„Hilfe für Flüchtlinge und Einwohner auf der griechischen Insel Lesbos“ – Solidarität International Schwäbisch Hall sucht Nähmaschinen, Stoffe, Zubehör und Material

Die Ortsgruppe Schwäbisch Hall von Solidarität International e.V. beteiligt sich an einer Sammelaktion für Flüchtlinge und Einwohner auf der griechischen Insel Lesbos. Abgegeben werden können ab sofort Nähmaschinen, Stoffe, Zubehör und Material. Sammelpunkt ist bis 26. April 2020 bei Wilhelm Maier, Hopfengarten 3, 74523 Schwäbisch Hall, Telefon 0791-6681.

Von Solidarität International e.V. Schwäbisch Hall

Transport nach Griechenland

Wilhelm Maier wird die gesammelten Sachen nach Heilbronn fahren, von dort aus gehen sie zur zentralen Sammelstelle und werden dann nach Griechenland transportiert.

Aufruf des Frauenverbands Courage e.V., Gruppe Heilbronn, Achtungstrasse 37, 74072 Heilbronn:

Ein Band der Solidarität über Grenzen hinweg knüpfen!

Soforthilfe für Flüchtlinge und Bewohner der Insel Lesbos/Griechenland!

Auflösung der Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln der Ägäis!

Eine tödliche Bedrohung

42 000 Geflüchtete, davon 5000 Kinder, sind unter erbärmlichsten Bedingungen in den völlig überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln zusammengepfercht, 20 000 allein in Moria auf Lesbos. Ihre Lage spitzt sich täglich zu. Einen wirksamen Schutz gegen das Corona-Virus gibt es nicht – eine tödliche Bedrohung. Die Lager müssen sofort aufgelöst und alle Flüchtlinge in sicheren Orten untergebracht werden.

Einheimische und Flüchtlinge organisieren sich gemeinsam

Ausländische Hilfsorganisationen zogen fast alle ihre HelferInnen ab. Griechische Freiwillige, Bewohner/innen von Lesbos und Flüchtlinge arbeiten zusammen. Sie halten nach Möglichkeit Ordnung im Lager, lehren die Kinder so gut es geht hygienische Maßnahmen einzuhalten, unter diesen Bedingungen fast ein Unding. Sie halten das Leben notdürftig aufrecht. Michalis Aiwaliotis, seit Jahren ehrenamtlicher Helfer im Lager Moria, berichtet von drei Projekten: Nähen von Gesichtsmasken, Organisierung von Tankwagen mit Trinkwasser, Beschaffung von Hygieneartikeln und Lebensmitteln und Seifenproduktion aus Olivenkernen.

Diese Selbstorganisation braucht unsere dringende Unterstützung. Jetzt sofort!

Die Solidaritäts- und Hilfsorganisation „Solidarität International“ hat mit der Selbstorganisation der Flüchtlinge und Bewohnern auf Lesbos „OXI – Lesbos resists Corona“ einen Solidaritätspakt geschlossen. Er enthält die Verpflichtung, sowohl politisch für die sofortige Auflösung der Lager einzutreten, als auch nach Kräften sofortige, konkrete Hilfe zu leisten. Eine Spendensammlung läuft schon seit einigen Tagen gut an, die ersten Beträge sind überwiesen.

Nähprojekt unterstützen

Der Frauenverband Courage unterstützt dieses Projekt aus vollem Herzen!
Das Nähprojekt ist bereits erfolgreich, braucht aber noch viel mehr Nähmaschinen, Stoff und Zubehör.Der Frauenverband Courage hat sich verpflichtet, eine bundesweite Nähmaschinen- und Stoffsammlung zu organisieren. Von Hamburg aus wird der Transport starten, sobald die erste Palette voll ist!

Nähmaschinen aus dem Keller holen

Sicher gibt es bei vielen Menschen noch eine funktionierende Nähmaschine in Kellern, die so eine sinnvolle Verwendung bekommen. Oder Stoff und Nähzubehör (Garn, Gummiband, Schrägband, Scheren, Nähmaschinennadeln usw.).

