„Verkehrte Welt: Merkel und Juncker als Opfer?“ – Leserbrief von Paul Michel zur Berichterstattung der Südwestpresse über die Situation in Griechenland

Einen Leserbrief zur Berichterstattung der Südwestpresse über Griechenland hat Paul Michel aus Schwäbisch Hall geschrieben. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Leserbrief „Verkehrte Welt: Merkel und Juncker als Opfer?“ in voller Länge.

Leserbrief von Paul Michel, Schwäbisch Hall

Merkel und Juncker inszenieren sich als Unschuldslämmer

In einer Disziplin sind europäische Spitzenpolitiker wirklich Spitze: Der Schauspielerei. In den jüngsten Tagen lieferten Jean-Claude Juncker, der Chef der EU-Kommission und Angela Merkel, deutsche Bundeskanzlerin, erneut Kostproben ihres Könnens ab. Mit öffentlichen Betroffenheitsinszenierungen gelang es ihnen, anlässlich des Scheiterns der Verhandlungen mit der griechischen Regierung, sich selbst als wohlmeinende Unschuldslämmer zu verkaufen und den griechischen Premier Tsipras als bösen Buben zu präsentieren.

Presse zu feige oder zu faul zum Recherchieren

Das hat zwar mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Aber dank einer Presse, die entweder zu faul zum Recherchieren ist, oder zu feige ist, Dinge zu berichten, die den Mächtigen missfallen könnten, sieht es ganz so aus, als ob ihre Show erfolgreich ist. Dabei stellen Merkel und Juncker mit ihrer Botschaft, dass sie von Tsipras „betrogen“ oder gar „erpresst“ wurden, die Dinge auf den Kopf:

Mehrwertsteuererhöhung trifft vor allem die Ärmeren

In Wirklichkeit verhält es sich genau andersherum: Am 22. Juni 2015, hatte Tsipras den „Institutionen“ eine neue Vorschlagsliste mit Zugeständnissen präsentiert, die weit über die von Syriza selbst definierte Schmerzgrenze, die so genannten „roten Linien“, hinausging. Das beinhaltete faktisch auch Einschnitte bei der Rente (deutlich höhere Beiträge und Einschnitte bei den Vorruhestandsregelungen)  und deutliche Erhöhungen bei der Mehrwertsteuer, die ja bekanntlich vor allem die ärmeren Schichten der Gesellschaft treffen. Dafür erntete er in seiner eigenen Partei zum Teil heftige Kritik.

Intimfeind von Varoufakis ist Jeroen Dijsselbloem

Von Teilen der Troika, insbesondere von Junckers EU-Kommission, wurden  die Vorschläge von Tsipras hingegen als gute Gesprächsgrundlage ausdrücklich begrüßt. Selbst der Intimfeind von Varoufakis, Jeroen Dijsselbloem, hielt eine Einigung auf Grundlage von Tsipras‘ Vorschlägen für möglich. Zwei Tage später kickte IWF-Chefin Christine Lagarde die Vorschläge von Tsipras in die Tonne und forderte stattdessen tiefere Einschnitte bei den Renten, deutlich stärkere Erhöhungen bei der Mehrwertsteuer und dafür im Gegenzug Abstriche bei den von Tsipras vorgeschlagenen Steuererhöhungen für Reiche.

Lagardes Hardcorekurs

Merkel, die sich schon bei der Vorstellung von Tsipras‘ Vorschlägen sehr reserviert gegeben hatte, schlug sich sofort auf die Seite von Lagarde und selbst Juncker schwenkte widerspruchslos auf Lagardes Hardcorekurs ein. Die nun geeinte Troika erklärte mit Basta-Gehabe, dass jetzt Schluss sei mit Verhandeln und stellte Tsipras ein Ultimatum:  Die griechische Regierung habe bis Samstag Zeit, das Lagarde-Diktat zu unterzeichnen. Ansonsten war’s das, erklärten Europas Machthaber. Das „großzügige Angebot“ (Merkel) der Troika hätte für die Mehrheit der Menschen noch mehr Elend und Verzweiflung und für die Syriza Regierung eine vernichtende Demütigung bedeutet.

Unverschämte Erpressungspolitik der Euro-Machthaber

Es gehört schon eine gehörige Portion Frechheit dazu, wenn  sich jetzt die Täter als Opfer inszenieren und das Opfer als Täter auf den Pranger zu stellen versuchen. Die Ausrufung eines Referendums über das Spardiktat der Troika seitens der Syriza-Regierung ist angesichts dieser Umstände die einzig richtige Antwort auf die unverschämte Erpressungspolitik der Euro-Machthaber.

