„Land Baden-Württemberg braucht einen NSU-Untersuchungsausschuss der lückenlos aufklärt“ – Kritik am Ausschussmitglied Sakellariou (SPD) – Zwei Offene Briefe

Das „Freiburger Bündnis gegen Rassismus und Diskriminierung“ und die Initiative NSU-Aufklärung (INA) haben jeweils einen Offenen Brief an die Landesregierung, den Landtag Baden-Württemberg  und die Mitglieder des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus/NSU BW“ geschrieben. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht beide Texte in voller Länge.

Offene Briefe des „Freiburger Bündnis Gegen Rassismus und Diskriminierung“ und Initiative NSU-Aufklärung (INA)

Offener Brief I:

Mahnmal, Solingen-Brandanschlag, 1993, Freiburger Bündnis Gegen Rassismus und Diskriminierung, c/o DGB Stadtverband Freiburg, Hebelstraße 10, 79104 Freiburg

An
Herrn Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg
Herrn Dr. Nils Schmidt, stellvertretender Ministerpräsident
Herrn Wilfried Klenk, Präsident des Landtags Baden-Württemberg
Frau Brigitte Lösch, stellvertretender Präsidentin des Landtags
Herrn Wolfgang Drexler, stellvertretender Präsident des Landtags und
Vorsitzender des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus/NSU BW“
die Landtagsfraktionen
die Mitglieder des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus/NSU BW“

Haus des Landtags
Konrad-Adenauer-Straße 3
D-70173 Stuttgart

Freiburg, 13. Mai 2015 / Offener Brief

Das Land braucht einen NSU-Untersuchungsausschuss der lückenlos aufklärt!

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!
Sehr geehrte Damen und Herren!

Die letzten drei Sitzungen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) haben unsere Hoffnung auf eine lückenlose Aufklärung der NSU-Verbrechen in Baden-Württemberg erheblich erschüttert.

Zweifel an ihrer Unvoreingenommenheit

Bereits im Vorfeld der Arbeitsaufnahme des PUAs war zu erkennen, dass sich einige PUA-Mitglieder darum bemühten, die im Zusammenhang mit den NSU-Ermittlungen in der Kritik stehenden Behörden und das Vorgehen des Innenministeriums in Schutz zu nehmen. Sie wurden Mitglieder der Enquetekommission und des PUA, obwohl sie beide Einrichtungen für nicht erforderlich hielten (Südwest Presse 13.02.15). Ihr bisheriges Auftreten im PUA erlaubt Zweifel an ihrer Unvoreingenommenheit bei der Aufklärung der Verbrechen (siehe z.B. Stuttgarter Nachrichten, 23.04.15): Zeugenaussagen, die in das Konzept ‚alles bereits geklärt, alles wurde richtig gemacht‘ passen, werden trotz Widersprüchen nicht hinterfragt, während Zeugenaussagen, die Zweifel an der bisherigen Darstellung des Innenministeriums nahelegen, als nicht glaubwürdig abgetan werden.

Abgelehnt, die entscheidenden Akten beizuziehen

Das mangelnde Interesse einiger Parteien des Landtags an der Aufklärung der NSU-Debatte in BW wird von Herrn Prof. Hako Funke, der als Experte und sachverständige Person mit dem PUA zusammenarbeitet, wie folgt beschrieben: „Der Untersuchungsausschuss des Landtags hat es mit den Stimmen der CDU, der FDP und der SPD abgelehnt, die entscheidenden Akten über die Aktionsgruppe Heilbronn beizuziehen!“ Er ist enttäuscht darüber, dass die Mehrheit des PUA sich weigert zur Kenntnis zu nehmen, was sie wissen müsste, um relevante Sachverhalte aufzuklären. Der PUA ließe „die bisherige Linie der Verdeckung und Vertuschung durch das Innenministerium damit zu, ja unterstützt sie“ (https://hajofunke.wordpress.com/).

Unterlagen über die „Aktionsgruppe Heilbronn“ einfordern

Wir sind der Meinung, dass Mitglieder des PUA, die seine Einrichtung für unnötig hielten und nun offensichtlich nur die zu hinterfragenden Positionen der „Ermittlungsgruppe“ bestätigen wollen, ausgetauscht werden sollten. Wir fordern den PUA ausdrücklich zu einer Ergebnis-offenen Arbeitsweise auf und alle Dokumente einzufordern, die für eine lückenlose Aufklärung sachdienlich sein können, insbesondere die Unterlagen über die „Aktionsgruppe Heilbronn“.

Lückenlose Aufklärung der Verbrechen fördern

Das Freiburger Bündnis gegen Rassismus und Diskriminierung wies bereits seit 2013 in mehreren Schreiben und Offenen Briefen immer wieder auf Unstimmigkeiten bei der offiziellen Darstellung über die NSU-Verbrechen hin, die nun glücklicherweise endlich in die Berichterstattung der Presse Eingang finden. Wir werden zusammen mit anderen Organisationen zur Information der Öffentlichkeit eine Veranstaltung mit Herrn Prof. Hajo Funke und sachkundigen Autoren vorbereiten, über die rechtzeitig informiert werden wird. Wir wollen damit auch über die Arbeit des PUA informieren mit dem Ziel, die lückenlose Aufklärung der Verbrechen zu befördern. Wir werden uns bemühen, auch einen Vertreter des PUA zur Teilnahme an der Veranstaltung zu gewinnen.

Mit freundlichen Grüßen,

gez. Metin Erd, gez. Dr.Bernd Wagner

(für das Freiburger Bündnis gegen Rassismus und Diskriminierung)

Weitere Informationen und Kontakt:

E-Mail: FrBgRaDi@web.de

www.freiburger-buendnis-gegen-rassismus.de

facebook.com/Freiburger-Bündnis-Gegen-Rassismus

Offener Brief II:

INA Initiative NSU-Aufklärung • c/o Die Anstifter, Werastraße 10, 70182 Stuttgart

An
Herrn Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg
Herrn Dr. Nils Schmidt, stellvertretender Ministerpräsident
Herrn Wilfried Klenk, Präsident des Landtags
Frau Brigitte Lösch, stellvertretende Präsidentin des Landtags
Herrn Wolfgang Drexler, Vorsitzender des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus/NSU BW“
die Landtagsfraktionen
die Mitglieder des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus/NSZ BW“
Haus des Landtags
Konrad-Adenauer-Straße 3
70173 Stuttgart

Stuttgart, 18. Mai 2015, Offener Brief

Eine Zwischenbilanz

Am 2. Mai (2015) waren es 100 Tage, seit der Untersuchungsausschuss  „Rechtsterrorismus/NSU BW“ des baden-württembergischen Landtags am 23. Januar 2015 zum ersten Mal öffentlich getagt hatte. Eine gute Gelegenheit für eine Zwischenbilanz.

Soweit unverzichtbar, werden sie namentlich genannt

Wir, die Initiative NSU-Aufklärung (INA), sind eine Gruppe Bürgerinnen und Bürger, die den NSU-Untersuchungsausschuss aufmerksam und kritisch begleiten. Unser Fazit weist positive und negative Aspekte auf, aus denen sich einige Forderungen an den Ausschuss ergeben. Ausdrücklich weisen wir daraufhin, dass unsere Wertungen einzelne Ausschussmitglieder in unterschiedlichem Maße betreffen. Soweit unverzichtbar, werden sie namentlich genannt.

Art und Weise seiner Entstehung war ein unwürdiger Prozess

Grundsätzlich begrüßen wir die Absicht und den Auftrag des Untersuchungsausschusses, die bislang nicht aufgeklärten Beziehungen zwischen dem NSU-Netzwerk und der extrem rechten Szene Baden-Württembergs sowie die mögliche Beteiligung des NSU-Netzwerkes am Heilbronner Mordanschlag und die Rolle der Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden, insbesondere des Verfassungsschutzes, umfassend zu untersuchen. Nicht zuletzt begrüßen wir die Tatsache seines Zustandekommens, auch wenn die Art und Weise seiner Entstehung einen unwürdigen Prozess darstellte, der sich zeitweise zwischen Provinzposse und Machtpoker bewegte.