„Spendet funktionierende Nähmaschinen, Stoffe und Nähzubehör für das Nähen von Gesichtsmasken“

Auch selbst hergestellte Gesichtsmasken sind willkommen. Courage-Frauen werden unter den schwierigen Bedingungen der Ausgangsbeschränkungen an ihren Orten unter Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen dafür sorgen, dass die gespendeten Gegenstände abgegeben werden können oder abgeholt werden. Sie sorgen für ordnungsgemäße Verpackung für den Transport nach Moria. Auch Geldspenden für die Transportkosten oder für Einkäufe vor Ort sind willkommen.

Spenden können direkt überwiesen werden auf folgendes Spendenkonto:

Solidarität International e.V. Frankfurter Volksbank
IBAN: DE86 5019 0000 6100 8005 84, Stichwort „Moria/Lesbos

Weitere Infos auf den folgenden Internetseiten:

www.solidaritaet-international.de

www.fvcourage.de

Meldet euch beim Frauenverband Courage:

Jutta Nimmann, Telefon 0162-9751368

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„Humanitäres Völkerrecht verpflichtet Bundesregierung zur Aufnahme der Flüchtlinge“ – Rechtsanwaltskanzlei stellt Antrag an die Bundesregierung

Im Auftrag der ‚Internationalen Solidaritäts- und Hilfsorganisation Solidarität International e.V. (SI)’ (www.solidaritaet-international.de) und in Kooperation mit der Vereinigung ‚OXI – Lesvos resists Corona’ von Flüchtlingen und griechischen Einwohnern sowie der auf Lesbos tätigen Hilfsorganisation ‚Fenix Humanitarian Legal Aid’ (www.fenixaid.org) beantragte die Rechtsanwaltskanzlei „Meister & Partner“ bei der Bundesregierung, unverzüglich die Flüchtlinge des Camps Moria (Lesbos/Griechenland) aufzunehmen.

Von der Anwaltskanzlei Meister & Partner, Gelsenkirchen

Unmittelbare Notlage

Zur Begründung erklärt Rechtsanwalt Roland Meister, dessen Kanzlei seit 40 Jahren im Asyl-, Migrations- und humanitärem Völkerrecht tätig ist, dass „eine unmittelbare Notlage besteht, weshalb aufgrund des internationalen humanitären Völkerrechts und der deutschen Verfassung unter politischen, moralischen und rechtlichen Gesichtspunkten eine besondere Verpflichtung zur sofortigen Aufnahme der Flüchtlinge und deren gesundheitlichen Versorgung besteht.“

Corona-Katastrophe droht

Auch wenn der Antrag sich konkret auf Moria beziehe, gelte dies für alle, „die sich gegenwärtig unter katastrophalen Bedingungen in Flüchtlingslagern befinden.“ Der Antrag basiert inhaltlich auf einer engen Zusammenarbeit mit Flüchtlingen und Hilfsorganisationen vor Ort. Moria ist ein idealer Nährboden für das Virus COVID-19. Bei Ausbruch der Corona-Pandemie droht eine tödliche Katastrophe.

Verantwortungslose, zögerliche Haltung der EU und Bundesregierung

Rechtsanwalt Meister weist darauf hin – unter Hinweis auf die zügige Rückführung von 200.000 Deutschen aus dem Ausland und die Einreise von 40.000 Erntehelfern – , dass „die logistischen Möglichkeiten auch bei Beachtung der notwendigen Maßnahmen des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung in Deutschland im Zusammenhang mit dem Coronavirus ohne Weiteres“ bestehen. Er kritisiert die „verantwortungslose und zögerliche Haltung der EU und Bundesregierung, auch weil bereits über 100 Kommunen ihre Aufnahmebereitschaft erklärt haben.

