„Neonazis im Dienste des Staates“ – Diskussion am Donnerstag, 27. September 2012, in Schwäbisch Hall

Eine Veranstaltung im Löwenkeller des Club Alpha 60 Schwäbisch Hall zum Thema „NEONAZIS IM DIENSTE DES STAATES“ findet am Donnerstag, 27. September 2012, um 20 Uhr statt.

Von Jochen Dürr, Schwäbisch Hall

KuKluxKlan-Umtriebe in Schwäbisch Hall

Es kommt der bekannteste Geheimdiensterxperte in Deutschland, Rolf Gössner aus Bremen, ab 20 Uhr in den Löwenkeller des Club Alpha 60 zum Diskussionsabend. Aktueller geht es nicht: Die fast 20 Naziaufmärsche in Schwäbisch Hall in den Jahren 2004 und 2005/die KluKluxKlan-Umtriebe vor über zehn Jahren in Schwäbisch Hall und die Verwicklung des Nazitrios in die Ermordung der Heilbronner Polizistin Michaela Kiesewetter in Heilbronn machen den lokalen Bezug deutlich.

Skandalöse Verstrickung des Verfassungsschutzes in gewaltbereite Neonazi-Szenen 

Ausgehend von der schockierenden Neonazi-Mordserie, die Ende 2011 ohne Zutun des Staats- und Verfassungsschutzes aufgedeckt wurde, widmet sich Rolf Gössner dem Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“, seiner braunen Vergangenheit und politischen Ausprägung sowie seinem dubiosen V-Leute-System, mit dem er Neonazi-Szenen und rechtsextreme Parteien unterwandert hat. Der Referent berichtet auf Grund eigener Recherchen über die skandalöse Verstrickung des Verfassungsschutzes in gewaltbereite Neonazi-Szenen sowie über die geheimdienstlichen Versuche, kriminell gewordene V-Leute selbst gegen Ermittlungen der Polizei abzuschirmen. Und er untersucht, wie der Verfassungsschutz im Kampf gegen Rechts agiert, ob er in seiner Ausprägung als Inlandsgeheimdienst zum Schutz der Verfassung taugt oder Fremdkörper in der Demokratie ist. Aus seinem Befund formuliert Rolf Gössner politische Konsequenzen, die für eine rechtsstaatliche Demokratie und die Bürgerrechte existentiell wichtig sind. VeranstalterInnen sind der Club Alpha 60 und die Kreisvereinigung der VVN-BdA Schwäbisch Hall

Zur Person:

Dr. Rolf Gössner arbeitet als Rechtsanwalt und Publizist in Bremen. Er ist Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte (Berlin), stellvertretender Richter am Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt Bremen sowie Mitglied der Deputation für Inneres der Bremischen Bürgerschaft. Mitherausgeber des jährlich erscheinenden „Grundrechte-Reports“ und als solcher ausgezeichnet mit der Theodor-Heuss-Medaille 2008, außerdem mit dem Kölner Karlspreis für engagierte Literatur und Publizistik (2012). Sachverständiger in Gesetzgebungsverfahren des Bundestags und von Landtagen. Autor zahlreicher Bücher zum Themenbereich Demokratie, Innere Sicherheit und Bürgerrechte.

Aktuelle Buchtipps:

Zuletzt erschienen:

Geheime Informanten. V-Leute des Verfassungsschutzes: Kriminelle im Dienst des Staates, München 2003; aktuelle Neuauflage als e-book 2012 bei Knaur-Verlag, München. Direktlink: http://bit.ly/J8XWNC

Menschenrechte in Zeiten des Terrors. Kollateralschäden an der „Heimatfront“, Hamburg 2007.

Mehr Informationen im Internet:

www.rolf-goessner.de

www.clubalpha60.de

www.schwaebisch-hall.vvn-bda.de

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„UmFAIRteilen“ – attac-Gruppe Schwäbisch Hall bietet Mitfahrgelegenheiten zur Demo in Frankfurt/Main

An verschiedenen Orten finden am Samstag, 29. September 2012, bundesweit Demonstrationen des Bündnisses „UmFAIRteilen“ statt. Die attac-Gruppe Schwäbisch Hall bietet Mitfahrgelegenheiten zur Demo in Frankfurt/Main an.

