Tunnelarbeiten vergeben. Die (angeblichen) Tunnelverträge wurden vor der der Volksabstimmung als „unumkehrbare“ und kostengedeckelte Projekttatsache dargestellt. Die Tunnelbaukosten sind damit in Wirklichkeit völlig unabsehbar.

Die Deutsche Bahn AG hat trotz alledem bei der Firma Herrenknecht bereits eine oder zwei Tunnelbohrmaschinen in Auftrag gegeben. (Artikel zu Herrenknecht „Ich werde als Mafioso bezeichnet“ – Spiegel)

Zusammenfassung:

1. Stuttgart 21 ist nicht vollständig genehmigt und besteht aus sieben Teilabschnitten.

Der Abschnitt 1.3 (Fildern) ist noch nicht zur Bewertung eingereicht.

Der Abschnitt 1.6b ist in der Planfeststellung (Baugenehmigung).

Der Abschnitt 1.3 (Fildertunnel) ist aktuell in der Planänderung.

Der Abschnitt 1.1 (Tiefbahnhof) muss wegen erhöhter Grundwasserandrangsraten geändert werden. Ein Antrag der Bahn liegt aktuell nicht vor.

2. Wichtige Baulose und ganze Bauabschnitte von Stuttgart 21 sind nicht vergeben beziehungsweise nicht fertig geplant. Somit sind die Kosten für Stuttgart 21 noch nicht absehbar.

Schwierige Bauwerke finden seit Jahren keinen Bieter. Bisher wurde noch nichts Bleibendes gebaut, stattdessen wurden jedoch Teile des denkmalgeschützten Hauptbahnhofs abgebrochen und der Mittlere Schlossgarten abgeholzt und eingeebnet und das obwohl das Projekt als Ganzes nicht genehmigt ist (siehe 1.).

3. Die ursprüngliche Planfeststellung aus dem Jahre 2005 war mangelhaft und überhastet.

Die ständig nötigen, sehr häufigen Änderungen der Baugenehmigungen für Stuttgart 21 deuten darauf hin, dass das gesamte Bauvorhaben mangelhaft geplant und von den genehmigenden Behörden und dem Eisenbahnbundesamt (EBA) überhastet und nicht sorgfältig genug geprüft wurde. Manche Abschnitte sind bis heute nicht einmal beantragt (Bereich Fildern PFA 1.3).

Tiefbauvorhaben in einem empfindlichen Heilquellenschutzgebiet

Herausragendes Beispiel hierfür ist das sogenannte Grundwassermanagement (GWM) zur Behandlung des Grundwassers. Die Genehmigung des GWM galt und gilt bis heute als die entscheidende Genehmigung für dieses langjährige Tiefbauvorhaben in einem empfindlichen Heilquellenschutzgebiet. Die gewissenhafte und sehr genaue Erfassung und Prognostizierung der Grundwassermengen wurde 2005 von Behörden, Bahn und dem EBA gefeiert und als die wichtigste Grundlage der Genehmigung herausgestellt, siehe Die Geologie von Stuttgart 21 Vortrag (Folien)

Versprochener Kostendeckel war eine bewusste Irreführung

Seit 2011 ist bekannt, dass diese gefeierten Prognosen zum GWM um 125 Prozent fehlerhaft waren. Ein wissenschaftlich inakzeptabler Wert und Hinweis auf die gravierenden Mängel der Planfestellung 2005. Abschließend kann zusammengefasst werden, dass der in der Volksabstimmung versprochene Kostendeckel in Anbetracht der Planungssituation eine bewusste Irreführung war. Stuttgart 21 besteht aus sieben Bauabschnitten, die teilweise noch nicht einmal beantragt und somit finanziell nicht abschätzbar sind. Bis heute ist noch nichts Bleibendes gebaut.

Die höchsten Kosten hat bisher das langjährige Planungschaos verursacht.

Quelle: http://www.geologie21.de/index.php?id=98

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