Deutschland kann mehr Flüchtlinge aufnehmen

Der Koalitionsvertrag geht von nicht mehr als 220.000 Flüchtlingen jährlich aus. Diese Zahl ist bei Weitem nicht erreicht. Die Ankündigung verschiedener EU-Mitgliedstaaten, 1.600 Kinder unter 14 Jahren aufzunehmen, ist angesichts von mehreren zehntausend Hilfesuchenden lächerlich unzureichend. Dies gilt auch für die Ankündigung, jetzt „bis zu“ 50 minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. Das ist ein Armutszeugnis einer durch die Bundesregierung zu verantwortenden deutschen Politik. Diese muss bei objektiver Betrachtung auch als eine Kapitulation der Großen Koalition vor rassistischen Kräften wie der AfD angesehen werden. Als Gegenpol hat sich zugleich eine breite Solidarität mit den Flüchtlingen entwickelt.“ Er betont: „Die Aufnahme ist kein Gnadenakt ist, sondern die Bundesregierung ist dazu verpflichtet.“

Humanitäres Visum erteilen

Zur Begründung heißt es im Antrag weiter: Es „drohen den Flüchtlingen … schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen. Griechenland kann den Flüchtlingsschutz gegenwärtig nicht gewährleisten. Aufgrund des Artikel 25 Abs. 1 Buchstabe a des Visakodex ist die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, die Einreise der Flüchtlinge zu ermöglichen und ein humanitäres Visum zu erteilen, da eine Ablehnung eine Verletzung von Artikel 4 der EU- Grundrechtecharta (GRC) (Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung) und Artikel 18 GRC (Asylrecht), entsprechender Artikel der deutschen Verfassung sowie völkerrechtlicher Verpflichtungen insbesondere aus der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), aber auch des Haager Minderjährigenschutzabkommens bedeutet.

Apokalyptische Situation in Flüchtlingslagern

Angesichts der gegenwärtigen apokalyptischen Situation im Lager von Moria und weiteren Flüchtlingslagern ist von daher ein Tätigwerden dringend geboten. Wir dürfen Sie von daher auffordern, die notwendigen Schritte zur Aufnahme der Flüchtlinge aus dem Lager Moria unmittelbar zu veranlassen und dies verbindlich zu erklären.“

Aktionen für die sofortige Evakuierung aus Elendslagern

Der Kampf um die sofortige Evakuierung wird europaweit immer vehementer geführt. Das ist richtig und nötig. Wir unterstützen so auch den Aufruf von SI am Tag der Ankunft der 50 (!) Kinder aus griechischen Camps in Deutschland, um 17 Uhr Aktionen für die sofortige Evakuierung aller Flüchtlinge aus den griechischen Elendslagern und für die Auflösung von Flüchtlings-Sammelunterkünften in Deutschland zu veranstalten. Mit weiteren – wo nötig auch gerichtlichen Maßnahmen – werden wir diese Auseinandersetzungen unterstützen und begleiten.

Für Rückfragen steht unsere Kanzlei zur Verfügung. Gegebenenfalls können auch Kontakte in Moria vermittelt werden.

Kontaktdaten:

Kanzlei Meister & Partner; Rechtsanwälte Roland Meister, Frank Stierlin, Frank Jasenski, Peter Weispfenning, Yener Sözen, Peter Klusmann; Industriestraße 31, 45899 Gelsenkirchen

Telefon: 0209 / 35 97 67 0

Fax: 0209 / 35 97 67 9

E-Mail: RAeMeisterpp@t-online.de

Internet:

Rechtsanwälte Meister und Partner: www.anwaelte-meister.de/impressum/

Solidarität International e.V. (SI): www.solidaritaet-international.de

Fenix Humanitarian Legal Aid www.fenixaid.org

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„Das große Wegschweigen“ – Fürstenhaus Hohenlohe-Langenburg in der Zeit des Nationalsozialismus

Zwei Männer suchen einen Raum, in dem sie eine Nazi-Geschichte erzählen können. Nicht irgendeine, sondern eine über Fürst Ernst II. von Hohenlohe-Langenburg, der Hitler für ein Geschenk Gottes hält. Die beiden Männer finden keinen Saal, weil sie keinen kriegen sollen. In Langenburg und anderswo.

Von Josef-Otto Freudenreich, Erstveröffentlichung am 26. Februar 2020 in Kontext:Wochenzeitung, Stuttgart

Wo Joschka Fischers Vater schaffte

Langenburg liegt auf einem Bergrücken, an dessen einem Ende der Fürst lebt und am anderen seine Vorfahren ruhen. Das eine Ende markiert das Schloss, das andere ein Mausoleum auf dem Friedhof. Dazwischen drängt sich das Städtchen mit seinen 1800 Einwohnern, das schön anzuschauen ist, mit seinen Fachwerkhäuschen, den Gasthäusern und den kleinen Geschäften, von denen zwei Großes hervorgebracht haben. In einer Metzgerei hat Joschka Fischers Vater geschafft, und in einem Kaffeehaus sind die Wibele erfunden worden, jenes Kleingebäck, mit dem schon Queen Elisabeth II bei ihrem Besuch 1963 erfreut worden ist.