Von Uli Simon, attac-Gruppe Schwäbisch Hall

Wer mitfahren will: telefonisch anmelden

Wer Lust hat in Frankfurt/Main am Samstag, 29. September 2012 mitzudemonstrieren, der kann sich bei mir, Uli Simon (Telefon 07907-2509) wegen Bahn- beziehungsweise Mitfahrgelegenheit melden. Die zwei Demonstrationszüge beginnen um 12 Uhr am Kaisersack/Hauptbahnhof und an der Paulskirche/Abschlusskundgebung: 15 Uhr Roßmarkt.

Viele Organisationen gemeinsam

Zu dem Bündnis gehören folgende Organisationen: campact.de, Naturfreunde, Paritätische (Wohlfahrts-) Verband, attac, Vermögenssteuer jetzt!, Katholische Arbeitnehmerbewegung, Alevitische Gemeinde Deutschland, Appell für eine Vermögensabgabe, DIDF, Die Falken, VDK, Gewerkschaftliche Arbeitslosengruppen, Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik, Freier Zusammenschluss von StudentInnenschaften, verdi, Volkssolidarität, Kairos, GEW, SoVD (Sozialverband), DGB Gewerkschaftsjugend in Bewegung, AWO, medico.

Nächstes attac-Plenum am 4. Oktober 2012 in Schwäbisch Hall

Sie war auch Thema beim jüngsten attac-Schwäbisch Hall-Treffen im Umweltzentrum. Wir werden auf das Thema sicher auch beim nächsten attac-SHA-Plenum am Donnerstag, 4. Oktober 2012, um 20 Uhr zurückkommen.

Weltweite Reichtumsentwicklung ist besorgniserregend

Die Zusammenfassung einer aktuellen us-amerikanischen Studie zur Reichtumsentwicklung weltweit, die medial unterschlagen wird. Sie stammt von James S. Henry, einem ehemaligen McKinsey- und IBM-Manager, der sie im Auftrag von Tax Justice Network erstellt hat.

Die Ironie des „Schwarzen Loches“

James S. Henry, „The price of offshore revisited“, Juli 2012

Eine Zusammenfassung von Uli Simon

1. Das unterirdische System, das hier versucht wird, zu erfassen, ist „das wirtschaftliche Äquivalent eines astrophysischen Schwarzen Loches“. Wie jene Schwarzen Löcher ist dieses nahezu unsichtbar und kann für Beobachter, die ihm zu nahe kommen, gefährlich werden. Wir haben es mit einer der gesellschaftlich wohl am besten verwurzelten Interessengruppen zu tun. Der Weg, das System der Geheimhaltung und Verschleierung aufzudecken, „ist hart, die Arbeit mühsam, die Daten wie Bergbau im Geiste – betäubend wie jeder Tag untertage mit Kohle im Gesicht.“ James‘ ausführliche Bewertung von bisherigen Schätzungen und seine eigenen Analysewege – ein großer Teil der Studie – können hier nicht dargestellt werden. Im Folgenden deshalb nur die wichtigsten Ergebnisse:

2. In den meisten Ländern ist die Ungleichheit des finanziellen Wohlstands nicht nur viel größer, als wir vermuteten, sondern wächst auch viel schneller. Ein erheblicher Teil des globalen privaten Geldvermögen – unseren Schätzungen nach mindestens 21-32 Billionen US-Dollar ab dem Jahr 2010 – wurde nahezu steuerfrei, mit Hilfe des Schwarzen Loches (mehr als 80 „Offshore“- Verdunklungsoasen) durch die Welt „investiert“. Denken sie daran: dies ist nur das Geldvermögen.