Große Zurückhaltung beim Nach-und Hinterfragen

Aus der problematischen Entstehungsgeschichte resultieren einige bis heute bestehende Strukturmängel: Eine parlamentarische Kontrolle der Exekutive findet in diesem Untersuchungsausschuss,  der „schärfsten Waffe des Parlaments“ – nur sehr eingeschränkt statt. CDU- und FDP-VertreterInnen sollen Vorgänge aus der Zeit ihrer Regierungsverantwortung überprüfen, VertreterInnen von GRÜNEN und SPD aus der Zeit ihrer Regierungstätigkeit. Daraus ergeben sich – mal mehr, mal weniger erkennbar – Bremsen, wie zum Beispiel eine große Zurückhaltung beim Nach-und Hinterfragen und eine Vorsicht beim Umgang untereinander. Es zeigen sich spezielle Koalitionen z.B. zwischen CDU und SPD sowie FDP, die bei Kritik an Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden eine reflexartige Verteidigungshaltung an den Tag legen. Etwa bei der Ansprache des „institutionellen Rassismus“ dieser Behörden durch die Bundestagsabgeordnete Dr. Högl, in der z.B. der SPD-Abgeordnete Sakellariou einen Generalangriff auf die Ehre von 25.000 Polizeibeamten witterte. Dabei hatte Dr. Högl lediglich aus dem Abschlussbericht des Bundestagsuntersuchungssauschusses zitiert. Dieser hätte den Ausschussmitgliedern ebenso bekannt sein können, wie die wissenschaftliche Definition von „institutionellem Rassismus“, die gerade auch nicht beabsichtigtes diskriminierendes Handeln und strukturell vorgegebene Verdachtsmuster hervorhebt. Im Übrigen stellte die von den Akteuren dieser großen Koalition offen gezeigte Distanz, gelegentlich aggressive Ablehnung gegenüber den Berliner Ausschussmitgliedern, einen geradezu peinlichen und unwürdigen Auftakt der Tätigkeit des Stuttgarter Gremiums dar.

Auf eine gründlichere Analyse der komplexen Befundlage verzichtet

Dieselbe große Koalition zeigte sich bei der Bewertung der Ortsbegehung in Heilbronn am 4. Mai 2015: Die Vertreter der drei Parteien kamen auffallend schnell zu einer übereinstimmenden Beurteilung der vorgestellten Zeugenaussagen und zu dem Schluss, dass die Mehr-Täter-Theorie (mehr als zwei Täter) vom Tisch sei. Damit haben sie auf eine gründlichere Analyse der komplexen Befundlage verzichtet, weitere Aktenauswertungen und Zeugenbefragungen nicht abgewartet und sich vorschnell der offiziellen Selbstverteidigungslinie der Ermittler (Staatsanwaltschaften und auch von Teilen der Polizei) sowie des Innenministeriums angeschlossen.

Mangelnder Aufklärungswille einzelner Abgeordneter

Einige Abgeordnete, welche die Einrichtung des Untersuchungsausschusses lange Zeit nachdrücklich abgelehnt hatten, sind nun Mitglieder eben dieses Gremiums. Es gibt begründete Zweifel daran, dass sie alle Vorbehalte abgelegt haben und willens und geeignet sind, die vielen Fragen des NSU-Komplexes aufzuklären. Zu ihnen zählen besonders der CDU-Abgeordnete Blenke und der SPD-Abgeordnete Sakellariou.

Unvereinbarkeit von früherem Amt und heutigem Mandat

Einen ganz besonderen Fall der Unvereinbarkeit von früherem Amt und heutigem Mandat sehen wir in der Person von Justizminister a.D. Goll im Untersuchungsausschuss. Goll war zum Zeitpunkt des Kiesewetter-Mordes Justizminister, also Vorgesetzter des Heilbronner Staatsanwaltes und damit mitverantwortlich für dessen Tätigkeit, die viele kritische, bis heute nicht beantwortete Fragen aufgeworfen hat.

Restriktive Akteneinsicht

Die bisherige Regelung der Akteneinsicht ist außerordentlich restriktiv. Sie wird von der Behörde, deren Tätigkeit untersucht werden soll, bestimmt. Das betrifft die Entscheidungen über die Auswahl der Akten und deren Teil-Schwärzung sowie die Einschränkungen für die Abgeordneten, sich Notizen zu machen und zu zitieren.

Daraus ergeben sich für uns zwingend folgende Forderungen: Die Fraktionen von CDU, SPD, FDP sollen insbesondere die Entsendung des Abgeordneten Goll sowie der Abgeordneten Blenke und Sakellariou in den Untersuchungsauschuss mit der Option überprüfen, sie durch andere Abgeordnete, zumindest jedoch durch ihre Stellvertreter, zu ersetzen. Der Landtag und der Untersuchungsausschuss sollen beim Innenministerium von Baden-Württemberg die rechtzeitige Bereitstellung der für Ihre Arbeit notwendige Akteneinsicht und die Aussagegenehmigungen vor allem von MitarbeiterInnen des Verfassungsschutzes (einschließlich V-Leute) einfordern. Sie sollen dafür sorgen, dass die Modalitäten der Akteneinsicht durch Mitglieder des Ausschusses im Datenraum dahingehend geändert werden, dass handschriftliche Notizen generell möglich sind (Ausnahmen sind im Einzelnen zu begründen und dürfen die generelle Regelung nicht behindern).

Drexler tritt vorschnellen Bewertungen deutlich entgegen

Positiv bewerten wir die bisherige Verhandlungsführung des Ausschussvorsitzenden Drexler, insbesondere seine wiederholten Bemühungen, die Untersuchungen möglichst ergebnisoffen zu gestalten und vorschnellen Bewertungen deutlich entgegenzutreten.

Die folgende Bewertung einzelner Sitzungen und Abläufe muss sich auf einige besonders wichtige Punkte beschränken:

1. Der Fall Florian Heilig:
Die Arbeit des UA an diesem Fall erbrachte wichtige Erkenntnisse dank einer zumindest zeitweise zu beobachtenden investigativen Haltung der Mehrzahl der Ausschussmitglieder. Leider fand sie bei den nachfolgenden Befragungen keine Fortsetzung mehr. Besonders die Anhörung des KHK Gencer über den Verlauf der Ermittlungen zum Tod von A. Christ bestätigte das fehlende staatsanwaltliche und polizeiliche Aufklärungsinteresse des Todes von F. Heilig. Wie schon im Fall des Heilbronner Doppelverbrechens dargestellt, folgten die Abgeordneten der bereits angeführten „großen Koalition“ auch hier ihrem Interpretationsschema: „Die Thesen von Staatsanwaltschaft und Polizei wurden bestätigt. Es gibt keine
offenen Fragen mehr.“

Die Frage nach der Ursache des Todes von F. Heilig muss weiterhin offen gehalten werden, da unseres Erachtens noch viel zu viel ungeklärt ist:

Die Fundstücke aus dem Fahrzeug und der Wohnung von F. Heilig sind noch nicht ausgewertet.

Warum, in wessen Interesse und in wessen Verantwortung wurde in Stuttgart nicht wirklich ermittelt?

Welche Beziehungen hatte F. Heilig zur rechten Szene, insbesondere zu den älteren Szenemitgliedern?

Ebenfalls zu untersuchen sind die personellen, mentalen und strukturellen Ursachen der polizeilichen Wahrnehmungsdefizite in Bezug auf rechtsextremistische Personen und Gruppen im Großraum Heilbronn.

2. Tatortbegehung Heilbronn:
Die Tatortbegehung in Heilbronn am 4. Mai 2015 ermöglichte es den Ausschussmitgliedern, den Journalisten und der Öffentlichkeit, sich ein Bild vom Tatort zu machen und einige Zeugenaussagen räumlich einzuordnen.
Kritik üben wir an den Ausführungen des letzten LKA-„Chefermittlers“ Mögelin. Mit seinem eloquenten und smarten Auftreten konnte er einige Zuhörende und sonst eher kritische Journalisten darüber hinwegtäuschen, dass er eine Auswahl und Bewertung der Befunde vornahm, die vollkommen stimmig war zu der Linie der Staatsanwaltschaft, der Bundesanwaltschaft und dem Berichts der EG Umfeld, ganz im Sinne der Zwei-Täter-Theorie. Er sprach von „Zeugen, die blutverschmierte Personen gesehen haben wollen“ und untergrub deren Glaubwürdigkeit mal subtil, mal offensiv, aber konsequent. In seiner Aussage vor dem Bundestagsuntersuchungssauschuss hatte er diese Zeugenaussagen noch als „vernünftig und glaubwürdig“ und als „korrespondierend“ bezeichnet. Auch ging er kaum auf die Befunde der ersten Ermittlungsgruppe ein, ebenso wenig auf die chaotische Situation am Tatort unmittelbar nach der Tat: Dieser war nicht systematisch abgesperrt und zig Polizisten unterschiedlichster Zuständigkeiten irrten und trampelten auf dem Tatgelände herum. Die Darstellung der einseitig selektierten Befunde vor Ort verlieh ihnen einen nicht gerechtfertigten Anschein von Authentizität.

Polemik des Abgeordneten Sakellariou gegenüber den Mitgliedern des Bundestagsausschusses

Noch eine Anmerkung zu der Polemik des Abgeordneten Sakellariou gegenüber den Mitgliedern des Bundestagsausschusses „Ich bin sicher, dass der Berliner Ausschuss Aussagen anders gewichtet hätte, wäre er ebenfalls vor Ort gewesen.“ Vielleicht hätte er einmal seine Parteikollegin Högl fragen sollen, die sich laut Ausschussprotokoll ein Bild vom Tatort gemacht hatte. Jedenfalls klang seine Überraschung über die Eindrücke vor Ort für einen, der gerade 50 Kilometer entfernt wohnt, nicht überzeugend.