In der britischen Thronfolge auf Platz 189

Das war kein Zufall, sondern die Folge der engen Verwandtschaft des englischen Königshauses mit den Fürsten von Hohenlohe-Langenburg, die seit Jahrhunderten in dem eingangs erwähnten Schloss wohnen. Heute residiert dort Prinz Philipp Gottfried Alexander, 50, der in der britischen Thronfolge auf Platz 189 rangiert, und deshalb auch zur Hochzeit von Kate und William eingeladen war, zusammen mit Frau Saskia, einer Münchner Investmentbankerin. Häufiger widmet sich der studierte Betriebswirt jedoch bürgerlichen Belangen.  

Auch ein Fürst hat’s schwer, wenn er 476 Fenster hat

In seinem Wald, der zu den größten Deutschlands zählt, pflanzt er gerne Windräder, weil die nicht so anfällig sind wie Holz. In seinem Schloss, das einen eigenen Hundefriedhof unterhält, lädt er zum „Langenburg Forum für Nachhaltigkeit“, gemeinsam mit der Firma des einstigen Vizekanzlers, die „Joschka Fischer & Company“ heißt, und die einstige US-Außenministerin Madeleine Albright, Ministerpräsident Wilfried Kretschmann sowie Prinz Charles (per Video) zu den Gästen zählt. Darüberhinaus sitzt der Fürst noch für die Freien Wähler im Langenburger Gemeinderat, und klagt darüber, wie aufwendig es ist, 476 Fenster, vier Hektar Dach und fünf Hektar Mauern in Schuss zu halten. Das hat er dem Südwestrundfunk verraten.

Fürst Philipp Gottfried Alexander Prinz zu Hohenlohe-Langenburg mit Gattin Saskia. Foto: Gottfried Stoppel
Fürst Philipp Gottfried Alexander Prinz zu Hohenlohe-Langenburg mit Gattin Saskia. Foto: Gottfried Stoppel

Die lange, etwas faktenüberladene Einleitung war jetzt nötig, damit das Folgende besser verstanden werden kann: Vor zwei Jahren machte sich der freie Journalist Ralf Garmatter, 55, daran, die NS-Geschichte derer von Hohenlohe-Langenburg zu erforschen. Der Faschismus in der Region, das ist seit 1995 eines seiner Themen, weil er, im Rahmen seiner Möglichkeiten, verhindern will, dass Deutschland wieder ein antidemokratisches Land wird. Und weil er erklären will, wie es kommen konnte, dass die Nazis von diesen Herrschaften geadelt wurden. Zu all dem betreibt er auch einen Blog. Diesmal kümmerte er sich um Fürst Ernst II. (1863 – 1950), den Urgroßvater des amtierenden Standesherrn Philipp.

Fürst Ernst II. und seine Familie – alle für den Führer

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Den Nazis nahe: Fürst Ernst II. von Hohenlohe-Langenburg mit Alexandra Louise Olga Victoria (1878 – 1942). Foto: Eduard Uhlenhuth, Flickr, Gemeinfrei, Link.

Die gesamte Familie, Vater, Mutter, zwei Töchter, ein Sohn, war Mitglied in der NSDAP, als Patron der evangelischen Kirchengemeinde sorgte Ernst II. 1936 dafür, dass das „Gebet für den Führer“ in den Gotteshäusern legitimiert wurde. Für ihn war Hitler ein „Geschenk Gottes“ an das deutsche Volk, das sich „nach starken Führern“ sehnt, die Demokratie war des Übels, der Parlamentarismus zum Erbrechen. Als Abgeordneter im Berliner Reichstag konnte er den „Ekel nicht überwinden“, schrieb er 1906 an seinen Vater, wenn Bebel oder Erzberger sprachen.