3. Das wohl interessanteste, was wir bezüglich der neuen Landschaft der globalen Ungleichheit aufdecken konnten, ist die jüngste Entstehung einer echten transnationalen privaten Elite eines relativ kleinen Bruchteils der Weltbevölkerung (0,001%). Es bedeutet auch, dass die Gruppe dieser transnationalen Elite im Prinzip ein ureigenes Interesse daran hat, einkommens-, vermögens- und steuerschwache Regierungen zu mehr offenen Märkten und schwächeren Einschränkungen zu drängen und zwar mithilfe von einer grenzüberschreitenden, riesigen und transnationalen Armee von Piraten- Banken, Kanzleien, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Lobbyisten und PR-Firmen.

4. Die aktive Rolle der Privatbanken: Erstens haben die Top 50 der weltweit führenden Privatbanken allein 12.06 Billionen US-Dollar an privatem grenzüberschreitendem Geldvermögen unter ihrer Verwaltung. Zweitens sind die Top-10-Banken in dieser Gruppe bemerkenswert stabil . Viert wichtigste Bank ist die Deutsche Bank. Drittens wuchsen die Top Ten- Banken sogar schneller als die Branche als ein Ganzes. Mit einer jährlichen Wachstumsrate von über 20 Prozent steigerte sie ihren Anteil an der Gruppe der „Assets under Management“ (Verwaltete Vermögenswerte) von 42 Prozent im Jahr 2005 auf mehr als 51 Prozent im Jahr 2010.

5. Die Ironie dabei ist, dass jeder von diesen führenden globalen Banken, mit Ausnahme Pictet (Genfer Privatbank), als „Zu- groß- zum- Scheitern“ von ihren Regierungen in den Jahren 2008-2010 erachtet wurden, und gemeinsam Hunderte von Milliarden an Steuergeldern zur Finanzierung von Kapitalzuführungen, Standby-Krediten, Garantien für Darlehen, toxischen Asset Garantien, etc. verwendeten. Ohne die staatliche „too big to fail“- Subventionierung (aus Steuergeldern) wären mehrere dieser Banken heute verschwunden. Haben die Finanz- und Schatzämter auf der ganzen Welt nicht verstanden, dass diese Banken führend in der Steuerhinterziehung weltweit sind?

6. Die Privatbanken sind die wichtigsten Vorantreiber des globalen „Steuerunrechtssystem“. Sie bieten die Kernkompetenzen, auf die es ankommt: Geheimhaltung, Steuerminimierung, Zugriffsmöglichkeiten, Vermögensmanagement und Sicherheit, die nur ihr „Offshore“ – System bieten kann. In den letzten 30 Jahren ist eine ausgeklügelte, transnationale private Infrastruktur von Dienstleistern gewachsen, welche Dienstleistungen in einem beispiellosen Ausmaß liefern können. Dieses „Pirate Banking“ – System reinigt, schützt, verwaltet und erneuert ggf. die Domizile und Reichtümer von vielen der weltweit schlimmsten Schurken sowie die materiellen und immateriellen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von vielen unserer reichsten Individuen, neben unseren erfolgreichsten Mainstream-Banken, Unternehmen, Reedereien, Versicherungen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Anwaltskanzleien.

7. Alle „High net worth individuals“ teilen die gleichen Grundbedürfnisse: (1) Anonymität für sich selbst, ihre Familien und ihre wirtschaftlichen und politischen Beziehungen, (2) die Fähigkeit zur Minimierung der zukünftigen Steuern, nach Abzug der Mehrwertsteuer, (3) ein Management für ihre Investitionen, vor allem für diejenigen, die noch immer daran glauben, (4) die Möglichkeit ihren Reichtum von überall aus der Welt leicht benutzen und verwalten zu können, (5) sichere Orte um sich entspannen, verstecken und das Leben genießen zu können, (6) Stahlverkleidete finanzielle Sicherheit für ihre riesigen Bestände von anonym verwalteten, weitgehend unversteuertem Privatvermögen, auch gegen die anhaltenden Bedrohungen nicht nur durch Steuerfahnder und Staatsanwälte, sondern auch durch Entführer, Erpresser, Spione, Killer, Betrüger, Hacker, Paparazzi, politische Gegner, verärgerte Familienmitglieder, Ex-Frauen, Ex-Liebhaber…