Um die Umstände des Mordes von M. K. und des Mordversuchs von M.A. aufzuklären, bedarf es unseres Erachtens zumindest folgender Voraussetzungen:

Der Ausschuss muss die verschiedenen Täterhypothesen einer erneuten, ergebnisoffenen Überprüfung unterziehen.

Die Indizien für die Mehr-Täter-Theorie sind auch im Blick auf die anhaltende Gefahr, die von Tätern und Unterstützern z.B. für aussagebereite Personen ausgehen könnte, ernst zu nehmen und weiter zu überprüfen.

Falls eine Beteiligung oder Beihilfe von Dienstpersonen aus dem Bereich der Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden an der Tat oder an ihrer Vertuschung in Frage kommt, muss dies ohne Ansehen der Person/en überprüft werden.

Der Ausschuss soll sämtliche polizeilichen Ermittlungsergebnisse in seine Untersuchungen einbeziehen, auch jene, die durch das Eingreifen der Heilbronner Staatsanwaltschaft nicht weiter verwertet wurden. Auch das Vorgehen der Staatsanwaltschaft selbst und ihre Motive müssen Bestandteil einer solchen Untersuchung sein.

Das vielfältige Beziehungsgeflecht, das sich zwischen Kiesewetters Heimatort und den mutmaßlichen Tätern bisher nur in groben Umrissen gezeigt hat, ist gründlicher als bisher zu untersuchen. Ebenso die Beziehungen zwischen dem NSU-Netzwerk und der extrem rechten Szene im Großraum Heilbronn, in Schwäbisch Hall, Ludwigsburg, Stuttgart und darüber hinaus.

Die Akten der Ermittlungen im Fall Kiesewetter/Arnold sind dem Ausschuss vollständig zugänglich zu machen.

Sitzungsprotokolle des Untersuchungsausschusses veröffentlichen

Zuletzt fordern wir, die Sitzungsprotokolle des Untersuchungsausschusses zeitnah auf der Homepage des Landestags von Baden-Württemberg zu veröffentlichen. Dies ist, neben der Möglichkeit, die öffentlichen Sitzungen zu besuchen, ein wesentlicher Beitrag zu größtmöglicher Transparenz und eine wichtige Bedingung demokratischer Teilhabe.

INA Initiative NSU-Aufklärung

 

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„Solidarität mit Dilek Toy fortsetzen: Ungerechtfertigte Abmahnung des Haller Landratsamts“ – Zweite Arbeitsgerichtsverhandlung: Am Donnerstag, 21. Mai 2015, in Crailsheim

Dilek Toy arbeitet im Landratsamt Schwäbisch Hall als Diplompflegewirtin und wohnt in Esslingen. Dort wurde sie auf der Liste des Personenwahlbündnisses FÜR in den Gemeinderat gewählt. Sie bekam eine ungerechtfertigte Abmahnung vom Haller Landratsamt, wogegen sie Widerspruch erhoben hat. Am Donnerstag, 21. Mai 2015, um 12 Uhr findet der zweite Gerichtstermin im Arbeitsgericht Crailsheim statt. Um 11 Uhr gibt es eine Kundgebung auf dem Marktplatz in Crailsheim.

Zugesandt von Willi Maier, Schwäbisch Hall

Kundgebung auf dem Crailsheimer Marktplatz

Wer Dilek Toy unterstützen möchte und Zeit hat, kommt bitte zur Kundgebung  um 11 Uhr auf den Marktplatz Crailsheim und um 12 Uhr zum Crailsheimer Arbeitsgericht, Friedrichstraße 16.

Flugblatt – 21. Mai 2015: Solidarität mit Dilek Toy fortsetzen!

Von Frieder Harsch, Esslingen

Abmahnung wegen eines Infostands

Am Donnerstag, 21. Mai (2015) ist die zweite Arbeitsgerichtsverhandlung in Crailsheim. Um 11 Uhr ist eine Kundgebung auf dem Marktplatz und um 12 Uhr der Termin im Arbeitsgericht (Friedrichstraße 16). Dilek Toy, die in Esslingen wohnt und im Landratsamt Schwäbisch Hall arbeitet, wurde letztes Jahr auf der Liste des Personenwahlbündnisses FÜR in den Gemeinderat Esslingen gewählt. „Von FÜR Esslingen bekommen wir (…) Rückendeckung und Solidarität bei Angriffen auf unsere Arbeit und Person“, heißt es in den Grundsätzen für MandatsträgerInnen des Esslinger Personenwahlbündnisses. Bei der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Crailsheim wird die von ihrem Arbeitgeber, dem Landkreis Schwäbisch Hall, abgemahnte Dilek Toy deswegen nicht alleine sein. Sie erhielt eine Abmahnung im Zusammenhang mit einem Infostand während des Gemeinderatswahlkampfs 2014. Mit abenteuerlichen Ausführungen befürchtet der erzkonservative Landrat Bauer den Zusammenbruch des
Betriebsfriedens im Landratsamt Schwäbisch Hall.

Mutiger Antrag im Esslinger Gemeinderat

Obendrein wird der in Teilzeit beschäftigten Esslingerin das Berufsleben enorm erschwert, seit sie im Juni 2014 erneut in den Esslinger Gemeinderat gewählt wurde. Angeblich hat dies „keinen politischen Hintergrund“ und die zeitliche Nähe zur Wiederwahl sei „rein zufällig“. Bei der
Hauptverhandlung vor dem zuständigen Crailsheimer Arbeitsgericht wird sich zeigen, ob diese berufliche Benachteiligung rechtlichen Bestand hat. Trotz der beruflichen Widrigkeiten hat Dilek Toy zuletzt wieder mutig einen sinnvollen Antrag in den Esslinger Gemeinderat eingebracht. Statt 17,5 Millionen aus der Esslinger Stadtkasse unverzüglich an Daimler zu überweisen, hat „Fortschrittlich-Überparteilich-Rege (FÜR) Esslingen“ beantragt, zuerst mit der Firma zu verhandeln, ob es Chancen auf einen freiwilligen Verzicht gibt. Das sorgte für große Aufregung bei den etablierten Gemeinderatsparteien. Pure „Kapitalismus-Kritik“ hieß es. Dabei war die Esslinger Gemeinderätin die einzige Stimme im 40-köpfigen Gemeinderat gegen die kampflose Akzeptanz der Rückzahlung. Nicht einmal den Versuch zu unternehmen, mit der Firma über Alternativen zu diesem finanziellen Aderlass zu sprechen, zeigt die Ideenlosigkeit der anderen Ratsfraktionen.

Übrigens sind inzwischen zirka 400 Unterschriften eingegangen, die Dilek Toy die Solidarität versichern!

Um Dilek Toy zu unterstützen, ist es notwendig, dass möglichst viele Menschen aus Esslingen und Schwäbisch Hall nach Crailsheim zur Kundgebung und zum Arbeitsgericht kommen.

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„Fünf Jahre nach dem Baubeginn von Stuttgart 21: Zukunftsprojekt oder Sicherheitsgefährdung?“ – Vortrag in Schwäbisch Hall

Zum Thema „Fünf Jahre nach dem Baubeginn von Stuttgart 21: Zukunftsprojekt oder Sicherheitsgefährdung?“ spricht Matthias Lieb, Landesvorsitzender Baden-Württemberg des Verkehrsclub Deutschland (VCD) am Dienstag, 19. Mai 2015, um 19 Uhr im Bahnhof Schwäbisch Hall.

Von Paul Michel, Schwäbisch Hall

Gleise so steil wie in keinem anderen Großstadtbahnhof

In seinem Vortrag beschäftigt sich der Referent mit der ungewöhnlich starken Schieflage der geplanten Tiefbahnhofs Stuttgart 21. Mit über 15 Promille sind die Gleise im Tiefbahnhof so steil wie in keinem anderen Großstadtbahnhof. Diese Schieflage birgt ein unbeherrschbares Sicherheitsrisiko. Dieses Gefälle, das um ein vielfaches die erlaubten Höchstwerte übersteigt, stellt für die Reisenden eine beträchtliche Gefährdung dar. Alle Interessierten und selbstverständlich auch die Presse sind zu dem Vortrag herzlich eingeladen.

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„Auskunftsrechte von Journalisten und Bürgern“ – Vortrag in Heilbronn

Auf welcher Grundlage Journalisten und Bürger selbst bei heiklen Anfragen von Behörden Antwort erhalten müssen, erläutern Tania Röttger und Daniel Drepper vom gemeinnützigen Recherchebüro CORRECT!V am Montag, 18. Mai 2015, ab 19 Uhr, in Heilbronn. Die Veranstaltung findet um 19 Uhr bei der Heilbronner Stimme statt. Sie kann auch von DJV-Mitgliedern kostenlos besucht werden.