1936 zum Ehrenbürger ernannt

Die Stadt Langenburg machte ihn 1936 zum Ehrenbürger, erhielt dafür zwei Parzellen Land (rund 600 Quadratmeter) zwischen Schloss und Friedhof, welche fortan „Fürst-Ernst-Platz“ hießen, auf dem die Jugend, so der Namensgeber, sich tummeln und zu „tüchtigen deutschen Menschen“ heranwachsen solle. Was zunächst wie eine Schenkung aussah, notiert Heimatforscher Garmatter, bezahlte die Gemeinde mit 1.500 Reichsmark in bar. Den Ehrentitel gibt es noch immer, den Platz auch. Er ist ein wenig trostlos.

Buchreihe „Täter Helfer Trittbrettfahrer“

Nachzulesen ist diese Geschichte in dem Buch „Täter Helfer Trittbrettfahrer – NS-Belastete aus dem Norden des heutigen Baden-Württemberg“, herausgegeben von Wolfgang Proske, erschienen 2018. Garmatter und Proske hätten gerne daraus gelesen, am liebsten in einem Raum der Stadt, in dem sich ihre Geschichte erzählen ließ. Aber das war ihnen nicht vergönnt. Was folgt gleicht einer Odyssee. 

Die erste Absage kommt von der Stadt Langenburg

Die erste Absage ereilt sie am 2. August 2018. Sie kommt aus dem Langenburger Rathaus. Der „Philosophenkeller“ werde nicht fremdvermietet, meldet die Kulturbeauftragte Doris von Göler, und präzisiert am 21. November 2018: „Das Programm steht.“ In ihrem Portfolio hat sie unter anderem einen Vortrag des Langenburger Stadtrats Axel Dittrich, der über die „glanzvollen Verbindungen“ des Hauses Hohenlohe-Langenburg referiert. Aber sie wünscht viel Erfolg „bei der Suche nach weiteren Präsentationsmöglichkeiten“.

Doch, den Platz gibt es in Langenburg noch. Foto: Joachim E. Röttgers
Doch, den Platz gibt es in Langenburg noch. Foto: Joachim E. Röttgers

Das fürstliche Haus versendet Post auf noblem Büttenpapier, des Inhalts, dass man an einer Zusammenarbeit nicht interessiert sei. Und was die Räumlichkeiten betreffe, so fänden Vorträge „zu historischen Büchern oder ähnlichem“ auf Schloss Langenburg nicht statt. Im Übrigen sei dies durch das Programm seines Hohenlohe Zentralarchivs in Neuenstein abgedeckt, schreibt der Fürst am 16. Oktober 2018, was Garmatter insoweit bezweifelt, als seine Anfragen nach Akteneinsicht jedes Mal abschlägig beschieden wurden. Alles, was jünger ist als 100 Jahre, ist gesperrt.

Geschichtsverein: „Für einen Vortrag ist kein Bedarf“

Kurz und knapp äußert sich der Geschichts- und Kulturverein vor Ort. Man habe das Buch in der Langenburger Stadtbücherei eingestellt, dort könnten sich die Bürger informieren, befindet der Verein am 14. Oktober 2018 – „für einen Vortrag ist kein Bedarf“. Beim Auftritt des Fürstenfans Dittrich ist der Klub als Kooperationspartner dabei.

Das Landesarchiv will den Fürsten nicht verärgern

Deutlich schwerer tut sich das Landesarchiv Baden-Württemberg, dessen Außenstelle auf Schloss Neuenstein das Hohenlohe-Zentralarchiv verwaltet. Immerhin eine staatliche Einrichtung, getragen durch Steuergelder. Er würde sehr gerne Ja sagen, verrät ein Mitarbeiter (Name der Redaktion bekannt) am 29. Oktober 2018, „und würde damit doch den Fürsten tief verärgern“. Er überlege aber, wie er den Autoren trotzdem ein „gutes Podium“ bieten könne. Das Grübeln hält bis heute an.

Verwaltungsgemeinschaft Langenburg-Gerabronn

Garmatter versucht es nun im fünf Kilometer entfernten Gerabronn beim „Historischen Arbeitskreis“. Selbiger wird bei Bürgermeister Christian Mauch vorstellig. Ohne Erfolg. Wenn Langenburg keinen Raum stelle, werde es auch für die Nachbargemeinde schwierig, heißt es, schließlich befinde man sich in der Verwaltungsgemeinschaft Langenburg-Gerabronn. Das sei „sehr bedauerlich“, berichtet der Arbeitskreis am 22. November 2018, aber ihnen seien nun die „Hände gebunden“.