8. Ein Gemälde oder ein Bankkonto kann sich innerhalb der Schweizer Grenzen befinden, aber rechtlich wichtig ist, dass es wahrscheinlich in viele Stücke rund um den Globus fragmentiert ist. Normalerweise gibt der Eigentümer die Vermögenswerte an anonyme Offshore-Gesellschaften mit einer anderen Rechtsprechung weiter, welche diese an einen anderen Treuhändler weiterleitet, der sich ebenfalls unter einer anderen Rechts-ordnung befindet (und das ist noch eine der einfachsten Offshore-Strukturen). Letztlich steht der Begriff „Offshore“ für diese Funktion der Verschleierung.

9. Zum Verhältnis Dritte und Erste Welt: Die 139 untersuchten Quellenländer hatten eine gesamt Brutto-Auslandsverschuldung im Jahr 2010 von 4.08 Billionen US-Dollar. Wenn wir allerdings die Devisenreserven dieser Länder davon abziehen, von denen die meisten in „Erste Welt“- Wertpapiere investiert wurden, betragen die gesamt Netto-Auslandsschulden im Jahr 2010 nur noch 2.8 Billionen US-Dollar. Im Großen und Ganzen sind diese angeblich verschuldeten Quellenländer dank des Offshore-Systems gar keine Schuldner mehr: viel mehr sind sie Nettokreditgeber. Das Problem hierbei ist, dass die Vermögenswerte dieser Länder von einer kleinen Anzahl von vermögenden Privatpersonen gehalten werden, während die (Staats-)Schulden auf den Schultern von gewöhnlichen Menschen liegen. „Das eigentliche Problem ist nicht, dass die Länder keine Vermögenswerte haben. Das Problem ist, dass sie alle in Miami sind.“ (US-Notenbank 1985!) Diese Dunkelziffer von privatem Offshore-Vermögen und die öffentlichen Schulden sind historisch gesehen eng miteinander verknüpft: der dramatische Anstieg der Dunkelziffer der Kapitalabflüsse(und die private Nachfrage nach „First World“- Währungs- und sonstigen Vermögenswerten) in den 1970er und 1980er Jahren wirkte sich positiv auf den Anstieg der „Ersten Welt“-Kredite an Entwicklungsländer aus. Heute bestimmen die lokalen Eliten „mithilfe ihre finanziellen Größe“, während ihre öffentlichen Sektoren in großem Umfang Kredite aufnehmen müssen – und es sind die „Ersten Welt“- Länder, die den Großteil dieser Anleihen innehaben.

In Bezug auf die Bekämpfung der Armut gibt es keine drängendere, globale Aufgabe.

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„Baden-Württemberg: Grün- Rot auf Sparkurs“ – Kommentar von Paul Michel aus Schwäbisch Hall

Die grün-rote Landesregierung tut alles, damit Baden-Württemberg auch weiterhin das Musterländle für die Renditeritter in Industrie- und Finanzwelt bleibt.

Kommentar von Paul Michel, Schwäbisch Hall

Landesregierung bricht eigene Wahlversprechen

Um sich bei den wirtschaftlichen Eliten als Musterknabe in Sachen Schuldenbremse anzudienen, greift sie Gemeinden und Landesbediensteten in die Taschen und bricht die eigenen Wahlversprechungen bei der Schulpolitik.

Sparmaßnahmen auf dem Rücken der Gemeinden

Da sind zunächst einmal die Städte und Gemeinden. Bei ihnen hatte Finanzminister Nils Schmid (SPD) über den kommunalen Finanzausgleich mehr als 400 Millionen Euro rausschlagen wollen. Nach Abschluss der Verhandlungen muss er sich jetzt mit etwas weniger bescheiden. Die Kommunen speisen den Landeshaushalt in den Jahren 2013 und 2014 mit jeweils 340 Millionen Euro. In den zwei Jahren darauf sinkt der Betrag dann auf jeweils 315 Millionen Euro (siehe Stuttgarter Zeitung vom 11. September 2012).