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„IWF fordert bedingungslose Unterwerfung der Griechen“ – Aktionstreffen in Schwäbisch Hall

Nachdem Tsipras die Abhaltung eines Referendums angekündigt hat, hat sich die Lage nochmal zugespitzt. Die provokative Verschärfung der Bedingungen seitens des IWF, das anschließende Ultimatum an die Griechen, bis zum Samstag ihre eigene bedingungslose Unterwerfung zu unterzeichnen, hat doch auch einige Kritik ausgelöst.

Von Paul Michel, Schwäbisch Hall

Gegenöffentlichkeit schaffen

So zum Beispiel bei Gesine Schwan, der ehemaligen Kandidatin für das Bundespräsidentenamt. Es hat den Anschein, dass in dieser Woche an vielen Orten versucht wird, Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Ich bin der Meinung, dass wir auch in Schwäbisch Hall versuchen sollten, irgendeine Form von Gegenöffentlichkeit zustande zu bringen. Aus diesem Grunde möchte ich dazu einladen, dass Leute, die was machen wollen, sich am Donnerstag, 2. Juli 2015, um 20 Uhr im Büro des Club Alpha 60, in der Schwäbisch Haller Pfarrgasse treffen.

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„Schluss mit dem Kaputtsparen Griechenlands – für ein solidarisches Europa“ – Kundgebung und Demonstration in Stuttgart: Fahrgemeinschaften ab Schwäbisch Hall-Hessental

„Schluss mit dem Kaputtsparen Griechenlands – für ein solidarisches Europa“ lautet das Motto einer Kundgebung am Freitag, 3. Juli 2015, um 18 Uhr auf dem Schillerplatz in Stuttgart. Veranstalter sind die Initiative “Neue hellenische Gemeinde Stuttgart”, attac Stuttgart und Die AnStifter.

Informationen zugesandt von Paul Michel, Schwäbisch Hall

Fahrgemeinschaften ab Schwäbisch Hall-Hessental:

Wir fahren mit dem Zug um 16:14 Uhr vom Bahnhof Hessental. Fahrgemeinschaften treffen sich um 16 Uhr am Hessentaler Bahnhof.

Jugendarbeitslosigkeit stieg auf 60 Prozent

In Griechenland herrscht eine unerträgliche soziale Situation. Nicht zuletzt aufgrund von Maßnahmen, die die internationalen Geldgeber forderten, rutschen immer mehr Menschen in die Armut ab, kollabiert das Gesundheitssystem und stieg die Jugendarbeitslosigkeit auf 60 Prozent. Reallöhne und Renten wurden um 30 Prozent gekürzt, die Staatsausgaben um 40 Prozent reduziert.

Schuldenschnitt in Deutschland im Jahr 1953

Natürlich ist auch Griechenland an seiner katastrophalen Situation nicht ganz unschuldig. Doch wie man es dreht und wendet: an einem Schuldenschnitt führt laut hochrangiger internationaler Wissenschaftler kein Weg vorbei. Bisher aber sträubt sich die Bundesregierung vehement gegen einen solchen Schritt, der Deutschland selbst im Jahr 1953 gewährt wurde. Dabei trägt sie am wirtschaftlichen Ungleichgewicht innerhalb Europas und der unter anderem daraus resultierenden Schulden-Krise erhebliche Mitschuld.

„Ein anderes Europa ist möglich“

Nach der jüngsten Eskalation rund um die für kommenden Sonntag geplante Volksabstimmung über die Reformen ist unsere gemeinsame Solidarität gefragt wie noch nie. Ein anderes Europa ist möglich!

Reden bei der Demonstration in Stuttgart:

Anna Ioannidou, Initiative “Neue hellenische Gemeinde Stuttgart”

Elke Schenk, attac Stuttgart

n.n., GewerkschafterIn

Musik: Stefanos Psomas, Gitarre, Bouzouki und Gesang, Nikolaos Kalatidis, Bouzouki, Korina Fanaridou, Gesang.

Kurzinformation:

Kundgebung und Demonstration in Stuttgart, „Schluss mit dem Kaputtsparen Griechenlands – für ein solidarisches Europa“, am Freitag, 3. Juli 2015, um 18 Uhr, Schillerplatz, Stuttgart.

Veranstalter: Initiative “Neue hellenische Gemeinde Stuttgart”, attac Stuttgart und  Die AnStifter

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