Am anderen Ende des Städtchens: das Mausoleum der Fürstenfamilie. Foto: Joachim E. Röttgers
Am anderen Ende des Städtchens Langenburg: das Mausoleum der Fürstenfamilie. Im Vordergrund der Grabstein von August Wilhelm von Preußen (Im Volksmund „Prinz Auwi“ genannt). Auwi (1887-1949) war der vierte Sohn des Deutschen Kaisers Wilhelm II. aus dem Haus Hohenzollern und ein SA-Führer im Rang eines Obergruppenführers. Er war ein enger Vertrauter von Adolf Hitler. 1949 wurde Auwi in Langenburg begraben. Foto: Joachim E. Röttgers

„Stahlhelmpfarrer“ Borst

Fehlt nur noch die Kirche. Am 19. November 2018 fragt Ralf Garmatter bei der Evangelischen Kirchengemeinde Langenburg an. Ein Vortrag wäre in ihren Kreisen besonders interessant, begründet er, weil ihr früherer Dekan Albert Borst (1892 -1941) nicht nur der Seelsorger der Fürstenfamilie gewesen sei, sondern auch ein strammer Nationalsozialist. Ernst II. saß bei ihm regelmäßig in der Kirchenbank und im Kirchengemeinderat, dessen Aufstellung im „engsten Einvernehmen“ mit der Ortsgruppenleitung der NSDAP erfolgt sei, notierte der „Stahlhelmpfarrer“ Borst 1933.

Absage ohne Begründung

Am 15. April 2019 erreicht Garmatter die Absage. Die Mehrheit des Kirchengemeinderats habe sich dagegen ausgesprochen, der Grund sei aber nicht gewesen, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema „generell abgelehnt wird“, verkündet das Langenburger Pfarramt. Wie es sich im Besonderen verhält, verrät Marianne Mühlenstedt, die Vorsitzende des Gremiums, nicht.

Die Kirche sagt zuerst zu und erteilt dann Hausverbot

Am 26. November 2019, also nach mehr als einjähriger Suche, scheint es zu gelingen: ein öffentlicher Vortrag über die Nazi-Geschichte des Fürstenhauses Hohenlohe-Langenburg – in Gerabronn. Die dortigen Kirchengemeinden, evangelisch und katholisch, versprechen Ralf Garmatter und Wolfgang Proske eine Bühne zum Thema „Täter Helfer Trittbrettfahrer“. Bis zum 21. November 2019.

An diesem Tag kündigt die Kirche, ein Hausverbot inbegriffen. Mit der Begründung, Autor, Herausgeber sowie der kooperierende Verein „Ohne Rechtsaußen e. V.“ hätten eine Vereinbarung gebrochen, die da lautete: „Es dürfen in keiner schriftlichen/öffentlichen Werbung für die Veranstaltung die vollen Namen von mutmaßlichen ‚Tätern‘ genannt werden“.  Ernst II. auf einem Täter-Plakat? Undenkbar!

„Gewisse Kontinuität“ beim Beschützen von NS-Tätern

Weder Garmatter noch der Vorsitzende des Vereins, David Jäger, können sich an eine solche Absprache erinnern, zumal sie auch völlig irrsinnig wäre. Sie können nur vermuten, dass die Veranstaltung bewusst klein gehalten werden sollte, ein geheimer Klub der Wissenden, die Verhinderung der Aufklärung, die man vorgab zu leisten. Er erkenne eine „gewisse Kontinuität“ seitens der Kirche – beim Beschützen von NS-Tätern, resümiert Jäger.