Jan Berger, DJV

Weitere Informationen zur Veranstaltung in Heilbronn:

http://www.stimme.de/heilbronn/nachrichten/stadt/Workshop-Was-Behoerden-Ihnen-sagen-muessen;art1925,3366538

Nur eine Anmeldung per Mail mit dem Stichwort „IFG Heilbronn“ an auskunftsrecht@correctiv.org ist nötig, da die Plätze begrenzt sind. Ich gehe davon aus, dass für viele DJV-Mitglieder die Themen Auskunftsrechte und Informationsfreiheitsgesetz interessant sind – vielleicht ist das für Sie deshalb ein spannender Termin.

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„Für Vielfalt, gegen Rassismus – gegen Pegida“ – Demonstration am heutigen Sonntag in Stuttgart

Eine Demontration „Für Vielfalt, gegen Rassismus – gegen Pegida“ gibt es am Sonntag, 17. Mai 2015, ab 13.30 Uhr, in Stuttgart.

Von Andrea Gregor, Pressesprecherin Deutscher Gewerkschaftsbund, Bezirk Baden-Württemberg

Islamfeindliche Pegida will aufmarschieren

Für Sonntag, 17. Mai 2015, plant die islamfeindliche Pegida ihren zweiten Versuch, in Stuttgart aufzumarschieren. Um diesem ein deutliches Zeichen der Zivilgesellschaft entgegenzusetzen, mobilisiert ein breites Bündnis aus bisher 67 Organisationen zu einer „Kundgebung“ für Vielfalt und gegen Rassismus am 17. Mai ab 13:30 Uhr auf der Querspange (Verlängerung der Eberhardstraße zwischen Tübinger Straße und Königstraße). „Wir sehen nicht tatenlos zu, wie extreme rechte Kräfte ihre giftige Ideologie in der Gesellschaft verteilen. Wir sprechen diesen Leuten das Recht ab, Hass zu schüren auf unseren Straßen“, sagte Nikolaus Landgraf, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Baden-Württemberg. „Respekt und Toleranz sind für den DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften Leitlinien in einer pluralistischen Gesellschaft.“

Starke Gegenproteste

Die von der Schauspielerin und Regisseurin Barbara Stoll moderierte Kundgebung eröffnet Gökay Sofuoglu, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg e.V.. Anschließend spricht Sara Alterio vom Forum der Kulturen Stuttgart e.V., gefolgt von dem DGB-Landesvorsitzenden Landgraf. Ergänzt wird das Programm durch Musikbeiträge. Die erste Kundgebung der islamfeindlichen Pegida fand im Oktober 2014 in Dresden statt. Schon seit Monaten versucht sich die Bewegung an einer Ausbreitung auf die Großstädte der Bundesrepublik nach Dresdner Vorbild. In den meisten Städten folgten deutlich mehr Menschen dem Aufruf zu Gegenprotesten als den örtlichen Ablegern der Pegida.

Islamhasser Michael Mannheimer angekündigt

Auch in Stuttgart wurden Planungen zu einer Pegida-Kundgebung Anfang Januar 2015 bekannt. Ein breites Bündnis organisierte umgehend eine Gegenkundgebung. Die Stuttgarter Pegida verwarf ihren Plan, die Gegenveranstaltung fand dennoch statt und wurde mit 8.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern am 5. Januar 2015 ein voller Erfolg. Am 17. Mai 2015 scheint nun die erste Pegida-Kundgebung in Stuttgart stattzufinden. Als erster Redner ist der Publizist und Islamhasser Michael Mannheimer angekündigt.

Unterstützende Organisationen der Gegendemonstration in Stuttgart (Stand: 12. Mai, 9.45 Uhr):

Alevitische Gemeinde Baden-Württemberg, Allianz für Menschenrechte,
Tier- und Naturschutz, Amadeu Antonio Stiftung, Attac Stuttgart,
Bündnis90/Die Grünen KV Böblingen, Bündnis90/Die Grünen Ludwigsburg,
Bündnis90/Die Grünen OV Böblingen, Bündnis90/Die Grünen Stuttgart,
Bürgerchor Stuttgart, BürgerInnen-Parlament, Deutsch-türkischer
Wirtschaftsdialog, Deutsch-Türkisches Forum Stuttgart, DFG-VK
Baden-Württemberg, DGB Baden-Württemberg, DGB Jugend Baden-Württemberg,
DGB Stuttgart, DIDF Stuttgart, Die AnStifter, Die Humanisten
Baden-Württemberg, DIE LINKE Baden-Württemberg, DIE LINKE Ludwigsburg,
DIE LINKE Regionalparlament Stuttgart, DIE LINKE Reutlingen, DIE LINKE
Stuttgart, DKP Stuttgart, Evang. Bildungswerk Hospitalhof, Forum
Demokratischer Sozialismus Baden-Württemberg, Forum der Kulturen
Stuttgart, Freundeskreis Asyl Mühlacker, Gegen Vergessen – Für
Demokratie, IG CSD Stuttgart, Initiative 30.09., Initiative Lern- und
Gedenkort Hotel Silber, Jusos Baden-Württemberg, Jusos Rems-Murr, Jusos
Stuttgart, Kings Club, Kommunales Kino Göppingen, KZ-Gegenkstätte
Vaihingen Enz, Landesjugendring Baden-Württemberg, Linksjugend [’solid]
Baden-Württemberg, Linksjugend [’solid] Stuttgart , Mauthausen Komitee
Stuttgart, Miteinander statt Gegeneinander Ulm, NO Pegida in VS, No
Pegida Stuttgart, Ökumenische Aktion Ohne Rüstung Leben, Pax christi
Stuttgart, Pentaton Kulturnetz, Piratenpartei Stuttgart, REVO Stuttgart,
see.feld Werkstatt für Dialog und Entwicklung, SPD Stuttgart, SPD
Stuttgart-Ost, Stadtjugendring Stuttgart, Stadtjugendring Stuttgart,
Stuttgart bleibt BUNT, Stuttgart Ökologisch Sozial, Theaterhaus
Stuttgart, Türkische Gemeinde Baden-Württemberg, Umsonst & Draußen,
ver.di Baden-Württemberg, ver.di Jugend Stuttgart, ver.di Stuttgart,
Verein für Internationale Jugendarbeit, VVN Baden-Württemberg, VVN
Stuttgart, Weissenburg, Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften

Mit freundlichen Grüßen,

Andrea Gregor

Andrea Gregor

Pressesprecherin

Deutscher Gewerkschaftsbund
Bezirk Baden-Württemberg

Lautenschlagerstr. 20

70173 Stuttgart

Telefon: 0711-2028 213

Mobil: 0175-2924287

E-Mail: andrea.gregor@dgb.de <mailto:andrea.gregor@dgb.de>

cid:image001.png@01CF2E0F.86B9BBA0
http://www.bw.dgb.de <http://www.bw.dgb.de/>

www.facebook.com/bw.dgb <http://www.facebook.com/bw.dgb>
www.twitter.com/dgb_bw <http://www.twitter.com/dgb_bw>

Mitglied in einer DGB-Gewerkschaft werden:

https://www.dgb.de/service/mitglied-werden/index.html

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„Die Lokführer streiken für uns alle: Deutschland sollte Claus Weselsky dankbar sein“ – Kommentar von Jakob Augstein in Spiegel Online

„Ein aufmerksamer Stuttgart-21-Gegner hat mir die vollständige Kolumne von Jakob Augstein in Spiegel Online als Link zukommen lassen“, schreibt Jochen Dürr aus Schwäbisch Hall. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht unten den Link.

Zugesandt von Jochen Dürr, Schwäbisch Hall

Link zum ganzen Artikel von Jakob Augstein:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bahn-streik-danke-claus-weselsky-augstein-kolumne-a-1032521.html

S.P.O.N. – Im Zweifel links: Danke, Herr Weselsky!

Die Lokführer streiken für uns alle. Deutschland sollte Claus Weselsky dankbar sein. Aber Politik und Öffentlichkeit sind gegen ihn. Was wir vergessen: Seine Niederlage wäre unsere Niederlage.

Eine Kolumne von Jakob Augstein

Meistgehasster Mann Deutschlands

Da ist er wieder: Claus Weselsky, Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) und meistgehasster Mann Deutschlands. Der Tarifkonflikt zwischen der Bahn und den Lokomotivführern dauert jetzt zehn Monate. Es gab 16 Verhandlungsrunden. Zum achten Mal wird nun gestreikt. CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs spricht für die Mehrheit in Politik und veröffentlichter Meinung: „Diese Machtspiele eines einzelnen Gewerkschafters sind einfach unerträglich.“

So einfach kann man sich das machen: Der Kampf der Lokführer wird zur Personalie degradiert, zur Eitelkeit eines Einzelnen. Dabei geht es hier um nichts weniger als das Recht auf Streik. Das sollte uns ein paar Unbequemlichkeiten wert sein. Unsere Gleichgültigkeit ist sonst unser eigener Schaden. (…)

Link zum ganzen Artikel von Jakob Augstein:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bahn-streik-danke-claus-weselsky-augstein-kolumne-a-1032521.html

 

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„Allerlei Rechtes im Ländle“ – Vortrag in Schwäbisch Hall über Rechtsextreme in Baden-Württemberg

Einen Vortrag zum Thema „Allerlei Rechtes im Ländle – Rechte in Baden-Württemberg“ hält L. Teidelbaum am Samstag, 16. Mai 2015, um 19 Uhr im club alpha 60 in Schwäbisch Hall.