Sparen auf dem Rücken sozial schwacher Frauen

Bei den Verhandlungen am 18. September „entdeckte“ die Landesregierung noch einen weiteren Streichungsposten: das Landeserziehungsgeld. Im Koalitionsvertrag hat es noch geheißen: «Mit einem reformierten Landeserziehungsgeld wollen wir ärmere Familien mit Kindern bis zu einem Alter von 13 Monaten besonders unterstützen.» Das ist jetzt Schnee von gestern. Von der Kürzung verspricht man sich eine Einsparung von zwei Millionen Euro für 2013 und 28,5 Millionen für 2014.

Sparen auf dem Rücken der Beschäftigten

Wie kaum anders zu erwarten, wollen sich Schmid und Kretschmann bestehende Vorurteile gegenüber den Landesbeamten zunutze machen. Sparen bei den Beamten kommt immer gut an, egal wie unsinnig die Begründung ist. Das Sparpaket, das der Finanzminister den Landesbeamten schnüren will, umfasst für das kommende Jahr 20 Millionen Euro. 2014 sollen es 40 Millionen sein, bis 2020 könnten es einige Hundert Millionen Euro werden. Die Eingangsbesoldung der Landesbeamten des gehobenen und höheren Dienstes soll zu diesem Zweck drei Jahre lang um jeweils 4 Prozent … werden. Zudem ist in den Etatplanungen für die Landesbeamten lediglich eine Erhöhung um 1,5 Prozent vorgesehen. Sollte Verdi bei den Tarifkräften höhere Lohnerhöhungen durchsetzen, so will das die Landesregierung nicht an die Beamten weiter geben. So die Botschaft. Der DGB Baden-Württemberg in Person seines Landesvorsitzenden Nikolaus Landgraf hat erklärt: “Wir akzeptieren weder die Absenkung der Eingangsbesoldung noch eine Verschiebung künftiger Tariferhöhungen.“ Der Chef des Beamtenbundes, Stich, lässt erkennen, dass er für eine Verschiebung künftiger Tariferhöhungen zu haben wäre.

Sparen bei den Schulen

Neben Strukturveränderungen in verschiedenen Landesbehörden wollen Kretschmann und Schmid ihr Sparziel durch Kürzungen bei den Lehrerstellen erreichen: Vom Abbau von 11600 Lehrerstellen bis 2020 ist die Rede. 2013 will Grün-Rot in einem ersten Schritt 1000 Lehrerstellen nicht wiederbesetzen. 2014 ist ein Wegfall von weiteren 1200 Stellen vorgesehen. Auch für die aktuell tätigen LehrerInnen plant die Kultusministerin Gabriele Warminski-Leithäuser (GWL) Verschlechterungen. GWL will Verschlechterungen bei den Anrechnungsstunden. Das sind Stundenreduzierungen, die den KollegInnen gewährt werden, wenn sie bestimmte Organisationsaufgaben in der Schule wie Verwaltung der Schulbücherei oder Betreuung der Computer übernehmen. Zudem will die Kultusministerin den LehrerInnen die Altersermäßigung (ab 58 Jahren eine Unterrichtsstunde weniger, ab 60 Jahre zwei Unterrichtsstunden weniger) wieder wegnehmen. Was das für die betroffenen KollegInnen bedeutet, interessiert ihre oberste Dienstherrin nicht. Für sie zählt nur, wie viel Geld sie damit einsparen kann. Kultusministerin Gabriele Warminski-Leithäuser bezeichnete das Einsparpotential durch den Wegfall der Lehrerstellen für den Doppelhaushalt 2013/2014 auf insgesamt 23 Millionen Euro.

Wo bleibt die „bessere Bildung für Alle“?