Hohenloher Tagblatt veröffentlicht Leserbrief nicht

Jetzt hilft nur noch die Presse, mag sich der Journalist Garmatter gedacht haben, als er am 1. Januar 2020 einen Leserbrief an das „Hohenloher Tagblatt“ (HoTa) schickt. Er vermerkt darin, dass kein Kirchenvertreter vor der Absage mit ihnen gesprochen, geschweige denn eine solches Namensnennungsverbot ausgesprochen habe. Einleuchten mag auch ihm nicht, warum bei der Bewerbung des Vortrags dessen Hauptpersonen Ernst II. und Tochter Alexandra, die es immerhin bis zur NS-Kreisfrauenschaftsführerin gebracht hat, nicht erwähnt werden sollten. Von der Absage des Abends erfahren die LeserInnen des HoTa nie etwas, von dem Leserbrief auch nicht. Er erscheint  dort  nicht.  

Das Oberamt Gerabronn war einst Hochburg der Nazis

Warum wird hier soviel geschwiegen, hier in der Region Hohenlohe, die heute für jeden Besucher eine Sonnenblume bereit hält? Verspricht die Tourismuswerbung. Was war früher, als das Oberamt Gerabronn eine Hochburg der Nationalsozialisten war, nirgendwo in Württemberg prozentual soviele Menschen zwischen 1932 und 1934 die NSDAP gewählt haben?

Den NS-Tätern seit Jahren auf der Spur: Wolfgang Proske. Foto: privat
Den NS-Tätern seit Jahren auf der Spur: Wolfgang Proske. Foto: privat

Der Untertanengeist sei hier noch nicht verloren gegangen, sagt Folker Förtsch, der Leiter des Crailsheimer Stadtarchivs. Ihn wundert die Odyssee der Aufklärer nicht, sie deprimiert ihn eher, weil Monarchie und Feudalismus fröhliche Urständ feiern, und kämen sie nur im Gewand des vorauseilenden Gehorsam daher. Förtsch ist forsch. „Niemand will sich offenbar mit dem Fürsten anlegen“, betont der Historiker, die Absagen erfolgten aus „fadenscheinigen Gründen“. Er selbst hatte kein Problem damit, das Duo Garmatter/Proske am 10. September 2018 ins Rathaus einzuladen, um über den früheren Crailsheimer Landrat Werner Ansel, der ein Nazi war, zu sprechen.

Wolfgang Proske ist kein historischer Hasardeur, er hat sich mit seinem mittlerweile zehnbändigen Werk über die NS-Täter bleibende Verdienste erworben. Etwa durch seine Entmystifizierung des „Wüstenfuchses“ Erwin Rommel.

Der Bürgermeister sagt, das Fürstenhaus nehme keinerlei Einfluss

Er kennt die Debatten, sei’s aus Heidenheim, Giengen, Meßkirch oder Donauwörth, das Gar-nicht-wissen-wollen, was gewesen ist, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Er nennt es das „Große Beschweigen“. Aber in dieser Ausschließlichkeit wie in Langenburg? Das hat ihn überrascht. „Niemand wagt sich aus der Deckung“, sagt er, „sie verhalten sich wie Sektenangehörige.“ Allein die Erwähnung des Fürstenhauses im NS-Zusammenhang löse „Panikattacken“ aus.

Das evangelische Pfarramt von Langenburg – das Rathaus spiegelt sich im Fenster. Foto: Joachim E. Röttgers
Das evangelische Pfarramt von Langenburg – das Rathaus spiegelt sich im Fenster. Foto: Joachim E. Röttgers

Nicht bei Wolfgang Class, dem Langenburger Bürgermeister, parteilos. Sein Rathaus liegt gegenüber dem evangelischen Pfarramt, quasi in einem spitzwinkligen Dreieck mit dem Schloss. Gegenüber Kontext möchte er zunächst klarstellen, dass das Fürstenhaus „keinerlei Einfluss“ auf die Stadtverwaltung nimmt. Außer, dass der Fürst als Ratsmitglied die Kommunalpolitik mitgestalte. Im Übrigen könnten „die Herren“, gemeint sind Garmatter und Proske, ihren Vortrag „jederzeit“ in Langenburg halten. Die Gastronomen böten hierzu „geeignete Räumlichkeiten“ an. Er könne sich freilich des Eindrucks nicht erwehren, dass es die Herren bewusst darauf anlegten, einen Keil zwischen Schloss und Stadt zu treiben. Das aber werde, aufgrund der „sehr guten und erfolgreichen Zusammenarbeit“, nicht gelingen. Da ist er sich ganz sicher.

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