Vom Club Alpha 60, Schwäbisch Hall

Neonazistische Parallelgesellschaften

Im Südwesten gibt es eine umtriebige und breit aufgegliederte extrem rechte Szene. Diese besteht unter anderem aus Parteien, „Kameradschaften“, Vereinen, Verlagen, Versandhandlungen oder Bands. Diese führen ihr Dasein weitgehend unbeobachtet von der kritischen Öffentlichkeit. In eigenen Subkulturen entstehen neonazistische und zumeist jugendliche Parallelgesellschaften, die einen ausfasernden Rand aufweisen. Von diesen Strukturen gehen tagtäglich Gefahren für Menschen aus, die nicht in das neonazistische Weltbild passen. Als stärkste, extrem rechte Partei versucht die neonazistische NPD eine führende Rolle in der Szene einzunehmen. Immerhin verfügt die NPD in Baden-Württemberg über den mitgliederstärksten Landesverband ihrer Jugendorganisation, die „Jungen Nationaldemokraten“ (JN).

Ganz ohne Angaben des Verfassungsschutzes

Doch wie stehen in der Neonazi-Szene NPD und die so genannten „Freien Kräfte“ zueinander? Neben NPD/JN und Co. versuchen auch Parteien und Organisationen, die sich nicht am historischen Nationalsozialismus orientieren, mit rechtem Populismus Stimmen und Anhänger zu gewinnen. In Baden-Württemberg ist hier besonders die antimuslimische Bewegung zu nennen. Der Vortrag zeigt auf, was es eigentlich für extrem rechte Strukturen in Baden-Württemberg gibt und wo die Gefahren liegen. Er ist eine Einführung in die Organisation und Verfasstheit der braunen Szene in Baden-Württemberg, unterfüttert mit lokalen Beispielen. Der Vortrag basiert auf jahrelanger kritischer Beobachtungs-Tätigkeit und kommt ganz ohne Angaben des Verfassungsschutzes aus.

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„Um den NSU-Untersuchungsausschuss in Baden-Württemberg ist ein gnadenloser Machtkampf entbrannt“ – Kommentar des Journalisten Thomas Moser

Die schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich: Erst sollte die Aufklärung des Polizistenmordes von Heilbronn, Mord Nummer zehn im NSU-Komplex, mittels der Ermittlungsgruppe Umfeld des Landeskriminalamtes (LKA) verhindert werden, dann mittels einer Enquête-Kommission im Landtag, nun durch einen Untersuchungsausschuss selber.

Kommentar von Thomas Moser, Freier Journalist aus Berlin

Auf einmal scheinen alle Zweifel beseitigt

Am 4. Mai 2015 nahm der Ausschuss den Tatort Theresienwiese in Heilbronn in Augenschein und ließ sich vom LKA-Vertreter Axel Mögelin Ermittlungsergebnisse schildern – und auf einmal scheinen alle Zweifel beseitigt. Der Mordanschlag auf die Polizistin Michèle Kiesewetter und ihren Kollegen Martin Arnold geschah doch so, wie es die Bundesanwaltschaft behauptet: Allein durch zwei Täter. Beispielhaft für das fast einhellige Presseecho die kleine taz-Schwester Kontext: „Ein einziger Spaziergang von gut zwei Stunden hat den baden-württembergischen NSU-Untersuchungsausschuss einer Lösung seiner Aufgabe nähergebracht, die Umstände der Ermordung von Michèle Kiesewetter aufzuhellen. Die Begehung der Heilbronner Theresienwiese konnte die bisherige Zwei-Täter-Theorie der ermittelnden Behörden nicht erschüttern. Eher im Gegenteil.“

Medien, die Sprachrohre der Offiziellen werden

Tatsächlich hat sich ein gnadenloser Machtkampf in und um diesen Untersuchungsausschuss entwickelt, der wenig Spielraum lässt. Zunächst: LKA-Mann Axel Mögelin, letzter Leiter der SoKo Parkplatz, verfälscht und manipuliert die Ermittlungsergebnisse seines eigenen Amtes. Er gibt Zeugenaussagen nicht korrekt wieder und verneint die Einschätzungen, zu denen die Kriminalbeamten vor dem November 2011 gekommen waren. Vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss sprach er im September 2012 selbst von korrespondierenden Zeugenaussagen, die nahelegen, dass vier bis sechs Täter an dem Überfall beteiligt waren. Heute stellt er das in Abrede. Damals wollte die SoKo Parkplatz drei Phantombilder zur Fahndung herausgeben. Die Angaben der Zeugen erschienen den Ermittlern stimmig und glaubhaft. Jetzt qualifiziert Mögelin die Aussagen dieser Zeugen ab und bestreitet ihren Wert. Mögelin leugnet Mögelin, könnte man dazu sagen. Offensichtlich hat sich das LKA entschieden, entwertet seine eigene Arbeit und unterwirft sich wider besseres Wissen den Vorgaben von Bundesanwaltschaft und Landesinnenministerium. Danach waren die Täter allein Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Und das, obwohl Bundeskriminalamt (BKA) und LKA in ihren Ermittlungen nach 2011 zu dem Ergebnis kamen: „Ein eindeutiger Nachweis, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am Tattag in unmittelbarer Tatortnähe in Heilbronn waren, konnte bislang nicht erbracht werden.“ (Ermittlungsbericht BKA, Oktober 2012)

Vier Streifenwagen wurden gesehen

LKA-Vertreter Mögelin hat bei dem Ortstermin in Heilbronn aber nicht nur Spuren tendenziös präsentiert, er hat auch wichtige Spuren und Zeugenaussagen verschwiegen. Zum Beispiel, dass vier Zeugen unabhängig voneinander zwischen 13.20 Uhr und 13.50 Uhr, zum Teil nur wenige Minuten vor dem Anschlag, an vier Stellen auf und an der Theresienwiese vier Streifenwagen gesehen haben. Kiesewetter und Arnold waren zu den Zeitpunkten noch nicht am späteren Tatort. Es sind Spuren, die in die Reihen der Polizei hineinführen und die von den Ermittlern nicht weiterverfolgt wurden. Offensichtlich sollen sie es auch heute noch nicht.

Vertuschungsabsicht 2015 stärker als 2012

Die Entwicklungen lassen nur einen Schluss zu: Der Wille im Sicherheitsapparat, die Aufklärung der NSU-Mordserie zu verhindern, ist größer geworden, die Vertuschungsabsicht 2015 stärker als 2012. Das muss zu denken geben.

Über eigene Aufdeckungswirkung regelrecht erschrocken?

Der Ausschuss hatte in seinen ersten Sitzungen atemberaubende Enthüllungen gezeitigt. Stichwort: Todesfall Florian H. und die unterlassenen Ermittlungen. Dann der plötzliche Tod der 20-jährigen Melisa M., ehemals Freundin von Florian H., die im Ausschuss als Zeugin gehört worden war. Doch nach den letzten Sitzungen musste man den Eindruck gewinnen, dass der Ausschuss zumacht. Es scheint, als ist er über seine eigene Aufdeckungswirkung regelrecht erschrocken. Nun wird konservativ gefragt, es wird nicht zu Ende gefragt, es werden vorschnell Schlüsse im Sinne der Behörden gezogen, es werden die nötigen Akten nicht angefordert, es wird akzeptiert, dass Akten nur schleppend geliefert werden, und es werden die Regelungen des Geheimschutzes akzeptiert (lediglich Einsichtnahme in Akten, keine Kopien), aufgestellt von Behörden, die doch eigentlich Untersuchungsgegenstand des Ausschusses sind.

Akten kamen erst sehr spät

Mehr als drei Monate hat es gedauert, ehe die Ermittlungsakten des LKA zum Mordfall Heilbronn den Ausschuss erreichten. Den Fall Arthur C. mussten die Abgeordneten ohne Kenntnis dieser Akten behandeln. Die Akten zur V-Frau „Krokus“ bekamen sie ganz kurz vor dem entsprechenden Sitzungstag vom 27. April, nämlich am Freitag, 24. April. Das grenzt an Sabotage. Doch der Ausschuss blieb klaglos. Dabei kann er auch anders. Am 7. Mai hat der Vorsitzende Wolfgang Drexler per Pressemitteilung Hajo Funke ultimativ aufgefordert, die Beweismittel im Falle Florian H. (Notebook, Handy, Camcorder) bis zum 22. Mai dem Ausschuss zu übergeben. Ein kalkulierter Affront. Von einer ähnlichen öffentlichen Aufforderung beispielsweise gegenüber Innenminister Reinhold Gall hat man bisher nichts vernommen.