Im Unterschied zu den Einsparungen bei Gemeinden und den Landesbeamten sind die geplanten Einsparungen bei den Schulen unpopulär. Laut einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen fordern 78 Prozent der Bürger in Baden-Württemberg Zusatzausgaben für den Bildungsbereich. Sparpotentiale bei den Schulen sehen nur zwei Prozent. Die Sparpläne im Schulbereich sind für die Landesregierung zudem pikant, weil sie in ihrem Wahlkampf „Bessere Bildung für Alle“ versprochen hatte. Die LehrerInnengewerkschaft GEW äußerte sich empört über die Rückwärtsrolle der Landesregierung. Die GEW-Vorsitzende Doro Moritz spricht von einem Wortbruch der Landesregierung: „Seit heute sind die 18 Seiten im Koalitionsvertrag zum Thema Bildungspolitik nicht mehr das Papier wert, auf das sie gedruckt wurden. Die Landesregierung hatte bessere Bildung für alle versprochen und wird es mit der geplanten Streichung nicht einmal schaffen, den Status Quo der schlechten Bildungspolitik von CDU und FDP zu halten.“ Und weiter „Es gibt in der ganzen Legislaturperiode bis 2016 keine Gründe, auch nur eine einzige Lehrerstelle zu streichen. Wenn wir weiterhin wohnortnahe Grundschulen und kleinere Klassen, echte Ganztagsschulen und bessere Unterrichtsversorgung, den Lehrermangel verhindern und Inklusion realisieren wollen, brauchen wir alle frei werdenden Lehrerstellen in den Schulen.“

Primat der Schuldenbremse?

Grün-Rot begründet ihr Streichkonzert damit, dass man die Anforderungen der Schuldenbremse erfüllen wolle. Die Schuldenbremse gebietet spätestens 2020 einen ausgeglichenen Haushalt. Auf 2,5 Milliarden Euro hat Grün-Rot die dauerhafte Deckungslücke zwischen Einnahmen und Ausgaben beziffert. Diese sei bis 2020 auf null herunterzufahren. Der Doppeletat 2013/2014 der grün-roten Landesregierung versteht sich als Schritt hin zu diesem Ziel und sieht ein Sparpaket von insgesamt 800 Millionen Euro vor. Nach den bisherigen Plänen will die Regierung im kommenden Jahr insgesamt 550 Millionen Euro kürzen und 2014 weitere 250 Millionen Euro.

Nils Schmid will beim Thema Schuldenbremse den Musterschüler spielen

Finanzminister Schmid (SPD) präsentiert sich ausdrücklich als Fan der Schuldenbremse. Er ist stolz darauf, dass die SPD maßgeblich an der Einführung der Schuldenbremse beteiligt war und will, dass Baden-Württemberg beim Thema Schuldenbremse den Musterschüler spielt. Da ist er sich ganz mit seinem Ministerpräsidenten einig. Wilfried Kretschmann (Grüne) erklärte im Juli 2012, die Schuldenbremse solle so rasch wie möglich in der Landesverfassung verankert werden.

UmFAIRteilen!

Die Schuldenbremse ist aber nichts weiter als ein Etikettenschwindel. Der Griff in die Taschen von sozial Schwachen und Normalverdienern und die Gefälligkeitspolitik gegenüber der kleinen Minderheit mit Kapitaleigner und Vermögensbesitzer soll als „Sachzwang“ kaschiert werden. Ginge es der Regierung wirklich um Schließung der Haushaltslücke, so gibt es einen einfachen Weg, den im Übrigen die Gewerkschaft Verdi bereits 2009 dargelegt hat: Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer mit einem Steuersatz von einem Prozent und einem Freibetrag von 500.000 Euro für eine vierköpfige Familie würde dem Land Baden-Württemberg Steuermehreinnahmen in Höhe von 2, 7 Milliarden Euro jährlich einbringen. Das allein wäre schon mehr als jenes „strukturelle Defizit“ in Höhe von 2,5 Milliarden Euro, mit dem Ministerpräsident Kretschmann und Finanzminister Nils Schmid beklagen.

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