Tendenziöser und unbestimmter Vorabbericht

Seit sechs Wochen, seit dem Tod am 28. März 2015, dauert die Obduktion von Melisa M. nun schon an, ohne dass man ein Ergebnis erfährt. Kritik an dem tendenziösen und unbestimmten Vorabbericht („…dürfte [!] sich aus dem unfallbedingten Hämatom im Knie ein Thrombus gelöst und die Embolie verursacht haben“) wies der Ausschussvorsitzende zurück.

Frontmann gegen die Aufklärung ist Nikolaos Sakellariou

Als Frontmann gegen die Aufklärung und für die offizielle Version erweist sich immer mehr der SPD-Abgeordnete Nikolaos Sakellariou. Dabei ist er doch nur konsequent. Drei Jahre lang kämpfte er energisch gegen einen Untersuchungsausschuss an, lobte 2014 den oberflächlichen und mangelhaften Bericht der EG Umfeld, besser könne es ein Untersuchungsausschuss nicht machen und verstieg sich dabei zu der entlarvenden Aussage, so wörtlich: „Der Bericht der EG Umfeld ist gerade deshalb so gut, weil er nicht alle Fragen beantwortet.“ Dass ausgerechnet er nun trotzdem Obmann in diesem Ausschuss ist, könnte man als Treppenwitz verstehen, besser aber als die programmatische Infragestellung des Gremiums.

Sakellariou traute sich nicht, Journalisten kritische Fragen zu stellen

Was sich Sakellariou nach dem Tatorttermin in Heilbronn erlaubt, ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten. Auch für ihn ist nach der Besichtigung der Theresenwiese die Zwei-Täter-Theorie belegt. Mehr noch: Er kritisiert den Bundestags-UA, der hätte doch auch nach Heilbronn kommen sollen, dann wäre er womöglich zu einer ähnlichen Einsicht gelangt. Da wohnt dieser Mann nur wenige Kilometer vom Tatort entfernt in Schwäbisch Hall und hält es acht Jahre lang nicht für nötig, auch nur ein Mal zur Theresienwiese zu gehen. Da argumentiert er Jahre lang, sozusagen ignorant und unkundig, gegen einen Untersuchungsausschuss an und greift dann Abgeordnete an, die engagiert und lange vor ihm taten, was er nun vorgibt zu tun. Einige der MdBs waren übrigens vor Ort in Heilbronn, auch mehrfach. Es scheint zur Methode Sakellariou zu gehören, einfach mal etwas anderes zu behaupten. Wenn er dann noch mit Blick auf die Journalisten, die als Sachverständige vor dem Ausschuss ausgesagt haben, (u.a. der Autor dieses Textes) erklärt, er hätte uns andere Fragen gestellt, wenn er vorher schon mal in Heilbronn am Tatort gewesen wäre, dann argumentiert der urplötzliche Aufklärer nicht nur mit seiner eigenen Inkompetenz, sondern auch mit seiner Feigheit. Er hat sich schlicht nicht getraut, kritische Fragen an uns zu stellen.

Staatsanwalt Meyer-Manoras intrigierte gegen Ermittler

Was soll Nikolaos Sakellariou in diesem Ausschuss? Neben ihm müsste mindestens auch Ulrich Goll, FDP, aus dem Gremium zurückbeordert beziehungsweise der Rücktritt nahegelegt werden. Auch Goll hat sich lange Zeit entschieden gegen diesen UA ausgesprochen. O-Ton im Februar 2014 bei der Vorstellung des EG Umfeld-Berichtes: „Natürlich sind nicht alle Rätsel gelöst – sie können wahrscheinlich auch nicht gelöst werden.“ Vor allem aber: Wie soll er sein eigenes früheres Regierungshandeln aufarbeiten? Denn Goll war zum Zeitpunkt des Kiesewetter-Mordes Justizminister von Baden-Württemberg und damit Dienstherr des verantwortlichen Staatsanwaltes von Heilbronn, Christoph Meyer-Manoras, der die Ermittlungen sabotierte. Meyer-Manoras verweigerte die Veröffentlichung von Phantombildern für die Fahndung, verhinderte die Sicherstellung des privaten E-Mailverkehrs von Michèle Kiesewetter und traf sich an den offiziellen Ermittlungen der SoKo Parkplatz vorbei mit dem Anschlagsopfer Martin Arnold, um gegen die Ermittler zu intrigieren. Die Unterdrückung der Phantombilder hatte den Segen des Generalstaatsanwaltes von Stuttgart, Klaus Pflieger.

Ex-Generalstaatsanwalt müsste vernommen werden

Neben Staatsanwalt Meyer-Manoras (Zeuge am 22. Mai 2015 in Stuttgart), müssten der frühere Generalstaatsanwalt Pflieger sowie der frühere Justizminister Goll als Zeugen vom Ausschuss vernommen werden. Ausschussmitglied Matthias Pröfrock, CDU, wollte den Innenminister als Zeugen hören. Er kann sich beweisen: Ist er auch dafür, den damals verantwortlichen Justizminister zu hören?

Auseinandersetzung mitten in den Ausschuss hinein

Schon im Bundestags-UA hatte sich ein Machtkampf zwischen Parlament und Exekutive um die Aufklärung der Hintergründe des NSU-Mordkomplexes entwickelt, wie nun im UA von Baden-Württemberg. Der Unterschied ist: im Bundestag standen die Obleute aller Fraktionen gemeinsam und geschlossen gegen die Exekutive – in Stuttgart aber führt die Auseinandersetzung mitten in den Ausschuss hinein. Dort hat die Exekutive ihre Vertreter sitzen – Aliens, die in ihrem Interesse operieren und den wahren Auftrag dieses Gremiums verraten.

Der Artikel in Kontext:Wochenzeitung vom 6. Mai 2015:

http://www.kontextwochenzeitung.de/schaubuehne/214/nsu-ausschuss-auf-tatortbegehung-ein-stimmigeres-bild-2868.html

Informationen im Internet über Thomas Moser:

https://machtelite.wordpress.com/2013/05/05/warum-setzte-wdr-5-beitrag-uber-nsu-ausschuss-ab/

http://www.kritische-polizisten.de/pressemitteilungen/2013-10-12-0-Zensur_Kontext.html

Ein Artikel von Thomas Moser über den Münchner Prozess und den NSU-Mord Nummer 9 in Kassel:

Ein Verfassungsschützer am Tatort und eine Anklagebehörde, die Akten unterdrückt. Jeder der zehn Morde, die dem NSU-Trio angelastet werden, birgt ein besonderes Geheimnis. So auch das neunte Verbrechen im April 2006 an einem deutsch-türkischen Internetcafé-Betreiber in Kassel: Warum war ein Verfassungsschützer am Tatort? Vor dem OLG in München wurde vier Tage lang darüber verhandelt. Es war erst der Anfang, denn vor allem die Bundesanwaltschaft weiß mehr, als sie preisgibt.

Von Thomas Moser, Freier Journalist, Berlin

In seinem Internetcafé mit zwei Kopfschüssen getötet

Am 4. April 2006 wurde der achte Mord an Mehmet Kubasik in Dortmund verübt. Zwei Tage später, am 6. April, folgte der neunte in Kassel. Der 21jährige Halit Yozgat wurde gegen 17 Uhr in seinem Internetcafé mit zwei Kopfschüssen getötet. Der zweite Schuss wurde auf das am Boden liegende Opfer abgefeuert. Die Tatwaffe war eine Pistole der Marke Ceska. Sie wurde im November 2011 im Brandschutt der Wohnung in Zwickau gefunden, wo das Trio Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, Beate Zschäpe gelebt hatte. Bei allen neun Morden wurde die Ceska verwendet.

Während der Tat waren nachweislich noch mindestens fünf Menschen in dem Laden:

Der Iraker Amadi S., der in einer Zelle von 16:54 bis 17:03 Uhr telefonierte, wie die Auswertung der Computeranlage ergab. Seltsam: Er ist bisher nicht als Zeuge zum Prozess in München geladen. Warum nicht, können selbst die Opferanwälte nicht beantworten. Die Türkin Hediye C. saß damals mit einem Kleinkind im sogenannten Familienraum und telefonierte. Die Jugendlichen Emre E. und Ahmed T. surften im hinteren Raum im Internet. Ahmed T. ist als Zeuge geladen, erscheint aber nicht. Warum, bleibt unklar. Die sechste Person in dem Laden war der Beamte des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz Andreas Temme. Er hatte sich um 16:51 Uhr im hinteren PC-Raum ein- und kurz vor 17:02 Uhr ausgeloggt. Wenige Minuten nach 17 Uhr fand der Vater, Ismail Yozgat, seinen Sohn hinter dem Tresen auf dem Boden liegen. Er wollte ihn um 17 Uhr ablösen und hatte sich verspätet. Durch seine Schreie kamen die Kunden dazu. Alle gaben später an, kurz vorher ein dumpfes Geräusch gehört zu haben, so, als ob etwas zu Boden fällt. Nur der Verfassungsschützer Temme war nicht mehr da. Er hatte das Geschäft verlassen.

Die Straße soll Halit-Yozgat-Straße heißen

Ismail Yozgat, 58 Jahre, schildert vor Gericht, wie er seinen toten Sohn fand. Ein Vater, dessen Herz gebrochen ist. Er schreit seinen Schmerz hinaus. Er erlitt in der Folge einen Herzinfarkt und ist heute Frührentner. Am 8. April hat er Geburtstag, am Tag nach dem Todestag seines Sohnes. Er wird ihn nie mehr feiern, sagt er. Sein Sohn ist in der Holländischen Straße in Kassel 1985 geboren und dort gestorben. Er hat nur noch einen Wunsch: dass die Straße Halit-Yozgat-Straße heißen soll. Die Mutter, Ayse Yozgat, wendet sich an die Angeklagte Beate Zschäpe und bittet sie zu reden und alle Vorfälle aufzuklären. Seit sieben Jahren könne sie nicht mehr richtig schlafen.

Praktisch unmöglich

Der Verfassungsschützer Temme ist die Schlüsselfigur. Warum war er am Tatort? Zufall? Hatte er das Internetcafé kurz vor der Tat verlassen oder war er noch da?, so wie die anderen fünf Besucher. Soll er dann beim Gehen das Opfer tatsächlich nicht bemerkt haben? Vor dem Oberlandesgericht schildert Andreas Temme als Zeuge seine Version. Er tut das nicht zum ersten Mal, sagte schon vor dem NSU-Untersuchungsausschuss in Berlin aus und gab Fernsehinterviews. Am 6. April 2006 chattete er knapp elf Minuten lang auf der Kontakt-Webseite I love.de. Nach 17:01 h loggte er sich aus und fuhr das Programm herunter. Er wollte zahlen, sah den Besitzer nicht, ging auf die Straße, kehrt zurück, ging nach hinten, wo die Toiletten sind und wieder nach vorne. Weil Halit Yozgat nicht da gewesen sei, legte er ein 50 Centstück auf den Tresen und verließ das Lokal. Sein Auto parkte davor. Temme will nichts gesehen, gerochen oder gehört haben, was mit dem Mord in Zusammenhang stand. Auch kein dumpfes Fallgeräusch. Und auf der Straße niemand, der sich näherte. Für die Version des Verfassungsschützers bleibt ein Spielraum von vielleicht 20, 30 Sekunden für die Verübung des Mordes bis zum Erscheinen des Vaters. Das ist praktisch unmöglich.

Hat der Verfassungsschützer etwas mit der Tat zu tun?

Wenn Temme nicht selbst der Mörder war, was die Staatsanwaltschaft ausschließt, muss er, auch wegen seiner Körpergröße von 1.90 Meter, zumindest das Opfer hinter dem Tresen liegen gesehen haben. Davon gingen auch die Ermittler aus. Dann aber war sein Weggehen eine Flucht, und er hätte etwas mit der Tat zu tun. Wo soll der Ladenbesitzer Halit Yozgat zwischen 17:01 und 17:03 Uhr gewesen sein, als Temme ihn gesucht haben will und ging? Halit wartete darauf, dass er jeden Moment von seinem Vater abgelöst wird. Er musste pünktlich weg, weil er einen Termin auf der Abendrealschule hatte. Immer, wenn er sich verspätete, sagt Ismail Yozgat vor Gericht, sei sein Sohn schon in der Tür gestanden.

Zunächst unter Tatverdacht

Der Mord geschah an einem Donnerstag. Der LfV-Beamte Temme hatte für Freitag frei genommen, er stand zusammen mit seiner schwangeren Frau vor einem verlängerten Wochenende. Von dem Mord will er erst am Sonntag erfahren haben. Am Montag ging er normal zum Dienst und meldete sich nicht als Zeuge. Das muss man als Verdunkelung werten. Die Ermittler kamen ihm auf die Spur und nahmen ihn zwei Wochen später, am 21. April, fest. Er stand zunächst unter Tatverdacht. Das Ermittlungsverfahren wurde im Januar 2007 aber eingestellt.

Richter: Wollten Sie sich raushalten, aus welchen Gründen auch immer?

Warum hat er sich nach dem Mord nicht gemeldet? Temme gibt sich zerknirscht. Er habe Angst vor dienstlichen Konsequenzen gehabt, denn in der Nähe gebe es ein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes, dort soll man eigentlich nicht auftauchen. Und er habe sich geschämt, weil er chattete, obwohl er jung verheiratet war und sie ihr erstes gemeinsames Kind erwarteten. Sein Auftritt ist ein Abbild von dem vor dem Berliner Untersuchungsausschuss im September. Wie damals stockt ihm auch jetzt die Stimme, er schluckt und redet scheinbar bewegt. Den vorsitzenden Richter Manfred Götzl beeindruckt das nicht. Er insistiert darauf, plausibel erklärt zu bekommen, warum ein Staatsbeamter sich derart verantwortungslos verhält. „Wollten Sie sich raushalten, aus welchen Gründen auch immer?“, fragt er. „Nein“, antwortet der, „wenn ich etwas wahrgenommen hätte, hätte ich das mitgeteilt.“ Und weiter: „Es war falsch, mich nicht zu melden. Ich glaube, ich habe mir meine Angst eingeredet. Ich verstehe mich ja selber nicht. Ich frage mich das seit sieben Jahren.“ Andreas Temme muss sich selbst erniedrigen, er muss diese Rolle spielen, um die wahrscheinlich wirklichen Hintergründe seiner Anwesenheit während eines Mordes zu verschweigen.

Kontakte gingen nach der Suspendierung weiter

Der Ex-Verfassungsschützer, Arbeitsname „Alexander Thomsen“, führte damals sechs Quellen – fünf im Bereich Islamismus und eine im Bereich Rechtsextremismus. Der V-Mann dort hieß Benjamin Gärtner (Quelle „GP 389“). Am Tattag telefonierte Temme zweimal mit ihm, mittags und etwa eine Viertelstunde nach der Tat. Inhalt unbekannt. Vier Tage nach der Tat traf er sich mit ihm, angeblich nur, um ihm seinen Agentenlohn zu geben. Von der VS-Arbeit Temmes und der Verbindung mit dem V-Mann Benjamin G. kennt die Öffentlichkeit bisher nur Bruchstücke. Von den Treffs im Jahre 2006 existieren keine Berichte. Bemerkenswert: die Kontakte zwischen Temme/Thomsen und Gärtner gingen auch nach der Suspendierung des Verfassungsschützers weiter, telefonisch, festgestellt bei Telefonüberwachungen Temmes. Und auch mit der Quelle „GP 389“ arbeitete das Amt nach dem Ausscheiden Temmes zunächst weiter. Sie soll 2006 dann abgeschaltet worden sein. Nebenkläger haben beantragt, Benjamin G. selbst als Zeugen in München zu hören.

Von zahlreichen V-Leuten durchsetzt

Benjamin Gärtner war schon V-Mann, als ihn Temme im Jahr 2003 übernahm. Er hatte Kontakt zur Kasseler rechten Szene, aber auch nach Thüringen und war 2001 bei einer Aktion des Thüringer Heimatschutzes (THS) in Eisenach festgenommen worden. Das war im Untersuchungsausschuss in Berlin zu erfahren. Zum rechtsextremen THS zählten auch Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe sowie die in München Angeklagten Ralf Wohlleben, Carsten Schultze und Holger Gerlach. Der THS war unter starker Mitwirkung des Verfassungsschutzes geschaffen worden und von zahlreichen V-Leuten durchsetzt. Ein führender Aktivist war der V-Mann Tino Brandt. Der Thüringer Verfassungsschutz wurde vom hessischen aufgebaut. Aus dem Thüringer Heimatschutz ging das spätere NSU-Netzwerk um Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und Wohlleben hervor.

Quellenschutz vor Aufklärung eines Mordes

Fragwürdig auch das Verhalten der Amtsleitung, nachdem sein Mitarbeiter in Tatverdacht geriet. Während des Ermittlungsverfahrens trafen sich sowohl seine Vorgesetzte der Dienststelle Kassel als auch der LfV-Präsident Lutz Irrgang persönlich mit Temme. Das Treffen mit der Vorgesetzten fand nicht im Dienstgebäude statt, sondern in einer Autobahnraststätte, quasi konspirativ, denn es sollte nicht von der Polizei abgehört werden können. Die Inhalte der Gespräche sind nicht bekannt. Den ermittelnden Kriminalbeamten wurde die Vernehmung der Quellen Temmes untersagt – verantwortlich: der damalige Innenminister von Hessen und heutige Noch-Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Quellenschutz vor Aufklärung eines Mordes, so die Maßgabe.

Demonstration von Migrantenfamilien: „Kein zehnter Mord!“

Die Ermittlungen gegen den Verfassungsschützer Temme umfassen 35 Aktenordner. Sie liegen dem Gericht nicht vor, sondern befinden sich bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Nach dem Auffliegen des Terrortrios im November 2011 übernahm sie das Verfahren. Noch nach dem Doppelmord im April 2006 an Mehmet Kubasik in Dortmund und Halit Yozgat in Kassel hatte sich die Behörde geweigert, die Ermittlungen zu übernehmen, obwohl bei allen neun Morden die selbe Ceska-Pistole benutzt wurde und der Zusammenhang bekannt war. Im Mai 2006 kam es in Kassel zu einer Demonstration von Migrantenfamilien unter dem Motto „Kein zehnter Mord!“ Doch die oberste Anklagebehörde schloss rechtsextreme und fremdenfeindliche Tatmotive aus und sprach von einem privaten Rachefeldzug eines Einzeltäters.

Hi, Alex, ich bin’s, Benny“

Nach dem November 2011 wurden sämtliche Ermittlungen der zehn Morde überprüft – auch die 35 Ordner zum Verfassungsschützer Andreas Temme. Allerdings waren sie an mehreren Stellen geschwärzt, wie der BKA-Beamte Michael Stahl vor dem Gericht zugeben muss. Auch, ob die Akten vollständig sind, kann er nicht sagen. Allem Anschein nach fehlten Unterlagen aus der Telefonüberwachung. Und auch die damaligen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Kassel gegen Temme liegen dem Gericht nicht vor. Mehrere Nebenklägeranwälte stellen den Antrag, alle diese Akten zum Prozess beizuziehen. Sie beklagen ein „Minus an Kenntnissen“ gegenüber der Bundesanwaltschaft. Deren Vertreter widersprechen. In den Akten gebe es keine Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung oder Hintergründe der Tat. Und auch zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Herrn Temme sollten sie nicht ins Verfahren eingeführt werden. Schließlich gäben sie Einblick in dessen Privatleben. Zum Beweis, dass die Akten doch wichtig sind, zitiert Rechtsanwalt Thomas Bliwier, der die Familie Yozgat vertritt, schließlich aus einem Protokoll der Telefonüberwachung Temmes. Ein Anruf von V-Mann Benjamin Gärtner auf dem Handy Temmes, den er nur unter seinem Tarnnamen Alexander Thomsen kannte. Auf der Mailbox hinterließ er den Satz: „Hi, Alex, ich bin’s, Benny. Es ist Post angekommen. Wenn du dein Handy anmachst, kannst du ja mal anrufen.“ Datum 28. April 2006, eine Woche nach der Festnahme seines VP-Führers.

BMI-Vertreter im Publikum „Rein privat“ dabei

Andreas Temme wird zu einem späteren Zeitpunkt erneut vernommen werden. Bleibt noch zu vermelden, dass im Publikum an diesem Tag zwei Ministerialbeamte aus dem Bundesinnenministerium sitzen, die als offizielle BMI-Vertreter die Sitzungen des NSU-Untersuchungsausschusses in Berlin begleitet haben. „Rein privat“, erklären sie, gefragt, ob sie dienstlich da seien.

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„Der Streik der GDL ist berechtigt! Solidarität mit den Lokführern!“ – Kommentar des Schwäbisch Haller Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21

„Der Streik der GDL ist berechtigt! Solidarität mit den Lokführern!“, schreibt das Schwäbisch Haller Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21. Hohenlohe-ungefiltert veröffentlicht den Kommentar in voller Länge.

Von Paul Michel, Schwäbisch Haller Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21

Auswirkungen des Streiks sind maßlos übertrieben

Seit die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) wieder zum Streik aufgerufen hat, haben das politische und wirtschaftliche Establishment unter eifriger Mitwirkung der Medien ihre bewährte Kampagne der Verleumdung und Desinformation wieder aufgelegt. Systematisch werden Falschinformationen über Ursachen und Hintergründe des Streiks verbreitet. Unternehmervertreter und Politiker der CDU übertreiben maßlos die Auswirkungen des Streiks und fordern offen die Einschränkung des Streikrechts.

Die Forderungen der GDL:

Die GDL fordert fünf Prozent Lohnerhöhung. Aber nicht nur das, sondern auch Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen und eine Arbeitszeitverkürzung. Denn bei der Deutschen Bahn AG wurde in den letzten Jahren der Arbeitsdruck stark erhöht. Im Sommer 2014 wurde deutlich, welche Ausmaße der jahrelange Personalabbau bei der Bahn angenommen hat, als der Mainzer Bahnhof wegen Personalmangels geschlossen werden musste. Allein in den ersten zehn Jahren seit der Bahnreform 1994 wurde der Personalbestand fast halbiert. Auch Bahnchef Grube hat den Personalabbau fortgesetzt. Die Beschäftigten schieben einen Koloss von derzeit acht Millionen (!) Überstunden vor sich her.

Überstundenabbau und Arbeitszeitverkürzung

Die GDL reagiert mit ihren Forderungen auf diese Zustände. Schließlich kann nicht sein, dass die einen sich kaputt arbeiten, während die anderen ohne Arbeit zuhause sitzen. Unter anderem will sie die Überstunden begrenzen. Weiter will die GDL die Arbeitszeiten verkürzen und dadurch Neueinstellungen erreichen.

Nein zur Bahnprivatisierung!

Und stimmt es, dass der Streik der GDL sich gegen die NutzerInnen der Bahn, also gegen die Bevölkerung richtet? Das Gegenteil ist der Fall. Die Bahn wird immer unzuverlässiger. Verspätungen, Zugausfälle und Pannen mutet die Bahn ihren KundInnen immer häufiger schon im Normalbetrieb zu. Daran sind nicht die KollegInnen schuld, sondern das Bahnmanagement: Personalabbau mit ihrer Spar- und Privatisierungspolitik. Einsparungen bei der Wartung von Zügen und Gleisanlagen wirken sich negativ auf die Qualität des Angebots der Bahn aus.

Entgegenkommen der Bahn? – Fehlanzeige

Es stimmt nicht, dass die Deutsche Bahn bisher der GDL entgegengekommen ist. Das Angebot der DB 4,7 Prozent plus 100 Euro Lohn bei einer Laufzeit von 30 Monaten entspricht aufs Jahr gerechnet gerade mal 1,9 Prozent. Uns weiß machen zu wollen, damit würde die GDL-Forderung von 5 Prozent auf ein Jahr erfüllt, ist schlicht eine Frechheit. Auf die qualitativen Forderungen der GDL geht die Deutsche Bahn AG gar nicht ein. Es gibt null Entgegenkommen bei der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung. Gegenüber den Forderungen der GDL nach strikter Begrenzung der Überstunden bleibt die DB AG vage und unbestimmt: Man habe „auch Maßnahmen zur Belastungsreduktion angeboten, so zum Beispiel die Einstellung von 300 zusätzlichen Lokführern im Jahr 2015“. Auch bei der von der GDL geforderten Gleichstellung der Rangierlokführer mit den anderen Lokführern mauert die DB AG.

Blockadehaltung der DB AG wird verschwiegen

Es ist ein Skandal, dass in der veröffentlichten Meinung und bei den Politikern der Regierungskoalition die Blockadehaltung der DB AG verschwiegen wird. Für die Zuspitzung des Konflikts sind vor allem die Bahnmanager verantwortlich. Angesichts der Sturheit und der Verzögerungstaktik der Deutschen Bahn AG bleibt der GDL gar nichts anderes übrig als vor der Verabschiedung des von der Bundesregierung geplanten „Tarifeinheitsgesetzes“ einen Abschluss zu erreichen. Denn durch dieses Gesetz würde der GDL faktisch die Möglichkeit genommen, mit Streiks ihre Forderungen zu untermauern.

Solidarität mit den Streikenden!

Die Forderungen der GDL sind berechtigt. Gerade jene Forderungen, die sich gegen die gigantischen Belastungen des Bahnpersonals wenden und den Abbau der riesigen Überstundenberge zum Ziel haben, sind auch im Interesse der BahnkundInnen. Oder müssen erst furchtbare Unfälle passieren, bis die Menschen erkennen, dass die Deutsche Bahn AG mit ihrem Personalabbau und der systematischen Überlastung ihres Personals die Sicherheit ihrer KundInnen gefährdet?

GDL-Aktivitäten sollten Menschen in anderen Branchen ermutigen

Dass die Mitglieder der GDL sich auch trauen, für ihre Forderungen zu kämpfen, sollte für die Beschäftigten in anderen Branchen eher eine Ermutigung sein, sich auch ihrerseits in ihrem Betrieb aktiv gegen schlechte Löhne, Überstundenberge und Personalabbau ähnlich entschlossen zu wehren wie dies aktuell die KollegInnen von der GDL tun.

Den Bahn-Märchen nicht auf den Leim gehen

Gehen Sie nicht den Märchen von Bahnchef Grube und seinem Personalchef Weber auf den Leim! Das Zugpersonal streikt für seine grundlegenden Interessen und für seine Grundrechte! Seien sie solidarisch mit den streikenden Bahnbeschäftigten.

Schwäbisch Haller Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21

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